FŒHN, Heft 12
April
1989

Heimatkunde

Die Auslieferung ganzer Talschaften an den FV hat die Lebensgrundlagen Hunderttausender vom Ausland abhängig gemacht. Die Kraftwerkspolitik, die jahrzehntelang darin bestand, für bundesdeutsche E-Konzeme mit bundes­deutschem und schweizerischem Bankkapital Stromfabriken in unsere Hinter­täler zu klotzen, hat uns die Selbständigkeit auch auf diesem Gebiet gekostet. (Ausführlich dazu in FOEHN 10/11.) Durch die Anhängung ans bayerische Gasnetz, von München gefordert und von den Statthaltern in Innsbruck untertänigst ausgeführt, kann weiten Teilen des Unterlandes jederzeit vom Ausland aus der Hahn zugedreht werden.

Das Blatt der Tiroler Handelskammer, deren Aufgabe immer weniger die Vertretung ihrer beitragspflichtigen Tiroler Mitglieder und immer mehr die Regionalvertretung der bayerischen Industrie- und Handelskammer ist, schreibt in einem Leitartikel: „Ausländische Großkonzeme haben nicht die Absicht, gut arbeitende Tiroler Klein- und Mittelbetriebe aufzukaufen. Sie brauchen diese vielmehr wie schon bisher als höchst innovative upd flexible Zulieferer.“ (Tirols Wirtschaft, 11.6.1988) Dieser Kammerfunktionärsklüngel, der nach­weisbar in vielen Belangen antiösterreichische Interessen vertritt, will damit den Widerstand der kleinen Gewerbetreibenden gegen die grenzenlose Aus­lieferung an „EG“-Interessen brechen und macht ungewollt deutlich, wie weite Teile der Tiroler Wirtschaft jetzt schon dem Diktat des Auslandes unterstehen. Nach den Worten eines Vertreters der Arbeiterkammer, die buchstäblich nichts tut gegen die Unterordnung der Tiroler Wirtschaft unter die bundesdeutsche, ergänzt: „Vielfach handelt es sich um Zulieferungen an große Industriebetriebe, die sich das niedrige Lohnniveau in Tirol zunutze machen.“ (Wochenpresse, 23.9.1988)

Der Landeshauptmann, als er noch Wallnöfer hieß, hat gemeint, daß es ihm schon recht sei, wenn deutsche Betriebe, mittlere und auch etwas greßere, sich in Tirol ansiedelten. Außerdem beruhe das ja auf Gegenseitigkeit. „Es arbeiten ja auch viele Tiroler bei Mercedes in Sindelfingen zum Beispiel.“ (Österreich- Bild-am-Sonntag, 27.10.1985) Das Gegengewicht zu den im Ausland fürs Ausland arbeitenden Tirolern besteht also darin, daß auch im Inland Tiroler fürs Ausland arbeiten. Daß unter so einem willfährigen Dienstling sich auslän­disches Kapital wichtige Teile der Tiroler Wirtschaft aneignen konnte, ver­steht sich.

Beispiel Textilindustrie: Ein großer Teil der Aktien an der Tiroler Loden AG gehört heute der deutschen »dm«-Drogeriemarktkette. Die beiden »Anita«-Miederwerke in Osttirol und im Unterinntal sind ebenso in bundesdeutschem Besitz wie die Seidensticker-Fabrik (300 Arbeiter/innen) in Innsbruck und ebenso wie die Balinger Textilwerke in Nasserreith (54 Arbeiter/innen) und ebenso wie die Firma Oehme in Jenbach (100 Arbeiter/innen) und ebenso wie die Kleiderfabrik Widudress in Innsbruck und ebenso wie die Bekleidungswerke Kramsach und ebenso wie die Strickwarenfabrik Krawinkel in Kufstein und viele andere mehr. Der Textilbetrieb in Landeck ist eine Filiale der schweizerischen TAG Textilgesellschaft m.b.H., die Weberei in Telfs, die Spinnerei in Matrei, die Textilwerke Reutte und die Firma Polyfill in Absam (zusammen 400 Arbeiter/innen) gehören jetzt allesamt zur Schweizer Thyll-Gruppe.

Was ist mit den großen Betrieben Tirols? Wenn man länger hinsieht, sieht man an jedem Eck einen ausländischen Betrieb. An den Tiroler Röhrenwerken haben die deutsche Buderus AG und die deutsche Haibergerhütte berträchtliche Anteile, und die Jenbacher-Werke sind ebenfalls zu mindestens 26 % direkt in deutscher Hand. Die Tiroler Magnesit AG Hochfilzen gehört Ame­rikanern und die Biochemie in Kundl (1600 Arbeiterinnen und Arbeiter) dem Schweizer Sandoz-Konzem. AL-KO Kober im Zillertal hat deutsche Besitzer wie EGO-Austria in Heinfels. An der BRAU AG Innsbruck haben der deutsche Familienenkonzem Oetker und die Münchner Allianz-Versicherung Besitzanteile. Euroclima in Sillian gehört zum italienischen Industriekomplex Schmidhammer, während die Gewinne der Donau-Chemie in Landeck haupt­sächlich in französische Kassen fließen. Die Arbeiter im Perlmooser Zement­werk in Kirchbichl arbeiten ein Drittel des Jahres für eine Zürcher Gesellschaft und einige Wochen zudem für die schweizerische Holderbank Financiere Glarus AG und die 300 in den Tirolia-Werken in Schwaz für den deutschen Blomberg-Konzern. Die Entscheidungen für die Liebherr-Werke in Lienz und Telfs werden von deren in der Schweiz ansässigen deutschem Besitzer getrof­fen. Die 135 Tee Verarbeiterinnen der Firma Milford in Hall arbeiten für die deutsche Untemehmerfamilie Spethmann. Die Beton- und Monierbau GesmbH in Innsbruck läßt 500 Arbeiter für die Dortmunder Deilmann-Haniel GesmbH arbeiten. Um mit der Aufzählung der industriellen Betriebe in ausländischer Hand aufzuhören, vor die Liste der ausländischen Unternehmen in Tirol zu Ende ist: im Schwarzkopf-Werk in Kematen (250 Arbeiter/innen) wird auch für deutsches Kapital (Hoechst AG) gearbeitet.

Wer an den Stadtrand der Landeshauptstadt zum Einkäufen fährt, kommt nicht vorbei am »Deutschen Einkaufs-Zentrum« (dez) und am Metro, an Quelle, Hettlage, Hofer, Bauhaus usw. Was an Tiroler Grund und Boden nicht mehr Tiroler Grund und Boden ist, darüber ein andermal. Wieweit am Tiroler Frem­denverkehr ausländisches Kapital mitschneidet, kann man im FOEHN 6 nachlesen.

Daß die Firma Swarovski, der größte Betrieb Tirols, seine Konten in der Schweiz eingerichtet hat, also ein Steuerflüchtling ist, und damit einem ausländischen Konzern vergleichbar, sei nur noch schnell dazugefügt.

Partl, also das, was wir als Landeshauptmann haben, deklamiert in einem geschraubten Tonfall (als gelte es, darauf stolz zu sein), daß heute bereits jeder dritte Arbeitsplatz in Tirol vom Ausland abhängt und setzt ebenso ölig dazu, daß es im Jahre 2000 schon jeder zweite sein werde, als ginge es darum, ein Plansoll zu erfüllen.

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