FORVM, No. 445-447
März
1991

Die wahren Motive für die Intervention in Arabien?

Die wenig bekannten Hintergründe eines bekannten Eingriffs

Auf Jamaica erschien die nachstehende Analyse in „The Dayly Gleaner“, einer von zwei großen Tageszeitungen, am 13. Jänner, also zwei Tage vor Ablauf des UN-„Ultimatums“ — Waldheim war wohl grad in Amman oder schon wieder zurück, der jordanische König und Mitterand versuchten noch Frieden zu stiften. Als Europäer konnte man sich zwar nicht mehr denken, wie die beiderseits sorgfältig aufgebaute Sturheit den Krieg noch vermeiden lassen sollte, aber man mochte sich auch nicht vorstellen können, daß „die zivilisierte Welt“ sich tatsächlich angeschickt hatte, den Irak zu schlachten. Man hat hier ja so wenig Erfahrung mit Weltuntergängen und mit den U.S.A. Ein wenig südlich von Cuba und östlich von Panama ist’s offenbar möglich, die anders hautnah erlebte amerikanische Politik in Lateinamerika mit mehr Realitätssinn darauf zu übertragen, was andere Regionen erwartet. Nicht ob, sondern nur warum Bush den Krieg führt, frug realistischerweise der Autor des „Gleaner“, während unsere gemischten Gefühle noch in surrealem Hoffen verharrten. Gelobt sei die helle Klarheit des karibischen Klimas — in Kingston, auf Jamaica müßte man sein. - G.O.

Inmitten fast weltweit zustimmenden Kriegsgeschreis, das Präsident Bushs massive Intervention auf der arabischen Halbinsel begleitet, hat eine kleine Minderheit von nüchternen Beobachtern in den strategischen Zielen von Mr. Bush eigenartige Mängel an Klarheit entdeckt:

  • Will er Saudi Arabien verteidigen (und ist das Königreich wirklich in Gefahr)?
  • Will er den Irak aus Kuwait vertreiben?
  • Will er das, was er seltsamerweise als legitime Regierung von Kuwait bezeichnet, wieder einsetzen (und durch wen oder was ist sie eigentlich legitimiert)?
  • Will er Saddam Hussein absetzen oder gar umbringen (und durch wen will er ihn ersetzen)?
  • Oder will er nur den Irak einfach zurück in die Steinzeit bomben?

Noch weniger diskutiert jedoch wurde eine etwas andere, eher noch verwirrendere Frage: Warum haben wir uns eigentlich Hals über Kopf in den Wüstensand Saudi Arabiens gestürzt? Warum nur diese Hysterie? Warum die massivste Truppenkonzentration seit Vietnam, und warum die Stationierung fast unserer gesamten Armee, Luftwaffe, Seestreitkräfte, Marines und eines erheblichen Teils unserer Reservisten an diesem einen Punkt der Erde, wo die U.S.A. nicht einmal irgendwelche vertragliche Verpflichtungen hat?

Warum nur, warum?
Vier bis fünf Erklärungsmodelle

(1) Big guy, little guy. Was unsereinen verwirren kann, ist für General H. Norman Schwarzkopf, den Befehlshaber der amerikanischen Streitkräfte bei der „Operation Desert Shield“ kristallklar. Gereizt antwortete er auf Journalistenfragen: „Lesen Sie keine Zeitungen? Sie alle wissen doch, warum wir hier sind. Ein großer Kerl schlagt einen Kleinen zusammen und wir sind gekommen, um dem Einhalt zu gebieten.“ Der General verwendete offenbar eine Metapher, die uns aus der Polizeisprache geläufig ist. Ein großer Kerl schlägt einen Kleinen zusammen, und der Polizist an der Ecke greift ein, um den Aggressor zu stoppen.

Nur wirft die Metapher aus der Polizeisprache zu unserm Bedauern mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Nicht nur drängt sich die Frage auf: Warum sind die Vereinigten Staaten der selbsternannte Weltpolizist? Denn Polizisten, die einen Schläger flüchten und irgendwo verschwinden sehen, zernieren normalerweise nicht gleich die ganze Gegend, um ihn zu erwischen. Noch weniger denken Polizisten daran, gleich die ganze Gegend einem Flächenbombardement auszusetzen — in der vagen Hoffnung, daß es den Bösen dabei schon auch erwischen wird. Polizisten beachten in der Regel das eiserne Prinzip, daß unschuldige Zivilisten bei der Jagd nach einem Täter nicht zu Tode, ja nicht einmal in Gefahr gebracht werden dürfen.

Heilige Unschuld

Noch so ein unangenehmer Punkt: Man kann Regierungen mit Individuen nicht uneingeschränkt gleichsetzen. Wenn ein großer Starker einen kleinen Schwachen angreift, so verletzt er dessen Persönlichkeits- und Eigentumsrechte. Man kann nicht so tun, als wären Regierungen so etwas wie unschuldige Individuen, die auf ihrem Territorium ein heiliges Eigentumsrecht ausübten. Staatsgrenzen entstehen nun einmal in der Regel nicht durch schlichten Kauf, wie Privateigentum. Fast immer sind sie das Ergebnis vorangegangener Gewalt und Zwangsmaßnahmen der Regierungen beiderseits der Grenze. Wir können nicht davon ausgehen, daß jeder bestehende Staat innerhalb seiner — in der Regel zufälligen — Grenzen ein absolutes Recht hätte, sein Staatsgebiet als „Eigentümer“ zu kontrollieren.

Auch wirft das angebliche Prinzip vom U.S.-Polizisten, der alle Grenzen, besonders diejenigen der kleinen Staaten verteidigt, sogleich die nächste Frage auf: Wie war das eigentlich mit der Invasion der großen und starken U.S.A. im garantiert kleinen und schwachen Panama, vor gar nicht langer Zeit? Welcher Polizist legt der U.S.-Regierung die Handschellen an? Zur Rechtfertigung hieß es damals am Ende, die U.S.A. hätten in Panama die Möglichkeit freier Wahlen „wiederhergestellt“. Das wäre nun freilich eine drollige Begründung für die Intervention gegen den Irak: Kuwait wie Saudi Arabien werden von royalistischen Oligarchien absolutistisch regiert, in genauestmöglichem Gegensatz zu „Demokratie“ und „freien Wahlen“.

(2) Saddam Hussein ist ein ganzganz böser Mensch, der Schlächter von Bagdad. D’accord, allerdings war er schon der selbe Schlächter, als er noch kürzlich unser tapferer Verbündeter war, gegen die schreckliche Bedrohung des Golfs in Gestalt fanatischer Schiiten. Die fanatischen Schiiten gibt es dort übrigens immer noch, nur erscheinen sie plötzlich — ganz wie der Diktator von Syrien, Hafez Assad, der Schlächter von Hama [1] — wundersam verwandelt als tapfere Verbündete gegen Saddam Hussein.

(3) Aber eines Tages (in drei, oder vielleicht doch eher zehn Jahren) wird Saddam Hussein Atomwaffen haben. So what? Die U.S.A. haben Berge von Atomwaffen, als Folge des Kalten Krieges mit der Sowjetunion, die gleichfalls Berge von Atomwaffen hat, die sie schon besaß, als sie noch unser unerbittlicher Feind war. Warum reagieren wir heute deutlich hysterischer auf Saddam, als jemals auf die Sowjetunion? Nebenbei bemerkt: Israel hat Atomwaffen, seit langem, und Indien und Pakistan sind drauf und dran, wegen Kaschmir Krieg zu führen, und beide haben Atomwaffen. Warum machen wir uns darüber keine Sorgen?

Prinzipien

Die Berufung auf edle Prinzipien verhilft uns also zu keiner plausiblen Erklärung der amerikanischen Intervention. Deshalb versuchen es viele Beobachter mit ökonomischen Motiven.

(4) Der Ölkrieg. Saddams Invasion von Kuwait und die Bedrohung der übrigen arabischen Welt führt, so erklärte es uns eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, die Gefahr mit sich, daß jener zum „König des Öls der Welt“ wird. So stets wie stur hat man betont, die U.S.A. müßten den amerikanischen Konsumenten gegen eine astronomische Erhöhung der Ölpreise durch den Irak verteidigen.

Aber auch die Ölpreis-Erklärung wirft allerhand Probleme auf. Dasselbe Establishment, das sich heute wegen höherer Ölpreise um eine „Bedrohung des American way of life“ sorgt, wußte in den frühen 70er Jahren ruhig und gelassen zu reagieren, als die OPEC den Ölpreis vervierfachte, obwohl wir damals vom Öl aus dem Golf beträchtlich mehr abhängig waren. Warum gab es damals keine U.S.-Invasion in Saudi Arabien zwecks Senkung der Ölpreise? Und wenn man sich so viele Sorgen um den Konsumenten macht, warum fordern dann so viele Politiker Steuererhöhungen um saftige 50 Cents die Gallone?

Erbarmungslos begrenzt die Nachfrageseite, wie bei jedem Kartell, naturgemäß auch die Macht der OPEC, und so ist deren Macht zur Erhöhung der Ölpreise heute weit geringer als in den 70er Jahren. Fachleute schätzen, daß Saddam Hussein, hoch gegriffen und selbst wenn er den gesamten Golf erobert, den Ölpreis nicht über $ 25 je Barrel hochbringen könnte. Die U.S.A. hingegen haben es allein durch Embargo, Blockade und Kriegsdrohungen geschafft, ihn auf zeitweilig $ 40 je Barrel Rohöl hinaufzutreiben. Da ist doch die Annahme viel plausibler, Bushs massive Intervention verfolge eher den Zweck, den Ölpreis zu erhöhen, nicht ihn zu senken. Bedenken wir, daß Bush seinerzeit (als Vizepräsident) Saudi Arabien eigens besucht hat, um die Saudis zu einer Ölpreiserhöhung zu bewegen, berücksichtigen wir ferner seine langjährigen Verbindungen zu den Texanern und überhaupt zu den Großen im Ölgeschäft, und sehen wir dies alles vor dem Hintergrund der texanischen Wirtschaftskrise der letzten Jahre, so gewinnt diese Sicht der Dinge ein ziemlich hohes Maß an Glaubwürdigkeit.

Ölversorgung

Aber damit haben wir an die wahrscheinlichste Erklärung für Bushs Intervention noch garnicht gerührt, die nicht vom Ölpreis, sondern von der Ölversorgung, genauer gesagt von deren Gewinnen ausgeht. Sicher will Saddam die Kontrolle über das Öl, aber — so Joe Sobran ganz plausibel — weder um es, noch um die Konsumenten in aller Welt zu vernichten, denen er dieses Öl doch zu verkaufen hofft.

Die Rockefellers und andere Größen im westlichen Ölgeschäft sind innig verbunden mit den absoluten Monarchen von Kuwait und Saudi Arabien, schon seit den 30er Jahren. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg gewährte der saudische König Ibn Saud der von Rockefeller kontrollierten Aramco ein Monopol für die Ölförderung in seinem Herrschaftsbereich. Die Lizenzgebühren für die Konzession, 30 Millionen Dollar, zahlten übrigens die amerikanischen Steuerzahler. Die amerikanische Export-Import-Bank, ihrerseits im Einflußbereich der Rockefellers, legte für Ibn Saud bereitwillig weitere 25 Millionen Dollar dazu, für eine Luxus-Eisenbahn vom Hauptpalast zum Sommerpalast, und Präsident Roosevelt veranlaßte eine heimliche Zuwendung von 165 Millionen Dollar aus der Kriegskasse an die Aramco, für den Bau einer Pipeline durch Saudi Arabien. Damit nicht genug, war die U.S.-Army dem König mit dem Aufbau eines Stützpunktes in Dhahran gefällig, ganz in der Nähe der Aramco-Ölfelder, worauf die Anlage im Wert von vielen Millionen Dollar gratis an Ibn Saud übergeben wurde.

Es ist richtig, die Aramco wurde von der Saudischen Monarchie in den 70er Jahren schrittweise „nationalisiert“, die Veränderungen dieser traulichen Partnerschaft freilich waren dabei bloß verbaler Natur: Mehr als die Hälfte des saudischen Öls läuft weiterhin über das alte Aramco-Konsortium, das als Exportagentur auftritt. Dazu betreibt Rockefellers Mobil Oil — zusätzlich zu seiner Schlüsselrolle in der Aramco — mit der saudischen Regierung zwei riesige Joint Venture-Projekte, eine Raffinerie und einen petrochemischen Komplex, mit einem Investitionsvolumen von jeweils mehr als 1 Milliarde Dollar.

Raffinerien und Pipelines müssen ja auch gebaut werden, und Standard Oil of California (heute „Chevron“), ein Bestandteil der Aramco, hatte von allem Anfang an seinen langjährigen Partner Bechtel fürs Baugeschäft nach Saudi Arabien mitgebracht. Gesegnet mit besten Beziehungen (Bechtel hat amerikanischen Regierungen schon Minister wie George Schultz und Casper Weinberger gestellt), baut die Firma gerade Jubail, eine neue Industriestadt am Persischen Golf, Bauvolumen 20 Milliarden Dollar, und noch ein paar andere, über Saudi Arabien verstreute Großprojekte.

Spielverderber, Ölschurke

Nicht anders in Kuwait, dessen Emir in den 30er Jahren das Ölmonopol an die Kouwait Oil Co. übertragen hatte, das war damals ein Partnerunternehmen von Gulf Oil und British Petroleum, kurz BP; an ihr hält die unermeßlich reiche Herrscherfamilie der Sabahs heute gewaltige Anteile; die Riesenmengen an höchstwillkommenen Depositen der Familie wiederum befinden sich in der Verwahrung der Chase Manhattan und Citybank, die ihrerseits zum Einflußbereich der Rockefeller-Gruppe gehören.

Der Irak hingegen ist seit langem der Störenfried unter den ölproduzierenden Ländern, schon indem er sich dem Einfluß der Rockefellers und Wall Street entzogen hatte. So konnten, als sich die Krise am 2. August zuspitzte, die Wall Street-Banken einschließlich Chase Manhattan und Citybank freudig verkünden, daß sie gegen den Irak praktisch keine offenen Forderungen haben und daß er bei ihnen auch so gut wie keine Einlagen unterhielt.

Es kann schon sein, daß es sich bei dem Krieg des Herrn Bush um einen Ölkrieg handelt, aber nicht im Sinne einer heroischen Schlacht um billiges Öl für amerikanische Konsumenten. George Bush war, bevor er zum Vizepräsidenten avançierte, Mitglied des Exekutivkomittees der mächtigen „Trilateral Commission“ des David Rockefeller. Herrn Bushs eigene Ölbohrfirma, die Zapata, wurde von der Rockefeller-Familie mit Finanzmitteln ausgestattet. So mag dieser Ölkrieg in Wahrheit der höchst edlen Anstrengung gelten, die Kontrolle der Rockefellers über das Öl im Mittleren Osten zu behüten.

Ludwig Von Mises Institute [2]

Aus „The Gleaner“, Kingston, 13. Jänner 1991, p. 7 & 15
Deutsch von Christian Michelides

[1Hafıs el-Assad ließ 1983 in Hama, nach Niederschlagung eines radikal islamischen Aufstandes, 20.000 Einwohner prophylaktisch umbringen, so wird berichtet.

[2Ludwig Edler von Mises, geb. 1981 in Lemberg, 1913-1938 Prof. in Wien, gründete 1936 das Österr. Institut für Konjunkturforschung, emigrierte 1940 nach den U.S.A., ab 1945 Prof. in New York, wo er 1973 starb.

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