FORVM, No. 415/416
Juli
1988

Labour Frühlingsparty

Vom 11. bis 12. 6. 1988 fand in Chesterfield die zweite „Socialist Conference“ statt. Sie wurde gesponsert und organisiert von der Campaign Group of Labour MPs unter der Federführung von Tony Benn, Abgeordneter zum Britischen Unterhaus, dem Paraderepräsentanten der britischen Linken.

Diese Konferenz ist die Fortsetzung einer gleichnamigen Veranstaltung vom vergangenen Herbst 1987, wo es darum ging, linke Akzente einer immer weiter nach rechts abdriftenden, gewerkschaftlichen Orientierung und sozialistische Zielsetzungen aufgebenden Labour Führung entgegenzusetzen. Diese erste Socialist Conference stand noch im Zeichen des Labour Parteitages 1987, der in Rat- und Perspektivelosigkeit geendet und sich eine Denkpause verordnet hatte. Die Unterhauswahlen von 1987 hatten zwar Stimmenzuwächse gebracht, nicht aber den erhofften Durchbruch: Es kam zu einer weiteren politischen Polarisierung, wobei die linken Hochburgen ebenso wie die rechten „strongholds“ zulegten. Die Spaltung in einen konservativen Süden und einen Labour-dominierten Norden (dazu noch einige „inner cities“) wurde deutlich wie nie zuvor.

Die erste Socialist Conference war ein großer Erfolg. Innerhalb weniger Wochen „stand“ die Organisation, die vorhandenen Räumlichkeiten im Veranstaltungsort Chesterfield — der politischen Heimstadt von Tony Benn — platzten an diesem Wochenende buchstäblich aus allen Nähten, über 2000 Teilnehmer, Delegierte aus den verschiedenen Gruppierungen und Parteien der Linken — Grüne, wie Trotzkisten, sozialistische Gruppen, Gewerkschafter, kommunistische Gruppen (Campaign Groups), Frauengruppen, Lesben-Schwule, Friedensgruppen, Schwarze, Behinderte etc. Diese Veranstaltung fand in den Medien gehöriges Echo, da klar wurde, daß der Labour-Führung unter Kinnock der Kampf angesagt war. Gemeinsam ist dem linken wie dem rechten Flügel in der Labour Party das Ziel, den Thatcherismus zu überwinden. Doch eine Voraussetzung erscheint dabei unerläßlich: die Verpflichtung der Linken wie der Rechten innerhalb der Labour Party auf eine gemeinsame Linie/Strategie. Die Positionen der beiden Flügel innerhalb der LP sind jedoch in wesentlichen Fragen unversöhnlich/unvereinbar:

Die Linke will durch Politisierung der Massen sozialistisches Terrain wiedergewinnen, während die Rechte durch „Modernisierung“ eher beim liberalen und bürgerlichen Wählerpotential ihre Chancen sieht. „Modernisierung“ steht dabei für Abstreifen sozialistischer Rhetorik und Zielsetzungen, Ausklammerung klassenkämpferischer Parolen und Kampfformen. Die Linke sieht in dieser Modernisierung einen Schritt in die Richtung einer Wählerpartei, des Typs der Demokratischen Partei der USA. „Modernisierung“ steht dabei auch für fernsehgerechtere, mediengerechtere Politik, politische Slogans als Ware, Warenästhetik, eine Politik, die sich von Meinungsumfragen leiten läßt ...

Die Rechte setzt auf die Schichten, die in den Thatcher-Jahren ideologisch mit der Arbeiterklasse gebrochen haben, Aktienbesitzer geworden sind, während die Linke mit der Strategie des Klassenkampfes (allerdings mit modernen Mitteln) die Stärkung kämpferischer Gewerkschaften, Verteidigung der Rechte der. Arbeitenden, der lokalen Behörden (city councils, GCL u.a.) und vor allem die Zurückdrängung des Thatcherismus aus allen gesellschaftlichen Bereichen anstrebt. Die Rechte meinte bis vor kurzem noch — angesichts des jahrelangen unaufhaltsamen Aufstieges des Thatcherismus — einige Überlegungen des Monetarismus absorbieren zu müssen. Der Börsenkrach (vom Herbst 1987) hat diese Überlegungen zumindest kurzfristig etwas erschüttert.

Wo die Labour-Rechte die Macht hat, versucht sie, Exponenten des linken politischen Spektrums zu isolieren, bzw. auch auszuschließen (so geschehen in Liverpool u.a.) und wird von der Linken der Hexenjagd bezichtigt. Bis vor etwa einem Jahr war auch die politische Priorität der Labour-Führung die Herbeiführung einer Zusammenarbeit in Richtung Koalition mit den Liberalen bzw. den Sozialdemokraten (einer Abspaltung von der Labour Party). Als diese beiden Parteien im heurigen Frühjahr fusionierten und empfindliche Wahlniederlagen erlitten, verlor diese Idee einiges an Attraktivität. Damit gewinnt die Überlegung der Labour-Linken, den Thatcherismus aus eigener Kraft zu schlagen, wieder an Gewicht — ein Ziel, das nicht unmöglich, aber sicher nicht kurzfristig zu erreichen ist.

Tatsache aber ist, daß der Erfolg des Thatcherismus seit 1979 nicht so sehr auf das Konto der Konservativen geht, sondern vielmehr auf die eklatanten Schwächen der Labour Party, ihre Perspektivelosigkeit, die Konzeptlosigkeit, Passivität, organisatorische Schwächen, halbherzige Unterstützung derjenigen Gruppen, die besonders unter den Attacken der Regierung zu leiden haben (Bergarbeiter, Druckereiarbeiter, Lehrer, Seeleute, Farbige etc.) sowie auf den Mangel an politischer Basisarbeit zurückzuführen ist.

Die Verbitterung der traditionellen Wählerschaft ist groß: sie mußte jahrelang zusehen, wie eine Errungenschaft der Arbeiterbewegung nach der anderen von der Regierung ohne wesentlichen Widerstand der Labour Party demontiert wurde, selbst der Bergarbeiterstreik 1984/85, der größte Arbeitskampf in der Geschichte Großbritanniens, der sehr wohl die Chance gehabt hätte, die Bevölkerung nachhaltig zu politisieren und ihr vor Augen zu führen, welche verheerenden Folgen der Monetarismus Thatcherscher Prägung für wesentliche Sektionen der britischen Gesellschaft hat, sah auf der einen Seite eine entschlossene, kompromißlose Regierung und auf der anderen eine unentschlossene, zerstrittene Arbeiterschaft bzw. Labour Party, die nicht imstande war, wenn schon nicht Zukunftsperspektiven oder längerfristige Alternativen aufzuzeigen, so doch zumindest das Verteidigungspotential zu mobilisieren, um die Errungenschaften der Vergangenheit zu sichern.

Der Bergarbeiterstreik und die folgenden Arbeitskämpfe, die allesamt in Niederlagen endeten, demoralisierte die Werktätigen (d.h. die traditionelle Industriearbeiterschaft ebenso wie Angestellte, Lehrer etc.), passivierte sie. Die Labour Party hatte keine realistischen politischen Alternativen zum Thatcherismus anzubieten. Und der Thatcherismus macht seit 1979 die Trennung in die Gewinner und Verlierer einer monetaristischen Politik unübersehbar: die Zahl der Aktienbesitzer hat sich zwar verdreifacht, die Zahl der Arbeitslosen (derzeit gut 4 Millionen, wobei es unterschiedliche Zählungen gibt) und die der Sozialhilfeempfänger aber auch, und für die Ärmsten der Briten (immerhin ca. 12 Millionen Menschen, die als offiziell „arm“ gelten) brechen noch härtere Zeiten an:

Seit vier Jahren werden Pensionen und Sozialhilfeleistungen nicht mehr an die Inflationsrate (3-4%) angeglichen. Das an sich schon diskriminierende System des supplementary benefit, das sind ergänzende Beihilfen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, sondern es liegt in der freien Entscheidung der Beamten, ob und wie viel an dieser Unterstützung gewährt wird, dieses System also wurde erheblichen Einschränkungen unterworfen. Das Sozialhilfesystem wurde unter Thatcher insgesamt stark verändert, eine unglaubliche restriktive Rechtspraxis und eine nach dem Prinzip der Willkür und des freien Ermessens operierende Bürokratie (die Formulare für das Ansuchen umfassen 154 Fragen auf 20 Seiten!) hat die Zahl der Unterstützungsbedürftigen reduziert. Die Sozialämter leiden unter Personalmangel, da die Regierung insbesondere die Ausgaben für den Staatsdienst herunterdrücken will. Viele Arme wagen daher gar nicht mehr den Weg zum Sozialamt, sondern wenden sich an private caritative Organisationen um Hilfe. Damit spart der Staat Millionen. Auch das System der Mietzinsbeihilfe wurde geändert: wenn z.B. jemand über Ersparnisse von über 6000 Pfund verfügt, so müssen diese für die Deckung der täglichen Ausgaben verwendet werden, wenn diese aufgebraucht sind, bzw. wenn die Betroffenen entsprechend verarmt sind, erst dann darf Mietbeihilfe gezahlt werden.

Eng mit der Sozialpolitik verflochten ist die Attacke der Regierung auf das staatliche Gesundheitssystem. Seit Jahren unterdotiert, unter drückendem Personalmangel vermag es die Krankenversorgung für die breite Bevölkerung nicht mehr sicherzustellen. Tausende Patienten stehen auf Wartelisten für wichtige Operationen, die aus Kapazitätsgründen, aus Gründen der Ausstattung etc., nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt werden können.

Die wichtigste Reform stellt aber die Steuerreform dar, und da wiederum die Einführung der sogenannten „poll tax“, eine Art Kopfsteuer, die für die pro Haus wohnenden Personen zu zahlen ist und die Reichen weniger trifft als die Armen. Arbeitslose müssen sie von ihrer Arbeitslosenunterstützung berappen. Diese Steuer hat einen politischen Hintergrund: da es in Großbritannien keine Meldepflicht gibt, werden bei Wahlen Wählerlisten aufgelegt, in die sich die Wahlpflichtigen und Wahlwilligen eintragen lassen. Die poll tax kann man umgehen bzw. reduzieren, indem man (d.h. der Hauseigentümer, Pächter, etc.) weniger Personen angibt, als dort tatsächlich wohnen. Obwohl die Wählerlisten nichts mit der poll tax zu tun haben, riskieren viele dieser „Steuersparer“ dann lieber doch nicht, bei Ausübung ihres Wahlrechts wegen Umgehung der poll tax unter Umständen aufzufliegen, und verzichten dann lieber auf die Eintragung in das Wählerregister. Es ist offensichtlich, daß auch hier wieder die Ärmeren mehr als die Wohlhabenderen getroffen werden und damit letztendlich das Wählerpotential der Labour Party. Der zweite Effekt dieser neuen Steuer liegt darin, daß der Unterschied zwischen wohlhabenderen und ärmeren Regionen verstärkt wird: letztere haben einen größeren Aufholbedarf (Schulbauten, Kanalisation, Renovierungen, höhere Sozialleistungen etc.), wofür aber nicht genügend Mittel zur Verfügung stehen. In den „besseren“ Gegenden ist der Bedarf an öffentlichen Einrichtungen geringer (weniger zu unterstützende Arbeitslose, Obdachlose etc.), außerdem nehmen viele, weil sie sich das leisten können, private Dienste (Schulen, Krankenhäuser etc.) in Anspruch. Das Geld kann für zusätzliche Bereiche ausgegeben werden. Die attraktiven — von den Konservativen regierten — Gebiete werden dadurch noch attraktiver gemacht, während die Labour-regierten Regionen neben den Folgen der Deindustrialisierung die Armut und das Elend zu verwalten haben.

Wie schon angedeutet, weist die politische und ökonomische Landschaft Großbritanniens eine scharfe Nord-Süd-Trennung auf, die durch die Unterhauswahlen von 1987 politisch noch zugespitzt wurde: der Süden Englands ist überwältigend konservativ (125 Konservative gegen 2 Labour-Abgeordnete!), während der Norden Labour-Mehrheiten aufweist. Sicherlich verzerrt das britische Mehrheitswahlrecht die politischen Verhältnisse. Das politische Gegengewicht zum Thatcherismus sind im Süden die Liberalen, im Norden Labour. Aber auch innerhalb der Labour Party gibt es diese Nord-Süd-Spaltung. Formen der Solidarität, der Traditionen des Klassenkampfes im Norden: hier trägt die Labour Party das Image der Habenichtse, eines industriellen Konservativismus, der Emanzipation der Schwulen, Lesben, der Schwarzen, ethnischer Gruppen — alles Faktoren, die im Süden wenig populär sind, mit denen kein politischer Profit zu holen ist. Im Süden ist die Labour Party geneigt, gewisse Adaptierungen des Monetarismus in ihr Programm zu integrieren, unter dem Titel „Neuer Realismus“, der von der Linken strikt abgelehnt wird. Die links-rechts Spaltung der Labour Party hat letztlich soziologische Wurzeln.

Ein Spezialfall ist Schottland: Hier gelang es der Labour Party innerhalb von 30 Jahren, eine konservative Mehrheit von über 50% zu brechen (heute besetzt von 72 Unterhausmandaten 50 die Labour Party, 10 die Konservative Partei). Labour entwickelte hier ihre Strategie entlang einer Gegenkultur auf der Grundlage der Institutionen und Traditionen der Arbeiterbewegung und artikulierte die Interessen Schottlands im regionalen, kulturellen und politischen Sinne sowie aus dem kollektiven ökonomischen, politischen und nicht zuletzt nationalen Bewußtsein der Bevölkerung gegenüber England/Westminster. Die „schottische“ Frage ist zunehmend aktuell geworden, da eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Schottlands — Meinungsumfragen sprechen von 80% — eine eigene Nationalversammlung verlangen. Labour muß sich dieser Frage stellen — nämlich den Kontroversen, die bei den unvermeidlichen Debatten um Föderalismus, Nationalismus, Separatismus entstehen, ebenso wie sie die Integration der unterschiedlichen Gruppen und der beiden Flügel innerhalb der Partei zu leisten hat — dies alles stellt zweifellos große Anforderungen an die politische Führung der Partei.

Die Führung unter N. Kinnock ist es aber, die die scharfe Kritik der Labour-Linken auf den Plan gerufen hat. Kinnock ist zum Synonym für Kompromißlertum, Opportunismus und Verrat an sozialistischen politischen Zielen geworden. Nach den Wahlen von 1987 strebt Kinnock nach einer „Modernisierung“ und ist bemüht, sozialistische Perspektiven überhaupt nicht erst anzusprechen, spart dabei aber wesentliche Fragen der britischen Gesellschaft entweder aus oder läßt sie offen. Genau hier setzt die Labour-Linke an: sie will diesen opportunistischen Trend stoppen und Alternativen entwickeln. Bei der 1. Socialist Conference im Herbst 1987 ging es vorerst einmal darum, mobilisierende Stimmung gegen den „rechten Defätismus“ zu machen. Auf dieser — wie sie Tony Benn bezeichnete — „ökumenischen sozialistischen“ Veranstaltung stand die „Perestrojka der britischen Linken“ auf dem Programm, um die Worte einer Diskussionsrednerin zu gebrauchen. In der Zwischenzeit sind eine Reihe weiterer Konferenzen und Workshops auf regionaler Ebene abgehalten worden, die einerseits die Initiativen aufgegriffen und die inhaltliche Vorbereitung, programmatische Arbeit für die 2. Socialist Conference in Chesterfield leisteten.

Herrschte auf der 1. Socialist Conference emotionale Aufbruchstimmung vor, so hatte die 2. Socialist Conference den Charakter einer Monsterfachtagung mit Dutzenden Workshops, Arbeitsgruppen, Referaten, Ausarbeitung von Papieren und Resolutionen. Diesmal ging es auch um mehr: einerseits um die Entwicklung und Formulierung einer sozialistischen Alternative zur Parteiführung, andererseits um die Möglichkeit der Nominierung alternativer Kandidaten für die Wahl des Parteivorsitzes für den Labour-Parteitag im Herbst. Die Linke tritt mit Benn und Erich Heffer (als Deputy leader) offiziell gegen Kinnock an. Daß es gelingen könnte, Kinnock durch Benn abzulösen, wird als nicht ganz unmöglich angesehen, wobei viel davon abhängen wird, ob es gelingt, die Delegierten bis zum Herbst zu mobilisieren.

Grün & sozialıstisch

Zu den zweifellos interessantesten Entwicklungen innerhalb der britischen Linken gehört die Integration „grüner“ Ideen und deren Exponenten. Auf der 2. Socialist Conference hielt der bundesdeutsche Grün-Abgeordnete zum Europaparlament F. O. Wolf ein Referat, in dem er die sozialistische Basis der Grünbewegung betonte und insbesondere die kapitalistischen herrschenden Klassen anprangerte, die eine ökologisch verträgliche, sozial nützliche und vor allem friedlichen Zwecken dienende Produktion verhinderten. Die Lügen von der russischen Bedrohung haben seit den zwanziger Jahren eine Emanzipation der Arbeitenden verhindert und Militarismus, Aufrüstung und gleichzeitig damit die forçierte Zerstörung unserer Umwelt und die Ausplünderung der Dritten Welt in nicht dagewesenem Ausmaß gefördert. Jetzt seien neue, günstige Bedingungen gegeben für eine unilaterale Abrüstung, für eine Politik des Non-Alignments und für eine gemeinsame friedliche und solidarische Entwicklung.

Mitte Mai fand in London eine Green and Socialist Conference statt, bei der es darum ging, einen genuinen Dialog zwischen den Sozialisten und Grünen zu eröffnen, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und abweichende Ansichten auf konstruktive Art offen und tolerant zu diskutieren, eine breitere Kooperation, Solidarität und Konvergenz zwischen den ökologischen, sozialistischen und anderen radikalen Bewegungen in Gang zu setzen und schließlich Grüne in der sozialistischen Bewegung und Sozialisten in der grünen Bewegung zu motivieren und zu bestärken. Die Ausarbeitung rot-grüner Alternativen umfaßte folgende Fragestellungen:

  • In welchem Ausmaß ist die ökologische Weltkrise ein Produkt von Kapitalismus, Imperialismus und Militarismus im Gegensatz zu einer industriellen und technologischen Revolution, die soziale Systeme überschreitet?
  • Inwiefern kommen wir der Forderung nach einer globalen Planung für die Kontrolle der Umweltverschmutzung nach, des sparsamen Umganges mit raren Ressourcen, der gerechteren Verteilung des Wohlstandes, mit dem Wunsch nach dezentralisierter Macht und Entscheidungsbefugnis und dem Ziel nach mehr Autonomie und Selbstverwaltung?
  • Reicht sozialistische Revolution und Nationalisierung der Produktionsmittel aus, um Entwicklung zu garantieren? Kann ein gestoppter Abfluß von natürlichen Ressourcen aus der Dritten Welt in die Industriemetropolen den Lebensstandard ernsthaft gefährden?
  • Was können wir aus den Erfahrungen der Grünen, Sozialisten und der unabhängigen Linken in Europa lernen? Perspektiven für eine größere Zusammenarbeit mit Sozialisten, Gewerkschaftern.
  • Welche sind die Möglichkeiten für eine nichtimperialistische, unabhängige, blockfreie Verteidigungspolitik? Kann gewaltfreier ziviler Widerstand als eine Komponente der Verteidigungspolitik inkorporiert werden?
  • Inwieweit würde das Verhältniswahlrecht die Entwicklung einer breiteren radikalen Linken erleichtern? Welche anderen institutionellen Formen sind notwendig, um das Prinzip der demokratischen Vertretung und Verantwortlichkeit zu stärken?
  • Welche Möglichkeiten gibt es für Individuen, unsere ökologisch-exterministische Gesellschaft zu unterlaufen und zu verändern?
  • Was kann von den Erfahrungen der Frauenbewegung und ihren Kämpfen in bezug auf politische Ideen und Methoden der Organisation und des Kampfes gelernt werden? Inwieweit betreffen männlich-chauvinistische Haltungen (unbewußt) linke Organisationen in destruktiver und kontraproduktiver Weise?
    * Gibt es einen inhärenten Widerspruch zwischen dem Kampf um Arbeitsplätze, dem Kampf um Umweltschutz und dem Kampf, die Ungleichheiten zwischen den reichen und den armen Ländern zu überwinden? Müssen Gewerkschaften ihre Haltung gegenüber der Beschäftigung und der Arbeitsethik überdenken?
  • Verdrängt der Kampf um die Verteidigung des Wohlfahrtsstaates die Frage nach der Organisation des Wohlfahrtsstaates und dessen Dienstleistungen?

Offen geblieben ist die Frage nach der politischen Strategie, insbesondere aber die Frage nach der Form der politischen Repräsentation: die Grünen lehnen bürokratische und hierarchische Strukturen von Parteien ab und bauen auf Selbstbestimmung, Selbstverwaltung und Formen direkter Verantwortlichkeit. Hier gibt es kontroverse Standpunkte, besonders im Zusammenhang mit den traditionellen Strukturen der Gewerkschaftsorganisationen (die straffer sind als die Strukturen der Labour Party). Der Querverweis auf die westdeutschen Grünen und deren Vorbildcharakter für die britischen Grünen ist auffällig.

Unabhängig von der Frage der Parteiführung geht es der Labour-Linken darum, sozialistische Ziele wieder in der Labour Party und in der britischen Politik offensiv zu formulieren und in der Praxis zu verfolgen. Auf der 1. Socialist Conference umriß Tony Benn die

Hauptziele der Linken

  1. Friedenspolitik auf der Basıs der Unabhängigkeit Großbritanniens von militärischen Blöcken, um zu helfen, die Teilung Europas zu überwinden. Die entlasteten Militärbudgets könnten dann für friedliche Zwecke hier wie in der Dritten Welt verwendet werden.
  2. Umorientierung der Wirtschaftspolitik vom Profit der Wenigen auf die Bedürfnisse der Vielen auf der Basis einer Vielfalt von Formen kollektiven Eigentums und demokratischer Selbstverwaltung, um öffentliche Verantwortung über die Zentren der finanziellen und industriellen Macht sicherzustellen, auf deren Konto derzeit Ausbeutung und Umweltzerstörung gehen.
  3. Verteidigung und Ausbau der demokratischen Kontrolle über alle Aspekte der staatlichen Macht inklusive Militär und Exekutive, Verteidigung der Rechte und Freiheit aller, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben, insbesondere aber Verteidigung der Rechte der Frauen und der ethnischen Gruppen, die derzeit einer massiven Diskriminierung ausgesetzt sind.

Bei der ersten wie bei der zweiten Socialist Conference wurde aber das Verbleiben der Linken in der Labour Party betont, Spaltungen einhellig als schädlich und irreal verworfen. Die zweite Socialist Conference war von zwei Ereignissen gekennzeichnet: eine der größten Gewerkschaften, die TGWU (Transport and General Workers Union) hat ihre Unterstützung für Kinnock eingestellt, nachdem er in der Frage der einseitigen atomaren Abrüstung deutlich abgerückt war. Einige Tage später kündigte D. Davis, der Verteidigungssprecher der Labour Party, die Mitarbeit bei Kinnock auf. Keine guten Vorzeichen für Kinnock, zweifellos.

Auf der zweiten Socialist Conference wurde de facto ein vollständiges politisches Programm vorgelegt und diskutiert, insbesondere mit folgenden Themenbereichen:

Demokratie und Staat: darunter insbesondere Demokratie und Sozialismus, Menschenrechte und das Gesetz, Polizei, Rechte der Frauen in der Gesellschaft, die schottische Frage, Wahlrechtsreform.

Wirtschaftspolitik: sozialistische ökonomische Strategien, öffentliches Eigentum, Frauen und Wirtschaftspolitik, makroökonomische Politik und Schaffung von Arbeitsplätzen.

Grüne und sozialistische Politik: rote und grüne Perspektiven als Sozialistische Perspektiven; Ökologie, politische Ökonomie und Wirtschaftswachstum.

Internationalismus: internationale Politik, Ost-West-Beziehungen, Befreiungsbewegungen, die Beziehung Großbritanniens zu Südafrika.

Frieden, Abrüstung.

Gewerkschaftsbewegung: Gewerkschaftsdemokratie, antigewerkschaftliche Gesetzgebung, Gewerkschaften und die Kommunen.

Schwarze und Farbige: Polizei, Erziehungspolitik.

Frauen und Sozialismus.

Lesben und Schwule.

Irland: Politik des „disengagement“ und für Selbstbestimmung.

Gesundheit und soziale Sicherheit: Prinzipien sozialistischer Gesundheitspolitik, Soziale Dienste, psychische Gesundheit.

Erziehung und Bildung.

Medien: Linke Antworten auf die Medienkonzentration, Entwicklung und Erarbeitung einer Medienpolitik — ein großes Manko der Labour Party.

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