MOZ, Nummer 48
Januar
1990
Die DDR im Umbruch:

Konsumterror oder ökologische Vernunft

Der ganze Osten bricht um. Während sich Ungarn und Polen auf dem Weg in Richtung kapitalistische Restauration befinden, sind in der DDR die Weichen für die künftige Entwicklung noch nicht so eindeutig auf Westkurs gestellt.

Der Philosoph und Ökologe Wolfgang Harich — eine Symbolfigur des anderen Deutschland — sprach mit MONATSZEITUNG-Redakteur Hannes Hofbauer über seine Hoffnungen und Ängste im Angesicht des gesellschaftlichen Wandels.

Wolfgang Harich
Bild: privat
MONATSZEITUNG: Im Westen ist in den letzten Wochen viel von einer Revolution die Rede, die die DDR erschüttert. Noch dazu wird dieser Begriff — ganz im Gegensatz zur üblichen Praxis — positiv verwendet. Haben die Änderungen, die derzeit in der DDR vor sich gehen, für Sie einen revolutionären Charakter?

Harich: Teil, teils. Umwälzungen haben oft einen Doppelcharakter, das war schon bei der Reformation so und auch bei den Befreiungskriegen gegen Napoleon. Revolutionäre Elemente vermengen sich auch heute in der DDR mit anderen.

MONATSZEITUNG: Und was ist das Revolutionäre daran?

Harich: Alles, was man unter dem Begriff „Glasnost“ zusammenfassen kann. Demokratisierung, Herstellung von Öffentlichkeit, Konfliktbereitschaft ... all das ist emanzipatorisch.

MONATSZEITUNG: Und wo sehen Sie Gegenteiliges?

Harich: Die freie Marktwirtschaft, die uns droht, ist sicherlich nichts Wünschenswertes. Aaswitternde Hyänen wollen unser Land in den kapitalistischen Westen reintegrieren.

MONATSZEITUNG: Das Volk bewegt sich unübersehbar. Was sind die Triebfedern dieser Bewegung?

Harich: Unterschiedliche Kräfte mit entgegengesetzten gesellschaftlichen Interessen haben jetzt einen Freiraum, miteinander um die Gestaltung dieses Landes zu ringen. Das ist noch nicht entschieden, wer da obsiegen wird.

MONATSZEITUNG: Wie äußern sich die — wahrscheinlich divergierenden — gesellschaftlichen Vorstellungen, die zur Zeit massenhaft artikuliert werden? Welche Gruppen stehen für welchen politischen Kurs?

Harich: Ich möchte bei den Allianzen beginnen, die mir unsympathisch sind. Es könnte eine Allianz entstehen — und das beginnt sich abzuzeichnen — zwischen SED-Apparatschiks, die nur ihre eigenen Privilegien retten wollen, und einer sich verselbständigenden, aus der Blockdisziplin lösenden liberal-demokratischen Partei, die bis vor kurzem nur die Funktion eines Feigenblatts hatte und einen Transmissionsriemen von den staatlichen Planungsorganen zu den privaten Handwerkern herstellte. Viele Handwerker sind in der liberaldemokratischen Partei (LDPD) organisiert. Wenn die LDPD jetzt selbständig wird und für einen Liberalismus eintritt, der nun im Sozialismus wirklich nichts verloren hat, dann wird für diese Allianz der Spruch vom Festhalten am Sozialismus zu einer reinen Phrase.

MONATSZEITUNG: Und die Möglichkeit einer positiven Utopie, von welcher gesellschaftlichen Allianz könnte die getragen sein?

Harich: Die positive Alternative erwarte ich von einem möglichen Bündnis der neuentstehenden grünen Partei mit linken Gruppierungen wie dem Böhlener Appell (also der „Vereinigten Linken“) und echten Kommunisten in der SED und — ganz wichtig — mit christlichen Kräften, denen es um den Schutz der Schwachen und Armen geht. Große Teile der evangelischen Kirche können dieses Bündnis mittragen helfen.

MONATSZEITUNG: Was ist über den Schutz der Armen und Schwachen hinaus noch konstitutiv für eine linke, alternative gesellschaftliche Wende?

Harich: Das ganze Ereignis als solches in der DDR gehört zu den vielen auf der Welt, die vom allerwichtigsten ablenken, nämlich von der ökologischen Krise und der drohenden Klimakatastrophe. Und dementsprechend wäre es wichtig, das, was hier in der DDR sozialistisch ist, zu bewahren.

MONATSZEITUNG: Was ist hier sozialistisch?

Harich: Zum Beispiel das Primat der Politik über die Wirtschaft. Das muß, zusammen mit dem Volkseigentum, bewahrt bleiben und in den Dienst der Erhaltung des Lebens auf der Erde gestellt werden.

MONATSZEITUNG: Das würde auch heißen, daß man Konzepten, wie sie Regierungschef Modrow in seiner Regierungserklärung vorgestellt hat — nämlich effiziente Produktionssteigerung, um im internationalen Konkurrenzkampf nicht unterzugehen — skeptisch gegenübersteht.

Harich: Diesem Aspekt des Modrowschen Reformprogramms muß man auch skeptisch gegenüberstehen.

MONATSZEITUNG: Die Gesellschaft in der DDR ist doch ganz sichtbar nicht so vom Konkurrenzgedanken dominiert wie im Westen. Nun tauchen aber im Zuge der letzten Massenkundgebungen vermehrt Transparente auf, die Konkurrenz und Leistungsdenken fordern.

Harich: Natürlich muß man arbeiten und Leistung bringen. Aber ich halte die ganze Idee, daß die DDR-Bürger effizienter produzieren müssen, um schneller zu Autos zu kommen und mehr reisen zu können, für außerordentlich problematisch. Insbesondere vor dem Hintergrund, daß der gesellschaftliche Reichtum durch die Ankurbelung der Produktion exportfähiger Güter erwirtschaftet werden soll. Nicht nur ist diese Vision irreal, sondern auch — dort, wo sie Realität werden könnte — höchst unerfreulich. Das Unerfreulichste ist, daß Devisen durch eine Umgestaltung der DDR zum Tourismusland erwirtschaftet werden sollen.

MONATSZEITUNG: Und wie soll das vor sich gehen?

Harich: Vermutlich besteht die Absicht, hier komfortable Devisenhotels zu bauen, die dann quasi als Devisenbordelle funktionieren sollen. Wenn man sich ansieht, wie die aktuelle Regierung zusammengesetzt ist, sind die schlimmsten Befürchtungen berechtigt. Neu ist da ein Minister für Tourismus, der von jener LDPD gestellt wird, die ich vorher so kritisiert habe. Das heißt, daß diese neoliberalen Kräfte darauf drängen, unser Land zu einem Touristenland zu machen. Attraktiv für ausländische Touristen, mit allen negativen Folgen für die Landschaft und für die Bevölkerung. Unsere DDR-Bevölkerung wird schon heute in den Ländern Osteuropas als Gäste zweiter Klasse behandelt, weil sie — anders als die Urlauber aus der BRD oder Österreich — keine Devisen hat. Die DDR-Bürger würden jetzt zu Urlaubern zweiter und dritter Klasse im eigenen Land werden, wenn sich die ganze Blechlawine des Westtourismus nach Thüringen, Mecklenburg und Brandenburg ergießen sollte.

MONATSZEITUNG: Und ihre Forderung diesbezüglich lautet?

Harich: Weg mit dem Tourismusministerium, und am besten weg mit der ganzen LDPD, nicht verbieten, aber sie politisch so klein machen, daß sie keinen gesellschaftlichen Einfluß gewinnt. Unser Ziel muß sein, einer echten liberalen Partei, die für Kapitalismus und Reintegration kämpft, keine Chance zu geben. Eine solche Partei muß von der Basis der SED und auch der bewußten linken und ökologischen Opposition als Klassenfeind angeprangert werden.

MONATSZEITUNG: Kann so eine Politik in der aktuellen Situation überhaupt populär sein?

Harich: Natürlich. Es gibt die Interessen der Schwachen, derjenigen, die z.B. überhaupt nie ein Auto werden erwerben können. Denen — und das ist die Mehrheit der DDR-Bürger — kann man leicht klarmachen, daß die Westblechlawine für sie keine Vorteile bringt.

MONATSZEITUNG: Und wie stellen diese Leute Öffentlichkeit her, wo haben sie ihre Stimme?

Harich: Bei den Grünen und dem „Neuen Forum“ sind solche Positionen durchaus vertreten. Und die Niederlage des LDPD-Vorsitzenden Gerlach, der ja an Stelle des Kandidaten der Bauernpartei Volkskammerpräsident werden sollte, deutet darauf hin, daß auch innerhalb der SED Leute vertreten sind, die einen wirtschaftsliberalen Kurs ablehnen. Die Partei des jetzigen Volkskammerpräsidenten Maleuda könnte durchaus Bündnispartner einer sozialen und ökologischen Erneuerungsbewegung der DDR sein, die einen Ausverkauf unseres Landes an den Westen ablehnt.

MONATSZEITUNG: Wie stellt sich überhaupt das Verhältnis zwischen den alten Blockparteien, die sich jetzt verselbständigen, und den neuen oppositionellen Strömungen dar?

Harich: Es gibt Gruppierungen, die keinen Parteicharakter haben, wie z.B. die Bürgerinitiative „Demokratie jetzt“ und das „Neue Forum“. Das „Neue Forum“ hat die entscheidenden Fragen aufgeblättert, die SED gefordert und letzten Endes die heutige Situation erst möglich gemacht. Es hat sich dabei niemals als Partei verstanden, sondern als Forum, das über gesellschaftliche Probleme diskutieren wollte und die Forderung nach Demokratie und Pluralismus stellte. Nun sind Demokratie und Pluralismus da. Und jetzt ist es steril geworden zu sagen, daß man für Meinungsfreiheit ist. Jetzt muß man eine bestimmte Meinung haben. Die Kräfte, die in diesen Foren versammelt sind, werden sich über kurz oder lang Parteien anschließen. Und die neuen Parteien, die sich außerhalb der Koalition von Modrow abzeichnen, sind die Sozialdemokraten, die Grünen und neuerdings der sich offenbar an die West-CDU anschließende „Demokratische Aufbruch“.

MONATSZEITUNG: Gesetzt den Fall, Ihre Vorstellung einer ökologisch und sozialistisch reformierten DDR ließe sich verwirklichen, welches wären die programmatischen Grundlinien?

Harich: Zum ersten: Kampf für die Erhaltung des Lebens auf der Erde.

MONATSZEITUNG: Aber das sagt doch heute jeder.

Harich: Ich sage Ihnen das als roter Grüner. Ferner: Friedenserhaltung in Europa, Antifaschismus. Nicht einmal in der DDR ist das selbstverständlich, nachdem sich auch hier ein Kryptofaschismus in Form von Skinheads herausgebildet hat. Und ganz wichtig: Soziale Gerechtigkeit unter Angleichung der Einkommen. Für Mieten beispielsweise würde das heißen, daß wir eine progressive Miete einführen. Ich könnte mir diese Wohnung, in der ich lebe, auch um 100 Mark, statt wie bisher um 50 Mark, leisten. Aber ich bin dafür, daß die alte Rentnerin über mir nicht mehr als bisher für ihre Miete bezahlt. Und noch etwas wäre zu überlegen: Die Einführung von Bezugsmarken für Grundnahrungsmittel, und zwar nur für den Teil, den jeder und jede unbedingt nötig hat.

MONATSZEITUNG: Das klingt nicht sehr populär.

Harich: Nur für die Generation, die die Marken mit Kriegszeit verbindet. Bestimmte Grundnahrungsmittel könnten zu billigsten Preisen rationiert werden, wer mehr haben will, der soll teure Preise zahlen. So verhindert man auch, daß wie bisher Schweine mit Brot gefüttert werden, nur weil der Brotpreis so gering ist, daß es nicht die Mühe lohnt, Kartoffeln zu verfüttern. Für die armen Rentner müssen Brot und Fleisch so billig bleiben, wie sie sind, und die Belieferung muß garantiert werden. Übrigens: Die Heizkohle ist bei uns in dieser Weise schon immer rationiert, und das hat sich bewährt. Davon wollen natürlich die kapitalistischen Restaurierer und Freunde der freien Marktwirtschaft — auch wenn sie es soziale Marktwirtschaft nennen — nichts wissen. Das heißen sie im Westen den sozialen Klimbim.

MONATSZEITUNG: Dieser von Ihnen vorgeschlagenen „anderen Subventionierungspolitik“ mittels Bezugsscheinen steht doch entgegen, daß neue internationale Kredite, die die DDR schon bald wieder aufnehmen wird müssen, an Bedingungen geknüpft sind, die eine Subventionierung von Grundbedarfsgütern nicht erlauben.

Harich: Ich sehe nicht, daß die DDR Kredite aufnehmen muß. Wieso eigentlich?

MONATSZEITUNG: Schon deswegen, um damit die Zinsen der Schulden aus den 70er und 80er Jahren zurückzahlen zu können.

Harich: Man kann niemanden bestrafen für die Fehler seiner Vorgänger. Und die Vorgänger haben den Fehler gemacht, Kredite aufzunehmen und uns die Last der Zinsen zu überlassen, besonders in Polen und Ungarn. Meiner Meinung nach sollten sich diese verschuldeten Länder mit der „3. Welt“ zusammenschließen und den Plan eines Schuldenmoratoriums von Fidel Castro wahr machen. Sie sollten sagen: Wir denken nicht daran, wir zahlen nichts zurück! Und ab jetzt machen wir keine Schulden mehr.

Ost und Süd sollen sich zusammenschließen und ein Schuldenmoratorium gegen Nord-West durchsetzen. Das würde die Möglichkeit schaffen, die Potenzen des Sozialismus für die Veränderung der Lebensweise zu nutzen, für die Veränderung der Bedürfnisstruktur — hin zu mehr geistigen und kulturellen Bedürfnissen, weg von den antiemanzipatorischen Bedürfnissen, die der Konsumterror geweckt hat. In eine solche Strategie müßte die DDR sich einfügen, statt sich dem gemeinsamen Markt an den Hals zu werfen.

MONATSZEITUNG: Laut sind solche Forderungen, wie Sie sie jetzt gestellt haben, auch in der erneuerten DDR noch nicht zu hören.

Harich: Ich sage es hier, damit andere es aufgreifen. Die Erzwingung des Ost-Süd-Schuldenmoratoriums müßte natürlich durch eine Friedenspolitik flankiert werden, die es unmöglich macht, darauf mit einer Aggression zu antworten.

MONATSZEITUNG: Ein weiteres wirtschaftliches Problem ist das Mißverhältnis der Währungen. Inzwischen werden DDR-Mark in der BRD schon zu einem Kurs von 1:20 zur DM verkauft.

Harich: Das führt zu ganz katastrophalen Folgen. Solange es Währungen und Geld überhaupt gibt — ich halte sie ja für überflüssig, weil man das Lebensnotwendige in einem weltweiten Kommunismus ohne Wachstum über Bezugsscheine verteilen könnte — und die Währungssituation sich so darstellt wie aktuell, droht der Ausverkauf der DDR.

MONATSZEITUNG: Wie sieht dieser Ausverkauf aus?

Harich: Bis jetzt sind die Besatzungsmächte aus Westberlin die Hauptankäufer von billigen DDR-Waren. Engländer, Franzosen und Amerikaner haben das Recht, unkontrolliert in ganz Berlin herumzufahren. Infolge dessen tauschen sie das Geld im Verhältnis 1:10 oder 1:20 im Westen ein, fahren nach Ostberlin, kaufen die Warenhäuser leer und bringen die Waren unkontrolliert nach dem Westen. Das ist eine — legale — Spekulation. Und diese Spekulation weitet sich jetzt auf polnische und DDR-Bürger aus, die ebenfalls — nach Öffnung der Grenzen — aus dem MiBßverhältnis der Währungen höchste Gewinne ziehen.

MONATSZEITUNG: Und wie soll man das in den Griff bekommen?

Harich: Es bedürfte eines neuen Berlinabkommens, das das alte Abkommen aus den 70er Jahren ablöst. Da müßten nicht nur die vier Mächte an einem Tisch sitzen, sondern auch die DDR und Westberlin. Dort sollte ein Interessenausgleich stattfinden, der die DDR vor solchen Ausverkäufen schützt. Und das ginge Hand in Hand mit den Bestrebungen in Westberlin, die Vorrechte der westlichen Alliierten abzubauen.

MONATSZEITUNG: Das wäre dann eine Restriktion im Warenverkehr.

Harich: Na selbstverständlich, die wäre auch nötig.

MONATSZEITUNG: Nicht nur Waren werden ja zu sehr unterschiedlichen Preisen hin und her verschoben, sondern auch Arbeit. Derzeit sind vor allem Polen zu sehr billigem Lohn in Westberlin tätig, in Form von Schwarzarbeit.

Harich: Es wird auch bald Massen von DDR-Bürgern geben, die auf Schwarzarbeit in den Westen gehen. Sie werden dort als Lohndrücker gegenüber den Westberliner Kollegen auftreten und sich dann ihre Westmark zu einem Kurs 1 zu sowieso umtauschen und im Osten davon leben. Die große Gefahr besteht, daß Arbeitskraft abfließt.

MONATSZEITUNG: Eine politische Forderung, die diese Frage bald obsolet machen würde, wäre die Wiedervereinigung Deutschlands.

Harich: Eine Wiedervereinigung Deutschlands kann und darf auf absehbare Zeit keine Frage sein. Das würde nicht nur das europäische Gleichgewicht durcheinanderbringen, sondern hätte auch zur Folge, daß die 16 Mio. DDR-Bürger/innen, die sich jetzt die Selbstbestimmung erkämpft haben, sehr schnell zum Objekt einer Fremdbestimmung durch die 65 Mio. Bundesdeutschen würden, repräsentiert durch Bonn. Die DDR-Bürger/innen müssen das Recht haben, ihr Haus in freier Selbstbestimmung in Ordnung zu bringen. Trotzdem halte ich es für steril, die Frage einer späteren Vereinigung für immer und ewig mit Nein zu beantworten. Dann müßte man sich aber fragen, was das für ein Deutschland sein soll: ein Deutschland des Leistungszwangs und des Konsumterrors oder ein Deutschland der ökologischen Vernunft; ein Deutschland, das seine Nachbarn bedroht, oder ein pazifistisches Deutschland, das deren Grenzen garantiert; ein Deutschland der sozialen Ungleichheit oder ein Deutschland der sozialen Gerechtigkeit; ein Deutschland, in dem neofaschistische Kräfte ein Terrain finden oder ein militant antifaschistisches Deutschland.

MONATSZEITUNG: Taucht nicht jetzt auch im Osten eine Wiedervereinigungsforderung auf, die im aktuellen Kontext klar imperialistischen Charakter hätte?

Harich: Das sehe ich im Moment nicht. Ich halte die Demokratiebewegung für viel stärker als das Geschrei nach einem Anschluß an Bonn. Diese Leute sind in der DDR eine Minderheit. Ein Deutschland mit Westbindung wäre für mich völlig inakzeptabel.

MONATSZEITUNG: Und der Garant dafür, daß diese Wiedervereinigungsforderung aus dem Osten nicht ertönt, ist vielleicht gerade die Erfahrung, daß hier eine Volksbewegung so viele Änderungen bewirkt hat.

Harich: Ja. Das hat sicherlich eine Identität geschaffen, die eine Wiedervereinigung derzeit nicht spruchreif werden läßt. Und mehr noch, diese Bewegung kann auch den linken Kräften in der BRD Mut und Stärke geben. Es darf nicht sein, daß eine Niederlage des Sozialismus in der DDR eine gesamteuropäische Reaktionsperiode zur Folge hat, sondern im Gegenteil: der Aufschwung einer demokratisch-sozialistischen und grün-roten DDR sollte die Sache der Linken, der Grünen und des Antifaschismus im ganzen Westen stärken. Empörend finde ich daher, daß die SPD im Bonner Bundestag dem unverkennbar annexionistischen Stufenplan des CDU-Kanzlers Kohl zugestimmt hat. Sie ist damit, wieder einmal, einer Volksbewegung in den Rücken gefallen. Nur die bundesdeutschen Grünen haben in Bonn solidarisch unsere Interessen verteidigt. Dafür gebührt ihnen unsere Hochachtung und unser Vertrauen.

MONATSZEITUNG: Danke für das Gespräch.
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