FORVM, No. 240
Dezember
1973

Energiekrise — ein Konzerntrick

Wie die Multis mit Auf- und Zudrehen die Profite hochschaukeln

1 Sieben Schwestern

Die Energiekrise, die vor allem von den internationalen Erdölkonzernen hochgespielt wird, zeigt sich auf zwei Ebenen. Erstens hat die Verknappung der natürlichen Energiereserven eine Verteuerung der Gewinnung, Verarbeitung und Verteilung zur Folge. Diese Tendenz ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs festzustellen und macht sich jetzt allgemein unangenehm bemerkbar. Bei gleichbleibender Struktur der Erdöl- und Bergbauindustrien werden die Brennstoff- und Energiepreise stetig weiter steigen. Infolgedessen wird es für die ärmeren Bevölkerungsschichten immer schwieriger werden, sich ausreichend mit Energie zu versorgen.

Zweitens sind die Bodenschätze begrenzt. Wenn die gegenwärtigen Wachstumsraten anhalten, werden um die Jahrhundertwende, sicherlich aber um die Mitte des nächsten Jahrhunderts, die Reserven wesentlich verringert, vielleicht sogar schon erschöpft sein. Erdgas und Erdöl werden dann knapp sein. Sogar die als reichlich eingeschätzten Kohlenreserven werden zur Neige gehen, wenn Kohle in größerem Maßstab als Grundstoff für synthetisches Gas verwendet wird.

Dieses Problem wird verschärft und seine Lösung erschwert durch die Energieindustrie, die großen Erdölkonzerne, die in den letzten fünfzig Jahren die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen in Energiefragen weitgehend beeinflußt haben. Der Wirtschaftszweig wird von sieben Gesellschaften beherrscht, den sogenannten sieben Schwestern, nämlich Standard Oil Co. of New Jersey, Texaco, California Standard, Gulf, Mobil, Shell und British Petroleum. Sie kontrollieren zwei Drittel der Weltproduktion und beherrschen Raffinierung, Transport und Vertrieb von Erdöl- und Erdgasprodukten. In den Vereinigten Staaten verfügen sie auch über einen beträchtlichen Anteil an der Kohlen- und Uranförderung, der chemischen und petrochemischen Industrie, der Kernenergieproduktion und der Herstellung von Atomkraftwerksanlagen. Und vielleicht das Wichtigste: Die großen Erdölgesellschaften sind die einzige Informationsquelle der Regierung, was das Ausmaß der Reserven an mineralischen Brennstoffen betrifft. Sie dominieren auch in der Erzeugung synthetischer Brennstoffe.

Faktisch bilden diese Mammutmonopole eine privatwirtschaftliche Energieverwaltung. Jede Analyse der „‚Krise‘‘ muß mit einem kurzen Überblick über die Operationen der Erdölkonzerne in den letzten Jahren beginnen.

2 Mattei: Konkurrent stürzt ab

Die Ursprünge der Energiekrise liegen mindestens zwanzig Jahre zurück. Einer der Ausgangspunkte war das Jahr 1953, als im Iran Ministerpräsident Mossadegh durch einen von der CIA inszenierten Putsch gestürzt und der Schah wiedereingesetzt wurde. Mossadegh hatte die iranische Erdölindustrie, die bis dahin in britischem Besitz gewesen war, nationalisiert. Nach der Rückkehr des Schah entsandte Eisenhower Herbert Hoover junior als seinen Emissär nach Persien. Hoover organisierte ein Konsortium, das die iranische Erdölindustrie übernahm und dem außer britischen, französischen und holländischen Gesellschaften zum ersten Mal in der persischen Geschichte auch amerikanische Konzerne angehörten. Die Amerikaner stiegen in eine britische Domäne ein.

Doch das neue Erdölkonsortium beging den Fehler, sich gegen (die Beteiligung anderer Länder, insbesondere Italiens, zu sperren. Dies brachte den Chef des staatlichen italienischen Konzerns ENI, Enrico Mattei, zu dem Beschluß, das anglo-amerikanische Erdölkartell zu sprengen.

Unmittelbar nach der Suezkrise im Herbst 1956 sah Mattei seine Chance gekommen. Während die Stimmung gegen die Briten und die Franzosen war, veranlaßte er das iranische Parlament, ein neues Erdölgesetz zu beschließen, in dem die bislang noch nie dagewesene Möglichkeit gemeinsamer Unternehmen zwischen persischen und ausländischen Firmen vorgesehen wurde (bis dahin waren die Schürfrechte einzelnen Konzernen auf der Basis von Konzessionen erteilt worden). Italien und der Iran fanden sich dann zu einem solchen Unternehmen zusammen. Es wurde eine gemeinsame Firma gegründet: die Italiener streckten das Kapital vor, die Perser stellten die Arbeitskräfte. Wurde Öl gefunden, sollte Italien das erste Anrecht darauf haben, der Iran aber 75 Prozent der Profite erhalten.

Dieses erste gemeinsame Unternehmen war ein Schock für die Ölkonzerne; sie sahen darin eine Verletzung aller Spielregeln des Nahostgeschäfts, weil hier ein erdölproduzierendes Land nicht nur einen hohen Profitanteil erhielt, sondern auch die Mitentscheidung, ja faktisch die Kontrolle über das Erdölgeschäft. Standard Oil of New Jersey versuchte Mattei zu kaufen, indem sie ihm große Mengen billigen Öls und Raffineriekapazitäten anbot. Aber Mattei kam auf geheimnisvolle Weise bei einem Flugzeugunglück ums Leben, bevor das Geschäft abgeschlossen werden konnte. Das gemeinsame italienisch-iranische Unternehmen wurde zum Vorbild dessen, was heute „Partizipation“ genannt wird. Saudi-Arabien machte ein ähnliches Geschäft mit Japan. Matteis Methoden wurden übernommen und weiterentwickelt von den jüngeren, militanteren arabischen Staaten, die die Organisation der Erdöl fördernden Länder (OPEC) gründeten.

3 Öl greift nach Atom

So mußten nach der Suezkrise die großen anglo-amerikanischen Erdölgesellschaften zur Kenntnis nehmen, daß die Spielregeln des Ölgeschäfts im Nahen Osten sich geändert hatten. Man würde ihnen nicht bloß mehr Geld abverlangen, sondern die Erdöl fördernden Länder würden auch immer größere Kontrollrechte und schließlich Beteiligung an den Profiten aus dem Erdölvertrieb fordern.

Dies war einer der Faktoren, welche die Bestrebungen der Erdölkonzerne, ihren Besitz zu streuen, beeinflußt haben. Sie dehnten die Ölsuche nach Südostasien aus, in die seichten Gewässer vor den Küsten Indonesiens und Indochinas und bis an die Küste Australiens. Sie legten ihre Hand auf Alaska und stießen von dort in die kanadische Arktis vor. In den Vereinigten Staaten forçierten sie die Erdölsuche in den Küstengebieten. Vor allem aber begannen sie, andere Energiequellen aufzukaufen: Sie stiegen in den Kohlenbergbau ein, erwarben große Anteile an der Uranindustrie und setzten sich in der Atomenergieproduktion fest. 1965 hatte die Standard Oil in aller Stille bereits die größten Kohlenreserven Amerikas in ihre Hand gebracht, rund sechs Millionen Tonnen in Süd-Illinois. So wurde die Erdölindustrie zur Energieindustrie, und die Folgen zeigten sich in allen Zweigen der Energiewirtschaft.

Die jüngsten Energiesorgen betreffen vor allem die Benzinknappheit. Diese Erscheinung ist jedoch nur im Zusammenhang mit der allgemeinen Energiesituation zu verstehen. Sie ist, ebenso wie die Entstehung einer Energieindustrie, zum Teil eine Sekundärfolge des veränderten politischen Gleichgewichts im Nahen Osten. Früher konnten die großen Ölgesellschaften mit einer beträchtlichen Profitspanne bei den Rohprodukten rechnen. Sie zogen Nutzen aus den niedrigen Konzessionsgebühren in den produzierenden Ländern und vor allem aus den von der amerikanischen Regierung gewährten Steuerbegünstigungen. Als aber die arabischen Regierungen größere Anteile verlangten und der Verbrauch in den Vereinigten Staaten anstieg, war die Industrie gezwungen, in höheren Profiten bei Endprodukten einen Ausgleich für die schrumpfenden Profite bei Rohprodukten zu suchen.

4 Unabhängige abgewürgt

Das intensive Interesse an Raffinierung und Vertrieb liefert einen Hinweis auf die Ursachen der jüngsten Knappheit bei Heizöl und Benzin.

Im Sommer 1972 versicherten die großen Firmen dem „Office of Emergency Preparedness“ (Amt für Notversorgung), die Heizölversorgung im Winter 1972/73 würde ausreichend sein und die Industrie verfüge über die nötige Raffineriekapazität und die nötigen Vorräte, um eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten. Doch das war eine Irreführung. Laut Bericht des American Petroleum Institute waren die Vorräte am 1. September 1972 um 27,8 Millionen Barrels kleiner als zum gleichen Zeitpunkt des vorangegangenen Jahres. Dieser Bericht bewog Senator Proxmire, vor einer drohenden Knappheit zu warnen. Aber weder Regierung noch Industrie trafen Vorkehrungen gegen eine mögliche Knappheit, und diese trat denn auch ein.

Als die Anlieferung zurückging, begannen die Heizölpreise zu steigen. Dann, inmitten allgemeiner Klagen und Proteste, beeilten sich die großen Konzerne, mehr Heizöl zu raffinieren, zu einer Jahreszeit, in der ihre Raffinerien sonst Benzin für die Sommermonate herstellten. So kam es zur Benzinverknappung.

Diese Versorgungsmängel waren zum großen Teil darauf zurückzuführen, daß kleine, unabhängige Raffinerien nicht genügend Rohöl erhalten konnten. Im Frühjahr arbeiteten die unabhängigen Raffinerien um 322.000 Barrels Rohöl pro Tag unter ihrer Kapazität. Eine unabhängige Raffinerie in Oklahoma mußte sogar schließen, weil sie nicht genug Rohöl bekommen konnte (die Rohölversorgung wird von den Großkonzernen kontrolliert). Die Folge der Rohölknappheit war der Ruin der unabhängigen Raffinerien und der Diskont-Tankstellen.

5 Gas aus Kohle: Entwicklungsprofit

Während die Öffentlichkeit die Energiekrise vor allem als eine Benzinkrise sieht, sehen die großen Ölgesellschaften sie als eine Erdgaskrise. Tatsächlich begann das offizielle Gerede von einer „Energiekrise“ mit Berichten der Großen, wonach die Erdgasreserven zu Ende gingen. Erdgas deckt ungefähr ein Drittel des gesamten Industrieverbrauchs der Vereinigten Staaten. Ende der sechziger Jahre bestand besonders starke Nachfrage nach dem umweltfreundlicheren Erdgas.

Die Ölgesellschaften produzieren den Großteil des Erdgases, das dann von den Pipeline-Firmen an die Verteiler an der Ost- und der Westküste geliefert wird. Die Konzerne behaupteten, wenn der Gaspreis ab Quelle nicht angehoben würde, bestünde kein ausreichender Anreiz für die Suche nach neuen Quellen, und es würde daher zu einer Verknappung kommen.

Die angebliche Erdgasknappheit ist die Wurzel der Energiekrise, weil sie den Erdölkonzernen als Grundlage für ihre künftige Brennstoffpolitik dient. Diese Politik ist recht einfach: Die Benzinknappheit kann als Druckmittel verwendet werden, um die Bundesenergiekommission (FPC) zu einer Erhöhung des Erdgaspreises zu zwingen und dann den Kongreß zu veranlassen, die Preisregelung für Erdgas aufzuheben. Wenn der Erdgaspreis steigt, wird es für die Industrie rentabel, aus Kohle synthetisches Gas zu erzeugen. Die Erdölkonzerne haben in den letzten zehn Jahren Kohlengruben aufgekauft und große Reserven angesammelt.

Um die Entwicklung im Erdgasgeschäft richtig zu verstehen, muß man es im historischen Rahmen betrachten:

1954 entschied der Oberste Gerichtshof, daß die Regierung — durch die Bundesenergiekommission — den Preis für Erdgas regulieren muß. Diese Entscheidung stellte einen wichtigen Versuch dar, die Erdölindustrie unter Kontrolle zu bekommen. Ein großer Teil des Erdgases wird bei der Ölsuche entdeckt, und um den Gaspreis zu regeln, muß die Kommission die Kosten der Erdölförderung überprüfen. Das könnte zu einer Kontrolle der gesamten Erdölindustrie führen.

Kurz nach dieser Entscheidung warnten die Erdgasleute vor einer drohenden Verknappung, weil es, wie sie sagten, keinen wirtschaftlichen Anreiz zur Suche mehr geben würde. Im Kongreß wurde ein Antrag eingebracht, die Preisregelung für Erdgas aufzuheben. 1955 sagte ein Vertreter der Texas Independent Producers Royalty Owners Association, A. P. King jr.: „Die Erdgasförderung der letzten Jahre war — jedenfalls zum größten Teil — durch einen außerst niedrigen Preis ab Quelle beeinträchtigt, und sie wird sehr bald hinter der wachsenden Nachfrage zurückbleiben, wenn man nicht eine marktgerechte Preisbildung zuläßt.“ Die Independent Petroleum Association of America erklärte: „Die staatliche Preisregelung für Erdgas wird zwangsläufig zu einer Verknappung und Verteuerung dieses lebenswichtigen und günstigen Brennstoffs führen.“

6 Staat spielt mit

Zwischen 1954 und 1961 unternahm die Bundesenergiekommission keinen ernsthaften Versuch, den Erdgaspreis zu regeln. Dann, unter Kennedy, arbeitete Joseph Swidler, damals Vorsitzender der FPC, ein Preiskontrollsystem aus, das sich auf einen Durchschnitt der verschiedenen Gasförderungsgebiete stützte. Die Erdölindustrie focht dieses System gerichtlich an und verlor den Prozeß vor dem Obersten Gerichtshof im Jahre 1968. Wieder warnten die Gasproduzenten vor einer „Energiekrise“, und tatsächlich zeigten die Zahlen, die die Industrie über die Gasreserven veröffentlichte, von 1969 an sinkende Tendenz.

Da die Regierung sich bei der Schätzung der Gasreserven ausschließlich auf die Berichte der Industrie stützt, hat sie wenig Möglichkeit, zu kontrollieren, ob die Schätzungen stimmen oder nicht. 1971 vermerkten FPC-Ökonomen Diskrepanzen in den Zahlen der American Gas Association, des Industrieverbandes, der die Statistik über die Gasreserven führt. Die Ökonomen ersuchten die Kommission um eine Bewilligung, eine selbständige Untersuchung über die Gasreserven vorzunehmen. Die Industrie wehrte sich heftig dagegen, und die Kommission verweigerte schließlich die Bewilligung. Statt dessen ordnete die Kommission aus kosmetischen Gründen eine Überprüfung an; Angestellte der Kommission kontrollierten die Reserveschätzungen der Industrie, aber ohne nach den Daten zu fragen, auf denen die Schätzungen beruhten.

1971 akzeptierte die FPC die von der Industrie genannten Zahlen, gab zu, daß eine Gasknappheit und eine „Energiekrise“ gegeben sei, und versprach eine Anhebung des Gaspreises, um den Firmen einen stärkeren Anreiz zur Suche nach neuen Gasquellen zu geben. So wurde der Preis ab Quelle an der Küste von Louisiana von 18,5 Cents auf 26 Cents je tausend Kubikfuß angehoben. Die Statistik für 1972 läßt erkennen, daß die Preiserhöhung das Gegenteil der gewünschten Wirkung gezeitigt hat. Es wurden zwar neue Gasquellen erschlossen, aber die Vorräte gingen weiter zurück.

Im Juni 1973 erklärte der Leiter des Amtes für Wettbewerb bei der Bundeshandelskommission, James T. Halverson, vor dem Antitrust-Unterausschuß, die Erdgasproduzenten gäben in ihren Berichten an die Bundesenergiekommission die Reserven viel zu niedrig an. Die Art und Weise, wie die American Gas Association über die Reserven berichte, sei geeignet, eine Verabredung der Firmen zum Zweck der Verheimlichung der wirklichen Lage zu begünstigen.

Während die Experten der Bundeshandelskommission die Ergebnisse ihrer Untersuchung an Senator Hart weitergaben, gewährte die Bundesenergiekommission den Ölproduzenten eine weitere Preiserhöhung, von 26 auf 45 Cents je tausend Kubikfuß. Außerdem versuchten sowohl die Bundesenergiekommission als auch das Weiße Haus den Kongreß zu einer Aufhebung der Gaspreisregelung zu bewegen. In diesem Fall würde der Gaspreis wahrscheinlich weit über 45 Cents steigen.

Wohlgemerkt, bisher hat die Bundesenergiekommission den Preis auf mehr als das Doppelte ansteigen lassen, aber die Industrie hat keine neuen Gasquellen erschlossen.

7 Multis retten uns!

Angesichts des Steigens des Erdgaspreises zeigen die Erdölgesellschaften ein verstärktes Interesse für synthetisches Gas aus Erdöl oder Kohle. Wenn der Erdgaspreis eine gewisse Höhe erreicht, kann synthetisches Gas gewinnbringend werden, und man wird es erzeugen, um durch Ergänzung der angeblich schrumpfenden Erdgasförderung die „Energiekrise“ zu lindern. Das beginnt schon zu geschehen.

Die Entwicklung wurde beschleunigt durch den weithin publizierten Plan der El Paso Natural Gas Co., verflüssigtes Erdgas in großen Mengen aus Algerien zu importieren. Dieses Projekt wurde von der Bundesenergiekommission gutgeheißen; und es ist nicht nur ein großes Geschäft, sondern auch aus wenig beachteten Gründen von entscheidender Bedeutung für die Ölindustrie.

Verflüssigtes Erdgas ist viel teurer als Erdgas im Naturzustand. Das Gas muß erst durch Pipelines in Algerien von den Quellen herangebracht, in einer Kühlanlage verflüssigt und dann in Tanker verladen und über den Atlantik transportiert werden. An der amerikanischen Ostküste wird es ausgeladen, wieder in gasförmigen Zustand versetzt und, gemischt mit heimischem Erdgas, durch die Pipelines den Verbrauchern zugeführt.

Eine der Hauptfragen im Zusammenhang mit diesem Projekt war, ob die Gasgesellschaften, die das algerische Flüssiggas ankauften, dessen hohen Preis auf die Konsumenten „überwälzen“ dürften. Die Kommission gab schließlich ihre Zustimmung. Diese Entscheidung wurde als Präzedenzfall für das Synthetischgasprojekt angesehen: es steht nun der Industrie frei, die mit diesem Projekt verbundenen, überaus hohen Kosten durch die Konsumenten bezahlen zu lassen.

Das wichtigste Projekt sieht vor, aus Kohle synthetisches Gas zu erzeugen, das im Pipelinesystem mit Erdgas gemischt werden soll. Einige technische Probleme sind noch zu lösen, aber es besteht kein Zweifel, daß die Konzerne dabei auf ihre Rechnung kommen werden. An Kohlenvergasungsprojekten dürften an die zweihundert Anlagen in den US-Bergstaaten verwirklicht werden. Die Kohlenvergasung erfordert große Mengen an Kohle und Wasser und die Errichtung teurer Anlagen. Das heißt, daß die Kohlenlager in den Bergstaaten in großem Maßstab erschlossen werden müßten, was zu einem Niedergang der bestehenden Landwirtschaft und vor allem zu einer Überbeanspruchung der bereits knappen Wasserreserven der Region führen würde.

8 Konzernstrategie

Man kann also in dem von der „Energiekrise“ hervorgerufenen Durcheinander gewisse Tendenzen unterscheiden. Nachdem die Erdölgesellschaften die ernsten Folgen des arabischen Nationalismus erkannt hatten, bemühten sie sich, ihren Besitz zu streuen, indem sie die Erschließungsprogramme in anderen Teilen der Welt, insbesondere in Südostasien und in der Arktis, forçierten. Zugleich stießen sie in andere Branchen vor, namentlich in den Kohlenbergbau, um sich die Grundlagen für künftige synthetische Brennstoffe zu sichern.

Die akute Heizöl- und Benzinknappheit war für die großen Erdölkonzerne ein willkommenes Mittel, um die Unabhängigen vom Markt zu vertreiben oder in die Hand zu bekommen.

Außerdem war die Energiekrise ein Anlaß, den Erdgaspreis in die Höhe zu treiben und eine Kampagne für die Aufhebung der Preisregelung bei Erdgas zu entfalten. Im Erfolgsfall hätte die Bundesregierung dann keine Handhabe zur Regelung der Brennstoffpreise mehr. Und was noch wichtiger ist, es wäre dann möglich, die Brennstoffpreise dermaßen zu erhöhen, daß die Ölgesellschaften sich auf synthetisches Gas aus Kohle verlegen könnten, was weitreichende Auswirkungen auf Wirtschaft und Ökologie haben würde.

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