FORVM, No. 313/314
Januar
1980
Zum Tod Friedrich Torbergs, Begründer des FORVM

Literatur und Kalter Krieg

Friedrich Torberg

Friedrich Torberg starb am 10. November 1979, 71jährig. 1954 begründete er, zusammen mit Friedrich Hansen-Loeve, Felix Hubalek, Alexander Lernet-Holenia, das FORVM. Es hatte damals den Untertitel „Österreichische Monatsblätter für kulturelle Freiheit“ und wurde finanziert vom „Kongreß für die Freiheit der Kultur“ wie auch „Der Monat“, Berlin; „Preuves“, Paris; „Tempo Presente“, Rom; „Encounter“, London.

Zehn Jahre später kursierte das Gerücht, Mitfinancier des „Kongresses“ — neben diversen honorigen Foundations, darunter Rockefeller, Carnegie — sei der CIA gewesen. Das stimmte wahrscheinlich. Der CIA hat schon viel blödere Ideen gehabt als die Finanzierung guter Kulturzeitschriften.

1958 trat ich, frischgfangt aus der Provinz (Redakteur des Grazer SP-Tagblattes „Neue Zeit“), beim FORVM ein, damals das feinste vom Feinen der Wiener Kaffeehauskultur, in Karl-Kraus-Alfred-Polgar-Nachfolge. Vom Stilisten, Pamphletisten, Parodisten, Journalisten Torberg lernte ich unheimlich viel.

Ich verstand Torbergs Antikommunismus als Antistalinismus, und wir beließen’s freundschaftlich bei diesem Mißverständnis. Ich durfte so rosarot schreiben, wie ich nur wollte, auch zentralistisch-austromarxistisch, und sogar pro Brecht, dessen Ankunft auf dem Wiener Theater die Kritikerpäpste Torberg und Hans Weigel jahrelang verhinderten.

Auf dem Papier war Torberg ein böser Mensch, in Fleisch und Blut ein lieber. Ich machte die FORVM-Redaktion immer mehr allein, wurde auch fündig im österreichischen Quellgrund rotschwarzer Subventionen und Anzeigen, sobald der CIA zu finanzieren aufhörte (1962).

Eines Tages, 1965, sagte Torberg: „Ich habe heute beim Frühstück das FORVM gelesen. Das bin nicht mehr ich, das sind Sie. Machen Sie’s weiter.“ Und zog sich zurück.

So gute Sitten sind selten unter Publizisten oder gar Literaten. Ich habe ihm das nie vergessen. Ich habe ihn gern gehabt.

Mit Torbergs Romanen und Gedichten (siehe Bibliographie) bin ich nie in nähere Beziehung getreten. Ebenso spricht gegen mich, daß mir der originale, unspielbare Herzmanovsky-Orlando besser gefällt als Torbergs josefstadtwirksame Bearbeitungen.

Die hiesige und bundesdeutsche Rechtsschickeria inkl. Springer-Presse machte aus Torberg den Großmeister und Gralshüter eines kulturbeleckten Konservativismus. Er fühlte sich wohl als Hahn im Korb aller kalten Kriegerdamen des gesamtdeutschen Raumes und wußte sich doch weit unter seinem Wert verkauft. Zu Recht. Seine Mischung aus Kaffeehaus, Antikommunismus und spätkapitalistischem Literaturrummel war doppelt und dreifach unzeitgemäß, insofern beinah rührend und jedenfalls respektgebietend. Er war ein Schatz, mit dem die bundesdeutschen Literaturidioten im Grunde nichts anzufangen wußten.

Die weitverbreitete Liebe zu Torberg war Teil der Nostalgiewelle. Verglichen mit den gigantomanischen Verlags- und Werbemaschinen war er ein unermüdlich handwerkelnder Einmannbetrieb. Nicht Literaturproduzent, sondern Geschichtenerzähler. Nicht abstrakt politischer Mensch, sondern kleinlicher Pamphletist.

Ein oder mehrere Körnchen davon sind auch am NEUEN FORVM immer hängengeblieben.

Um Torberg war’s schade, in mancherlei Sinn. Ein altmeisterlicher Literat, nehmt alles nur in allem, Ihr werdet seinesgleichen nimmer sehn.

PS: Als mir Torberg diese Zeitschrift vor 15 Jahren übergab, bestand er auf dem NEUEN vor FORVM. Denn, sagte er später einmal, das NEUE FORVM ist die Zeitschrift, zu deren Bekämpfung das alte FORVM gegründet wurde. Ich hab das nie geglaubt. Ab sofort heißt unsre Zeitschrift wieder schlicht FORVM.

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