ZOOM 7/1997
November
1997

Ein Hauptverzeichnis liegt schon vor

für ingrid und otto

ein neues leben fängt man so nicht an! mit einem neuen aushilfsjob im sommerloch, der urlaubszeit und ach! schon war kaffee gekocht und warmgestellt: das neue leben zwingt in seine harten rollen. am abend schämt er sich bereits, es sei nicht recht in diesem scheiß, so rotweint es aus seinem hals heraus, daß er als aushilfskraft ein viertel mehr verdiene als die frauen, die neben ihm am fließband stehn, die gleiche arbeit tun. und er ist langsam, sie sind schnell, das kommt erschwerend noch dazu! vier wochen soll er nun an diesem fließband stehn. und licht fließt jeden tag herab durchs dach aus glas. was wollen wir, wer will nochmal, und daß mit seinem wort und wenn ers niederschreibt mehr als papier in dieser welt verändert wird? das hat er wirklich mal geglaubt. und heute mutet’s seltsam an und wenn ich selbst und er, und er und ich und hob die stimme hoch hinaus: den durchbruch, wie er sagt, den hat er nicht geschafft. den durchbruch schaffen heißt doch nur, so spricht der trost, der keiner ist, den schönen namen den man hat, millionenmal auf glanzpapier, am globoskop – und allerdings auch geld: fließband ade: er wollte markenzeichen sein. und das tun was er gerne tut: daran erkennt man leider nicht, was wertvoll ist. die störung wird bedauert.

er/zählt und plaudert, tippt ganz schnell: und muß und wieder: rhythmus spricht, der stil, die list im morgengrau und denkt dazu hier sollte stehn: die arbeit die das ich erschafft, das leben steht in büchern. und arbeitslied ist arbeitsleid. ist’s ernst, mit dem das schreiben schreibt? bedeutung stellt sich da heraus, so sagt ein buch, so lacht ein text, verhext verhext und schreibt ein ich: ums eck steht schon der firmenbus, ein starker motor klopft den takt: das tagebuch beschreibt verklebt, was multiplikation verspricht, gestaltet kaum den anspruch ordnet.

mir wiederholt sich das geschick und thermoskannen stehen da in herrgottsfrüh, wie man die tageszeit benennt. wir werden stundenweis bezahlt und wollen nicht nachhause gehn. doch birgit meint, uns fehlts im hirn: so langsam kann man sonst nicht sein, wenn neurologisch alles stimmt: so bläst das hirn so läuft die kuh ein hase hoppelt quer durchs feld. der tag ist kühl an diesem tag und öffnet mir ein merkdirheft: die arbeit untertags gäb abends freud am feiern. es gibt so viel, an das man denkt: und lerne nur, so hast dus auch, die stimme knallt ums lauscheohr. anschließend pfeift das vaterwort, und such dir einen reichen mann. die stimme lacht und danke sagt der abend, an dem kein fest gefeiert wird. der grund des herzens wird bestellt: ein hauptverzeichnis liegt schon vor!

und wer sagt nein, ein ausweg hier, ein ausweg dort und jenes licht, das durch das glasdach fällt, ist maximal verbesserung und aufstiegschance ist achnein und bauarbeiter sind bestellt und was bestellt ist wird bezahlt so spielt das denken artig mit, wenn jede seines, ihres tut. der bäcker bäckt im lesebuch, die bäckerstochter ist begehrt, die bäckersemmel schmeckt ganz frisch: dem faulpelz schmeckt sie aber nicht, so spricht schon wieder vaters herz ins unbesetzte tochterohr hinein. der vater spricht, ich schaufle schnee, der ist so weiß wie frische milch und dann erst im schlaraffenland, wo milch und honig fließen!

die fassung bebt und licht flammt auf. inzwischen treibt die wirklichkeit mit illusionen dummen scherz: er steht nur da, das heißt, er sitzt, das fließband läuft und dann machts FLUPP, so sagt die frau, steht neben ihm, das radio kitschigt ihr ein lied: es singt vom mann der sich entschloß und daran fast zu glauben schien, daß sein entschluß umständlich also liebe hieß und daß er frau und welt vermißt, die zwischenzeitlich ohne ihn zum schneegestöber werden muß: so singt das lied den ganzen tag und davon wird der kopf so schwer, daß fast der hals darunter knickt, als hielte man ein äpfelchen am stengelchen nach oben.

so sagt man: zeit für einen freien tag: man nimmt das nicht so ernst wie es dann ist. die kleinen bitten hört gott nicht: ein guter trost fürs trotzkopf-ich und birgits hände binden flink spagat um das paket.

der kugelschreiber war geweiht. er half einst bei der schularbeit. das ich schrieb gerne texte ab. die hand war warm vor sinngefühl, der lehrer nennt es eifer. nur dafür ist man auf der welt und nennt ein ich sein eigen. das möchte gerne leiden unter einer strengen pflicht. die pflicht beweist, man wird gebraucht. die welt, sie dreht sich unbeirrt, ob mit ob ohne mitarbeit: das läßt sich übelnehmen. was man als weltveränderung begriff, vermeintlich guten willens, schien gar nicht wirklich wichtig. doch steter tropfen höhlt den stein: ja doch ja doch und wie der kleine vogel seinen schnabel wetzt am berg aus diamanten, so wetzte das ich die feder. das federquietschen füllt ihm raum und ohr: als werbespot für lebensmut. es sang in jenem feinen rot, in dem auf seinen wangen adern glühn. ein hauptverzeichnis liegt schon vor! nun packen seine hände zu, sodaß das fließband überfordert ist. so könnt er wenn er wollen würd! und ist jetzt schneller als die frauen, die ihn mit bösen blicken aus dem sinngefüge schütteln. er ist so blöd, das sagen sie zuhause. denn was man können wollen könnt, das zeigt man nicht, sonst wirds zur pflicht und druck entsteht: versteht er das? und birgit fragt inzwischen freundlich nach, was neurologisch bei mir zu untersuchen ist.

durch jedes schneegestöber gibt es einen weg: mit gottvertraun! dank jener menschen, die nichts anderes gelernt. sie stehen im orangen dress und schultern ihre schaufeln. es muß ja jemand schaufeln. so hat ein jeder seinen platz im volksschullesenlernenbuch. der vater nickt. des lebens unglück gilt als licht, solang man weiß wofür man lebt und webt und daß im nächsten morgengrau die endstation der linie J von schnee und eis befreit ist. und ohne sorgen kann ein jeder, eine jede hier des eignen weges gehn. ach, manchmal weht der lebensmut wie schnee vorbei!

(was schreibst du da so rasend schnell – besteht begründeter verdacht, ich spielte ein computerspiel, so heiß begehrt, nun weggelöscht, von mir, von mir, von mir. es ist schon eine wahre kunst, die suche, sucht dorthin zu tun, wo sie nicht wehtut oder stört. ich schau ins schneegestöber raus. gerade war noch sommer. der glatte weg, oranger dress, rundum wird man bedauert. er hat ein herz, sie hat ein herz, schnee fällt in tiefe lagen.)

der reichtum ist kein frommer wunsch. der widerspruch als arbeit macht den werktag letzter schrei und fragt nicht wie und nicht warum: ich stehe hier und habe heute unerwartet viel zu tun. alle pullover sind gleich groß, das darf nicht sein, das kann man schlecht verkaufen. so schneiden wir mit einer schere das größenpickerl flink heraus, ein andres wird hineigeklebt: aus M wird S: ein lager voll pullover. das dauert lang, viel länger als ich dachte, ja! erfahrung hat nur stellenwert des einzelunternehmens. doch holpert hier das sprechen. ich bin zu langsam, birgit lacht, die fließbandfrauen singen. und wenn er abschreibt, läuft ein band. die finger krachten, taten weh, das hieß er war erwachsen: erwachsen kommt von wichtig. das kommt vom schweiß im angesicht und goldmarie geht wieder mal vergeblich unter einem alten brückenbogen durch: das gold fällt nicht als regen. der grund des herzens wird bestellt. ein hauptverzeichnis liegt schon vor.

das schneegestöber wurde bild: die dinge nehmen logik an und sünde jagt den tag nun vor sich her. es ist die angst. sie wischt und fegt wies geister tun. im leintuch hat sie schlitze. durch diese schlitze schielt sie. ich will nicht, rutscht heraus.

dann steht das schneegestöber still: momentaufnahme nennen wirs: wir sind orange im gassenklo. wir sind jetzt still und müde. und ich und er, wir sehn uns an, noch sind wir jung und wollen hier nicht bleiben. wir bleiben nicht: liegt in der luft und die wiegt schwer. wir machen einen schluck vom schnaps. und unser wir ist plötzlich klein. der schnaps gehört uns nicht und der orange dress: er paßt uns nicht und wir, wir machen das nicht mit. der schnaps lacht hell und dunkel auf. ja glaubt ihr denn, so sagt man uns, wir hätten daran nicht gedacht, ja glaubt ihr denn, man kommt zur welt als irgendwer, der als berufswunsch schreibt, er wünsche schnee zu schaufeln? und jalousien rasseln streng: ein jeder egoismus rächt sich bitter, hart und zart. und schneegestöber stellt sich wieder ein.

verzeihung, nein, sagt dieser text. und: bitte nicht!

ein schöner klarer wintertag bricht an. wir haben geld verdient in dieser nacht und unsre hände zählen es der schönen bäckerstochter hin für brot. inzwischen werden irgendwo grad schi gewachst. das licht läßt außenwelt herein. es zeigt der arbeit was sie ist: sie schlottert, stottert, ungeheizt, sie ist ein riesenplastilin, ein schürzenkleid, ein meldeschein, das herz der mund die botschaft steht: so wird struktur gewickelt wie ein eisendraht um spulen. und drin entsteht ein stromgefließ, nein, ein kakao wird warmgemacht: reg dich nicht auf, trink nicht so viel, wirf nicht soviel tabletten ein. die morgenstund macht weiter. sie hat nicht wirklich gold im mund und langsam fährt die straßenbahn begegnet uns im schaufeldress und was niemand zu wissen braucht, das darf man niemand sagen.

der weg ist eine reifenspur, die purpurspur, ich bin es nicht. wer nicht gebraucht wird, ist allein. da kommt das her. die hand ist heiß, die einem warmen ofen seine kekse buk. es ist ein spuk, der vater spuckt und lebenssinn fliegt durch die luft: als kleines speicheltröpfchen. und danke, daß ich dürfen darf, ist schnell gesagt und aller laster anfang fault: so spricht die sprache, wie sie lebt. durchs fenster weht es kalte luft. ich seh den alten lehrer vor mir stehn, der eh er starb noch in mein stammbuch schrieb, daß saure wochen frohe feste machen. der grund des herzens wird bestellt. ein hauptverzeichnis liegt schon vor!

tages arbeit, abends gäste, saure wochen, frohe feste: dieses sei dein zauberwort – was reimte sich auf zauberwort? es scheint als wäre schon vergessen, was unvergeßlich bleiben sollt’. perfekter tag. wir wollen nicht. ein hauptverzeichnis liegt schon vor!

und jede hand führt in den mund! auf einem feld da stehen wir und reißen aus den stauden mais mit einem ruck die blüte, die bald blühen will heraus. der mais befruchtet sich sonst selbst, das soll er nicht, das darf er nicht, es soll die eine sorte mit der andern sich vermischen. die aushilfskräfte, die sind wir, wir gehen durch die reihen und reißen an den blüten an, die halben pflanzen geben nach, doch wenn es uns und es passiert, daß wir der pflanze allzuviel herausgerissen haben, dann stecken wir das blattgewirr ganz einfach oben wieder rein, es tut für ein paar stunden noch, als wär es festgewachsen, erst nachher wird es langsam welk und in den nächsten tagen braun. bis dahin sind wir ausbezahlt. wir sollen nicht zu schnell und nicht zu langsam sein. als fließband sind wir angestellt. und als es regnet, will marie trotzallem nicht nachhause gehn: das fahrgeld hat sich nicht gelohnt, so wenig haben wir verdient und wir sind nicht aus zucker. der mais steht rund um goldmarie der regen fließt an uns bergab. wir sehn uns an: noch sind wir jung und wollen hier nicht bleiben. glaubt irgendwer, man kommt zur welt, und als berufswunsch stellt sich ein, daß man durchs maisfeld geht und rupft? die jalousien rasseln streng.

man fragt nicht lang, verkauft die zeit. und arbeitnehmer ist, wer nimmt. so spricht die sprache wie sie spricht: ein hauptverzeichnis liegt schon vor. und nur im austausch kriegt man das, was lebenswerk genannt wird oder unterhalt. ob es als zeugnis gilt? obs irgendjemand hilfreich ist? obs irgendjemand schadet? ein harmlos unterfangen ist das kleben falscher schilder in falsche kleidergrößen rein. bloß, daß ein mensch, kauft er nun groß, kauft er nun klein, mit mittelgroß nachhause geht, weil es nur diese größe gibt.

wer holz schleppt, schlichtet ist begehrt und einen kurzen augenblick erkennt ein ich die nötigkeit und dann fragt eine alte frau, ob ich ihr als gefälligkeit den alten holzstoß – hier gehts lang – im nebenkeller schlichten will. die nach mir jobben hat mein arbeitseifer sicherlich gereut, weils löhne drückt und trinkgeld spart, obwohl so eine alte frau noch nicht als leichtlohngruppe spricht. des lebens mühe gilt als licht, solang sie einhakt, unterstützt und vaters lebenssinn verklebt, was multiplikation verspricht und probe aufs exempel.

nun ein paar fragen: macht es sinn, daß irgendetwas gratis ist? wie ein geschenk? und ändert sich die welt, wenn jemand sagt: ich tu nichts mehr: ich zeichne nicht mein markenzeichen in den sand? und ändert sich die welt, wenn gegenteiliges passiert? ein hauptverzeichnis liegt schon vor. kein gold aus stroh, kein hans im glück, kein schritt zurück. und wenn das märchen davon spricht, daß es mit jenen freundlich ist, die schwitzen und im winter dünnes schuhwerk tragen, so ist ein teil der botschaft auch, das märchen ist nicht wirklich. und doch belohnt es jeden fleiß und sagt, wie schlecht die faulheit ist, die doch aus jedem paradies, aus dem schlaraffenland uns winken will. hier liegt ein mißverständnis vor und wertvoll hallt im leeren raum und goldmarie bäckt uns das brot. ich will ihr gerne geben was sie braucht: butter und salz, eier und schmalz? und jene freundin heißt marie, die in der kleinen küche das eiklar rührt und rührt zu schnee sie trägt die blaue schürze.

das sprechen zieht in seinen bann! ich sage nein, ich schreibs so nicht, weil diese sprache – achtung! – zwingt, weil diese sprache kracht und zwickt und wenn kredenz kredenzen meint, was meine ich? gib acht gib acht, und wie? ach was! kollegenschar, ach ja, die frauen, mitgemeint und doch, man schmunzelt insgeheim, die wichtigkeit ist abgeschafft und jeder, jede sieht, TRARA, nur das was sie zu sehen meint: geschichten zu erzählen sei, da lacht das herz, schon längst passé, als job, man dankt, und da und dort spricht jemand laut vom zierfisch hinter einem stein, wer möchte denn kein zierfisch sein?

der wunsch nach ohne sorge sein fällt hin. ein pflaster wird aufs knie geklebt. das war ja ich, ein wunsch mit job, und rechnen um und rechnen aus doch heute trinken wir ein bier. das rechnen hält ein wir auf trab, das nicht im traume daran denkt, daß es noch andres denken gibt, als: wieviel schilling kriegen wir als flaschenpfand jetzt noch zurück und geht es sich dann wirklich aus, daß man den teuren käse kauft? ob guter tee die rettung ist? doch ohne brot wird gar nichts gut: dort wo spinat am gasherd kocht, dort will ich mit dir wohnen. und abends schleicht die müdigkeit umher, indes der alte lehrer mir ins stammbuch schrieb, daß abends zeit zum festefeiern sei! bescherung heißt auch gabentisch. die fantasie bemüht sich sehr, ein bild der freundlichkeit zu sein, sie sucht den weichen kohlestift, die zeit tritt auf, als ob es gilt und ihre hände sind voll staub, sind voll tabus. der abend ist ein reißverschluß, ist fließband oder armatur. des nachts fällt schnee – die worte wolken ihn herbei. ein kind tritt aus dem kinderzoo ins küchentafelbild herein: es schlägt die eier, rührt das klar – das licht wird jetzt ein tier aus plüsch. es trägt den namen goldmarie: der grund des herzens wird bestellt: ein hauptverzeichnis liegt schon vor.

es geht hier nicht nur um funktion SCHWUPPSCHWUPP. das funktioniert als schraubverschluß, als tauschwert oder peinlichkeit. wer solches denken jenem fließband als metafer gab? und daß, was immer man auch schrieb und sprach, es war ein text, wie schaut das aus und äugelt lieb mit jener macht, die markenzeichen produziert: und parodiert. die jungen männer treten auf als werbespot für lebensmut? und goldmarie spielt nebenher ein backebacke kuchen? ach, manchmal weht der lebensmut als aushilfskraft vorbei: und neurologisch wird geklärt, daß jedes sich erinnern nur längst vergessenes versteckt. vergleiche das, was man erzählt, mit ferngesprächen nach paris. das gibt es nur im fernsehfilm und alles lacht. im morgengrau sind alle gleich und ich sag HALT zu dem symbol, synchron mit dem synapsensprung

JETZT SPRICHT ALLEIN DIE HAND:

sieht jemand sinn darin, daß alles bleibt, so wie es ist?

wer oft im schnee steht, der vergißt ...

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