FORVM, No. 120
Dezember
1963

In den Niederungen Kakaniens

Hinweise auf sieben neue Romane

Es gehört zum paradox Faszinierenden aller Kunstübung, daß sie dem Flüchtigen Dauer verleiht und daß gerade der Moment des Sterbens oder Hinwelkens kraft künstlerischer Darstellung Ewigkeitswert gewinnt. So kommt es, daß man mit eben jenem Kakanien, mit dem man auf die Dauer in der Welt keinen Staat machen konnte, nunmehr in der Literaturwelt in ungeahntem Maße Staat zu machen vermag. Seit Robert Musil posthum berühmt wurde, wuchs sich der von ihm so großartig entwickelte Kakanier zu einem schlechthin gültigen literarischen Begriff aus — fast möchte man sagen: zu einer Weltmarke. Heute ist dieser Kakanier auf dem Fahrplan des internationalen Romanverkehrs beinahe ebenso zugkräftig wie Prater und Wiener Heuriger auf dem des internationalen Fremdenverkehrs. Nicht zu leugnen: Es gibt so etwas wie Roman-Tourismus.

Prominentwerden, der geheime Traum manchen Jüngers der Kunst, ist entweder das Ergebnis wohlberechneter Managertechnik oder — manchmal — ein Wunder. Ein solches war es wohl, als Heimito von Doderer, bereits fünfundfünfzigjährig, mit dem Roman „Die Strudlhofstiege“ (1951) einen beinahe sofort entscheidenden Durchbruch erlebte. Heute wird Doderer bis hinauf nach Schweden als Repräsentant der österreichischen Gegenwartsliteratur angesehen und daher auch zu Hause begeistert als solcher respektiert. Gilt es nämlich etwa in der Bundesrepublik neuerdings als Vorbedingung zeitgenössischer Prominenz, daß man mit den traditionellen Gesellschaftsformen, mit den traditionellen Roman- und Versformen oder am besten mit beiden zugleich möglichst aggressiv umgeht, so erwartet man dort von einem österreichischen Dichter, daß er ein Original vorstellt und es auf witzige Weise mit der Tradition hält. So ungefähr erfüllte sich vielleicht auch das erwähnte Wunder: Man fand in Heimito von Doderer einen Epiker, der meisterhaft schreibt und überdies österreichische Zustände vollendet in jener Perspektive darzustellen vermag, in der man sie auch von außenher zu sehen gelernt hat.

Der in diesem Herbst herausgekommene Roman „Die Wasserfälle von Slunj“ ist der erste Band eines auf vier Teile geplanten Werkes mit dem Gesamttitel „Roman No 7“. Mit der Übernahme dieser bisher vor allem bei Komponisten geübten Opus-Numerierung in die literarische Praxis dokumentiert Doderer für den, der genau nachzählt, daß für ihn nur noch seine nach dem Krieg erschienenen oder wiedererschienenen Werke zählen; also nicht mehr der Roman aus dem russischen Bürgerkrieg „Das Geheimnis des Reichs“ (1930).

Die „Wasserfälle von Slunj“ sind nur am Anfang und am Ende des Buches für ein paar Seiten Schauplatz des Romans, dem sie den Titel geben; die Handlung spielt zum größten Teil in Wien, und zwar während der letzten drei Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg. Es soll mit diesem altösterreichischen Anbeginn wohl ein Kern- und Knotenpunkt künftiger Weltentwicklungen und -verwicklungen konstituiert werden, wie man nach dem Aviso von „Schauplatz und Zeit“ der noch ausständigen Romanteile annehmen darf: die Weite Rußlands 1918-20, das Berlin der Zwanzigerjahre, die Eruptivwelt Südamerikas und das verjüngte Europa der Gegenwart. Von alldem ist in dem vorliegenden Roman noch nichts zu spüren. Das ist kein Fehler, man hat ja von solcher weltgeschichtlichen Fortsetzung dazumal am angegebenen Ort (und auch sonstwo) nichts oder nur wenig vorausgemerkt.

1877 geht also die englische Industriellenfamilie Clayton („Clayton & Powers“) daran, in Österreich eine Niederlassung zu gründen. Dieses geschäftliche Vorhaben wird faktisch und romantechnisch verquickt mit der Hochzeitsreise des 27 Jahre alten Robert Clayton über Wien nach Kroatien, womit die Wasserfälle von Slunj das erstemal vorübergehend ins Geschehen kommen. Zuletzt aber, 33 Jahre nachher und gut 350 Seiten darauf, kommt Donald Clayton, der Sohn jenes Paares, an den gleichen Ort. Allerdings nicht auf einer mit Geschäftsinteressen verbundenen Hochzeitsreise, sondern genau umgekehrt auf einer Geschäftsreise, die eigentlich eine Flucht ist, die nach einem tiefgehenden Liebes-Mißerfolg Ablenkung und Darüberhinauskommen bieten sollte. Der längst verwitwete Vater hat nämlich die von dem seltsam liebesunkundigen Donald auf viel zu dilettantische Weise Erkorene kurzweg geheiratet. Die hochintellektuelle siebenunddreißigjährige Ingenieurin hatte sich mit raschem Entschluß für den Sechzigjährigen entschieden, nachdem der Zweiunddreißigjährige völlig unentschlossen geblieben war. Direkt über den Wasserfällen von Slunj, dem Höhepunkt der Hochzeitsreise seiner Eltern, ereilt den jungen Donald jäh der Tod: Ein bloß aufregender Unfall mit unmittelbar eintretendem Herzschlag.

Diese Rahmenhandlung bildet die Klammer um eine Fülle von Detailschilderungen aus dem Wien zur Zeit der „Strudihofstiege“ und der „Dämonen“. Mit den — für Doderer-Leser schon gewohnten — Sprüngen von Zeit zu Zeit findet man manche vielleicht allzu vertraute Szenen aus dem alten Österreich. Diese reizenden Altwiener und grauslichen Hausmeister sind am Ende ein wenig zu wenig neu für einen neuen Doderer.

Der einunddreißigjährige Peter von Tramin bezeichnete gelegentlich selber Heimito von Doderer als seinen Lehrer, stellte also das offene Geheimnis außer Streit, bevor es der Leserschaft von tiefgründig analysierenden Kritikern verraten werden konnte. Verblüffender als literarische Analogien wirkte aber die koordinierte Propaganda für diesen Autor, der schon einige Monate vor dem Erscheinen seines Erstlings — paradox gesagt — stillschweigend unter die lokale Prominenz eingereiht wurde. Wer bisher, auch bei bester literarischer Beschlagenheit, unter einem Traminer unfehlbar nichts als einen wunderbaren Tropfen verstand, den man zurecht mit „von“ betiteln dürfte, hatte auf einmal, um die Jahreswende 1962/63, zur Kenntnis zu nehmen, daß ein neuer Stern über der literarischen Welt aufgegangen sei, der da und dort bei einschlägigen Anlässen plötzlich in der vordersten Reihe glänzte, dessen Werke sich aber noch in statu nascendi befanden: Peter von Tramin, Auslese 1963. Dann kam der Jubiläumsband der bekannten Gemeinschaftsreihe „Bücher der Neunzehn“ heraus, zu dem jeder der beteiligten neunzehn Verlage die Arbeit eines wichtigen Autors beisteuerte, und selbst da befand sich Peter von Tramin bereits mitten unter der Prominenz. Nicht als Wunder, sondern als gewagte Manipulation empfand man es, wenn nun auch österreichische Juroren in den unsichtbar dirigierten Chor einstimmten und den bereits bekanntgemachten Dichter knapp vor dem Erscheinen seines ersten Romans für alle noch durchaus künftigen Leistungen mit einer Preisverleihung literarisch adelten.

„Die Herren Söhne“ handeln vom Nachwuchs der Wiener Hautevolée und spielen in den Fünfzigerjahren. Wenn nach Ezra Pounds Einteilung der literarischen Typen in sechs Kategorien auf die großen „Erfinder“ die „Meister“ folgen, dann hat sich Peter von Tramin resolut der zweiten Gruppe angeschlossen. Bei ihm laufen alle „Erfindungen“ Doderers wie geölt, ein Maschinenpark technischer Perfektion, durch simple Kapitelvertauschung kompliziert gemacht wie eine Kriminalstory, gerne pointiert witzelnd, ein hochgezüchteter Feuilletonismus: Zweihundertprozentiger Doderer, also gar keiner.

Tramin hat Wien und Österreich nicht auf eine Romanbühne gezaubert, sondern all das als „Kakanien, neueste Folge“ auf den modernsten Romanbildschirm projiziert. Es geht um ein paar ehemalige Klassenkollegen, etliche Jahre nach der Matura, um ein Gesellschaftsspiel auf Leben und Tod zwischen zweien von ihnen, um einen vielgliedrigen Reigen von Mitspielern und Mitläufern, aber es geht, genauer genommen, gar nicht um dieses spannend aufgezogene Kampfspiel zwischen den zweien und vor allen anderen, es geht bei diesem viel zu gekonnten Roman No 1 wie beim „Roman No 7“ wieder um die Zeit- und Milieuschilderung, die der Schüler als Verkaufsschlager selbstsicher unter die Leute bringt: er hat seine Marktreifeprüfung glatt bestanden, die Reifeprüfung für den präjudizierten Poeta laureatus steht noch aus. Geschrieben ist das Buch in einem für Nichtwiener anheimelnd wienerisch verfremdeten Hochdeutsch, das man ohne Schwierigkeit in allen Himmelsrichtungen des deutschen Sprachraums lesen kann und doch überall ebenso unschwer als elegant durchgehaltenen Austriazismus agnoszieren wird. Alles wurde genau bedacht, auch scheinbare Stilfehler, z.B. Seite 389, „Ein Blick nach rückwärts und nach vorn ...“: Der Eingeweihte versteht sofort, daß hier nicht irrtümlich „rückwärts“ für „hinten“ gesetzt, sondern bewußt eine Reverenz vor dem diesbezüglichen Justamentstandpunkt des Magisters geleistet ist. Summa: Paris, Heimito, Peter — am liebsten immer noch von und zu —, eine zeitgemäße Landesstaffel, in der das kakanische Feuer von Hand zu Hand geht; bei dem spurtgewaltigen Schlußmann blakt die Flamme nicht mehr gütersloh auf, sondern leuchtet unwahrscheinlich taghell, quasi elektrifiziert: Ja, ja, die Herren Söhne. (Weh dir, daß du kein Enkel bist!)

Eine Frau kann man da nicht gut einreihen; es wäre geradezu unsportlich. Doch handelt auch Marlen Haushofers Utopie „Die Wand“ noch von Kakanien, wiewohl sie nur mehr ein Epilog ist, erlebt und geschrieben jenseits der unfaßbaren Wand, die nach dem Tag X auf einmal dasteht und die letzte Überlebende von der toten Mitwelt (die daher keine mehr ist) trennt. Tastversuche in eine geschichtliche Transzendenz sind nicht neu. Marlen Haushofer aber zwingt sich dabei nicht wie ihre Vorgänger zu einem dämonisch schillernden Naturalismus; ihre Diktion eines etwas verzagten, leicht patinierten Plaudertons ist und bleibt ein kakanisches Idiom. Auch als echteste und erste wahre Einsiedlerin auf dieser Welt denkt und notiert ihre Heldin (im neuesten Sinne des Wortes) alles in einer Weise, wie sie nur in der vielgenannten „Versuchsstation für den Weltuntergang“ naturgegeben war: „Dieser Gedanke überfiel mich, wie alle unangenehmen Gedanken, um vier Uhr morgens.“ Und jenseits der Zeitmauer: Das kann nur von einer Kakanierin stammen — und sei es von der letzten.

Daß man Kakanier nicht dank einer bestimmten Staatsangehörigkeit ist, sondern nur durch die Verwirklichung einer bestimmten Lebensform wird, beweist das nicht mehr neue und doch schon zum drittenmal neue Beispiel des Romans „Die Blendung“ von Elias Canetti. Geboren 1905 in „Rustschuk/Bulgarien als Sohn spanisch-jüdischer Eltern (Muttersprache spanisch), übersiedelte mit den Eltern nach England, nach dem Tod des Vaters mit der Mutter nach Wien; später Schulbesuch in Zürich und Frankfurt/Main, Studium in Wien, wo Canetti sich nach der Promotion als Schriftsteller niederließ. 1938 Emigration nach England ...“ (Wilhelm Kosch: Deutsches Literaturlexikon.) Der Autor könnte mithin als geborener Kosmopolit angesehen werden. Sein 515 Seiten umfassender Roman aber wurde unzweifelhaft im wunderlichen Kakanien konzipiert, ausnahmsweise sogar in Wien (1935) erstmalig verlegt, später (1946, 1947, 1948) in England, Amerika und Frankreich, von dort kam er auch nach Deutschland (1948, 1963). Enzensberger bezeichnet den Roman als „ein unerträgliches Buch, ein literarisches Monstrum“, findet es trotzdem „einzigartig“ und sagt: „Der lemurenhafte Lokalton, zwischen Nestroy und Herrn Karl, ist unverkennbar wienerisch, und es bedürfte der zahlreichen Austriazismen nicht, um die geistige Heimat des Buches zu fixieren: sie liegt an der schönen schwarzen Donau.“ Hämisch, aber nicht schlecht. Darum sieht man nicht recht ein, daß es für Enzensberger „nicht recht einzusehen“ ist, „warum man aus dem Verfasser unbedingt einen zweiten Kafka“ machen wollte: Die verschiedene Herkunft und der artistisch differierende Stil können über die eine gemeinsame Wurzel nicht hinwegtäuschen, die „an der schönen schwarzen Donau“ ihren Nährboden fand. Aus ihm allein erwächst jene von Nestroy geprägte, metaphysisch relevante Raunzerhaltung, welche sich nur mit der tiefsten Unzufriedenheit zufrieden gibt, alles geistige Glück im rückhaltslosen Auskosten des Unglücks findet, und welche selbst den erbittertsten Menschenfeind niemals in die Einsamkeit, sondern umgekehrt auf die Bühne eines ausverkauften Hauses treibt, wo er coram publico die scharfsinnig erkannte allgemeine Schlechtigkeit allgemein zum besten geben kann — und das vor einer zwar nicht kongenialen, doch immerhin kompatriotisch mitfühlenden und mitgehenden Menge, die solchen Schimpf gerne mitmacht und dabei am liebsten mitlacht, weil sie ja selber privat — nicht ohne Grund — zeitlebens sterbenstraurig zu sein pflegt.

Es geht bei der „Blendung“ um einen verrückten Gelehrten, der durchaus nicht verrückt, sondern nichts als ein Gelehrter ist, also doch verrückt, weil einen solchen Menschen die ganze Menschheit verrückt machen muß, so daß er am Ende, völlig von Sinnen, sein ein und alles vernichtet: die Bibliothek. Schlußsatz: „Als ihn die Flammen endlich erreichen, lacht er so laut, wie er in seinem ganzen Leben nie gelacht hat.“ Denn für einen Kakanier kann das Leben zum Totlachen sein, wenn er einmal jeden Spaß daran verloren hat.

So vieles von dem, was eben über „Die Blendung“ gesagt wurde, gilt auch für „Frost“ von Thomas Bernhard, daß es beinahe genügt, die ansonsten weniger wichtigen Unterschiede hervorzuheben. Bernhard wurde in Heerlen bei Maastricht geboren, stammt aber trotzdem von Österreichern ab und ist 25 Jahre jünger als Canetti. Sein Roman erschien im Frühjahr 1963. Wieder wird damit die überwältigende Schilderung einer privaten Abgeschlossenheit veröffentlicht. Der bis zum Verrücktwerden Einsame ist gleich seinem Pendant bei Canetti Bruder eines Arztes, mit dem er keinerlei Verkehr pflegt, ganz wie das Brüderpaar bei Canetti. Dort ein weltflüchtiger Gelehrter, hier ein ebensolcher Künstler. Diesmal versucht der Bruder und Arzt erst gar nicht selber nach dem Rechten zu sehen; er schickt einen untergeordneten Kollegen, der 27 Tage hindurch, gesellschaftlich getarnt, den Beobachter abgibt, jedoch nicht helfen kann. Für einen derart umfassend an der Welt Leidenden wären alle Begriffe, die man sich vom Patienten machen mag, weit überfordert. Ende letal. „Ich habe für mich keine Verwendung mehr“, bekennt der von den Gesunden als krank Angesehene am 24. Tag, und am 27. notiert der Mediziner: „Die Welt zieht sich zusammen in meinem Herzen“, so synchron läuft seine subjektive Denkmechanik schon mit der seines Beobachtungsobjekts. Ja, der geliebte Lebensüberdruß hierzulande ist uralt und schier unsterblich; er braucht keine fatalen Anlässe und ist sich selbst genug. Welch eine zur künstlerischen Form drängende Lebensform!

Nun, man spricht ja allegorisch von Kakanien, weil der gemeinte Begriff bei einer Identität mit dem heutigen Österreich keine Genüge fände. Wer wie László Németh 1901 in Ungarn geboren wurde, kommt durchaus als zugehörig in Betracht. Nach dem großartig gelungenen Roman einer Frau, „Wie der Stein fällt“, der in deutscher Übersetzung vor drei Jahren herausgekommen ist, konnte man mit Recht auf das Achthundertseitenwerk „Esther Egetö“ neugierig sein, zumal sich nach Karl Kerényi in dieser Lebensgeschichte „die große Linie von Némeths Zeitromanen und die seiner erstaunlichen Frauenschilderungen vereinigt haben“. Mag sein, mag sein. Wohlmeinend ist der sprachkritisch orientierte Kritiker in so einem besonderen Fall bereit, alle Unebenheit der Darstellung auf die Übersetzung zu schieben. Aber Wendungen wie bei Fritz von Unruh werden hoffentlich auch im Ungarischen als unmöglich empfunden: „Amal?“ sah Mizi sie fragend an. Oder gar: „Was soll das heißen: einen solchen?“ riß Jozsi die Augen auf. Oftmals scheint Kakanien deutlich durch, meistens aber gebrochen oder seltsam verniedlicht: schlechtes Glas oder Gartenlaube?

Als Vollblutkakanier bewährt sich dagegen Satz für Satz, auch in der Übersetzung, der 1893 in Agram geborene Miroslav Krleža. Sein ultrapolemischer Mammutroman „Bankett in Blitwien“ weist ein geradezu österreichisches Schicksal auf, wozu ihn der hohe Grad an Unzufriedenheit mit allen praktisch möglichen Lebensverhältnissen voll berechtigt: Das Werk erscheint jetzt, übersetzt und in Österreich, also außerhalb der Heimat des Verfassers, spät aber doch zum erstenmal überhaupt in vollständiger Form. Begreiflich: „Bankett in Blitwien“ zeigt die Welt aufs Schonungsloseste als Balkanwelt im sprichwörtlichen Sinn, und daß Krleža dafür den Staat Blitwien erfindet, mildert seine Perspektive nur wenig — der ganze Planet dürfte sich rechtens betroffen fühlen. Ohne Zweifel gehört dieses „Bankett in Blitwien“ neben dem Drama „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus zu der unbequemsten Literatur Mitteleuropas. Fraglich, ob es außerhalb des Horizontes von Kakanien eine derartige, rein ideelle Aggressivität gegen übliche Zustände und Umstände überhaupt geben kann. „Wie die Dinge liegen, ist Blitwien meine ureigenste Schöpfung, ob das nun den Pygmäen in den Kaffeehäusern paßt oder nicht“, sagt sich Oberst Barutanski, der dortige Diktator. Doch Blitwien war ganz offensichtlich eine Provinz Kakaniens, ehe es selbständig und zum Auswuchs seiner selbst wurde, irgendwo, unheimlich treffend erfunden von einem genialen Satiriker.

Bibliographie

  • Heimito von Doderer: Roman No. 7 / Die Wasserfälle von Slunj (Luckmann-Verlag, Wien)
  • Peter von Tramin: Die Herren Söhne (Nymphenburger Verlagsbuchhandlung, München)
  • Marlen Haushofer: Die Wand (Sigbert Mohn Verlag, Gütersloh)
  • Elias Canetti: Die Blendung (Carl Hanser Verlag, München)
  • Thomas Bernhard: Frost (Insel-Verlag, Frankfurt am Main)
  • László Nemeth: Esther Egetö (Steingrüben Verlag, Stuttgart)
  • Miroslav Krleža: Bankett in Blitwien (Stiasny Verlag, Graz und Wien)
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