Wurzelwerk, Wurzelwerk 18
Februar
1983

Liebe Leser!

Die Alternativen erobern allmählich so etwas wie Öffentlichkeit. War man als arrivierter Redakteur unseres Mediendschungels noch vor Jahresfrist veranlaßt, beim Herannahen von alternativ/grünen Manuskripten, Berichte oder gar Typen zur untersten Schublade zu greifen, so hat sich in der Zwischenzeit das (Druck)Bild doch ein wenig gewandelt. Über Art und Inhalt der Berichterstattung läßt sich zwar streiten, Tatsache bleibt dennoch, daß die vormals „grünen Spinner“ — nicht zuletzt über das Sprungbrett der Schaffung eigener Medien — aus der „Gegenöffentlichkeit“ sporadisch bereits ins (Start?) Rampenlicht gelangt sind.

Erfreulicherweise kommt dabei der „Alternativen Liste“ bedeutender Stellenwert zu. Der „Jungspatz“ unter den politischen Parteien Österreichs ist aber auch nicht gerade flügellahm.

Ob der öffentliche Effekt nun einfach darin zu suchen ist, daß viele Basisaktivitäten und -aktivisten, in der Sache gewachsen, nun eben eine neue (nämlich die politische) Qualität besitzen und sich nach anderen, eigenen Vorstellungen zu vernetzen beginnen, ob die „alten Hasen“ aus der Medienbranche, die sich mittlerweile alternativ engagiert haben, nun ihre eingespielten Kontakte wirkungsvoll hervorkehren, oder ob die seit dem Gründungstag in Graz hochoffiziell werkenden Organe der Bewegung dafür verantwortlich zeichnen, ist nebensächlich. Hauptsache bleibt, daß sich die junge Avantgarde allmählich zu artikulieren beginnt.

Hinter den Kulissen wird an Programmen gefeilt, werden Forderungskataloge gebastelt und vielfältige Basisaktivitäten bewerkstelligt. Das alles kommt kaum oder verzerrt an die „große Öffentlichkeit“. Der Lernprozeß aber isı allerorts voll in Gang. Die Etablierten müssen — auch wenn es manche immer noch nicht wahrhaben wollen — lernen, mit den jungen Stürmern und Drängern zu leben. Die medialen Schaltstellen müssen lernen, auch kontroversielle Informationen und Meinungen um Objektivität bemüht zu vermitteln. Die mitunter recht grell schillernde Bewegung — mit Standortbestimmung und Zieldefinition mittlerweile recht und schlecht zu Rande gekommen — muß erfahren, daß zwischen Identität und Feindbild die lange Durststrecke des Wege- und Brückenbaues liegt. Und diese Latte liegt hoch. Daran wird man eines Tages ermessen können, wie reif die Früchte des Zorns geworden sind.

Gebe welcher Gott auch immer, daß sie nicht faul werden. In diesem Sinne: nur keinen Wahlkrampf, möglichst wenig Sektierertum und — auch wenn die Petra anderes gesagt hat — Mut zu gelegentlichen Kompromissen. Denn wenn der Anspruch zu groß wird, kann die Basis zu klein bleiben.

Und dann wäre vielleicht vieles umsonst gewesen. Wenn man sich schon an der BRD orientiert, sollte man doch alle dort gemachten Erfahrungen berücksichtigen. Und Engstirnigkeit gehört genausowenig zum dortigen Hand- und Mundwerk wie etwa das Bestreben, den eigenen Reihen die eigene Meinung aufzwingen zu wollen.

Woran wir uns auch in Zukunft halten wollen.

Mit freundlichen Grüßen
R.W.
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