FORVM, No. 195/I
März
1970

Marx mal Freud

Von dem bedeutenden Prager Marxisten, Philosophieprofessor und Mitglied des internationalen Beirats des NEUEN FORVMS erscheint in der Reihe edition suhrkamp ein Band mit drei Betrachtungen über den „Marxismus und die moderne geistige Wirklichkeit“. Die nachfolgenden Erwägungen stammen aus dem längsten Essay des Bandes, der sich mit den Wechselbeziehungen des Marxismus und der Freudschen Psychoanalyse und Kulturphilosophie beschäftigt.

Die Psychoanalyse entsteht als therapeutische Methode, verwandelt sich jedoch allmählich in eine allgemeine Psychologie und bekommt im Werk Freuds wie auch anderer Psychoanalytiker schließlich die Dimension einer philosophischen Anthropologie. Diese unbestrittene Tatsache einer stufenweisen Transformation der Psychoanalyse in eine philosophische Anthropologie macht nun aber ganz natürlich eine philosophische Interpretation und Wertung der Psychoanalyse erforderlich. Doch selbst wenn es sich nicht so verhielte, wäre das philosophische Interesse an der Psychoanalyse als einer bestimmten konkreten Wissenschaftsdisziplin nicht weniger natürlich. Denn die Philosophie, aus der historisch gesehen alle Wissenschaften hervorgegangen sind — die Naturwissenschaften wie die Geisteswissenschaften —, verliert durch die Emanzipation der Spezialwissenschaften keineswegs ihre „raison d’être“.

Die hier folgende Interpretation ist nun nicht irgendeine „allgemein philosophische“ Interpretation. Es geht vielmehr um den Versuch einer kritischen Interpretation der Psychoanalyse vom Standpunkt der marxistischen Philosophie des Menschen, der gleichzeitig freilich ein Versuch um die kritische Integration der Psychoanalyse in die marxistische Philosophie des Menschen ist, es geht um ein Auffächern der Problematik dieser Philosophie, und zwar auf dem Wege dieser kritischen Integration.

Im letzten Jahrhundert war die marxistische Theorie des Menschen überwiegend auf die gesellschaftlich-historischen Momente fixiert, auf klassengesellschaftliche, klassenökonomische, klassenpolitische und klassenideologische Momente, die in der Entwicklung der Gesellschaft eine entscheidende Rolle gespielt haben. Das ist begreiflich, weil die sogenannten „natürlichen Komponenten des Menschen“, die ohne Zweifel in allen Gesellschaften und zu allen Zeiten im Menschen wirksam sind, in den historischen Prozeß mehr oder minder nur in dieser klassengesellschaftlichen Gestalt und Präformierung eintraten. Es schien nicht sonderlich nötig zu sein, zum Beispiel zu untersuchen, ob die Kategorie des „Klasseninteresses“, des „ökonomischen Interesses“ noch eine tiefere Schicht enthält, die das Klasseninteresse irgendwie von tiefer her begründet und das klassenökonomische Interesse überhaupt erst ermöglicht. Das ökonomische Interesse und das Klasseninteresse sind zweifellos an elementare, in der menschlichen Natur gelegene Komponenten gebunden. Erich Fromms Studie über das Menschenbild bei Marx ist bis heute die grundlegende Arbeit über den Humanismus von Marx. Ihre außerordentliche Bedeutung beruht darin, daß sie die tiefe Kontinuität zwischen dem Denken des jungen und dem Denken des „reifen“ Marx ganz deutlich aufzeigt und damit ermöglicht, definitiv mit jenen Ansichten Schluß zu machen, die diese Kontinuität in Abrede stellten. Im Zusammenhang unserer Ausführungen interessiert uns natürlich vor allem, daß Fromm als Psychoanalytiker, der seit Anfang der dreißiger Jahre mit dem Begriff der elementaren psychischen Energie fruchtbar gearbeitet hat — er begreift sie als eine bestimmte allgemeine motorische Kraft des Menschen —, in Marx einen Standpunkt wiederzuentdecken imstande war, der auf die strukturelle Ähnlichkeit des Marxschen Humanismus und der Psychoanalyse Freuds hinweist.

Fromm bewies nämlich nicht nur, daß Marx in seinem Frühstadium mit der Kategorie der allgemeinen und konstanten menschlichen Natur arbeitet, die von Hunger und Sexualität bestimmt ist, sondern auch, daß diese Kategorie eine Konstante im ganzen Werk von Marx darstellt.

Freud knüpft mit seinem Begriff der elementaren Kräfte der menschlichen Existenz objektiv an Marx an. Er knüpft an ihn vor allem dort an, wo Marx die Triebe als Lebenskräfte charakterisiert, die die Talente und Fähigkeiten des tätigen natürlichen menschlichen Wesens bilden und weiterhin dort, wo Marx den Menschen als gegenständliches Wesen begreift, als ein leidendes Wesen und als ein Wesen, das dadurch eingeschränkt wird, daß gerade die unentbehrlichen Objekte seiner Bedürfnisse von ihm unabhängig sind. Prinzipiell kann man dieselbe Interpretation auch beim spezifisch Freudschen Begriff der Triebe und beim grundlegenden Freudschen Prinzip der Lebensnot, der „ananke“, feststellen, bei jenem von Freud konstatierten grundlegenden Konflikt zwischen Mensch und Realität, zwischen dem Lustprinzip und dem Realitätsprinzip.

Doch Freud konkretisiert diese gemeinsame Auffassung und entwickelt sie weiter. Seine Konkretisierung ermöglicht die Lösung jenes Dilemmas, das in Marxens ökonomisch-philosophischen „Manuskripten“ zu finden ist, jenes Widerspruchs, den der junge Marx empfand gegenüber der tierisch-menschlichen unmittelbaren Natur einerseits und dem edlen und erhabenen menschlichen Wesen andererseits.

Die ungeheuere Bedeutung der Freudschen Trieblehre für die allgemeine Theorie des Menschen liegt vor allem darin, daß Freuds Triebe — insbesondere in der späten Phase seiner Lehre — absolut nichts mit den bloßen physiologischen Instinkten gemein haben. Die ganze Sphäre des Psychischen einschließlich seiner Grundschicht, der Triebsphäre, der „Es“-Sphäre hat zwar sein körperliches Organ und seinen Schauplatz im Gehirn und im Nervensystem, steht zu ihm jedoch in keiner direkten Beziehung; die Wissenschaft kann zwar zu einer genauen Lokalisierung der seelischen Vorgänge im Nervensystem gelangen, aber diese Lokalisierung kann zum Begreifen dieser Vorgänge gar nichts beitragen.

Diese Auffassung des Psychischen gab und gibt immer noch Anlaß zur Qualifikation der Freudschen Lehre als einer idealistischen Lehre. Eine solche Wertung entspringt jedoch einer groben Verkennung der Sache. Denn die Auffassung vom Psychischen als einer relativ autonomen Sphäre, die keine direkte Beziehung zum Nervenapparat hat, bedeutet nicht die Negierung des gegenseitigen Angewiesenseins, wobei das Nervensystem den Schauplatz der psychischen Vorgänge abgibt; es geht jedoch auch insofern um ein gegenseitiges Angewiesensein, als die Psychoanalyse in einer Reihe von Fällen beweisen konnte, daß das psychische Geschehen auch das neurophysiologische Geschehen beeinflußt.

Das Wesen des psychoanalytischen Materialismus besteht jedoch darin, daß die primäre Schicht des Psychischen, die Triebschicht — Freud hat das oft an Hand der Sexualität gezeigt —, nicht an ein bestimmtes Körperorgan gebunden ist, sondern ihren materiellen Ursprung in allen Körperzonen hat.

Sie ist also das Produkt des gegenständlichen Menschen als einer biologischen Ganzheit. Zugleich ist sie jedoch nicht auf die körperliche Organisation des Menschen reduzierbar, weil sie ein eigenes psychisches Leben führt.

Wir selbst sind der Meinung, daß der geeignetste Begriff, um die spezifischen Züge der materiellen Triebschicht der menschlichen Existenz zu erfassen und abzugrenzen, der Begriff der biopsychischen Energie ist. Es geht dabei um einen grundlegenden Faktor der naturhaften Existenz des Menschen.

Doch geht es wirklich nur um einen naturhaften Faktor im geläufigen Sinn des Wortes? Geht es um die absolute Gleichheit von Mensch und Tier? Man muß da im vorhinein anmerken, daß eine gewisse Idiosynkrasie gegenüber dem Vergleich von Mensch und Tier oft aus einer etwas metaphysischen Auffassung von der Größe, Einzigartigkeit und Würde des Menschen kommt. Hier kann Dialektik nicht schaden; der Mensch ist — kurz gesagt — ein Tier und zugleich kein Tier; das wird unbezweifelbar so im Kommunismus der Fall sein, wie es der Fall während der ganzen historischen Existenz des Menschen gewesen ist. Im Charakter seiner menschlichen Natur unterscheidet sich der vorkommunistische Mensch nicht vom kommunistischen Menschen der Zukunft. Gleichzeitig unterscheidet sich der Mensch vom Tier schon in seiner primären Triebsphäre. Es ist die Variabilität der menschlichen Triebenergie, es ist die konfliktbesetzte Dynamik, es ist die Fähigkeit zur Metamorphose, die den menschlichen Lebenstrieb von den tierischen Instinkten unterscheidet.

Die Beherrschbarkeit der Triebe und die Möglichkeit, ihre Energie zu transformieren, sind ein spezifisches Merkmal der menschlichen Natur. Schon diese primäre Schicht des Psychischen bei den Menschen schafft eine bestimmte Differenzierung zwischen Mensch und Tier. Obwohl diese Schicht der Urgrund ist und es auch konstant bleibt, obwohl sie historisch primär ist, ist sie isoliert nicht erklärbar und begreifbar. Damit diese Regulierung und Variation der menschlichen Triebkräfte überhaupt wirksam werden kann, muß eine weitere grundlegende Komponente der psychischen Struktur des Menschen in Szene treten, das „Ich“-Prinzip.

Anders ausgedrückt verläuft die Vermenschlichung der tierischen Instinkte in menschliche Triebe nicht automatisch, sie wird durch eine gewisse organisierende und organisationseigene Kraft des menschlichen psychischen Apparats erzwungen, die Freud eben im Ich-Prinzip gefunden hat. Wichtig ist freilich, daß dieses Ich nicht vom Himmel fällt, sondern selbst vom Konflikt zwischen dem Lustprinzip und dem Realitätsprinzip erzwungen wird. Man kann als begründet voraussetzen, daß die Situation der Lebensnot, in der der Mensch entstanden ist, durch das grundlegende Bedürfnis nach Sättigung hervorgerufen wurde und daß der Mensch die tierische Art der Hungerbefriedigung dadurch variierte, daß er die Arbeit, das heißt das Wirtschaften, erfand. Es geht jedoch nicht nur um diesen „einmaligen“ Akt der eigentlichen Genese des Menschen. Der Hunger sublimiert sicher auch später nicht. Doch die Wandlungen in der Art der Befriedigung des Hungers haben — ähnlich wie bei der eigentlichen Genese des Menschen — auch weiterhin entscheidende Bedeutung für das künftige Schicksal der menschlichen Libido und bilden die Basis ihrer Existenz und ihrer Wandlungen. Die Arbeit und die Wirtschaft, mit denen der Mensch seit seiner Entstehung den Hunger stillt, bilden die Bedingungen nicht nur dafür, daß der Mensch sein Sexualleben vermenschlicht und entfaltet — sowohl in unsublimierter wie auch in sublimierter Form; sie bieten auch überhaupt erst die Möglichkeit dazu, daß der Mensch seine aggressiven Kräfte realisiert und entfaltet, die wir mit Freud zum Bestand der Triebbasis des Menschen zählen. Das Prinzip der Macht und der Herrschaft, in dem sich in sublimierter Form die menschliche Aggressivität realisiert, entsteht erst auf dem Boden der Arbeit und Wirtschaft, die durch die menschliche Art, den Hunger zu stillen, entstanden sind. Der Hunger, mit dieser spezifischen Art, ihn zu stillen, ist unserer Ansicht nach eine der grundlegenden Komponenten der Triebsphäre des Menschen.

Aus den vorangegangenen Ausführungen ist vielleicht klar geworden, daß die „zweidimensionale“ Form der materialistischen Interpretation des Menschen ganz ungenügend und im Grunde höchst zweifelhaft ist. Die menschliche Existenz ist materiell nicht nur physiologisch und gesellschaftlich bedingt, sondern vor allem auch biopsychisch. Es scheint sogar, als ob die biopsychischen Faktoren die unmittelbare Basis nicht nur der natürlichen, sondern auch der gesellschaftlichen Bedingungen der menschlichen Existenz sind.

Die grundlegende Interaktion im zwischenmenschlichen Leben des einzelnen verwirklicht sich zwischen seinem biopsychischen und seinem gesellschaftlich-ökonomischen Bereich.

Die Schlüsselbedeutung des gesellschaftlich-ökonomischen Faktors im menschlichen Leben steht dabei außer Zweifel. Doch haben wir bereits in den vorangegangenen Ausführungen angedeutet, daß die ökonomische Tätigkeit des Menschen, sosehr sie in einem gewissen Sinn „Basis“ ist, in einem anderen Sinn „Überbau“ ist. Gegenüber den biopsychischen Kräften des Menschen ist sie sekundär, ist sie eine gewisse gesellschaftliche Projektion der menschlichen Triebbedürfnisse.

Offen gesagt kann man die ökonomische Tätigkeit des Menschen nicht für einen materiellen Faktor der letzten Instanz halten, sondern das ist im inhaltlichen Sinn die menschliche biopsychische Energie. Damit ist gleichzeitig gesagt, daß die Entstehung und Entfaltung der zivilisatorischen und kulturellen Schichten nicht nur materialistisch aus den ökonomisch-klassenbedingten Interessen des historischen Menschen erklärbar ist, sosehr diese Interessen auf entscheidende Art die Richtung der kulturellen und zivilisatorischen Aktivität und auch markant ihren gesellschaftlich-ideologischen Inhalt beeinflussen. Abgesehen davon, daß diese Klasseninteressen selbst wiederum nur bestimmte vorübergehende Wesen tiefer liegender menschlicher Kräfte und Zwänge sind, projiziert sich in den unmittelbaren Lebensinhalten der zivilisatorischen und kulturellen Schichten des gesellschaftlichen Menschen die biopsychische Energie direkt und geradlinig.

Schließlich muß man noch betonen, daß die biopsychische Energie auch der eigentliche Ursprung der menschlichen Aktivität ist. Die Interpretation der menschlichen Existenz als bloßen Reflex war ganz unfähig, die menschliche Aktivität zu begreifen und zu erklären, weil sie die inneren biopsychischen Kräfte des Menschen eliminierte oder ignorierte. Denn es genügt nicht, lediglich zu reflektieren, daß man etwas empfindet, daß man auf bestimmte äußere Impulse reagiert und daß man diese Impulse irgendwie verarbeitet. Damit erklärt man absolut nicht, warum man das alles eigentlich tut. Nur wenn man begreift, daß die innere Triebenergie den Menschen in einen permanenten Konflikt mit der Realität treibt, daß sie ihn zwingt, die Realität permanent zu binden, aufzunehmen und damit ständig den existenziellen Modus vivendi zu erneuern, und daß die sensorischen Organe des Menschen bloß Instrumente dieser inneren Lebensnotwendigkeit sind, dann erst kann man begreifen, daß der Mensch nicht nur Objekt und Schnittpunkt bestimmter Einflüsse ist, sondern daß er im Gegenteil in der Summe dieser Einflüsse selbst als die grundlegende motorische Einheit funktioniert.

Der permanente Konflikt und die permanente Spannung zwischen Mensch und Natur ist also das Grundprinzip der menschlichen Existenz. Wir haben gesehen, daß sich gerade in diesem Konflikt aus der Triebschicht „Es“ das „Ich“ gebildet hat, das die menschliche Fähigkeit des Denkens entwickelt, solcherart die Arbeit erfunden und das Tier in den Menschen umgewandelt hat.

In dieser Beziehung vom „Ich“ und „Es“, in der Genese der Ich-Sphäre aus der Es-Sphäre muß man die eigentliche Grundlage der materialistischen Interpretation des menschlichen Denkens sehen. In dieser Richtung ist also die denkende Tätigkeit des „Ich“ die materielle Funktion der menschlichen Existenz. Das Denken einerseits und die Arbeit andrerseits treten gleichzeitig auf, sie sind gleichsam Zwillinge. Darüber nachzudenken, was von beiden früher entstanden ist, ist unsinnig. Wie die Arbeit, so ist auch das Denken ein gleichwertiger Faktor für das Entstehen des Menschen.

Wenn nichtsdestoweniger der Mensch erst dort entsteht, wo er die Arbeit erfindet, entsteht er offenbar zugleich als gesellschaftliches Wesen. Denn die Arbeit und die Wirtschaft zwingen ihn sofort zur gesellschaftlich-menschlichen Vereinigung. Das tierische Rudel wandelt sich in einen bestimmten Urtyp der menschlichen Organisation, in einen bestimmten Urtyp der Familie.

Die Arbeit und die menschliche gesellschaftliche Organisation, die aus ihr folgt, bringen freilich schon von Anfang an in die menschliche Existenz einen weiteren Faktor hinein: nämlich die Notwendigkeit, die Triebbedürfnisse nicht nur hinsichtlich der Natur, sondern auch hinsichtlich der gesellschaftlichen Form der Existenz, hinsichtlich der gesellschaftlichen Organisation zu regulieren und dies um seiner selbst willen.

Bestimmte zivilisatorische, kulturhistorische Formen der menschlichen Existenz sind von Anbeginn des Menschen vorhanden, so daß das „Ich“, das wir bisher nur in der Beziehung zur materiellen Sphäre des Menschen betrachtet haben, praktisch gleichzeitig Träger und Vermittler von zivilisatorisch-kulturellen Notwendigkeiten und Reaktionen wird, die die sekundäre Sphäre der gesellschaftlich-menschlichen Existenz bilden. Gleichzeitig mit dem „Ich“ entsteht also der dritte Faktor der sozio-psychischen Struktur des Menschen, der Faktor, den Freud als „Über-Ich“ bezeichnet hat. Dieses „Über-Ich“ ist ebenfalls eine notwendige und konstante Komponente der menschlichen Struktur.

Die „Über-Ich“-Sphäre im Menschen ist jener Bereich, der bei der Regulierung der materiellen Triebenergie die Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft geltend macht. Das Realitätsprinzip, das den Menschen beherrscht, ist also nicht nur eine konfliktreiche und dynamische Beziehung zwischen dem Menschen und der außermenschlichen Natur, die das ursprüngliche „protogesellschaftliche“ Ich regulierte, sondern auch eine konfliktreiche und dynamische Beziehung zwischen Mensch und Gesellschaft, die vermittels des „Ich“ vom „Über-Ich“ reguliert wird. In der spezifizierenden Entdeckung dieser beiden Formen von Konfliktbeziehungen, in denen sich der Mensch realisiert, liegt Freuds großer Beitrag zur Erkenntnis der konkreten Dialektik der menschlichen Existenz.

Die Betonung des gesellschaftlich-menschlichen Konflikts führt Freud jedoch zu einer ziemlich linearen Auffassung dieses Konfliktzustands. Denn für Freud ist die Funktion des „Über-Ich“, das heißt die Funktion der Zivilisation und Kultur gegenüber den Triebbedürfnissen des Menschen, vor allem eine Unterdrückungsfunktion. Darauf beruht jenes „Unbehagen in der Kultur“, wie Freud seine Schlüsselarbeit über dieses Problem nannte.

Geben wir uns vorläufig mit diesem „repressiven“ Abgrenzen der Über-Ich-Sphäre zufrieden, denn auch so können wir in unsere Überlegung eine weitere, kardinale Entdeckung Freuds einbeziehen, die Entdeckung der Sublimierung.

Die Nichtbefriedigung grundlegender Triebbedürfnisse führt das von Instinkten beherrschte Naturwesen in den Zustand der Lebensnot; es ist der Zustand eines fatalen einfachen Entbehrens: man kann dabei nicht vom Unterdrücken instinktiver Bedürfnisse sprechen, sondern nur von ihrem Nichtbefriedigtwerden; die äußerste Situation dieses Zustandes führt zum Untergang des Naturwesens. Das Entstehen der menschlichen Natur ist — wie wir weiter oben anzudeuten versucht haben — mit der Fähigkeit verbunden, die instinktiven Bedürfnisse zu regulieren, ihnen die Variabilität der Triebenergie zu geben; schon in der Beziehung zur außermenschlichen Natur bedeutet das, diese Triebbedürfnisse im Interesse der menschlichen Selbsterhaltung auch unterdrücken zu lernen.

Diese Aufgabe der Selbsterhaltung übernimmt jedoch praktisch schon seit der Entstehung des Menschen seine gesellschaftliche Organisation. Die gesellschaftliche Dimension des Menschen wird so zum Hauptregulator seiner grundlegenden Lebensbedürfnisse. Und weil diese Regulierung zur dauernden, konstanten Wirklichkeit wird — im Unterschied zum Tier, bei dem der Zustand der Lebensnot, der Zustand der Nichtbefriedigung, zwar fatal, jedoch vorübergehend ist (das heißt entweder wird er beseitigt oder er führt zum Untergang) —, deshalb kann die Triebenergie auf die Dauer nicht einfach nur unterdrückt werden, sondern muß in einer bestimmten Art und Weise verwandelt, muß auf ein anderes Gebiet überführt werden. Das ist der Kern der psychoanalytischen Auffassung von Sublimierung. Sofern die elementare primäre Triebenergie in der Realität nicht ihr Objekt findet, respektive sofern ihr die gesellschaftliche Regulierung in Form des Über-Ich dieses Objekt wegnimmt und damit die spontane unmittelbare Befriedigung versagt, wird diese elementare Triebenergie transponiert, umgeformt, findet Ersatzbefriedigungen, schafft sich selbst eine neue Realität, das heißt eine neue ideale Sphäre ihrer Befriedigung, schafft die geistige Wirklichkeit. Und so entsteht die sekundäre Schicht der menschlichen Existenz.

Das Über-Ich, obwohl ein sekundärer Faktor, weil aus der Notwendigkeit der menschlichen Selbsterhaltung entstanden, ist also gleichzeitig ein konstitutiver Faktor, formt den Menschen erst als Menschen, als strukturierte Ganzheit. Das Entstehen des Menschen ist durch das Entstehen der Arbeit nicht voll erklärbar. Denn zusammen mit der Arbeit, mit der Wirtschaft entsteht die geselischaftliche Organisation, der gesellschaftliche Mensch, der im Interesse seiner Selbsterhaltung die dauernde Regulierung seiner ursprünglich tierischen Instinkte durchsetzt: er verwandelt sie in variable Triebe, die in sekundäre Lust sublimiert werden können, das heißt in geistige Werte. Dieses Entstehen einer geistigen Sphäre wird somit zur Grundbedingung der materiellen Existenz des Menschen.

Durch das Entstehen des Über-Ich und der Fähigkeit zur Sublimierung wird erst auf die Dauer die spezifische Natur des Es, das heißt die materielle Triebbasis des Menschen, konstituiert und stabilisiert. Durch die Umformung der Instinkte in Triebe und die Bildung der Zivilisation und Kultur aus den menschlichen Trieben verwandelt sich der Mensch erst aus einer tierischen Spezies in die menschliche Art.

Unsere Ausführungen gehen also endlich einem Resultat über die Natur der „anthropologischen Konstante“ des Menschen entgegen. Es ist offenkundig, daß man als diese anthropologische Konstante jene strukturierte Totalität der konstanten konstitutiven Faktoren ansehen muß, in denen die Schlüsselpositionen nicht nur von den Momenten der materiellen Basis des Menschen eingenommen werden, sondern auch der Über-Ich-Faktor, das heißt die geistig-kulturelle Schicht der menschlichen Existenz.

Wenn wir in den vorangegangenen Erläuterungen die Freudsche Konzeption der materiellen Basis der menschlichen Existenz gerade mit Hilfe von Marx ziemlich stark modifiziert haben, so war doch unsere Hauptabsicht, anzudeuten, wie man durch Freud Marx bereichern kann. Im abschließenden Teil unserer Überlegung kehren wir die Tendenz um und versuchen anzudeuten, wie man mit Marx Freud bereichern kann. Die Entwicklung Freuds zu dem dualistischen Konzept „Eros — Thanatos“, Lebenstrieb — Todestrieb, das scheinbare und wirkliche Züge einer gewissen neuen Metaphysik aufweist, wurde bei weitem nicht von allen Psychoanalytikern akzeptiert; es rief im Gegenteil unter ihnen beträchtlichen Widerstand hervor. Hier wirkte sich auch der Umstand aus, daß viele naturwissenschaftlich-medizinisch orientierte Psychoanalytiker die markante Verstärkung der psychosozialen Seite in der späteren Freudschen Abgrenzung der beiden Grundtriebe mit Unwillen aufnahmen; denn ein bemerkenswerter Zug der späteren Freudschen Konzeption ist es, daß sowohl „Eros“ wie auch „Thanatos“ ungewöhnlich leicht gerade in der sozialen Sphäre domestiziert werden: der Destruktionstrieb hat entscheidende Bedeutung für Freuds Verständnis der Kultur und wurde vielleicht gerade deshalb von Freud theoretisiert; „Eros“ nimmt wiederum ungewöhnlich leicht eine soziale Dimension an, wird zum Motor der sozialen Verbindung der Menschen, einer Verbindung, die den unmittelbaren sexuellen Charakter verliert. Der „Eros“ wird dadurch äußerst edel, Freud führt selbst — ohne sich dessen offenbar bewußt zu sein — eine gewisse unwillkürliche „nichtrepressive“ Humanisierung der Libido durch; zumindest wird die Sexualität zur emotionell ausgestatteten Liebe zwischen Mann und Frau, die Libido wird kultiviert.

Es ist freilich bezeichnend, daß die meisten marxistischen Theoretiker, die um die marxistische Integrierung Freuds bemüht waren, die Freudsche Theoretisierung des Todestriebs abgelehnt haben; mit verschiedenen Akzenten waren das Wilhelm Reich und Erich Fromm. Es ist das große Verdienst Herbert Marcuses, die Ebene des marxistischen Zugangs zu Freuds „metaphysischem“ Todestrieb wesentlich geändert und mit großem Verständnis auf den rationalen Kern hingewiesen zu haben, der in diesem Freudschen Theorem verborgen ist. Marcuse konveniert offenbar überhaupt die kulturelle Form der Es-Sphäre, wie sie der späte Freud geschaffen hat.

Er gewinnt ihr das Maximum ab. Die gesteigerte Rolle der Aggressivität und Destruktion in den letzten Jahrzehnten unseres gesellschaftlichen Lebens haben es ihm erleichert, im wesentlichen Freuds Destruktionstrieb zu akzeptieren, dessen Realität er nur behutsam relativiert.

Man muß Herbert Marcuse absolut zustimmen, wenn er feststellt: der destruktive Faktor ist offenbar eine wesentliche im Menschen wirkende Kraft — keineswegs also nur eine aus einer bestimmten gesellschaftlichen Organisation folgende Kraft —, und wir können uns ohne Eingliederung der destruktiven Komponente in die Triebstruktur der menschlichen Existenz schwer ihre Konfliktspannung erklären. Durch die Feststellung dieser elementaren Kraft bereicherte Freud unzweifelbar die wissenschaftliche Anthropologie, Marcuse wiederum steckte die richtige Richtung zur marxistischen Integrierung Freuds ab.

Wir sind nichtsdestoweniger davon überzeugt, daß Freuds Dualisierung zweier selbständiger Triebe, Eros — Thantaos, aus einigen Gründen theoretisch unhaltbar ist, daß sie der Wirklichkeit nicht entspricht. Hier entsteht die erste bedeutende Möglichkeit, die Freudsche Konzeption durch den marxistischen dialektischen Monismus zu bereichern, der gerade im gegebenen Fall offenbar als einziger imstande ist, die konkrete dialektische Totalität jener zwei Triebtendenzen auszudrücken und zu erfassen, die Freud im Lebens- und Todestrieb metaphysisch absolutiert und damit zugleich in einer etwas abstrakten Form idealisiert hat.

Die destruktiven und kopulativen Tendenzen erhalten nämlich erst dann ihre wirkliche Realität und Materialität, wenn sie als Ganzes begriffen werden, als ein einheitlicher Lebenstrieb.

Dabei ist es von kardinaler Bedeutung, daß diese Auffassung in die Psychoanalyse nicht durch eine „bloße philosophische Spekulation“ irgendwie „von außen“ hineingetragen werden muß, sondern daß zu ihr die konkrete und spezielle Forschung selbst gleichsam unwillkürlich tendiert. Wir denken hier an die Analysen, die der Naturwissenschaftler Konrad Lorenz in seinen Studien durchführte, vor allem in seinem Buch „Das sogenannte Böse“.

Sie ermöglichen eine neue qualitative Stufe in der psychoanalytischen Theorie der Triebe und bedeuten die Überwindung des Freudschen metaphysischen Dualismus durch den dialektischen Standpunkt der konkreten Totalität. Es ist offenkundig, daß die Konvergenz des realen dialektischen Denkens und der exakten Linie der speziellen Forschung tatsächlich existiert und daß sie die marxistisch orientierte Philosophie des Menschen und die eigentliche spezielle Forschung zu denselben Haltungen hinführt. Dabei ist es ungewöhnlich interessant, daß Freud sich voll des tiefen Zusammenhangs der beiden Tendenzen bewußt war, daß es gerade das Studium des Sadismus und Masochismus war, das heißt der Phänomene, wo die Sexualität und Aggressivität einander direkt durchdringen, das ihn zur Erforschung der Aggressivität und Destruktion brachte; Freud ist sich voll bewußt, daß zum Beispiel die Befriedigung der gröbsten destruktiven Leidenschaft von ungewöhnlich hohem narzißtischem Lustgewinn begleitet wird. Wenn also die Hervorhebung der Aggressivität, der Destruktion, im Zentrum des theoretischen Modells ein großer Erkenntnisbeitrag des späten Freud ist, dann führt zugleich die metaphysische Konzeption dieser Aggressivität, deren Resultat auch die metaphysische Konzeption des „Eros“ ist, auf Abwege. Die Aggressivität ist stets mit Lust verbunden, mit Libido, ist immer eine besondere Form der Manifestation des menschlichen Lebens. Der einheitliche Lebenstrieb, durchaus auf die Entdeckungen des späten Freud bezogen, erfaßt erst die konkrete Dialektik der einander widersprechenden, einander jedoch zugleich formenden Triebkräfte. Die zwei Hauptkomponenten der Totalität dieser menschlichen Triebkräfte, Hunger und Sexualität, haben, wie Freud selbst zeigte, die gleiche Grundstruktur: beide sind die dialektische Totalität der inkorporierenden, kopulativen Tendenz und der destruktiven, aggressiven Tendenz. Die Aggressivität, die in den beiden grundlegenden Komponenten des einheitlichen Lebenstriebs enthalten ist, ist mit Libido besetzt und hat auch die Fähigkeit der Metamorphosen, der Sublimierung. Die Aggressivität, die an der Art der Hungerbefriedigung in der menschlichen Gesellschaft, das heißt an der Wirtschaft, Anteil hat, hat offenbar dieselben Sublimierungsfähigkeiten wie die sexuelle Aggressivität. Beide Formen der Aggressivität treten offenbar in eine untrennbare Bindung bei ihrer grundlegenden Sublimierung ein, bei ihrer Sublimierung unter dem Prinzip der Herrschaft, der gesellschaftlichen Beherrschung des Menschen durch den Menschen. Freud schreibt dem Über-Ich vorwiegend repressiven Charakter zu, die Über-Ich-Sphäre ist eine Kraft, die einen dauernden Konflikt zwischen den elementaren libidonösen Wünschen und Bedürfnissen des Menschen und seiner gesellschaftlichen Existenz hervorbringt.

Das Über-Ich unterdrückt wesentliche primäre Tendenzen und Neigungen des Menschen, ist ihr Hauptfeind und macht deshalb den Menschen dauernd unglücklich. Diese Situation ist mehr oder minder fatal, unüberwindlich. Das ist der Kern der Freudschen Konzeption der Kultur und der menschlichen Zivilisation, wie er sie in dem berühmten Buch „Das Unbehagen in der Kultur“ detailliert ausführt.

Für den Marxismus, der bemüht ist, einen Weg zur Befreiung des Menschen zu finden, ist diese Konzeption naturgemäß unakzeptabel. Deshalb suchten alle Marxisten, die um die Integrierung Freuds in den Marxismus bemüht waren, eine Möglichkeit, dieses Kapitel der Freudschen Lehre kritisch umzugestalten. In der allgemeinen Theorie vom Menschen ist es erforderlich, die grundlegende Tatsache zu respektieren und theoretisch zu erfassen, daß die Entstehung der Gesellschaft, die mit der Erfindung und der Geltendmachung des Prinzips der gesellschaftlichen Herrschaft und Beherrschung zusammenfällt, allen Gebilden der menschlichen Zivilisation und Kultur einen dialektisch widersprüchlichen Charakter verleiht; in der Gesellschaft existiert keine abstrakte, sondern nur eine konkrete Macht. Die herrschende gesellschaftliche Gruppe schafft sich die Instrumente der Macht, Zivilisation und Kultur und deren Repressionsmittel keineswegs deshalb, um die libidinösen Bedürfnisse und Wünsche des „Menschen überhaupt“ zu unterdrücken, sondern um durch die Unterdrückung eines gewissen Teils der Gesellschaft die Bedingungen für eine weit größere Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu bilden.

Die Repression ist also bloß eine Seite eines Prozesses, dessen andere gerade die Bildung von Möglichkeiten für die größere Befriedigung der Lebensbedürfnisse eines bestimmten Teils der Gesellschaft ist, und damit allerdings für die Bereicherung der Libido des Menschen überhaupt. Die destruktiv aggressive und repressive Aktivität der herrschenden sozialen Gruppen hat also keinen allgemeinen und absoluten Charakter, ist bloß eine bestimmte „asoziale“ Form, in der diese bestimmte gesellschaftliche Gruppe das menschliche Leben bereichert. Zu ihrer Aufgabe für das Leben sind Zivilisation und Kultur nicht darum da, die primäre Libido zu unterdrücken; die historisch-soziologische Analyse zeigt klar, daß gerade das Gegenteil der Fall ist: Auf dieser Ebene des gesellschaftlichen Lebens verbreitert, vermehrt und steigert die zivilisierende und kulturelle Aktivität die Sphäre, in der sich die primären Bedürfnisse der Libido realisieren. Wir müssen also keine „nichtrepressive Sublimierung“ erfinden. Die Analyse der historischen Formen der Unterdrückung enthüllt uns ihre sehr reale und realistische Form.

Die Zivilisation und Kultur in einem gesellschaftlichen System, das vom Prinzip der Macht beherrscht ist, ist also nicht nur Repression, sondern gerade durch diese Repression zugleich eine dauernde und ununterbrochene Bereicherung der menschlichen Libido, auch wenn die Bereicherung sich in „asozialen Formen“ abspielt. Die Ambivalenz, die wir in der gesellschaftlichen Macht und in der sozialen Aggression festgestellt haben, können wir auch in Systemen der geistigen Regulierung antreffen, in der Ideologie. Verwirren kann freilich der allgemein normative und allgemein verbindliche Charakter der Ideologie. Nur ist diese allgemeine Verbindlichkeit der Ideologie bloß scheinbar. Die Überwindung der abstrakten Auffassung der Ideologie erfordert freilich die Konfrontierung der ideologischen Theorie und ihres praktischen Funktionierens.

Die herrschenden Gruppen, die die herrschende Ideologie als allgemein verbindlich und meist auch als allgemein die realen materiellen Wünsche des Menschen einschränkend hervorbringen, richten sich selbst nie nach dieser Ideologie in ihrer absoluten Form. Das ist — wie wiederum durch eine historisch-soziologische Analyse leicht zu zeigen ist — offenbar ein gesetzmäßiges Phänomen. Die Formen dieser Diskrepanz können verschiedenartig sein. Entweder bildet sich die herrschende soziale Gruppe eine solche Lebenssituation und ein solches Lebensmilieu, daß sie den repressiven Konsequenzen der eigenen Ideologie ausweichen kann, ohne gezwungen zu sein, sich von dieser Ideologie offen zu distanzieren. Daher jene bekannte „Heuchelei“ in der Beziehung zur eigenen Ideologie, in der bereits latent das Prinzip der „doppelten Wahrheit“ enthalten ist, der offiziellen Wahrheit für andere und der „inoffiziellen Wahrheit“ für sich selbst. Unsere Überlegung über repressive, besonders jedoch über nichtrepressive Formen der Sublimierung der Libido kommt zu ihrem Abschluß. Es zeigt sich, daß die Über-Ich-Sphäre viel komplizierter ist und viel kompliziertere Funktionen erfüllt, als es aus der Freudschen Abgrenzung dieser Kategorie der Fall zu sein schien.

Es zeigt sich zugleich, daß der historische Weg zur Befreiung des Menschen von einer besonderen, letztlich jedoch gut verständlichen Widersprüchlichkeit gekennzeichnet wird. Auf einer Seite wird die universale soziale Freiheit der Menschen erkämpft, frei von aller realen Libido, auf der anderen Seite führt man den Kampf um die Befreiung und Steigerung dieser realen Libido und ignoriert dabei die universale soziale Befreiung des Menschen. Vom Standpunkt des optischen Ideals des harmonisch entfalteten Menschen ist der Weg der historischen Befreiung des Menschen sehr kurvenreich und deformiert. Darin beruht jedoch offenbar die reale Dialektik der menschlichen Befreiung, darin zeigt sich die reale Dialektik der historischen Entwicklung der anthropologischen Konstante des Menschen.

Die marxistische Bemühung um die Verwirklichung einer harmonischen freien Gesellschaft muß ständig die Kompliziertheit des Wegs im Auge behalten, auf dem sich der Mensch in der Geschichte zu seiner Befreiung vorwärts kämpft. Man muß sich dessen bewußt sein, wie schwer es ist, die menschliche soziale Freiheit mit der vollen Emanzipierung der libidinösen Bedürfnisse des Menschen zu harmonisieren, man muß sich der Relativität dieser Harmonisierung bewußt sein. Man muß sich der inneren Widersprüchlichkeit und Konfliktsituation der grundlegenden Triebkräfte des Menschen bewußt sein.

Das Ideal des befreiten Menschen kann man nicht durch „reinen Verstand“ erspekulieren, man kann ihn nicht „aufgeklärt“ der Gesellschaft aufoktroyieren.

Man muß bei konkreter Analyse der bisherigen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft jene reale Dialektik verfolgen, in der bestimmte historische Trends entstanden sind, die den Menschen in die heutige Situation geführt haben; das Verständnis dieser Trends erleichtert vielleicht die Lösung der grundlegenden Fragen der „Sozialisierung des Menschen“.

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