FORVM, No. 366
Juni
1984

Ein Zeitalter geht zu Ende

Manifest

Das schöne Land Österreich wird immer häßlicher.

Die Betonierwut der Technokraten; die Gefühllosigkeit der Politiker; die Brutalität zügelloser Produktion; die ebensogroße Lüge vom Konsumglück; eine allen politischen Lagern gemeinsame Verachtung von Geist, Vernunft und menschlichem Gefühl haben es dahin gebracht:

... unsere Städte sind häßlich und unwirtlich geworden;

... unsere in Jahrhunderten gewachsenen Kulturlandschaften werden zerschnitten, verwüstet, zerstört;

... unwiederbringliche Naturschätze werden verbetoniert, verstümmelt, dem kommerziellen Ausverkauf preisgegeben;

... alle jene Tugenden sterben aus, ohne die eine Gesellschaft nicht gedeihen kann. Verroht und verwahrlost sind Sitte, Sprache und Gefühl für nachbarschaftliche Solidarität.

Wir stellen traurig fest, daß das Schöne in keinem Parteiprogramm auch nur erwähnt wird.

Das Schöne wie das Gute sind aber die beiden fundamentalen Maßstäbe allen menschlichen Tuns und Denkens.

Die pausenlose Verhäßlichung unserer Welt ist ein Skandal.

Machthaber sind ja oft unerquicklich, aber die früheren haben wenigstens Schönheit hinterlassen. Die heutigen zerstören sie.

Wir zweifeln nicht daran, daß sich die Frage nach der Schönheit sehr bald zu einer Überlebensfrage nicht nur der politischen Parteien, sondern unserer Demokratie überhaupt entwickeln wird. Der Widerwille gegen die Verhäßlichung unserer Welt wird in vielfältigen, auch politischen Formen immer deutlicher: in steigender Alltags-Aggressivität, zunehmender innerer Emigration aus dem Leben der Gesellschaft, immer größerer Entfremdung vor allem der jüngeren und sensibleren Menschen von der herkömmlichen Politik.

Ein Zeitalter geht zu Ende, ein neues beginnt. Die Menschen merken es, die meisten Politiker nicht. Die tägliche Vernichtung von Schönheit muß aufhören.

Wir fordern alle politisch Tätigen, die Parteien, aber auch unsere Journalistenkollegen in allen Medien auf, dem Schönen Aufmerksamkeit, Schutz und Hilfe zu gewähren.

Wir fordern die Machtausübenden auf allen Ebenen, vom Minister bis zum Sachbearbeiter, vom Landeshauptmann bis zum Bürgermeister der kleinsten Gemeinde, vom Kammerpräsidenten bis zum Betriebsrat auf, alles in ihrer Macht und ihrem Einflußbereich zu unternehmen, was eine Vermehrung der Häßlichkeiten verhindern kann.

Wir verlangen, daß die Schönheit in ihre uralten Rechte wiedereingesetzt wird.

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