FORVM, No. 191/II
November
1969

Fall Fischer: Selbstmord der KPÖ

Werte Genossen!

Schockiert vernahmen wir aus den bürgerlichen Massenmedien den Ausschluß unseres lieben Genossen Ernst Fischer.

Wir protestieren scharf gegen diese Entscheidung des KPÖ-Schiedsgerichtes, da sie einen Genossen trifft, der die schweren Mißstände der Vergangenheit im Zusammenhang mit seiner Person zugegeben hat und der in der Gegenwart zusammen mit anderen Genossen zum personifizierten Dokument der Wandlung in der kommunistischen Weltbewegung wurde.

Wir sind der Ansicht, daß der Ausschluß Ernst Fischers, der sich große Verdienste um die österreichische Arbeiterklasse und die KPÖ im Kampf gegen den Faschismus erworben hat, der in Österreich als Repräsentant des Kommunisten, des Marxismus par excellence gilt, die ganze Partei mit allen ihren Gliederungen angeht.

Wir wollen nicht das KPÖ-Statut angreifen, das der Schiedskommission als Parteihöchstgericht solche Fälle zuweist, meinen aber, daß der „Fall“ Ernst Fischer, dessen Ausstrahlung weit über das kleine Österreich hinausgeht und der zu den großen alten marxistischen Denkern neben Lukács, Bloch, Adorno und Marcuse zu zählen ist, in der Partei auszudiskutieren ist und eine Entscheidung dieser Größenordnung von der Basis aus zu fällen notwendig gewesen wäre.

Aber abgesehen von Fischers Ausschluß, der einen verdienten Genossen trifft und dem unser Vorsitzender Franz Muhri vor wenigen Wochen zum 70. Geburtstag gratulierte, ist diese Entscheidung in logischer Konsequenz ein „Fall KPÖ“. Damit werden die Gegensätze bis zur Zerreißung gespannt, der Grad der „Angefressenheit“, der Elanlosigkeit steigt permanent und die Möglichkeit einer Spaltung besteht größer denn je.

Wir meinen schließlich, daß damit knapp vor den großen, politischen Wahlen in Österreich die Partei einen Schuß nach rückwärts losließ und damit der „Selbstmord auf Raten“ beschleunigt wurde.

Anstatt Solidarität, Aktivität und dem Wissen „was tun“, herrscht Mißtrauen, persönliches Attackieren, Sumpertum und Konzeptlosigkeit.

Wir, als Mitglieder der Grazer FÖJ, bringen zum Ausdruck, daß eine Politik, die der österreichischen Arbeiterjugend keine Alternative bietet, die unsere moralischen Restposten in der Gesellschaft selbst zerstört, nicht zu akzeptieren ist.

Die Grazer FÖJ wird bei Nichtbeachtung ihrer Ansichten (wir sind nicht der Meinung, daß wir in allem recht haben) die Konsequenzen ziehen.

F.d. FÖJ Bezirk Graz:
THOMAS KOVACIC
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