FORVM, No. 111
März
1963

Lateinamerika nach der Kuba-Krise

Ob die Kuba-Krise eine Wende in der interamerikanischen Politik bedeutete, wird sich erst zu einem viel späteren Zeitpunkt beurteilen lassen. Im wesentlichen wird das von der Gesamtentwicklung des Kalten Krieges abhängen, insbesondere von der Haltung der Vereinigten Staaten: ob diese zu ihrer früheren „Vorsicht“ zurückkehren oder ob die jüngst gezeigte Festigkeit mehr als ein Strohfeuer war. Gewisse Auswirkungen der Oktoberereignisse lassen sich jedoch schon heute deutlich feststellen.

Bemerkenswert war zunächst, schon während der Krise selbst, das plötzliche Umschlagen der Stimmung innerhalb der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten). Wer erlebt hatte, wie es in den letzten Versammlungen dieser Körperschaft zuging, insbesondere in Punta del Este, Uruguay, wo es sich ebenfalls um Maßnahmen gegen Fidel Castro handelte, der mußte überrascht sein. Von den Vereinigten Staaten darüber unterrichtet, daß die Sowjetunion auf Kuba Raketenbasen gebaut hatte und daß Washington entschlossen sei, sich mit allen Mitteln dagegen zu wehren, selbst auf die Gefahr eines Krieges hin, zeigte die OAS etwas, was man, Kubas wegen, schon verloren geglaubt hatte: Solidarität. Und, noch ungewöhnlicher, Solidarität nicht bloß innerhalb der lateinamerikanischen Gruppe, sondern mit den USA.

Das hatte es lange nicht mehr gegeben, denn selbst Einheit und Einigkeit der Lateinamerikaner, die schon traditionell waren, hatten arg gelitten, seit sich am Fall Castro die Geister zu scheiden begonnen hatten. Die Konferenz von Punta del Este im Februar 1962 bot da ein trauriges Schauspiel. Es ging um den Ausschluß Castros aus der OAS und um Sanktionen gegen das in Kuba herrschende Regime. Grund genug gab es für beides — hätte man meinen sollen. Aber es war erstaunlich, mit welcher Wortgewalt sich Castros Verteidiger ins Zeug legten, an der Spitze der damalige Außenminister Brasiliens, Dr. Francisco Clemente de San Thiago Dantas.

Nicht daß man Castro selbst und seine Regierungsmethoden verteidigt hätte, aber man suchte juristische Ausflüchte und behauptete, daß Ausschluß und Sanktionen mit der Charta der OAS nicht vereinbar seien. Grund dieser Manöver war nicht Sympathie für Castro, sondern Angst vor den Castro-Anhängern in den verschiedenen Ländern. Man hielt ihre Schar bereits für so groß und innenpolitisch ausschlaggebend, daß man um keinen Preis als Miturheber kubafeindlicher Maßnahmen gelten wollte. Und so kam es denn, zum Leidwesen vieler Lateinamerikaner, zur Spaltung. Auf der einen Seite standen, haargenau die erforderliche Majorität bildend, die USA und die kleineren Länder, denen die Kommunisten natürlich sofort vorwarfen, sich an Washington verkauft zu haben, und auf der anderen Seite die lateinamerikanischen „Großen“, geführt von Brasilien, Mexiko und Argentinien — die freilich nicht „groß“ genug waren, um vor den Castristen im eigenen Lande den Mut aufzubringen, das zu tun, was notwendig war und was der inneren Überzeugung der Delegierten entsprochen hätte. Aber damals war eben eine Politik der „Unabhängigkeit von Washington“ viel leichter und zu Hause viel populärer als die Notwehr gegen die kubanische Aggression, obwohl Castro bereits überall zu einer akuten Gefahr geworden war.

Hier brachten nun die Oktobervorfälle eine Wandlung. Was diese eigentlich bewirkt hat, ist schwer zu sagen — war es die Einsicht, daß nun wirklich die Grenze erreicht war; war es die Erkenntnis, daß die Castristen in Lateinamerika durch Konzessionen nicht beschwichtigt, sondern immer mehr ermutigt worden waren; war es der plötzliche Schock, die Sowjetunion auf einmal in der Nachbarschaft zu finden?

Vielleicht war es das Zusammenwirken mehrerer solcher Gründe, vielleicht aber vorwiegend die Tatsache, daß die Vereinigten Staaten nunmehr deutlich das Ende ihrer Geduld zeigten. Diese an Washington so ungewohnte Entschlossenheit mag mehr geleistet haben, als man gemeiniglich glaubt. Jedenfalls ergab sich auf einmal wieder die in früheren Jahren gewohnte und durch Castro so schmerzlich gestörte Einhelligkeit und damit ein nicht zu unterschätzender Erfolg der USA. In jenen kritischen Tagen darauf hinweisen zu können, daß Nord- und Südamerika einer Meinung waren, bildete für die nordamerikanische Regierung eine wichtige Stütze. Noch kann man nicht mit Sicherheit sagen, ob die so unversehens entstandene außenpolitische Einheit des Kontinents nicht bloß das Produkt des damaligen Schocks war; aber nicht zu bezweifeln ist, daß die imponierende Festigkeit Kennedys eine große Rolle gespielt hat. Diesen Umstand sollte Washington, wenn ihm an der Wahrung der endlich wiederhergestellten Solidarität gelegen ist, nicht vergessen.

Iberische Psychologie

Denn hier liegt das zweite Ergebnis der Kubakrise: das Ansehen der Vereinigten Staaten in Lateinamerika ist heute ein ganz anderes, als es noch am Tage vor der Kraftprobe war. Die Gefühle der Südamerikaner für oder gegen den Norden sind ein Kapitel für sich, das wenigstens flüchtig berührt werden muß. Aus jener Zeit, in der es tatsächlich so etwas wie „Yankee-Imperialismus“ gab, in der nordamerikanische Großunternehmen südamerikanische Regierungen stürzen oder einsetzen konnten und in der man sich nicht einmal die Mühe gab, das so leicht verletzbare Selbstgefühl der Lateinamerikaner zu schonen, aus jener Zeit ist ein Haßgefühl geblieben, das auch anhielt, als Washington sein Verhalten längst geändert hatte.

Es fehlte nicht an Leuten, die für die Dauerhaftigkeit dieser Aversion sorgten, auch nachdem Roosevelt längst sein Motto von der „good neighborship“ geprägt hatte. Sie hatten es leicht, denn sie brauchten nur auf eine nicht sehr ferne Vergangenheit hinzuweisen, während die Anhänger der Roosevelt’schen These bloß einen künftigen Wandel Nordamerikas verheißen konnten. Erschwert wurde dies durch gelegentliche Rückfälle der „yanquis“, wie etwa die ungeschickte Intervention des damaligen amerikanischen Botschafters anläßlich jener Wahlen, in denen Perón zum erstenmal kandidierte. Der Botschafter glaubte, durch Herausgabe eines gegen Perón gerichteten Weißbuches dem Gegenkandidaten zu nützen. Ein primitiver psychologischer Fehler, denn nun stimmten zahllose Argentinier, die es sonst nicht getan hätten, für Perón, nur um zu beweisen, daß sie sich von den „Imperialisten“ nichts vorschreiben ließen.

Psychologie ist im Umgang mit Südamerikanern überhaupt unentbehrlich. Immer wieder sieht man, wie sehr die Minderwertigkeitsgefühle des Ibero-Amerikaners seine Einstellung zu den USA beeinflussen. Unwillkürlich muß er ja immer wieder vergleichen, wie weit es der Norden gebracht hat und in welchem Zustand sich die potentiell so reichen Staaten des lateinischen Teiles befinden. Er entwickelt nun einerseits einen geradezu unnatürlichen Supernationalismus und muß anderseits doch die Überlegenheit der Nordamerikaner zugeben. Das macht ihn überempfindlich und noch anfälliger für Haßgefühle. Kleinste, ganz ungewollte Taktfehler machen ihn wild — so z.B. wenn ein Europäer von „Amerika“ spricht und damit nur die USA meint. Aber der Zorn richtet sich nicht gegen den Europäer, sondern gegen den Nordamerikaner, der so weit vorn steht, daß man ihn mit ganz Amerika identifiziert. Dazu kommt noch die schreckliche Tatsache, daß diese Nordamerikaner, denen man früher vorwerfen konnte, Südamerika auszubeuten, heute fortwährend mit Hilfsaktionen daherkommen; sie leihen einem Geld, und man braucht es wirklich — das ist unverzeihlich.

Aber solange der Südamerikaner bloß Haß empfand, war es gut, denn Haß ist irgendwie mit Achtung verbunden. Auf den absoluten Tiefpunkt sank das nordamerikanische Ansehen erst mit der mißglückten Invasion Kubas. Washingtons Ausflucht, daß es sich um eine Aktion kubanischer Emigranten gehandelt habe, nahm niemand zur Kenntnis. Wenn auch jedermann sich vernünftigerweise sagen mußte, daß die USA, wenn sie ernstlich wollten, Kuba selbstverständlich in ein paar Tagen erledigen konnten, so blieb Südamerika dabei, daß das mächtige Washington gegen Havanna den kürzeren gezogen hatte. Der Mut des kleinen Kuba hatte über die aggressive Tücke der Vereinigten Staaten gesiegt. Und das bewirkte, daß aus dem bisherigen Haß mit einem Schlage Verachtung wurde. Die Nordamerikaner wurden zum Gegenstand des Spottes, was sie bis dahin nicht waren; man lachte über sie. Und ihre Verteidiger wußten nicht, was sie sagen sollten. Man hielt Kennedy für einen Stümper, der sich nicht einmal in Chruschtschews Nähe stellen konnte. Daß unter seiner Führung die USA keine Chance hatten, sich irgendwo in der Welt der Sowjetunion mit Erfolg entgegenzustellen, schien klar.

Nun ist aber Respekt so ziemlich das einzige positive Gefühl, mit dem die USA in Südamerika rechnen konnten, Respekt vor ihrer Stärke, ihrem Reichtum, ihrer Macht. Wohl hat der Nordamerikaner die seltsame Eigenschaft, auf Sympathie seiner Mitmenschen Wert zu legen, selbst in der Politik; aber ehe er in Südamerika Liebe erntet, wird noch viel Wasser den Amazonas hinabfließen. Man hat nun einmal in Lateinamerika die Vergangenheit noch nicht „bewältigt“; es wird jahrelange Hilfe, viel Werbung und intensive Aufklärungsarbeit geben müssen, ehe man soweit sein wird. Aber Respekt, politisch ein ziemlich adäquater Ersatz für fehlende Beliebtheit, ist für Nordamerika unentbehrlich, und ihn hatte der Invasionsversuch vernichtet.

Es ist darum von größter Bedeutung, daß die Oktoberkrise einen gewaltigen Umschwung bewirkte. Das Unerwartete war geschehen, die USA hatten die Zähne gezeigt, und zum erstenmal war die Sowjetunion zurückgeschreckt — in einer offenen Kraftprobe. Mit einem Schlage änderte sich die Haltung Südamerikas. Nicht daß der alte Haß, dort wo er bestand, beseitigt war und daß es jetzt auf einmal die ersehnte Sympathie gab. Aber das Ansehen der USA war wiederhergestellt. Es war vielleicht größer als je zuvor. Die Solidarität des Kontinents war in der ersten Abstimmung wieder da. Aber nicht nur die Diplomaten, auch der Mann von der Straße änderte seine Haltung. Er lachte nicht mehr über die Nordamerikaner, seit er gesehen hatte, daß auch den Russen das Lachen vergangen war.

Die Änderung der Gefühle wirkte sich sogar retroaktiv aus. Man begann, das Zögern Washingtons in manchen internationalen Konflikten, besonders aber bei der Kuba-Invasion von seinerzeit, anders zu beurteilen. Die Ereignisse hatten bewiesen, daß die USA und Kennedy nicht wirklich schwach waren. Die Russen hätten sich schon nicht bluffen lassen. Vielleicht hatte Nordamerika wirklich nur deswegen immer gezaudert, weil es den Weltfrieden nicht gefährden wollte, vielleicht hatten die „yanquis“ Kuba aus Respekt vor dem Interamerikanischen Pakt von Rio de Janeiro nicht besetzt? Zwar hatte Fidel Castro gerade diesen Vertrag in einer Volksversammlung mit theatralischer Geste zerrissen, aber vielleicht wollten die USA sich noch immer an ihn halten? Was immer der Grund des seinerzeitigen Fehlschlages war: daß es nicht Schwäche war, konnte man nun sehen.

Bankrott der dritten Kraft

Natürlich berührten die Oktoberereignisse auch die Meinung Lateinamerikas über die Sowjetunion. Hier ist zwischen den bedingungslosen Kommunisten und den „terceristas“ zu unterscheiden. Dies sind Leute, die behaupten, zwischen den ideologischen Blöcken eine dritte („tercera“) Position einzunehmen, also eine Art Neutralisten. Der Ausdruck stammt noch aus der Ära Perón. Die Terceristas sind insofern unparteiisch, als sie Lob und Tadel nach beiden Seiten verteilen: was die Sowjetunion tut, finden sie gut, und was die Vereinigten Staaten tun, schlecht. Die führenden Politiker dieser Gruppe lassen sich nicht Kommunisten nennen, verwenden aber den Yankee-Haß als politisches Werkzeug, womit sie der Sowjetunion genau die gleichen oder sogar noch bessere Dienste leisten, als wenn sie unter kommunistischer Flagge segelten.

Als Kennedy zum erstenmal bekanntgab, daß die Russen auf Kuba Raketenrampen gebaut hätten, da schrien sämtliche Terceristas vom Rio Grande bis Patagonien auf, daß eine so niederträchtige Yankee-Lüge überhaupt noch nicht da war. Man suche einfach einen Vorwand, um das friedliebende kleine Kuba, das nichts wolle, als ungestört eine neue Gesellschaftsordnung aufbauen, zu überfallen. Wer beschreibt aber die Verwirrung, als Chruschtschew ohne weiteres zugab, was Kennedy so verleumderisch behauptet hatte! Das ganze, gegen jahrelange Evidenz so mühselig geformte Bild war völlig verzerrt — nicht die USA hatten eine Offensive gegen Kuba, sondern dieses gemeinsam mit der Sowjetunion Angriffsvorbereitungen gegen die Vereinigten Staaten unternommen. Man konnte es nur glauben, weil Chruschtschew selbst es sagte, denn der lügt ja nicht.

Ein Teil der Terceristen, wenn auch ein sehr kleiner, entschloß sich, der Sowjetunion die Gefolgschaft zu verweigern und zu verurteilen, daß eine außerkontinentale Macht militärische Vorbereitungen traf, die gegen amerikanische Staaten gerichtet waren. Jene Terceristas jedoch, die trotz allem weiter zu Kuba hielten, machten merkwürdige Erfahrungen. Aufschlußreich waren da z.B. die Wahlen in Uruguay, die bald nach der Kuba-Krise stattfanden. Aus rein opportunistischen Gründen hatten in dem kleinen Lande die sozialistische und die christlichdemokratische Partei sich im Wahlkampf als Trompeter Castros betätigt, noch lauter als die Kommunisten selbst. Man wollte von den Stimmen der Castristen profitieren und zögerte daher nicht, die alten Prinzipien preiszugeben und neue Melodien, die man für besonders zugkräftig hielt, zu singen. Aber nach der Oktoberkrise war das ein verfehltes Unternehmen, denn diese hatte luftreinigend gewirkt. Man stand entweder auf der einen oder auf der anderen Seite, aber nicht mehr dazwischen. Jene Terceristen, die im Herzen sowjettreu waren, bekannten sich nun zu den Kommunisten, die anderen zu den Demokraten; die beiden kleinen, einst hochgeachteten und jetzt opportunistisch gewordenen Parteien wurden dazwischen fast ganz zerrieben.

Wichtiger noch war die Auswirkung auf die erklärten Kommunisten. Für sie kam nach Chruschtschews Eingeständnis der Angriffsvorbereitungen noch ein zweiter Schlag: das Abmontieren und Abtransportieren der Offensivwaffen und damit ein Bruch der Vereinbarungen mit Castro, den man zudem bei den Verhandlungen als nicht existent behandelte. Kuba und die Sowjetunion — das hatte bisher dasselbe bedeutet. Auf einmal ergab sich ein Gefühlskonflikt. Eine Welle der Verbitterung drang von Kuba herüber. Alle späteren Beteuerungen Chruschtschews und Mikojans konnten die Empörung, die man in Kuba empfand, nicht auslöschen, und auf einmal machte eine gefährliche Parole die Runde: die Parole vom „russischen Verrat an Kuba“.

Moskau erkannte die Gefahr und suchte den Brand zu löschen, ehe er größeren Schaden anrichten konnte. Aber da tauchte von weither eine Hand auf und goß langsam, überlegt, sorgfältig Öl ins Feuer. Peking ergriff mit Wonne die Gelegenheit, sich zum Wortführer des „verratenen Kuba“ zu machen.

Und nun hatten die lateinamerikanischen Kommunisten jenen Konflikt im Hause, dem sie so lange auszuweichen versucht hatten. Zuerst hatte es die Entstalinisierung gegeben, dann das Aufkeimen der chinesisch-russischen Differenzen — aber die kommunistischen Parteien Südamerikas hatten sich mehr oder weniger gut aus der Affäre gezogen. Wo es möglich war, drückte man sich um die Behandlung des Problems. Es gab Debatten, aber keine sehr lauten, und die führende Schicht der Parteien blieb moskautreu und sorgte für Disziplin. Jetzt, nach der kubanischen Affaire, verschärften sich die Meinungsverschiedenheiten gewaltig.

In Peru, wo die Behörden nach den jüngsten Unruhen zahlreiche Kommunisten verhaftet und verhört hatten, entdeckte man, daß eine bedeutende, durch die Kuba-Krise angefachte Rivalität zwischen den „konservativen“ Kommunisten, den bedingungslosen Gefolgsleuten Moskaus, und der chinafreundlichen „Avantgarde“ herrschte. Besonders den jüngeren Mitgliedern sagt die aggressive Politik der Chinesen weit mehr zu als Chruschtschews Lavieren und seine Theorie von der friedlichen Koexistenz. In den kommunistischen Jugendgruppen stellt man sich zum Teil scharf gegen die Parteileitung und spricht ungeniert von Chruschtschews Verrat an Kuba. (Man darf nie vergessen, welch ungeheuren Impuls der Kommunismus in Südamerika durch Fidel Castro erhalten hatte und daß viele Leute erst nach der kubanischen Revolution Kommunisten geworden waren.) Noch ist es in den kommunistischen Parteien Lateinamerikas nirgends zum offenen Bruch gekommen; aber brüchige Stellen gibt es überall.

Castro rutscht vom Piedestal

Zur Verwirrung der Gefühle trägt bei, daß Castro von seinem russischen Freund so mißachtet und blamiert wurde. Was soll man nun von ihm halten? Das heroensüchtige Lateinamerika hatte in ihm bereits eine Gestalt, vergleichbar Simon Bolivar, San Martin oder ähnlichen Großen der kontinentalen Geschichte gesehen. Über Nacht ist er vom Piedestal gerutscht.

Das soll jedoch nicht zu dem gefährlichen Trugschluß verleiten, daß der Castrismus nun in Lateinamerika erledigt sei. Im Gegenteil. Eine weit weniger positive Folge der Kuba-Krise ist nämlich eine erneute, wilde illegale Aktivität der Castristen. Es scheint, daß Kuba darin seinen letzten Ausweg sieht, seit die USA sich anschicken, Castro nicht mit Gewalt, aber auf langsame Weise abzuwürgen. Wenn dieser Druck sich steigert, kann Kuba, solange es allein steht, nicht unbegrenzt Widerstand leisten — die militärische Unterstützung der Russen nützt nichts, wenn Washington nur mit „friedlichen Mitteln“ arbeitet.

Wenn es aber Castro gelingt, in Venezuela, Peru, Brasilien und vielleicht auch anderswo zur Macht zu gelangen, dann ändert sich das Bild sehr zu seinen Gunsten und dann wird Washington viel eher verhandlungsbereit sein als heute. Ob das Ziel einer castristischen Revolution in einem dieser Länder wirklich erreichbar ist, scheint augenblicklich gar nicht die entscheidende Frage. Entscheidend ist, daß Castro keinen anderen Weg mehr sieht und daher alles daransetzt, durch Revolutionen auf dem lateinamerikanischen Kontinent einen Brückenkopf zu schaffen.

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