FŒHN, Heft 15
Mai
1991

Die Preislage der Parteien

Wahltag ist Zahltag: Die Parteien haben uns für die jüngste Wahl 112 Millionen Schilling aus dem Budget gestohlen. Die Parteien haben sich im letzten Jahr zusätzlich 98 Millionen an Zuschüssen nach dem Parteiengesetz aus dem Budget genehmigt. Von unserm Geld. Die Parteien haben sich im letzten Jahr aus dem Budget weitere 65 Millionen für die Parlamentsklubs bewilligt. Von unserm Geld. Die Parteien haben sich dazu noch für die Finanzierung ihrer Parteiakademien im letzten Jahr 79 Millionen aus dem Budget gewährt. Auch von unserm Geld.

Dann: Vom ÖVP-Akademikerbund bis zu den SP-Kinderfreunden, vom schwarzen Kinderrettungswerk bis zum Bund Sozialistischer Akademiker, von der Freiheitlichen Frauenschaft bis zum SP-Pensionistenverband, vom Seniorenring (FP) bis zur Frauenhilfe (VP), vom ASKÖ (SP) bis zur Sport-Union (VP), vom schwarzen Mieterbund bis zu den Naturfreunden (SP) und vom Touristenverein (VP) bis zur roten Mietervereinigung — und zurück von den SP-Freiheitskämpfern bis zum VP-Wohlfahrtsdienst und von der Volkshilfe (SP) bis zur Widerstandsbewegung (VP), vom Ring freiheitlicher Studenten bis zum Verband sozialistischer Lehrer und vom Freiheitlichen Lehrerverband bis zur Sozialistischen Jugend reißen uns die Parteien das Geld heraus. Durch Zuteilungen aus dem Staatsbudget.

Sollen wir uns — nur weil es kurios ist — damit abgeben, was die FPÖ unter dem Titel Ring freiheitlicher Studenten zusammengerafft hat? Was die ÖVP unter dem Titel Union Höherer Schüler (ÖVP) sich zukommen hat lassen, sollen wir uns damit aufhalten? Uns noch eigens erhitzen darüber, was die Zuwendung an den Verband Sozialistischer Studenten Österreichs der SPÖ eingebracht hat, ist das nötig? Usw. Es sei eine Milliarde Schilling, die sich die Parteien mittels ihrer Ausläufer von Bund, Ländern und Gemeinden organisieren, sagt die Wissenschaft. Es ist eine Milliarde von uns, sagen wir.

Sie müssen uns dieses Geld stehlen, und jedes Jahr mehr, um uns Demokratie und Wahlen vorspielen zu können.

Wenn die Politiker auf ihre Gehälter zehn, zwanzig und mehr Prozent draufschlagen, um diese Gelder dann als sog. Parteisteuer an ihre Fraktion abzuliefern, so mögen dir diese 250 Millionen aus der Volkskasse viel erscheinen, allein: sie sind notwendig! Und es braucht es auch, daß die in die Aufsichtsräte der Staatsbetriebe entsandten Parteimitglieder zusammen mehrere Millionen an Sitzungsgeldern als sog. Parteisteuer an die Zentralen abliefern.

Wenn sich die Parteien Gesetze für ihre Steuerprivilegien beschließen (Einkommenssteuer, Ertragssteuer, Vermögenssteuer, Schenkungssteuer, Anzeigensteuer), und auf diese Weise uns weit mehr als 200 Millionen Schilling nehmen und sich geben, wenn sie durch die Steuersenkung für Parteispenden neuerdings mindestens 20 weitere Millionen sich zuteilen statt dem Staat, dann mag dir das als schwerer Diebstahl erscheinen, aber es ist nur kapitalistische Demokratie. (Indem sich die Parteien so hemmungslos bereichern, weisen sie sich bestens als glaubhafte Vertreter jener aus, die sie in Wirklichkeit vertreten.)

Auch dann, wenn sie sogar gegen ihre eigenen Gesetze das Land berauben: Daß sie zu versteuernde Gehälter nicht versteuern. Daß sie über Firmenkonstruktionen Mehrwertsteuer hinterziehen. Da zehn Millionen, dort fünfzehn, woanders zwanzig. Ohne Parteienkriminalität ist der Laden nicht zu schupfen. Der Schein einer Demokratie ist um vieles teurer als es eine Demokratie wäre. Um diesen Schein zu wahren, mußte sich die SPÖ 1990 allein an Presseförderung für die AZ 2,8 Millionen zukommen lassen und die ÖVP für das Neue Volksblatt 2,7 Millionen. Und als „Besondere Förderung zur Erhaltung der Medienvielfalt“ brauchte die ÖVP fürs Volksblatt 2,7 und für die Salzburger Volkszeitung 2,1 Millionen, so wie die SPÖ für die AZ 8,1 Millionen gebraucht hat. Weil das natürlich nicht reicht, mußte sich die SPÖ mit einer zusätzlichen sog. „einmaligen Förderung“ der AZ in der Höhe von 36,9 Millionen bedienen, während sich die ÖVP für ihre beiden genannten Blätter zusammen 22,3 Millionen aus der Volkskassa nahm. Insgesamt hat die SPÖ unter dem Titel Presseförderung im Jahre 1990 110 Millionen Staatsgelder auf die Seite gebracht und ihre Schwesterpartei ÖVP 65 Millionen. Daneben konnten natürlich noch Dutzende Partei-Zeitungen — von der Zukunft (SP) über die Freien Argumente (FP) bis zu den Österr. Monatsheften (VP) — bei der Publizistikförderung zusammen einige Millionen Schilling ergattern. Kann so ein verlogenes, verkommenes, verderbtes System Bestand haben? Natürlich nicht.

1966 haben die Parteien beschlossen, im Rundfunk und im Fernsehen gratis Sendezeit zu haben. 1990 waren das zusammen fünf Stunden Fernsehen zur besten Zeit und mehr als 24 Stunden im Radio. (Ihre Lobbies AK und HK, ÖGB und Industriellenvereinigung, die im ORF auch kostenlos Propaganda machen dürfen, wollen wir hier außer acht lassen.) Hätten die Parteien statt uns Gebührenzahlern das zahlen müssen, hätten sie 1990 allein für die TV-Werbung ca. 90 Millionen hinlegen müssen. Gar nicht reden wollen wir da von der unbezahlten Parteienwerbung in den täglichen ZiB- und den wöchentlichen Inlandsreport-Sendungen, den Fernseh-Pressestunden und den Radio-Journalen usw. Wir zahlen das, daß wir tagaus tagein beschissen werden. Aber so lange ist es ja vielleicht nicht mehr!

Wenn wir (s. Demokratie) gesehen haben, daß das nicht unser Staat ist, sondern ein gegen uns gerichteter Staat, so ist es nur zu gut verständlich, daß diesem Staat die Parteien unser ganzes Geld wert sind. Und da wir diesen Apparat nicht freiwillig (über Mitgliedsbeiträge und Spenden) finanzieren, muß uns das Geld eben genommen werden.

Mag sich da noch jemand aufregen darüber, daß die staatseigenen Betriebe, das heißt: wir!, über die Industriellenvereinigung zig Millionen an ÖVP und FPÖ zahlen? Oder darüber, daß die staatlichen Banken und Firmen, das heißt: wir!, den Parteien Unsummen mittels wirkungsloser Inserate in Parteiblättern zuleiten. Soll man sich darüber erhitzen, wie CA und Länderbank, Casino AG und Lotto-Toto-Gesellschaft, Tabakwerke und AUA, ÖMV und Verbund — um die Großfinanziers zu nennen —, auf diese Weise unvorstellbare Betrüge volkseigenes Geld in die Parteien buttern? Wenn in einer einzigen Nummer der Zeitschrift der Sozialistischen Akademiker akzente (5/88) allein vier staats- bzw. landeseigene Elektrizitätsgesellschaften „werben“ (KELAG, OKA, TKW, Verbund), ist das Prinzip klar. Aber „Ein Fall für den Staatsanwalt“ ist nur eine Sendung im Fernsehen.

Tut es da noch zur Sache, daß sich Parteipolitiker wie Flemming, wie Streicher, wie Fischler durch ihre Ministerien ganzseitige Anzeigenserien in den Massenblättern letztlich für ihre Person bezahlen lassen? Daß Minister unter tausend verschrobenen Titeln Parteiunterorganisationen mit viel Geld bedienen? Das Landwirtschaftsministerium, nur z. B., den ÖVP-Bauernbund, die SPÖ-Bauern und die Freiheitliche Bauernschaft, das Unterrichtsministerium, nur z.B., den Ring freiheitlicher Jugend, den Mittelschülerkartellverband und die sozialistische Kinderbewegung. Der Phantasie, auch mittels Scheinvereinen für die Partei zu Geld zu kommen, ist keine Grenze gesetzt, weiteren Ausführungen hier schon.

Sicher ist es bitter, daß wir fürs Getäuschtwerden soviel bezahlen müssen. — Aber, das ist die große Frage, sind wir bereit, auf diese Täuschung verzichten?

Daß wir natürlich die amtliche Ausrichtung von denen ihren Wahlen zahlen und natürlich eineinhalb Milliarden an Gehältern für aktive und pensionierte Partei-Abgeordnete, das nur, damit das so schrecklich Selbstverständliche auch gesagt ist. Brauchen die das, könnte man fragen. Ja, die brauchen das. Als die beiden großen Parteien 1986 Mandate verloren haben, haben sie sich - einzig logische Reaktion - umgehend ihr Budget erhöht. Die Parteien sind Geschwüre dieses Systems.

Aber, so hören wir nach all dem, die großen Gelder fließen gar nicht auf Bundesebene, sondern in den Landhäusern und Stadtparlamenten!Was sich da die Parteien einmal als Landtagsklubs, dann als Parteien im Landtag, dann für die Bildungsarbeit der Parteien, dann an Presseförderung, dann an Subventionen jeder Art für Unterorganisationen usw. genehmigen, ist noch nicht einmal zur Gänze entdeckt. Da werden lt. Rechnungshof auch noch kleinste Landgemeinden zur Zahlung an die Parteien genötigt und zig Millionen an Parteienförderung im Budget unter „Interessentenbeiträge an Institutionen im Inland“ versteckt. Kriminalität? Nein, Parteiendemokratie. Wenn man sagt, daß es vielleicht 600 Millionen Schilling sind, von uns einbezahlte Schillinge, die sich die Parteien österreichweit jedes Jahr aus den Länderkassen organisieren, hat man sich auf die offiziellen Geldflüsse beschränkt. Die Parteisteuer, die wir über die Gemeinden - die Innsbrucker Gemeinderäte haben sich z.B. unter dem Titel „Ausbildung und Schulung“ pro Kopf 87.500 S im Jahr für ihre Parteikasse genehmigt — zu entrichten haben, läßt sich nicht einmal schätzen. (Da sich die Innsbrucker Stadtpolitiker Gratisfahrten mit unseren Verkehrsbetrieben, Sondertarife in unserer Sauna, Gratiskarten für unsere städtischen Konzerte u.a.m. ergeiern, ufert die Sache aus.)

Nicht nur, daß nicht die Politik gemacht wird, die wir wünschen, wir zahlen auch noch die — drei Beispiele: Transitverkehr, Ausverkauf, EG-Anschluß — gegen uns gerichtete Politik. Wenn der unsägliche Andreas Khol im Nationalrat (27.3.87) sagt: „Die staatliche Förderung darf immer nur einen Bruchteil der Finanzmittel für die Parteien ausmachen. Ausschließlich staatlich geförderte Parteien lehnen wir ab!“ und die mehr als vorsichtige Politikwissenschaft (Rainer Nick / Hubert Sickinger) feststellt: „Gesamtstaatliche Parteienfinanzierung im Wahljahr 1990: über 2,1 Mrd.“, kann man nur sagen, wenn das ein Bruchteil ist, na dann servas! Die Offenlegungs-Gesetze haben sich die Parteien übrigens natürlich so gemacht, daß sie nichts offenlegen müssen.

Wir leben in einem Lande, in dem — wie ein großer österreichischer Dichter kürzlich schrieb, „alles seine Ordnung hat, seine alte, unerträgliche Ordnung“. Und damit diese hält, ist wirklich noch viel mehr Geld notwendig.

a) Nehmen wir an, du bist Mitglied des ÖGB. Du willst, daß die Gewerkschaft gegen die herrschenden Zustände ankämpft. Was tut sie mit deinem Geld? Sie stützt die Partei-Apparate. Der ÖGB hat nicht nur die FPÖ großgezogen (s. Olah-Skandal), sondern seit jeher SPÖ und ÖVP mit viel Geld versorgt. Aus dem ÖGB-Vermögen gehen Jahr für Jahr Millionenbeträge an die großen Parteien. Daneben fließen von roter und schwarzer Gewerkschaftsfraktion jeweils weitere Millionen ihren Parteimüttern zu. Was über den Weg von ÖGB-Inseraten in Parteiblättern in die Parteihauptquartiere gelenkt wird, ist kaum zu sagen. Ein hoher Funktionär der Eisenbahnergewerkschafter für Tirol und Vorarlberg hat kürzlich bekannt gemacht, daß seine Organisation den einzelnen SP-Bezirksorganisationen laufend „eine finanzielle Unterstützung“ (TT, 2.6.90) zukommen läßt. Und der ÖGB-Landessekretär hat damit geprahlt, daß „1,5 Prozent der ÖGB-Mitgliedsbeiträge automatisch in die Parteikassen der SPÖ fließen“ (TT, 17.7.90)

b) Nehmen wir an, du bist nicht Mitglied dieses ÖGB. Aber du bist natürlich Mitglied der Arbeiterkammer. Du lieferst, ob du’s willst oder nicht, weißt oder nicht, monatlich deinen Beitrag an die Arbeiterkammer. Jede Stunde, die der letzte ausländische Gatscharbeiter irgendwo robotet, füllt die Kassen der AK. Da läppern sich die Millionen, auf die woanders schon Parteikassiere warten. Die Millionen kommen entweder direkt über die AK-Fraktionen zu ihnen oder über AK-Inserate in Parteizeitungen oder über einen Umweg, so z.B., daß der von der AK geförderte ARBÖ in SPÖ-Zeitungen inseriert. Die SP-Fraktion in der Tiroler AK hat vor Landtagswahlen mehrfach für ihre Parteimutter eine dicke Zeitung tirolweit „An einen Haushalt“ geschickt. Die Millionen rollen aber auch direkt als Subventionen zu Parteiorganisationen und Unterorganisationen sonder Zahl bis zum Ring Freiheitlicher Jugend und dem Allgemeinen Sportverband der FPÖ (Tirol). 320.000 bzw. 300.000 Schilling bekommen die schwarze bzw. die rote Tiroler AK-Fraktion, um sie unter parteieigenen Verbänden aufzuteilen. In Salzburg, schreiben die Salzburger Nachrichten (23.8.90) soll zwischen SP- und VP-Fraktion ein Verteiler-Schlüssel existieren, nach dem die Finanzierung von Vorfeldorganisationen von SPÖ und ÖVP im Verhältnis 4:3 zu erfolgen habe. Auch in der Wiener AK wird nach Stimmenstärke aufgeteilt: 740.000 für die SPÖ-Jugend, 120.000 für die ÖVP-Jugend, Kinderfreunde (SP): 1,4 Millionen usw. Die Arbeiterkammern in Österreich sind gigantische Geldbeschaffungs-Apparate der Parteien. In der Steiermark — nur dort? — hat die AK diverse „Fonds und Geheimkonten, über die Millionenbeträge an Parteien und Funktionäre flossen“ (Profil, 27.8.90). Der dortige ÖAAB etwa hat von der AK zur Renovierung seines Vereinslokals 3 Mio. S bekommen.

c) Nehmen wir an, du bist nicht Mitglied dieser Arbeiterkammer. Dann bist du vielleicht Mitglied der Handelskammer. Geht es dem kleinen Gewerbetreibenden, der seine Umlage zahlen muß, besser? Wie die AK eine Service-Organisation ist, ist auch die HK eine - der Parteien. So wirft die Wiener Handelskammer dem ÖVP-Wirtschaftsbund mehr als zehn Millionen Schilling zu und den kleineren Fraktionen entsprechend weniger. Und die Tiroler Handelskammer läßt von dem Geld, das ihr auch die gegen ihre Politik gerichteten kleinen Unternehmer hereinbringen, 5,8 Millionen für den Wirtschaftsbund und entsprechend weniger für die roten und für die blauen Parteiorganisationen springen. Usw.

Es wird klar, daß wir die auf die uns vorgeschlagene Art nie wegwählen können.

Parteienkriminalität: Dabei haben wir die „Skandale“, wie sie Woche für Woche die Enthüllungsmagazine füllen, noch gar nicht erwähnt!

Von Krauland (wo Bundeskanzler Figl log solang’s ging), Haselgruber („Ich kauf mir jeden“), Polcar (20 Millionen für die ÖVP), Prinke (Wohnungseigentum-Spenden), bis zu Müllner (NEWAG-Millionen u.a. zum ÖAAB), Berger (Busek-BMW), Rabelbauer (10 Mille für zwei NR-Sitze), Tierkörperverwertungs-GesmbH., AKH, WBO, Schrack, Noricum, Bundesländer, Draken usw. Wenn sogar Busek sagt, drei Prozent an Provisionen seien bei großen Bauten üblich, wundert es nicht, wenn von der UNO-City bis zum Wr. Stadion jedes öffentliche Bauwerk von einer Parteienfinanzierungsgeschichte begleitet wird.

Aber diese Geschichten Profilausgabe um Profilausgabe widern die Leute nur noch an. Sie wissen es inzwischen wirklich, daß sie hier immer die Lackierten sind. Zweck dieser wöchentlichen „Skandalgeschichten“ ist es, vom Skandal dieses Systems abzulenken. Hier erfüllen die Enthüllungsmagazine eine systemstützende Aufgabe. Davon, wie hinter diesen Gaunergeschichten der ganz normale kapitalistische Wahnsinn weitergeht, ist nicht die Rede. Wenn wir uns bei einem aufgeschlagenen Profil entrüsten, spielen wir schon mit, wie es gewünscht wird. Dann fangen wir schon den Gedanken an, es könnte im Kapitalismus eine nicht korrumpierte Demokratie geben. Aber Geld ist zum Kaufen da. Das ist kein Auswuchs, der abzustellen wäre, sondern charakteristisch für die Wirtschaftsdiktatur, mit der wir als ganzes abfahren müssen.

Unternehmer-Parteien? Es ist nicht unverständlich, daß die Parteien für die stabile Verwaltung des Unrechts (s. Demokratie) auch vom großen Kapital ihren kleinen Teil haben wollen. Und daß die Geldsäcke sie satt finanzieren, zeigt doch, daß die Parteien ihnen was wert sind.

Es sagt sich so leicht: Die Parteien sind Unternehmer-Parteien. Aber es kann auch bewiesen werden. Nicht nur in dem Wortsinne, daß sie an einem Firmenkonzern hängen. Die ÖVP hat hinter sich ein Konglomerat von Betrieben aufgebaut — Heimatwerbung, Internationale Werbegesellschaft, Wohnbaufirma Austria und andere —, oder sollte man sagen, ein Konglomerat von Betrieben — FEG Fenster-Produktions- und Vertriebs GmbH & Co.KG, Agrarverlag, Österreichischer Wirtschaftsverlag und andere — hat vor sich die ÖVP aufgebaut? Der SPÖ gehört ein ganzes Sammelsurium von Unternehmen — Progess-Werbung, Druck- und Verlagsanstalt Gutenberg, Buchhandlung W. Frick und andere —, oder ist es richtiger zu sagen, die SPÖ gehört einem Sammelsurium von Unternehmen — Allgemeine Wirtschaftsholding, Leykam AG, Libros Buchversand GmbH und andere — ? (Grüne und Braune sind erst am Anfang, die KPÖ hingegen ist ein kleiner Filialbetrieb, ein Bauchladen höchstens, eines milliardenschweren Ostfirmen-Konzerns.) Was sie dabei als Steuerzahler oder Steuernichtzahler mit dem Staat aufführen, tut hier nichts zur Sache, denn das tut jeder Konzern mit dem Staat. Da kann es keinen erschrecken, wenn sich verbrauchte „Arbeitnehmer“-Politiker dazu hingezogen fühlen, sich als Unternehmer zu betätigen: Blecha (Mitropa), Lanc (Z), Androsch (Androsch International Consulting), Schmidt (Warimpex-Industriebeteiligungs-Gesellschaft) usw.

Trotzdem sind die Parteien vor allem in dem Sinne Unternehmer-Parteien als sie die Parteien der Unternehmer sind. Das ganze hat Tradition. Wie in Deutschland etwa der Flick-Konzern nicht nur heutige Politiker angemietet hat, sondern schon den seinerzeitigen Kanzler Hitler im Sold hatte, so wissen wir, wie in Tirol — nehmen wir — die Firma Sparkasse Innsbruck heute den Parteien Geld so zuschiebt wie sie schon vor fünfzig Jahren dem Gauleiter Hofer und seiner NSDAP solches zugeschoben hat. Die ausbaufähige Idee kommt aus dem Reich: Der „Zentralausschuß der Unternehmerverbände“ hatte dort eine „Adolf-Hitler-Spende“ eingerichtet, zu der jedes Mitglied 0,5 Promille der Lohn- und Gehaltssumme beizutragen hatte. Leiter dieser Stiftung war der Ruhrindustrielle Krupp. Die Vereinigung Österreichischer Industrieller (VÖI) hebt demgegenüber heute von jedem Mitglied 0,5 Prozent (!) der Lohn- und Gehaltssumme ein, um einen guten Teil davon den Unternehmer-Parteien, ÖVP und FPÖ voran, zuzuleiten. A. Pelinka hat die VÖI ganz richtig als „finanzielles Durchhaus“ bezeichnet (Standard, 19.12.88). Das Großkapital entzieht dem Staat legal und illegal Steuern, verschiebt zu versteuernde Gewinne legal und illegal ins Ausland, aber seine Parteien, die zahlt es.

Wenn, wie gesehen, dieser Staat nicht unser Staat ist, ist es auch richtig, daß seine Parteien auch nicht unsere Parteien sind. Schon vor zwanzig Jahren konnte der FPÖ-Chef prahlen: „Wir erhalten von der Industriellenvereinigung regelmäßig eine Spende.“ (Profil 2/70). Heute frohlockt der Finanzchef der Partei: „Ich glaube, daß heute bereits wesentlich mehr Unternehmer zur FPÖ tendieren als man wahrhaben möchte. Nach meiner Schätzung sympathisieren bereits rund 20 Prozent aller Mitglieder der Industriellenvereinigung mit der FPÖ.“ (Kurier, 22.5.90) Folglich „tendieren“ wohl an die 70 Prozent zur ÖVP, was sich in entsprechend saftigeren Kaufgeldern auswirkt. So wurde ihre VÖI-Gage bereits 1974 auf etwa 50 Millionen S im Jahr geschätzt, und spätere Forschungen haben lt. A. Pelinka ergeben, „daß die Spendeneinnahmen der ÖVP aus dem Bereich der Industriellenvereinigung rund um 1980 etwa 75 Millionen Schilling jährlich ausgemacht haben“ (Standard, 19.12.88). Das war zu einer Zeit als noch die Verstaatlichte mit rund 40 Prozent der Beiträge für den größten Posten der VÖI-Einnahmen sorgte, heute wird die VÖI von ausländischen Konzernen beherrscht und von ihrem Kapital geleitet. Das Ausmaß der VÖI-Spenden heute könnte man vielleicht aus Wirtschaftsdaten schätzen, man kann sie aber einfacher an der betriebenen Politik in Österreich ablesen. Darüber, wie die VÖI die österreichische Bundesregierung vor sich hertreibt, ist in FOEHN 12 viel gesagt. Die Erklärung „eines prominenten Mitgliedes der Industriellenvereinigung“ (Profil, 2/70): „Letzten Endes legen wir ja doch die Faust auf den Tisch.“ hätten wir gar nicht nötig gehabt. Zur Erinnerung eingeschoben: Wir reden von Demokratie.

Nicht umsonst — im wahren Sinn dieses Wortes — hat die Tiroler Industriellenvereinigung etwa ihren Geschäftsführer im Tiroler Landtag in der ersten Reihe sitzen und die VÖI-Zentrale einen ihrer Referenten als Finanz-Staatssekretär auf der Regierungsbank.

Alles dieses Geld kommt nicht aus einer privaten Notenpresse, auch das neben den Spenden über VÖI-Inserate in Partei-Medien ausgeworfene nicht, sondern ist von den Industrie-Arbeitern erarbeitetes und ihnen vorenthaltenes Geld.

Sagt man mit Recht, die Parteien sind Vorfeld-Organisationen des Kapitals, so ist die SPÖ insbesondere z.B. eine der BAWAG und des Konsum und die ÖVP insbesondere z.B. eine des Raiffeisen-Konzerns und der Bundesländer-Versicherung, in deren Wiener Palais Tedesco sie ihr Hauptquartier zu einem nur symbolischen Mietzins eingerichtet hat. Der Zugriff läßt sich schon von außen daran ablesen, wie üppig diese Geld-Giganten die ihnen angeschlossenen Parteien mit teuren aber werblich kaum effektiven Inseraten finanzieren (im Kalender des Tiroler Bauernbundes hat Raiffeisen unter verschiedensten Titeln siebzehn! Seiten mit Anzeigen belegt), die personellen Einbindungen von Parteifunktionären in die Konzerngremien, besser: die Einbindungen von Konzernfunktionären in die Parteigremien bestätigen es. Die ÖVP ist ohne jede Übertreibung eine an die pervertierte Raiffeisen-Genossenschaft angelehnte Partei: Aus diesem Konzern kommen Politiker, und von ihm werden die durchgefallenen wieder aufgenommen. Schließlich spendete auch die Raiffeisen-Landeszentralkasse Tirol 1987 einen 17 Jahre lang (mit — wenns stimmt — bis zu 150.000 S Gehalt monatlich) angelernten Alois Partl als Landeshauptmann. Ein warmes Austragpöstchen dort wird ihm demnächst nicht verwehrt sein. Jede Phantasie, die hier tätig wird, um das Gewirr von Strängen zwischen diesen Kapitalblöcken und den vorgeschobenen Parteien zu erahnen, wird von der Wirklichkeit verhöhnt. Trotzdem: Sollte ein Journalist da oder dort von Korruption und so reden, laßt euch nicht irremachen! Es ist nur kapitalistische Demokratie.

Weiter. Die hohen Schulden des Staates sind die hohen Gewinne der Banken und Versicherungen. Der Staat in absoluter Abhängigkeit von den Geldzentren. Von den 40 Milliarden Schilling Zinsen, die die Republik Österreich 1986 für ihre Schulden zu zahlen hatte, flossen 27 Mia. österreichischen Banken zu und vier Mia. hiesigen Versicherungen. Als kleines Dankeschön inserieren sie seit Jahren in Unmengen in den Blättern von SPÖ und ÖVP: BAWAG, BTV, CA, Erste, Girozentrale, Länderbank, Raiffeisenbank, ÖCI, Oberbank, Volksbank, Z; Austria, Bundesländer, Wiener Allianz, Wiener Städtische. Dazu haben die Geldhäuser das absolute Geschäft der Achtzigerjahre mit der Verstaatlichten-Politik der Regierung gemacht. Anerkennend inserieren sie seit Jahren in Unmengen in den Blättern von SPÖ und ÖVP: BAWAG, BTV, CA, Erste, Girozentrale, Länderbank, Raiffeisenbank, ÖCI, Oberbank, Volksbank, Z; Austria, Bundesländer, Wiener Allianz, Wiener Städtische. Auch die Milliarden an Einlagen von AK und ÖGB und HK sind den Banken Dank-Inserate in den Parteimedien wert.

Die Parteien sind zum Teil hochverschuldet, allein die kleine FPÖ hatte 1986 zugegebene Bankenschulden von acht, 1988 solche von 18, wahrscheinlich aber bereits von 35 Millionen (Wiener, 99/88). Das heißt, man kann sie mit Sonderkonditionen ganz schön lenken. Die Regierung hat gesetzlichen Einfluß auf das Kredit- und Versicherungswesen: „Ein mehr oder weniger versicherungsfreundlicher Finanzminister kann den Versicherungen Prämien mit mehr oder weniger ‚Speck‘ zugestehen.“ (Profil, 17.3.86) Banken und Versicherungen können’s mit ganzen Annoncen-Serien in den Parteiblättern danken. Gerade in den Führungszirkeln der Banken und Versicherungen treiben sich ganze Schübel von roten und schwarzen Parteifunktionären herum. Auch sie reißen Inseraten-Gelder für die Parteien heraus. Demokratie und so, das läßt sich ja da alles nicht mehr glauben!

In was investieren erfolgreiche Unternehmen ihre Spenden? Nur in renditeversprechende Geschäfte. Ford, Chrysler, Toyota, Siemens, Henkel, Allianz, Swarovski investieren via Inserate in die ÖVP. Aber da gibt es eine längere Reihe von Firmen, für die eine Parteispende zwar eine gute Geldanlage ist, die sich aber öffentlich nicht als Parteifinanziere anpatzen wollen. Die ÖVP z.B. hatte es in den letzten Jahren mehrfach mit Firmen zu tun, die Spenden steuerschonend als Inserate fürs Finanzamt abrechnen, die Inserate aber nie erscheinen ließen: Constantia, Neusiedler AG, Steirische Brau-Industrie, Steyr-Daimler-Puch, Wibeba u.a.m. (Die ganze Woche, 13.4.89) Die Dunkelziffer ist hoch. Auch die SPÖ rennt mit dem Vorwurf herum, „sie hätte Spenden von Firmen auf dem Umweg über dubiose Scheininseratenaufträge erhalten“ (Trend, 10/80). Da die Inseraten-Kosten zu 100 Prozent von der zu versteuernden Summe abgezogen werden kännen, d.h. die Auftraggeber je mehr Werbeanzeigen desto weniger Steuer zu entrichten haben, zahlt der Staat, du, ich, immer mit.

Oft besteht zwischen dem beworbenen Produkt und dem Leser einer Partei-Zeitung viel weniger an Zusammenhang als zwischen dem Anbieter und dem Parteikassier. Garanten solche Inserate sind die massenhaft in den Aufsichtsräten in- und ausländischer, staatlicher und privater Betriebe sich drängelnden Parteifunktionäre. So saß der Bundesfinanzreferent der ÖVP, Rudolf Gruber, Generaldirektor der EVN, in siebzehn Aufsichtsräten (CA, Montana AG, Interunfall, ÖMV, Universale, Siemens usw.), sein Nachfolger seit 1989, Josef Taus, steht ihm hinsichtlich seiner Verbindungen nicht nach. Daß den Firmen für geschaltete Inserate vielfach nicht Marktpreise sondern Luxuspreise verrechnet werden dürfen, hätte man sich fast denken können. Ein guter Teil der in Österreich mit dem Verdienstkreuz Ausgezeichneten, ist anzunehmen, wird für „Spenden“ damit belohnt. Tschuldigung, das nehme ich sofort zurück. Im Gegenteil: Ein guter Teil der in Österreich mit dem Verdienstkreuz Ausgezeichneten wird nicht für „Spenden“ damit belohnt.

Daß Firmen für öffentliche Aufträge in Form von Inseraten Bares an die Parteien zurückerstatten müssen, das sind schon wieder Profil-Geschichten, die dort unter „Skandal“ laufen. Es sind Schutzgelder, nichts weiter. Ein Eisberg hat es so an sich, daß man nur die Spitze zu sehen bekommt. Z.B.: Die Waffenfirma Noricum hat 1986 dem Waffenminister Krünes mit 100.000 S im Wahlkampf geholfen.

Wenn Flick, der in der BRD 840 Millionen der Steuer entzogen und im Verhältnis 95:1 auf sich und die willfährigen Parteien aufgeteilt hat, einmal der Salzburger ÖVP 40.000 DM und dann noch einmal 40.000 DM im Kuvert überbringen läßt und ein andermal der steirischen ÖVP einen ebenfalls fünfstelligen DM-Betrag, dann sind das Ablenkungsgeschichtchen. Wenn wir darüber rätseln, wer den Hubschrauber für den FPÖ-Obmann bezahlt, ob sein Generalsekretärsein Startgeld von 100.000 Schilling — „Bei uns in Tirol muß jeder Mandatar mit derselben Summe zum Wahlkampfbudget beitragen.“ (Standard, 3.10.90) — selbst aufgebracht hat, wer dem gewesenen Generalsekretär der ÖVP seines finanziert hat — „Ich habe ein paar Firmen angeschrieben und sie gebeten, in unserer Mitgliederzeitung zu inserieren.“ (Trend, 11/80) —, machen wir uns schon selber was vor.

Entrüsten wir uns nicht darüber, daß sie das tun. Entrüsten wir uns darüber, daß wir das dulden.

Konkreter zur Preislage dieser Politik am Beispiel Tirol.

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