Grundrisse, Nummer 10
Juni
2004

Fit mach mit?

Theoretisch-politsche Perspektiven des Regulationsansatzes — ein Rezensionsessay

Im Jahr 2001 fand in Wien die internationale Tagung „Fit für den Postfordismus? Theoretisch-politische Perspektiven des Regulationsansatzes“ statt, die von Ulrich Brand und Werner Raza, die auch die Herausgeber des vorliegenden Sammelbandes sind, organisiert wurde. Die ReferentInnen und TeilnehmerInnen dieser Tagung wurden mit der Frage konfrontiert, ob die regulationstheoretischen Konzepte überhaupt noch tragfähig sind. Diese hatten sich zwar für eine Theoretisierung und Analyse des Fordismus, also jener Periode kapitalistischer Entwicklung, die mit dem Ende der „immerwährenden“ ökonomischen Prosperität in den 70er Jahren in die Krise geraten war, als sehr fruchtbar erwiesen. Doch schon die Doppeldeutigkeit des Titels - das Fragezeichen im Haupttitel - signalisiert, dass an den theoretisch-politischen Perspektiven des Regulationsansatzes, insbesondere mit Blick auf seine gesellschaftskritische Analyse- und Handlungsfähigkeit unter den Bedingungen des Postfordismus, Zweifel angebracht scheinen. Die Herausgeber wollen zwar nicht so weit gehen wie der ebenfalls in diesem Band vertretene Bernd Röttger, der in einem Aufsatz aus dem Jahr 2001 die Regulationstheorie am Ende der Fahnenstange angekommen sah (Röttger, 2001). Die Zweifel an der weiteren Entwicklung des regulationstheoretischen Ansatzes manifestieren sich jedoch im inhaltlichen Ziel der Tagung bzw. des Sammelbandes, das auf die Notwendigkeit permanenter Aktualisierungen „im Sinn einer Reflexion aktueller Veränderungen“, [1] welche auf die Theorie und ihre Begriffe rückwirken müssen, verweist. „Dies“, so die Herausgeber, „gilt umso mehr für eine Kapitalismustheorie, die sich theoretisch-konzeptionell wie zeitdiagnostisch auf der Höhe der Zeit befinden will“ (8). Ja mehr noch, um den theoretisch-politischen Perspektiven des Regulationsansatzes nachzugehen, müsse bedacht werden, inwieweit noch ein herrschaftskritisches und emanzipatives Potenzial in ihm angelegt ist und fruchtbar gemacht werden kann (9).

Der rebellische Nachwuchs Althussers

Der rebellischen Nachwuchs Althussers, wie Alain Lipietz [2] (1992), ein zentraler Vertreter der Regulationstheorie, die RegulationistInnen einmal bezeichnete, formierte sich als Antwort auf die „Krise des Marxismus“, die von Louis Althusser in den 70er Jahren konstatiert worden war. Inzwischen aber ist aus der Rebellion eine veritable Verleugnung der Eltern geworden, wofür eine Reihe theoretischer Reorientierungen zentraler Protagonisten des Ansatzes wie etwa Robert Boyer oder Michel Aglietta stehen. Diese haben sich den institutionalistischen und evolutionstheoretischen Wirtschaftswissenschaften zugewandt und sehen ihre Rolle als Berater von mitte-links Regierungsparteien (ausführlich dazu Joachim Becker im vorliegenden Band).

Bob Jessop bezeichnet daher in seinem Beitrag den Regulationsansatz als „eine eigenständige Richtung der evolutionsökonomischen und institutionalistischen Wirtschaftswissenschaften, der (zumindest in frühen Arbeiten) von der marxistischen politischen Ökonomie beeinflusst war“ (90).

Der Regulationsansatz wurde seit den 80er Jahren international – also auch im deutschsprachigen Raum – rezipiert und um vielfältige Themen und Auseinandersetzungen erweitert. Ja, es ist festzuhalten, dass die Begrifflichkeit der Regulationstheorie im Laufe der Zeit viele sozialwissenschaftliche Diskurse, die sich einen gesellschaftskritischen Anstrich geben wollten, durchdrang, ohne dass dem eine vertiefte Reflexion dieses Ansatzes zugrunde gelegen wäre.

Die für die deutschsprachige Rezeption und Erweiterung der Regulationstheorie zentralen Themensetzungen sind im vorliegenden Band präsent bzw. werden in einer Reihe von Beiträgen reflektiert.

Wie Joachim Becker in seinem Aufsatz über die Entwicklungen des regulationistischen Ansatzes „Beiderseits des Rheins“ (58-75) betont, ist für die systematische deutschsprachige Rezeption insbesondere auf die Arbeiten Joachim Hirschs (vgl. exemplarisch 1990) und seines Umfelds seit der zweiten Hälfte der 80er Jahre zu verweisen, die v.a. auf eine staats- und hegemonietheoretische Erweiterung abzielten.

Bob Jessop versuchte im angelsächsischen Raum mit seinen Arbeiten ebenfalls dieses zentrale Defizit des Ansatzes, das in der Konzeptualisierung des kapitalistischen Staates und den Wandlungen seiner Form und Funktion in verschiedenen Phasen des Kapitalismus gesehen wurde, zu überwinden. Sowohl Hirsch als auch Jessop sind mit je einem Beitrag im vorliegenden Band vertreten.

Auch die im letzten Jahrzehnt bedeutsame Rezeption und Erweiterung der regulationistischen Konzeptionen in der radikalen Geographie wie auch in der Stadtforschung sowie die Auseinandersetzung um die Konstitution und Veränderung der räumlichen Ordnung des Kapitalismus wird in einigen Beiträgen ausführlich vorgestellt und diskutiert.

Außerdem werden neben Aufsätzen zur regulationstheoretischen Analyse peripherer Gesellschaften und der zunehmend globalisierten Akkumulation im kapitalistischen Weltsystem Versuche vorgestellt, regulationistische Konzeptionen für ökologische Fragestellungen fruchtbar zu machen. So diskutieren Christoph Görg und Werner Raza in ihren Beiträgen das Konzept der gesellschaftlichen Regulation der Naturverhältnisse.

Die Aufsätze geben also insgesamt einen guten Überblick über einige Entwicklungen, die der Regulationsansatz genommen hat. Sie enthüllen jedoch auch „blinde Flecken“ dieser Evolution wie auch ihrer Rezeption hierzulande. So heben auch die Herausgeber hervor, dass Aufsätze, die den Regulationsansatz aus geschlechter- und rassismuskritischer Perspektive überprüfen und auf seine Anwendbarkeit untersuchen würden, in diesem Sammelband fehlen.

Weiters ist zu betonen, dass Analysen zum Wandel der Arbeitsverhältnisse und Arbeitsprozesse in der Krise des Fordismus und den nach der Regulationstheorie entstehenden postfordistischen Entwicklungsmodellen im vorliegenden Band nicht zu finden sind. Auch Bernd Röttger, der auf die Verbetrieblichung der industriellen Beziehungen im Wandlungsprozess der Produktionsverhältnisse verweist, streift diese Ebene der Auseinandersetzung um einen neuen kapitalistischen Vergesellschaftungsmodus bloß (29).

„Als zentrales Element der Identifizierung eines Bruchs mit der fordistischen Vergangenheit wird hier auf die Durchsetzung eines marktvermittelten, ‚abstrakten‘ Kontrollmodus sowohl in der internen und übergreifenden Unternehmenssteuerung als auch in den sozialen Beziehungen verwiesen. ‚Ökonomisierung‘ erscheint als Signatur einer neuen Entwicklungsepoche des Kapitalismus (...).“ (Röttger: 30)

Aber gerade wenn der gesellschaftskritische Gehalt der Regulationstheorie diskutiert werden soll, wäre es wichtig, sich ihrer Wurzeln im so genannten strukturalen Marxismus zu besinnen, als dessen rebellische Nachkommenschaft sie sich ja einst bezeichneten. Obwohl etwa die staatstheoretischen Arbeiten Nicos Poulantzas (2002) für die regulationstheoretischen Auseinandersetzungen um den kapitalistischen Staat bei Bob Jessop oder Joachim Hirsch eine zentrale Rolle spielten, wurden wesentliche Impulse dieser Konzeption wenig diskutiert. Aus regulationistischer Perspektive wäre v.a. der von Poulantzas hergestellte Zusammenhang zwischen den Formen kapitalistischer Arbeitsteilungen und Arbeitsprozesse und deren Veränderung sowie der Besonderung des kapitalistischen Staates und dessen permanenter Rekonstituierung aufzugreifen. Die sozialen Kämpfe in und um die Veränderung der Arbeit im Übergang zum Postfordismus könnten dann als zentrales Kampffeld in der Durchsetzung eines neuen Modus der Regulation diskutiert werden.

Annahmen der Regulationstheorie

Vor dem Hintergrund der angedeuteten Entwicklungen und Defizite ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich die Frage nach dem verbliebenen oder zu erneuernden gesellschaftskritischen Potenzial der Regulationstheorie durch einige Aufsätze des Sammelbandes zieht und sich daran auch einige Debatten auf der Konferenz entzündeten.

Das ursprüngliche regulationistische Programm bestand darin, der Frage nachzugehen, wie die als fundamental widersprüchlich, instabil und krisenhaft aufgefasste kapitalistische Produktionsweise sich über längere Perioden von Prosperität stabilisieren und reproduzieren kann, wenn die allgemeinen Bedingungen dieser Reproduktion nicht in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen selbst zur Verfügung gestellt werden. Mit dem Begriff der Regulation(sweise) sollte erfassbar gemacht werden, wie sich der Kapitalismus bzw. ein historisch und geographisch spezifisches Regime der Akkumulation, trotz oder wegen seiner Widersprüche erhalten kann. In einer gewissermaßen kanonischen Fassung, die auch in den Beiträgen dieses Sammelbandes immer wieder ihr Echo findet, definierte Alain Lipietz (1985), ein zentraler Vertreter der so genannten „Pariser Schule“ der Regulation, eine Regulationsweise als „(...) Gesamtheit institutioneller Formen, Netze und expliziter oder impliziter Normen, die die Vereinbarkeit von Verhaltensweisen im Rahmen eines Akkumulationsregimes sichern, und zwar sowohl entsprechend dem Zustand der gesellschaftlichen Verhältnisse als auch über deren konfliktuelle Eigenschaften hinaus.“ (Lipietz 1985, 121) Mit dem Begriff der Regulation sollte daher sichtbar gemacht werden, dass politische und ideologische Dimensionen in der bürgerlichen Gesellschaft nicht ex post – gewissermaßen als Überbau – zu den nach ehernen Gesetzen ablaufenden Prozessen der Akkumulation hinzutreten. Vielmehr soll die gesellschaftliche Einbettung und Konstitution der kapitalistischen Produktionsverhältnisse als fundamentale Bedingung für die erweiterte, historisch und geographisch spezifische Reproduktion der kapitalistischen Produktionsweise verstehbar gemacht werden. Der Staat und die ideologischen Prozesse in der Zivilgesellschaft aber auch die Reproduktion der Lohnabhängigen im Familienhaushalt sind im Regulationsansatz daher nicht als Epiphänomene der ökonomischen Basis zu verstehen. Vielmehr handelt es sich um relativ autonome, aufgrund ihrer Artikulation mit den kapitalistischen Produktionsverhältnissen jedoch widersprüchliche Kampffelder im gegliederten Ganzen der kapitalistischen Produktionsweise. In den sozialen Auseinandersetzungen in diesen gesellschaftlichen Felder, die auch auf die Modifikation kapitalistischer Akkumulation abzielen, und natürlich in den Kämpfen in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen im engeren Sinne geht es darum, Kapitalismus als umfassendes Gesellschaftsmodell zu konstituieren, ihn also trotz oder wegen seiner sich im Reproduktionsprozess permanent aufs Neue entfaltenden und konstituierenden Widersprüche zu stabilisieren.

Für den Regulationsansatz ist eine Phase langanhaltender Prosperität dann möglich, wenn eine historisch spezifische Regulationsweise und ein Akkumulationsregime – so das zweite fundamentale Konzept des Ansatzes – korrespondieren, sodass stabile Entwicklungspfade kapitalistischer Gesellschaftsformationen möglich werden. Lipietz versteht unter einem Akkumulationsregime

ein(en) Modus systematischer Reallokation des gesellschaftlichen Produktes, der über eine längere Periode hinweg ein bestimmtes Entsprechungsverhältnis zwischen den Veränderungen der Produktionsbedingungen (...) und den Veränderungen in den Bedingungen des Endverbrauches (...) herstellt. (Lipietz 1985, 120)

Diese Konzeption bezieht sich auf historisch und geographisch spezifische Regularisierungen der ökonomischen Prozesse im engeren Sinne (auch wenn in der regulationistischen Debatte immer wieder Abgrenzungsprobleme zum Konzept der Regulation sichtbar wurden). Das Akkumulationsregime bezieht sich daher u.a. auf dominante Unternehmensformen, Managementstrategien, Arbeitsprozesse, Arbeitsteilungen und technologische Paradigmen sowie die jeweils produzierten Güter und Dienstleistungen und die Nachfrage danach. [3]

Im vorliegenden Zusammenhang ist nun wesentlich, dass eine Regulationsweise, eben nicht als Überbau aufgefasst wird, der ex post zum Akkumulationsregime hinzutritt, um die Imperative des Letzteren zu vollziehen.

Vielmehr ist hervorzuheben, dass die Regulation selbst als Funktion und Bedingung der Akkumulation aufgefasst wird. Alex Demirovic und Bernd Röttger betonen im vorliegenden Band, dass genau darin eine der wesentlichen Erneuerungen bestand, die der Regulationsansatz in polit-ökonomischen und marxistischen Ansätzen zu leisten vermochte. Mehr noch, wird die Regulationsweise als Moment der kapitalistischen Akkumulation verstanden, so bedeutet dies nach Bob Jessop, dass das Kapital als soziales Verhältnis nicht vor seiner Regulation „existiert“, sondern es vielmehr erst durch diese „Form und Substanz“ erhält (90).

Akkumulation und Regulation bilden daher in jeder Phase des Kapitalismus eine widersprüchliche und stets prekäre Einheit, welche die konkrete Kritik historisch spezifischer kapitalistischer Gesellschaftsformationen entschlüsseln müsste, um die Möglichkeiten der sozialer Kämpfe bestimmen zu können. Ist die Korrespondenz zwischen Regulationsweise und Akkumulationsregime nicht mehr gegeben, tritt eine Krise der kapitalistischen Vergesellschaftung ein. Insofern diese nicht mehr in und durch die bestehenden regulatorischen Instanzen gelöst werden kann, kann von einer Krise der Regulation und damit eines historisch spezifischen Entwicklungsmodells des Kapitalismus gesprochen werden. In einer derartigen Krise treten zwar die grundlegenden Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise mehr oder weniger offen zu tage, ihr Form und Verlauf wird jedoch auch durch die spezifischen Widersprüche des an seine Grenzen gelangten Entwicklungsmodells geprägt.

Erst wenn es nach einer Periode sozialer Kämpfe, der konflikthaften Rekonfiguration der Klassen- und anderer gesellschaftlicher Verhältnisse zu einer umfassenden Adaptierung und Umgestaltung der Akkumulation wie auch der regulationistischen Instanzen gekommen ist und zwischen diesen Dimensionen kapitalistischer Gesellschaftsformationen wieder eine gewisse Kohärenz besteht, ist aus regulationistischer Perspektive mit einer neuen Phase der Prosperität und des kapitalistischen Aufschwungs zu rechnen.

Der Fordismus und seine Krise

Die oben skizzierten Grundannahmen des Regulationsansatzes wurden in der Regel an der Phase des Fordismus und dessen Krise seit den 1970er Jahren untersucht. Da unbestimmt bleiben musste, was dieser Krise folgt, wurde der Begriff Postfordismus geprägt.

Das fordistische Entwicklungsmodell beruhte v.a. auf tayloristisch organisierter Fließbandproduktion einerseits, und – korrespondierend dazu – Massenkonsumtion standardisierter Produkte andererseits.

Im regulatorischen Kompromiss des Fordismus konnte durch den relativen Ausgleich zwischen den Massenorganisationen des Kapitals und der ArbeiterInnenschaft (Sozialpartnerschaft, Korporatismus) der grundlegende Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital in einem die erweiterte Reproduktion des Kapitals stützenden Sinne produktiv gemacht werden. Wie Alex Demirovic argumentiert (46), wäre es aus regulationistischer Perspektive jedoch verkürzt, dies einfach als eine Stilllegung des Klassenkampfes oder Integration der Organisationen der ArbeiterInnenbewegung in die herrschenden Verhältnisse zu verstehen. Vielmehr seien die sozialen Kämpfe selbst Teil der Reproduktion des Kapitals geworden.

Dies stellt sich der zumeist eher implizit in Anspruch genommenen Annahme entgegen, es gebe auf der einen Seite den Klassenkampf, der zumeist als politische Aktion vorgestellt wird, während die alltäglichen, häufig mikrosoziologischen Vorgänge durch das Wahrnehmungsraster hindurchfallen. (Demirovic: 46)

Die Spezifik der fordistischen Regulationsweise ließ daher den Widerspruch von Lohnarbeit und Kapital selbst zu einer Funktion der Reproduktion des Kapitalverhältnisses auf permanent expandierendem Niveau werden, indem sie ihm eine gewisse Richtung zu geben vermochte.

Die Lohnabhängigen und ihre Organisationen hatten nach 1945 in den meisten Staaten die Herrschaft des Managements über die Arbeitsprozesse akzeptiert, was in eine umfassende Durchsetzung tayloristischer Produktionsmethoden, die auf der wissenschaftlichen Organisation, Zerlegung und Kontrolle der Arbeitsprozesse beruhen, mündete.

Der politische Regulationsmodus sicherte die Akzeptanz dieser Arbeitsorganisation durch Massenkonsum, soziale Sicherheit und relativ stabile Beschäftigungsverhältnisse. Zentrale regulatorische Instanzen, welche diese Korrespondenz herstellten, sind daher im Wohlfahrtsstaat, der durch kollektive Sicherungssysteme individuelle Risiken ausgleichen sollte, und keynesianischer Nachfragepolitik, welche sich an Vollbeschäftigung und staatliche Intervention in die kapitalistische Ökonomie zum Ausgleich konjunktureller Schwankungen orientierte, zu sehen.

Demirovic betont, dass Produktivitätssteigerungen (zumindest für einige Zeit) nicht gegen die Lohnabhängigen durchgesetzt werden mussten, sondern sich auf sie stützen konnten. Ja mehr noch, durch ihren Kampf für höhere Löhne, geringere Arbeitszeiten und besseren sozialen Schutz wurden die Märkte reorganisiert und die Einzelkapitalien gezwungen, durch die permanente Steigerung der Produktivität und die Einführung neuer Produkte - und weniger durch die Reduktion der Lohnkosten - (kurzfristige) Vorteile gegenüber Konkurrenten zu erlangen. Demirovic spielt hier zweifelsohne auf hegemoniale Elemente des „sozialdemokratischen Staates“ an, wie sie etwa in Schweden, aber auch in anderen Staaten im Konzept der solidarischen Lohnpolitik und dem Ausbau des Wohlfahrtsstaates die Entwicklung bis in die 1970/80er Jahre bestimmten.

Das regulationistische Narrativ und seine Schwierigkeit, sich als gesellschaftskritischer Ansatz „Fit für den Postfordismus“ zu präsentieren, sind jedoch nicht ohne das Gegenstück zur Analyse der fordistischen Prosperitätsphase zu verstehen. Die Krisenerscheinungen der 1970er Jahre und die sozialen Konflikte und Dynamiken dieser Zeit, die vom Regulationsansatz als Krise des Fordismus bezeichnet wurden, formen die gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen des Ansatzes und seiner theoriepolitischen Interventionen.

Anfang der 70er gerät der fordistische Kompromiss zunehmend unter Druck. Dies hängt eng mit den Ende der 60er Jahre entstehenden Protestbewegungen und den „Neuen Sozialen Bewegungen" (Feminismus, Ökologiebewegung), aber auch mit dem Aufflammen von ArbeiterInnenmilitanz in einer Reihe von Staaten zusammen.

Die Krise erfasste auch die den Fordismus tragenden Strukturen und Institutionen. Das fordistische Geflecht aus Parteien und Interessenverbänden, erwies sich als unfähig, „die neuen vom Fordismus selbst produzierten Interessen und Wertvorstellungen zu berücksichtigen und in Politik umzusetzen“ (Hirsch, 1990).

Diese Krisenerscheinungen können nicht einfach als Durchschlagen etwaiger objektiver Gesetze des Kapitalismus aufgefasst werden, sondern werden in ihrer Form durch den widersprüchlichen, die grundlegenden sozialen Konflikte nur kurzfristig regulierenden Charakter des fordistischen Entwicklungsmodells bestimmt.

Zum einen kann festgestellt werden, dass der Regulationsmodus im keynesianischen Wohlfahrtsstaat auf einer zwar etatistischen, vom Anspruch her jedoch universalistischen Konzeption der Staatspolitik beruhte.

Der fordistischen Ideologie lag das Versprechen zugrunde, dass innerhalb der nationalstaatlichen Regulation der Produktions- und Familienverhältnisse niemand von der Verteilung der Früchte des Fortschritts prinzipiell ausgeschlossen wird, was bis in die 1960er Jahre die Hoffnung auf eine friedliche und demokratische Entwicklung, in welcher in Übereinstimmung mit dem Fortschrittsglauben dieser Zeit Wohlstand für alle gesichert werden könnte, stützte. Daher sprechen RegulationistInnen vom reformerischen ja sozialdemokratischen Charakter aller - auch der bürgerlichen - Parteien dieser Zeit.

Doch die sozialen Kämpfe seit Ende der 60er Jahre zeigten, dass die Realität des Fordismus anders aussah. Im Zentrum der Regulationsweise stand der weiße Mittelschichtsmann (Arbeiteraristokratie), der die Früchte des Massenkonsums genießen konnte. Frauen, MigrantInnen, marginalisierte proletarische Schichten etc. blieben – unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Versprechens der Befreiung durch Konsum, welcher nur zu erreichen sei durch fleißige Arbeit – tendenziell ausgeschlossen. Sie waren als unbezahlte Arbeitskräfte im Familienhaushalt, in niedrig bezahlter Heimarbeit oder als NiedriglohnarbeiterInnen in der Produktion grundlegend für die fordistische Prosperität, wie etwa feministische Kritikerinnen der Regulationstheorie gegen die These vom Fordismus als „Goldenem Zeitalter“ immer wieder hervorgehoben haben.

Die wohlfahrtsstaatliche Regulation des fordistischen Kapitalismus ist daher Ausdruck dafür, dass es vorübergehend gelungen war, die Widersprüche zwischen Lohnarbeit und Kapital in historisch spezifischer Form selbst zum Moment der Reproduktion des Kapitalismus zu machen. Die sozialen Auseinandersetzungen im Fordismus erhielten dadurch eine gewisse Richtung (soziale Sicherheit, mehr Konsum etc.), andere blieben unsichtbar und marginalisiert.

Der sozialdemokratische Versuch, die „utopischen Versprechen“ (Habermas) des Fordismus (Wohlstand, Gleichheit etc.) Anfang der 1970er in den existierenden Formen der Regulation einzulösen, scheiterte nicht zuletzt, weil dieser die fordistischen Strukturen nicht hinter sich lassen konnte. Die in dieser Zeit sich manifestierenden sozialen Kämpfe wollen nicht mehr vom Gleichen (Konsum, bürokratische Regulierung, Integration in Interessenverbände), sondern etwas anderes, was auf den Bruch mit der fordistischen Regulation abzielte (Kampf gegen die Arbeitsgesellschaft, sexuelle Befreiung, Experimentieren mit alternativen Lebensweisen).

Die Krise des Fordismus wird aber nicht nur für die Linke zum Inhalt ihrer Reformierung. Immer größere Teile der Bevölkerung sind nicht mehr gewillt, die Kosten des fordistischen Entwicklungsmodells zu tragen, empfinden die fordistischen Formen der Regulation – z.B. durch bürokratische soziale Sicherungssysteme – als beengend, sind jedoch gleichzeitig einer emanzipativen Demokratisierung aller Verhältnisse abgeneigt. Ende der 1970er Anfang der 1980er Jahre kommt es in fast allen nördlichen Industriestaaten zu einem Rechtsruck unter neoliberalen und neokonservativen Vorzeichen (Thatcherismus, Reaganomics, die Wende). Das hegemoniale Projekt des Neoliberalismus verspricht durch die Befreiung des homo oeconomicus von den „Exzessen der Demokratie“ und den Anmaßungen der loony left die Krise zu lösen.

Von den sozialen Kämpfen zur gelingenden Regulation

Der Erfolg der Regulationstheorie ist eng mit den Kämpfen um die Durchsetzung der neoliberalen Hegemonie verbunden. Die begriffliche Struktur dieses Ansatzes ermöglichte es, in den 1980er und (zumindest) frühen 1990er Jahren die sozialen Kämpfe in der Krise des Fordismus, aber auch den Umbau des Kapitalismus unter neoliberalen und neokonservativen Vorzeichen, zu verstehen. Folgerichtig betonte Joachim Hirsch (1990) in seinen ersten Auseinandersetzungen mit der Regulationstheorie die zentrale Bedeutung der Neuen Sozialen Bewegungen. In den Arbeiten von Bob Jessop (2002) wiederum wurde der Neoliberalismus als hegemoniales Projekt erkennbar gemacht, das, obwohl aus den Widersprüchen des Fordismus entstanden, darauf abzielte, die widersprüchliche Einheit aus Regulationsweise und Akkumulationsweise des fordistischen Entwicklungsmodells zu zerschlagen. Mit dem Angriff auf den fordistischen Konsens sollte die Krise des Kapitalismus gelöst werden, die in den 70er Jahren nicht zuletzt durch widersprüchliche Entwicklungen, die vom Fordismus selbst ausgelöst worden waren, manifest geworden war.

Gerade weil in dieser Periode die sozialen Kämpfe der 70er Jahre, aber auch der Widerstand gegen den Neoliberalismus in vielen Staaten über das Ziel, eine neue Kohärenz zwischen Regulation und Akkumulation herzustellen, hinauswiesen, konnte der Regulationsansatz als Erneuerung der Gesellschaftskritik hier intervenieren.

Die Durchsetzung einer historisch spezifischen Regulationsweise wurde im Regulationsansatz als Ergebnis sozialer Kämpfe aufgefasst, ihre konkrete Entwicklung sollte jedoch weder aus angenommenen oder tatsächlichen Imperativen des Akkumlationsregimes noch aus dem Verlauf der Klassenkämpfe abgeleitet werden.

Es ist jedoch ein Manko des Ansatzes, das auch im vorliegenden Band angesprochen wird, dass in der Regel eine Analyse der Durchsetzung einer Regulationsweise unterblieb und damit auch die Rolle der sozialen Kämpfe um ihre Konstitution (Röttger, 26). Gegenstand regulationistischer Arbeiten waren in der Regel die Ergebnisse sozialer Kämpfe in geronnener Form. [4] Die Durchsetzung eines bestimmten Modus der Regulation wurde mit dem Verlegenheitsbegriff der „glücklichen Fundsache“ (Lipietz) bezeichnet.

Dazu kommt, dass der Regulationsbegriff eine grundlegende Ambivalenz aufweist, da er auf der einen Seite auf die fortgesetzte, stabile Reproduktion der kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisse verweist und damit als kritischer Begriff von Herrschaft gesehen werden müßte. Auf der anderen Seite jedoch wird eine Regulationsweise als eine historisch spezifische, auf einem Kompromiss zwischen Lohnarbeit und Kapital beruhende Einhegung des Kapitalverhältnisses aufgefasst, das einer ungehinderten Entfaltung der Marktkräfte und des Wertgesetzes entgegengestellt wird.

Obwohl auch letzteres ursprünglich auf die Bedeutung der sozialen Kämpfe und gewisse Erfolge der ArbeiterInnen- und anderer sozialer Bewegungen hinweisen sollte, wurde die Ambivalenz, wie etwa auch Joachim Becker in seinem Aufsatz betont, zugunsten einer „Stabilitätsoptik“ sukzessive aufgelöst. Viele RegulationistInnen stellen daher nicht mehr die Frage, wie soziale Kämpfe unter den sich wandelnden Bedingungen kapitalistischer Vergesellschaftung zu einer Überwindung des Kapitalismus beitragen können, sondern richten ihren Blick auf die Bedingungen „gelingender Regulation“. Damit aber ist, so Bernd Röttger, Regulationstheorie zu einer Variante des „besseren Regierens“ geworden, zu einer regulationstheoretischen Fassung der Losung „Anpassung oder Untergehen“ (21).

Viele regulationistische Analysen reproduzieren daher heute mit veränderten Begrifflichkeiten die Gegenüberstellung von (freiem) Markt und (intervenierendem) Staat, der die klassische sozialdemokratische Theoriebildung fordistischer Provenienz antrieb, anstatt den wechselseitig konstitutiven Zusammenhang von Akkumulationsregime und Regulationsweise zum Ausgangspunkt einer kritischen Analyse der Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften im Postfordismus zu nehmen.

Diese einseitige Auflösung der Ambivalenz des Regulationsbegriffs zeigt daher, warum die dem vorliegenden Band zugrunde gelegte Frage, ob der Regulationsansatz „Fit für den Postfordismus“ sei, berechtigt ist.

Unter den Bedingungen weltweiter Märkte, des Bedeutungswandels der Nationalstaaten in der Globalisierung und der Entstehung eines so genannten finanzgetriebenen Akkumulationsmodells, das nicht zuletzt auf der Kommodifizierung der sozialen Sicherungssysteme durch die Umstellung ihrer Finanzierung auf Kapitaldeckungsverfahren [5] beruht, stellt sich jedoch die Frage, inwieweit der Regulationsansatz seinen gesellschaftskritischen Gehalt erhalten kann.

Pensionsfondssozialismus statt Klassenkampf?

Neuere regulationistische Analysen der postfordistischen Veränderungen des Kapitalismus spielen daher auch im vorliegenden Band eine zentrale Rolle. Die politischen Schlussfolgerungen, die RegulationistInnen aus der Entstehung eines finanzgetriebenen Akkumulationsmodells ziehen, fasst Joachim Becker folgendermaßen zusammen:

Hier plädieren Aglietta, Boyer und – etwas überraschend – auch Lipietz in unterschiedlichen Variationen für kapitalisiertes Versicherungsvermögen in ArbeitnehmerInnenhand. So könnte die Kapitalisierung der Sozialversicherung sozial gestaltet und ArbeitnehmerInnen Einfluss auf Fondsverwaltung und damit indirekt auf Unternehmenspolitik gegeben werden (...). (Becker, 66)

Auch wenn diese Überlegungen selbst innerhalb des Regulationsansatzes nicht unumstritten sind (ebda.), zeigt es doch, dass dem hegemonialen Diskurs des Neoliberalismus nunmehr die Vorstellung einer Kontrolle und Einhegung der (globalisierten) Märkte und Kapitalströme durch neue Formen der Regulation entgegengestellt wird. Wie Vanessa Redak in ihrem Beitrag kritisch hervorhebt, werden diese als Projekt für eine neue europäische Linke präsentiert und zielen auf eine politische Organisierung der Vermögensbesitzer, zu denen in der Kapitalisierung der Pensionssicherungssysteme große Teile der Lohnabhängigen gemacht werden.

Konkret soll das bedeuten, dass Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Aktionärsstellung zu Miteigentümer des Kapitals geworden sind, aktiv und vor allem kollektiv die Kontrolle über Rentenfonds (als häufigste Anlageform) übernehmen sollen, um so den Ausgleich zwischen den Interessen der Anleger und denen der Arbeitnehmer zu bestimmen. (Redak: 78)

Zwar erinnert dieser Vorschlag der Altvorderen des Regulationsansatzes an Sozialisierungspläne in der reformistischen Hochphase des Fordismus, wie sie etwa in den 70er Jahren in Schweden im so genannten „Meidner-Plan“, der auf eine Sozialisierung der Profite und damit der Investitionsfunktion des Kapitals abzielte, formuliert wurden. Vanessa Redak weist daher zu Recht darauf hin, dass diese Debatten um eine Demokratisierung des Aktienbesitzes nicht neu sind, aber nicht zuletzt aufgrund der Zerstreuung und Individualisierung der Vermögensbesitzer Zweifel an ihrer demokratischen Organisationsfähigkeit mehr als angebracht erscheinen.

Diese Vorschläge machen außerdem wieder ein zentrales Manko des Regulationsansatzes deutlich, nämlich die Vernachlässigung einer Analyse der sich verändernden Arbeits- und Produktionsverhältnisse und der damit verbundenen Rekonfiguration der gesellschaftlichen Klassen. Der Pensionsfondskapitalismus (siehe Fußnote 6) und die Ausdehnung des Vermögensbesitzes im finanzgetriebenen Akkumulationsregime schaffen neue Polarisierungen zwischen Lohnabhängigen, die aufgrund gesicherter Beschäftigungsverhältnisse sich z.B. diese Formen der Alterssicherung leisten können, und solchen, die aufgrund zunehmend prekärer und atypischer Arbeitsverhältnisse oder aufgrund rassistischer und geschlechtsspezifischer Ausschließungen dies nicht können.

Denkt man die Zweifel am gesellschaftskritischen und emanzipativen Gehalt des Regulationsansatzes, die im vorliegenden Band geäußert werden, zu Ende, so wird offensichtlich, dass dieser ohne den historische Kontext seiner Entstehung, für den die vorliegende Begrifflichkeit einen Interpretationsrahmen abgeben sollten, nicht zu verstehen ist. Der Regulationsansatz konnte die Konjunktur der sozialen Kämpfe in der Krise des Fordismus verstehen helfen. Unter den veränderten Bedingungen einer nachhaltigen neoliberalen Hegemonie, die nach der Zerschlagung der fordistischen Einheit von Regulation und Akkumulation auf einen grundlegenden Umbau der Arbeits- und Produktionsverhältnisse und ihrer regulatorischen wie staatlichen Einbettung abzielt, droht die regulationistische Begrifflichkeit tatsächlich ihren erkenntnisleitenden und kritischen Gehalt zu verlieren. Durch die einseitige Auflösung der Ambivalenz des Regulationsbegriffes zugunsten einer Stabilitätsoptik entsteht eine rückwärts gewandte Nostalgie der „Goldenen Ära“ des Fordismus, in der Vollbeschäftigung, soziale Sicherheit und Mitbestimmung für einen gedeihlichen Fortgang der Entwicklung gesorgt haben.

Nur wenn es gelingt, die Veränderungen der Arbeits- und Re-/Produktionsverhältnisse an ein praktisches Konzept der sozialen Kämpfe rückzubinden, kann der ursprüngliche kritische Impuls der Regulationstheorie wieder aufgenommen und für eine kritische Gesellschaftstheorie, die fit für den Postfordismus wäre, nutzbar gemacht werden. Das vorliegende Buch von Werner Raza und Ulrich Brand bietet zweifelsohne vielfältige Anregungen dazu.

Literatur:

  • Hirsch, Joachim (1990): Kapitalismus ohne Alternative, Hamburg.
  • Jessop, Bob (2002): The Future of the Capitalist State, Polity Press, Cambridge.
  • Lipietz, Alain (1992): Vom Althusserismus zur ‚Theorie der Regulation’, in: Demirovic, Alex/Krebs, Hans-Peter/Sablowski, Thomas (Hg.) Hegemonie und Staat – Kapitalistische Regulation als Projekt und Prozess, Münster, 9-54.
  • Lipietz, Alain (1985): Akkumulation, Krisen und Auswege aus der Krise. Einige methodologische Anmerkungen zum Begriff der Regulation, in: PROKLA 58: 109-137.
  • Negri, Antonio (1992): Interpretation of the Class Situation today, in: Bonefeld, Werner/Gunn, Richard/Psychopedis, Kosmas (Hg.): Open Marxism. Volume II. Theory and Practice, London/Boulder, 69-105.
  • Poulantzas, Nicos (2002): Staatstheorie – Politischer Überbau, Ideologie, Autoritärer Etatismus. Mit einer Einleitung von Alex Demirovic, Joachim Hirsch und Bob Jessop, Hamburg.
  • Röttger, Bernd (2001): New Economy – Old Theory. Die Regulationstheorie am Ende der Fahnenstange? in: iz3w – Blätter des Informationszentrums 3. Welt, Nr. 254, download von Sozialistische Positionen (April 2004) – Beiträge zu Politik, Kultur und Gesellschaft: www.sopos.org/aufsaetze/3b61aaae86a58/1.phtml

[1Falls nicht anders angegeben, alle Zitate und Seitenangaben aus: Brand, Ulrich/Raza, Werner: (2003) Fit für den Postfordismus – Theoretisch-politische Perspektiven des Regulationsansatzes, Münster

[2Strenggenommen sprach Lipietz von rebellischen Söhnen und damit unbewusst (?) eine Wahrheit bezüglich der Geschlechterblindheit des Ansatzes aus.

[3Das Geldverhältnis, die jeweils vorherrschende Wettbewerbsform, aber auch die Einbettung nationaler Wirtschaftsräume in den kapitalistischen Weltmarkt, wie auch der Staat und das Lohnverhältnis werden im klassischen Regulationsansatz zu den strukturellen Formen der Regulation gerechnet.

[4Antonio Negri versucht in seinem Aufsatz zur „Interpretation of the Class Situation Today“ (1992) die an der Regulationstheorie angelehnte Periodisierung des Kapitalismus konsequent kampftheoretisch zu interpretieren. Kapitalistische Phasen und ihre Krise werden daher als Kampfzyklen gelesen.

[5In den meisten kontinentaleuropäischen Wohlfahrtssystemen werden soziale Transfers, wie etwa Pensionen bislang noch hauptsächlich unmittelbar aus den (indirekten/sozialisierten) Löhnen aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen finanziert (Umlageverfahren). Durch die Umstellung auf Kapitaldeckung sollen diese Ressourcen von den Lohnabhängigen individuell auf dem Kapitalmarkt (Pensionsfonds) investiert werden. Pensionsleistungen sollen daher später aus individuellen Vorsorgeleistungen finanziert und nicht mehr an die Löhne, sondern an die Profitabilität der den individuellen Fonds zugrundeliegenden Aktienpakete gekoppelt sein. Dass diese individuelle Vorsorge Illusion ist, da zukünftige PensionistInnen ihre Fonds stets nur zu den jeweils gegebenen ökonomischen Werten realisieren können, ist eine Sache. Eine andere ist, dass die Reproduktion der Lohnabhängigen (halbwegs menschenwürdiges Überleben im Alter), die fundamental den Lohnkämpfen zugrundeliegt, an die Profitabilität kapitalistischer Akkumulation gebunden wird. Damit werden potenziell wesentliche Dimensionen des Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital in die Lohnabhängigen selbst verpflanzt. Diese sollen gezwungen werden, Löhne nicht als Nachfrage- sondern als Kostenfaktor im Wirtschaftsprozess zu betrachten. Real wird dies zu massiven Polarisierungen auf den Arbeitsmärkten führen, zwischen denen, die sich eine derartige Vorsorge leisten können und daher Interesse an der Profitabilität der Unternehmen haben sollen und jenen, die das nicht können, da sie in prekären, niedrig entlohnten oder gar informalisierten Arbeitsverhältnissen zu überleben gezwungen sind.

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