Eiszeit im Sommer
Am 28. April wurden zwei Franzosen bei der Einreise in die Tschechoslowakei festgenommen, Gilles Thonon und Françoise Anis. Sie hätten „subversive Dokumente“ und Geld für die tschechische Opposition mitgebracht, meldeten die CSSR-Behörden (4000 DM, wurde später bekannt). Im Gefolge dieser Festnahmen wurden mehr als 30 tschechoslowakische Bürger verhört und einige von ihnen verhaftet.
Olga Havlova wurde länger als 48 Stunden auf der Polizei festgehalten. Ihr Schwager, Vaclav Havels Bruder Ivan, ein Naturwissenschafter, ist auf freiem Fuß angeklagt. Eva Kanturkova, die das hier abgedruckte Gespräch mit Olga Havlova führte, ist ebenfalls verhaftet und sieht einem Prozeß entgegen. Die Partei will offenbar mit allem, was an Charta 77 und offener Opposition in der CSSR noch kreucht & fleucht, gründlich aufräumen.
Zu den acht Verhafteten von Anfang Juni gehören weiters: Jan und Jiri Ruml, Jana Siklova, Jaromir Horec, Jan Mlynarik, Karel Kyncl, Milan Simecka. Acht weitere Oppositionelle sind ebenfalls der „Diversion“ angeklagt (§ 98, Abs. 1 und 2 des Strafgesetzes), aber nicht im Gefängnis: der frühere Außenminister Jiri Hajek, Josef Jablonicky, Karel Holomek, Zdenek Jicinski, Mojmir Klansky, Miroslav Kusy, Ivan Havel und Jiri Müller. Strafrahmen: bis zu zehn Jahre Gefängnis.
Die tschechischen Behörden sind übrigens nicht unbeeindruckbar: eine breite Solidaritätskampagne in Frankreich führte — drei Wochen nach der Festnahme — zur Freilassung und Abschiebung der beiden Franzosen.