ZOOM 3/1996
Juni
1996

Flüchtlingshelfer auf der Flucht

Mit 15 Jahren kam Herwig Matzka zur Polizei, sein Vater bestimmte seine berufliche Zu­kunft. Beim Heer war er keine zwei Monate, als er wegen sei­ner Polizeizugehörigkeit vom Wehrdienst befreit wurde. 19 Jahre später wollte Matzka seinen Beruf wechseln. Durch die Arbeit mit Flüchtlingen war er zur Überzeugung gelangt, daß Konflikte nicht mit der Waffe gelöst werden können. Er wollte Zivildiener werden, wurde aber abgewiesen. Einen so späten Gewissenswandel ver­bietet das Gesetz, welches einen Antrag auf Zivildienst nur in­nerhalb eines Monats nach der Stellung erlaubt.

Stattdessen meldete sich Oberst Ehrlich von der Radetz­kykaserne bei Herwig Matzka und forderte den Ex-Polizisten auf, für den Nachrichtendienst des Bundesheeres zu arbeiten. Von dessen Büro in der Kaser­ne hätte er schönen Blick über ganz Wien. Andernfalls würde man ihn einberufen und zur Flüchtlingsjagd an die burgen­ländisch-ungarische Grenze abkommandieren.

Weder diese Aussicht noch diejenige über die Stadt über­zeugten Matzka, der heute in einem Übergangswohnheim der Caritas an der Integration von Flüchtligen arbeitet. Er legte gegen die Ablehnung sei­nes Zivildienstantrags Be­schwerde bei Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof ein. Erfolglos. Anträge seines Ar­beitgebers auf Befreiung von der Wehrpflicht wurden eben­falls abgelehnt. Minister Fassl­abend teilte mit, daß „nach In­teressensabwägung kein Anlaß gefunden werden konnte, den o.a. Wehrpflichtigen von der Verpflichtung zur Leistung des restlichen Grundwehrdienstes zu befreien“. Den Agenten des Bundesheeres gibt man nicht straflos einen Korb.

Als die Militärs Matzka nunmehr einen Einberufungs­befehl für den 22. Juli zustell­ten, mußte ihnen klar gewesen sein, daß sie ihn dadurch krimi­nalisieren. Matzka ist nicht in der Kaserne erschienen und derzeit auf der Flucht, eine ge­richtliche Verurteilung wegen Nichtbefolgung des Einberu­fungsbefehls scheint unaus­weichlich. Seine Existenz droht durch einen Verteidigungsmini­ster, der militärischen Gehor­sam vor Gewissensfreiheit stellt, zerstört zu werden.

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