FORVM, WWW-Ausgabe
September
2018

Frieden Freiheit Frauenrechte!

Leben und Werk der österreichischen Schriftstellerin Marie Tidl 1916–1995
  • Widerstandskampf in Österreich
  • Studieren im Gefängnis
  • Seiner Sache treu bleiben
  • Nachkriegsgeschichte
  • Geschichte und Subjekt
Meine Gedichte sollen sein
der Stein,
der durch die Scheibe fällt,
die meine Welt
von eurer trennt.
Marie Tidl

Lernen und Studieren war in den Gefängnissen und Lagern des Nationalsozialismus auch eine Überlebensstrategie. In der Haft die eigene Dissertation zu verfassen, blieb Marie Tidl vorbehalten. Eine sensationelle Leistung, die sie mithilfe ihrer Mutter vollbrachte, die an ihrer Stelle die Vorlesungen besuchte und ihr die Bücher aus den Bibliotheken ins Gefängnis brachte.

Wien: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2018.
Broschiert, 276 S, Euro 24,– ISBN 978-3-901602-74-0

Georg Tidl zeichnet die Lebensgeschichte einer mutigen, begabten, konsequenten Frau nach, die seine Mutter war und in ihren Schriften, Prosaarbeiten, Gedichten nie augehört hat, gegen die Überwältigung durch das Unmenschliche anzukämpfen. Marie Tidl liebte die einfachen Menschen, die kleinen Leute. Sie lebte, um fortzusetzen, was unvergessene Opfer des Widerstands begonnen hatten.

Marie Tidl (1916 – 1995). ’Wo es Stärkere gibt, immer auf der Seite der Schwächeren!’ Als junges Mädchen hat sie diese Worte in der sozialdemokratischen Arbeiter-Zeitung gelesen. Sie haben sie ihr ganzes Leben begleitet, und ihr Denken, ihr Handeln, ihre Arbeit bestimmt. Enttäuscht von der sozialdemokratischen Führung und ihrer Politik während der Ereignisse 1927, 1933 und 1934 schließt sie sich den Kommunisten an und in der Folge dem antifaschistischen Widerstand. Im November 1938 wird sie mit anderen Mitgliedern des Geeinten Roten Studenten-Verbandes verhaftet. Sie nützt die Zeit in der Haft und schreibt im Gefängnis ihre Dissertation zu Ende, die noch während der Untersuchungshaft im April 1940 approbiert wird. Nach ihrem Freispruch – aus Mangel an Beweisen - beendet sie im Juli 1942 ihr Studium an der Wiener Universität. Eine Einweisung ins Konzentrationslager konnte sie trotz bereits erlassenem Schutzhaftbefehl mit Hilfe ihres Anwalts erfolgreich bekämpfen. Nach 1945 schließt sie sich wieder den Kommunisten an, wird 1972 aller ihrer politischen Leitungsfunktionen enthoben, bleibt aber der Partei treu.

In erster Linie war Marie Tidl Lehrerin, in der ursprünglichsten Bedeutung, als Mittlerin von Wissen und Können, als Pädagogin, als Lebensbegleiterin. 32 Jahre lang unterrichtete sie an zwei Wiener Mittelschulen.

Schon in Jugendjahren hat sie begonnen, Literatur und Gedichte zu schreiben. Fast alles bis 1945 Geschriebene wurde vernichtet, aus Angst, es könnte als belastendes Material in die Hände der Gestapo fallen. Der Rest verbrannte in ihrer ausgebombten Wohnung. Die meisten nach 1945 verfassten Text und Gedichte veröffentlichte sie unter Pseudonym, denn die Jahre des Kalten Krieges waren auch für Österreichische KommunistInnen keine gute Zeit. Erst zwanzig Jahre nach ihrem Tod gelingt es nun, einen Teil ihrer Arbeiten unter ihrem richtigen Namen der Öffentlichkeit zugängig zu machen.

Georg Tidl. 1948 als Sohn von Marie und Johann Tidl in Wien geboren, arbeitete nach dem Studium als Historiker, Journalist und Autor unterschiedlichster literarischer Werke. Seine frühen Recherchen zu Dr. Kurt Waldheims Kriegsbiographie schon im April 1984 und damit lange vor der Wahl, gelten als Initialzündung einer innenpolitischen Entwicklung Österreichs, die versucht hat, das nationalsozialistische Erbe aufzuarbeiten und endgültig zu beseitigen. Georg Tidl bewahrt seit dem Tod seiner Mutter ihr Archiv. Vor drei Jahren hat er begonnen zu sichten und den Nachlass aufzuarbeiten. Der vorliegende Band enthält nur einen Teil des umfangreichen Werkes seiner Mutter.

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