FORVM, No. 234
Juni
1973

Mehr Profit, weniger Lohn

Kapital und Arbeit in Österreich

1 Der Staat als Gesamtkapitalist

Die österreichische Nachkriegsentwicklung wurde im wesentlichen bestimmt von der ökonomischen und politischen Schwäche der österreichischen Bourgeoisie. Sie war nach dem Krieg nicht in der Lage, den Rekonstruktionsprozeß aus eigenen Kräften in Gang zu setzen. Unterstützt von den imperialistischen Mächten, führte dies zur Verstaatlichung wichtiger Bereiche des Industrie- und Bankenkapitals. Von der Sozialdemokratie vorangetrieben und von den bürgerlichen Parteien unterstützt, kamen Schwerindustrie, Elektrizitätswirtschaft und ein Großteil der Banken unter staatliche Kontrolle. Die Rekonstruktion des Kapitalismus in Österreich fand in Form eines breit angelegten staatskapitalistischen Interventionismus statt.

In Zeiten der ökonomischen und politischen Schwäche des Kapitals — und dessen Trägers, der Bourgeoisie — bedürfen diese beiden in weit größerem Ausmaße als sonst einer besonderen Einrichtung, nämlich des bürgerlichen Staates. Dieser ist nicht den Grenzen und Gesetzmäßigkeiten der Kapitalbewegung unterworfen. Eben darum ist er gerade unter jenen gegen das Wertgesetz ständig verstoßenden Bedingungen in der Lage, das Kapitalverhältnis unangetastet zu lassen. Der bürgerliche Staat ist in dieser Funktion der fiktive, das ‚Allgemeininteresse“ vertretende Gesamtkapitalist. Die Vorherrschaft staatlicher Aktivitäten in der Rekonstruktionsperiode war somit entscheidend für die Restauration des Kapitalismus in Österreich und zugleich Grundlage für die weitere Entfaltung kapitalistischer Produktionsbedingungen.

2 Vom Weltkapital abhängig

Dazu kommt ein zweiter Faktor, nämlich die Integration Österreichs in das kapitallstische Weltwirtschaftssystem. Diese wird bestimmend für die Abhängigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs von den internationalen Kapitalbewegungen. So führte die weltweite Eisen- und Stahlkrise gegen Ende der fünfziger Jahre zu einer längerfristigen Stagnation des österreichischen Wirtschaftswachstums. In dieser Phase konnten die Strukturschwächen des österreichischen Kapitalismus auf nationaler Ebene nicht gelöst werden — weder vom privaten noch vom verstaatlichten Sektor. Impuls für den Konjunkturaufschwung der späten sechziger Jahre wurde daher das Einfließen ausländischen Kapitals vor allem in wachstumsintensive Branchen. Damit verstärkte sich die Abhängigkeit von internationalen Konjunkturbewegungen noch mehr — was in der Rezession 1967 seinen Ausdruck fand.

Die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich muß also auch in Abhängigkeit von den internationalen Verwertungsbedingungen und Krisensituationen des Kapitals gesehen werden.

3 Verstaatlichte wird Einzelkapitalist

Aufgabe der verstaatlichten Industrie war es, die allgemeinen Verwertungsbedingungen des österreichischen Kapitals zu fundieren. Sie subventionierte die Privatindustrie auf der Basis von niedrigen — unter den Weltmarktpreisen liegenden — Grundstoffpreisen. Die rasche Entwicklung der verstaatlichten Industrie in den fünfziger Jahren war jedoch nicht nur eine Folge der binnenwirtschaftlichen Nachfrage. Sie hatte ihre Ursache auch in dem intensiven weltweiten Bedarf nach Roh- und Grundstoffen (Kohle, Eisen, Stahl und Buntmetalle). Die Änderung der internationalen Konjunkturlage Anfang der sechziger Jahre führte zu einem Herabsinken der Intensität der Nachfrage nach den Produkten der verstaatlichten Industrie. Das Privatkapital hatte zwar weiterhin Interesse an der Produktion billiger Vorprodukte seitens der Verstaatlichten, um seine Verwertungsbedingungen günstiger zu gestalten, auf der anderen Seite verhinderte es aber ihr Eindringen in zukunftsträchtige Finalindustrien, um in diesen profitablen Bereichen mit der Verstaatlichten nicht in Konkurrenz treten zu müssen. Sie wurden verstärkt durch das Abstoßen tendentiell profitabler Teile (Elektroindustrie) an das ausländische Kapital gegen Ende der sechziger Jahre.

Etwa ein Sechstel der Industriebeschäftigten ist im verstaatlichten Sektor tätig. Dessen Anteil am NPW der Industrie beträgt ungefähr 20 und der am BNP 12 Prozent. Dies unterstreicht die gesamtwirtschaftliche Bedeutung dieses Sektors.

Der internationale Konkurrenzdruck zwingt zur Durchführung von Konzentrations- und Rationalisierungsmaßnahmen vor allem in den schwerindustriellen Bereichen. Die Situation auf dem Weltmarkt zwingt die Verstaatlichte zur Aufgabe ihrer bisherigen Teilfunktion als fiktiver Gesamtkapitalist, der nach nichtmarktwirtschaftlichen Gesichtspunkten für die Herstellung der materiellen Produktionsbedingungen sorgte. Sie wird eindeutig materieller, das heißt wirklicher Einzelkapitalist, der international den Bewegungsgesetzen monopolkapitalistischer Produktion unterworfen ist. Die kürzlich erfolgte Stahlfusion trägt diesen Gesetzmäßigkeiten Rechnung. (Der jetzige Stahlkonzern umfaßt ca. 70.000 Beschäftigte und steht damit an 6. Stelle in der westeuropäischen Rangliste.) Aus dem gleichen Grund kommt es zur Bindung an das europäische Stahlsyndikat.

4 Kleinkariertes Privatkapital

Das österreichische Kapital erlebte seine industrielle Blütezeit in den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg. In der Zwischenkriegszeit übernahm das deutsche und französische Kapital die wichtigsten Bereiche der österreichischen Wirtschaft: die Montan- und Elektroindustrie, Maschinenbau und Chemie (Ausnahmen blieben Schoeller-Bleckmann und Böhler). Das österreichische Privatkapital dominierte im Konsumgütersektor.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich an der strukturellen Zusammensetzung des Privatkapitals nur wenig verändert. Weiterhin von Kapitalmangel und damit von einer geringen Akkumulationsfähigkeit gekennzeichnet, expandierte es vorwiegend dort, wo die Kapitalumschlagshäufigkeit groß ist und damit die Mehrwertrealisierung in einer relativ geringen Zeitspanne erfolgt: Nahrungs- und Genußmittelindustrie: Mautner-Markhof, z.T. Schoeller, Meinl, Manner usw.; Textil und Bekleidung: Schoeller, Hämmerle, Rhomberg, Mäser; Holz, Papier und Leder. Die Unternehmenspolitik dieser Familien war vorwiegend auf die Sicherung und den Ausbau der alten Positionen ausgerichtet. Von Bedeutung ist jedoch, daß jener Sektor, der für die Reproduktion der Arbeitskraft sorgt, zur Gänze in den Händen der Bourgeoisie liegt. Deren Profit- und Lohnpolitik hat wesentlichen Einfluß auf die Lebenslage des Proletariats.

Zwar konnten einige Kapitalgruppen wie Pengg, Kern, Swarowski, Thurnauer und Hatschek in Produktionsgüterbereichen expandieren (Metall, Maschinenbau, Chemie, Glas und Baustoffe), doch gelang es ihnen selten, über den Rahmen von Mittelbetrieben hinauszuwachsen und strukturelle Umschichtungen einzuleiten.

Der hohe Kartellierungsgrad und die damit verbundene Wettbewerbsfeindlichkeit verhinderten weitgehend eine Expansion des österreichischen Kapitals. Die Niedriglohnpolitik in der Rekonstruktionsperiode hatte insofern einen negativen Einfluß auf die Entfaltung des österreichischen Privatkapitals, als dadurch die Nachfrage nach Konsumgütern sehr niedrig war. Das niedrige Lohnniveau der Arbeiter war die wesentliche Ursache für den raschen Akkumulationsprozeß des Kapitals. Auf der anderen Seite verhinderte es die Expansion gerade jener Branchen, die auf eine starke Entwicklung der Nachfrage angewiesen sind.

5 Kalter Anschluß ans deutsche Kapital

Die Strukturschwächen des österreichischen Privatkapitals schufen seit jeher günstige Bedingungen für die Inbesitznahme wichtiger wachstumsintensiver Industriezweige durch ausländisches Kapital.

Zunächst konnte nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Verstaatlichung zunächst das Auslandskapital im Vergleich zur Vorkriegszeit zurückgedrängt werden. Dann konnte es auf Grund der Wachstums- und Strukturschwächen der österreichischen Wirtschaft zu Beginn der sechziger Jahre verstärkt Fuß fassen. In dieser Periode nahmen vor allem die deutschen Direktinvestitionen ein beachtliches Ausmaß an (vorwiegend Elektroindustrie, Chemie, Papier). Sie drängten das US-Kapital auf den zweiten Platz zurück. Dieses Hereinströmen von deutschem Kapital erfolgte vor allem in Form sogenannter EFTA-Gründungen: Errichtung österreichischer Produktionsstätten durch in der EWG beheimatete Firmen zum Zwecke der zollbegünstigten Belieferung des EFTA-Marktes. Dieser Kapitalstrom wird sich im Zuge der EWG-Integration erheblich verringern. Für die nächsten Jahre ist kein wesentliches Expandieren des Auslandskapitals — vor allem in Form von Direktinvestitionen — zu erwarten.

Das Auslandskapital kontrolliert derzeit ungefähr 26% aller AGs, 56% aller GesmbHs und 37% aller GesmbH & Co KGs. Insgesamt werden rund 20% der Lohnabhängigen in diesem ökonomischen Sektor beschäftigt (ungefähr gleich viele wie in der verstaatlichten Industrie). Dem Auslandskapital gelang es, in die expandierenden Sektoren einzudringen, die gleichzeitig sehr stark exportorientiert sind (vor allem auf dem EFTA-Markt). Sein Anteil ist daher weit wichtiger als dies durch Zahlen ausgedrückt werden kann:

  1. Das Auslandskapital behebt den Kapitalmangel der österreichischen Wirtschaft und setzt durch seine hohe Konzentration eine Modernisierung des österreichischen Kapitalismus durch.
  2. Es führt den Ruin der nicht konkurrenzfähigen Klein- und Mittelbetriebe herbei. Es bereinigt auf diese Weise die Schwächen des österreichischen Privatkapitals, aber auch die des verstaatlichten Sektors.
  3. Es intensiviert die Verflechtung Österreichs in den kapitalistischen Weltmarkt und verstärkt damit die Abhängigkeit von den internationalen Konjunkturbewegungen.

6 Auf dem Rücken der Arbeiter

In der Rekonstruktionsperiode kam es — allerdings nicht so ausgeprägt wie in den anderen westeuropäischen Ländern — zu Verschiebungen innerhalb des Arbeitskräftepotentials. Immer breitere Schichten der Bevölkerung werden in den Verwertungsprozeß des Kapitals eingegliedert. So stieg die Quote der Lohnabhängigen von 63% im Jahre 1934, 1961 auf 71% und 1971 bereits auf 80%, wobei die Zahl der Arbeiter jedoch absolut sinkt, die der Angestellten steigt (war das Verhältnis 1951 70:30, so ist es 1971 60:40).

Der wirtschaftliche Aufschwung Österreichs in der Wiederaufbauphase wurde auf dem Rücken der Arbeiterklasse ausgetragen. Die unmittelbaren Nachkriegsjahre waren durch eine übermäßige Inflation gekennzeichnet. So lag der Index der Lebenshaltungskosten bis in die späten fünfziger Jahre stets über dem der Nettotariflöhne. In den Jahren 1947-1950, in denen ein jährliches Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 17% erzielt wurde, sank der Reallohn 1947 um 20,5%, 1948 um 8,8%, 1949 um 13,4% und 1950 um 2% gegenüber dem jeweiligen Vorjahr. Diese Periode war durch insgesamt 5 Lohn-Preis-Abkommen gekennzeichnet, die den Arbeitern nur einen geringen Anteil an den gesamtwirtschaftlichen Produktivitätssteigerungen brachten (geringfügige Reallohnerhöhungen 1948 und 1950). Die Bourgeoisie bekam jedoch eine Reihe von Investitions- und Steuerbegünstigungen, verstärkt durch eine breit angelegte staatliche Subventionierungspolitik.

Der wirtschaftliche Aufschwung Österreichs unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ist gekennzeichnet durch eine Periode von Reallohnsenkungen. Die Erzielung eines — international gesehenen — relativ hohen Akkumulationstempos war möglich auf der Bais der Erhöhung des absoluten Mehrwerts (so stieg die Wochenarbeitszeit von 47,7 auf 50,3 Sunden) als auch des relativen Mehrwerts. Gerade die hohen Akkumulationsraten im Zusammenhang mit einer relativ geringen Zunahme des Arbeitskräftepotentials verweisen darauf, daß für die österreichische Rekonstruktionsperiode ein Akkumulationsmodell vorherrschend war, welches auf einer intensiven Mehrwertsteigerung basiert.

Die eigentliche Rekonstruktionsperiode wurde von der Rezession 1951-1953 eingeleitet, die den Arbeitern erneut Reallohnverluste brachte. In der darauffolgenden Boomperiode 1954-1957 konnten sie zwar nur geringfügig, aber dafür kontinuierlicher an der Entfaltung der Produktivkräfte und damit des Reichtums partizipieren. Diese Periode war gekennzeichnet durch weitere Intensivierung der Ausbeutungsrate. So stieg die Arbeitsproduktivität jährlich um 6% (diese lag zusammen mit der der BRD von 6,2% weit über dem westeuropäischen Durchschnitt). Die hohen Investitionsquoten von jährlich rund 20% trieben die Mechanisierung und Intensivierung des Arbeitsprozesses rasch voran.

Über Reallohnsenkungen und Zwangssparen infolge übermäßiger Inflationierung (die stets auf Kosten des Proletariats und eines Teils des Kleinbürgertums geht) konnte somit der Akkumulationsprozeß des Kapitals in ungeheurem Ausmaß vonstatten gehen. Die Arbeiterklasse, durch den Faschismus politisch und organisatorisch geschwächt, unterwarf sich relativ widerstandslos den verstärkten Ausbeutungsbedingungen des sich restaurierenden Kapitalismus.

Die sechziger Jahre waren durch eine widersprüchliche Entwicklung gekennzeichnet. Der österreichische Kapitalismus sah sich in zunehmendem Maße mit Verwertungsschwierigkeiten konfrontiert. Auf politischer Ebene führte dies zur Beendigung der Koalitionsperiode, auf ökonomischer zum Anwachsen ausländischer Direktinvestitionen. Die Stagnation des wirtschaftlichen Wachstums in den frühen sechziger Jahren war Erscheinungsform der politischen und ökonomischen Krise der österreichischen Bourgeoisie. Eine Lösung war nur möglich durch die Internationalität des Kapitals. Das ausländische — vorwiegend deutsche — Kapital fand in Österreich äußerst günstige Bedingungen für die Eroberung von Auslandsmärkten im EFTA-Raum. Das niedrige Lohnniveau und die hohen Mehrwertraten sorgten für eine entsprechende Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt. Der langdauernde konjunkturelle Aufschwung nach der Rezession 1967 ist vorwiegend auf den dadurch bedingten Exportboom zurückzuführen.

Die SPÖ und mit ihr die Gewerkschaften unterstützten die allgemeine Politik der Gewinnsteigerung bzw. der Niedriglöhne. So konnten in der Zeit von 1967-1971 die Profite doppelt so rasch wie die Löhne wachsen. 1980-1971 betrug die Pro-Kopf-Lohnsteigerungsrate etwas mehr als 4% und lag damit weit unter dem europäischen Durchschnitt. So sank die Lohnquote, das ist der Anteil der Bruttolöhne und -gehälter am gesamten Volkseinkommen, im Jahre 1970 auf 63% (1967: 67%). Die Lohnabhängigenquote stieg im gleichen Zeitraum von 73% auf 80%. Das heißt: die immer größer werdende Anzahl von Arbeitern und Angestellten bekam einen immer geringeren Anteil an dem von ihnen geschaffenen gesamtgesellschaftlichen Wertprodukt. Wenn die Gewerkschaft gegen den Willen der Arbeiterklasse die von ihr geplanten jährlichen Reallohnsteigerungsraten von 2 bis 3% durchsetzen kann, würde sich die Lohnquote in den nächsten Jahren auf 60% reduzieren.

Die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Arbeiterklasse vollzieht sich also in Form einer unzureichenden Teilnahme an der Steigerung des gesellschaftlichen Reichtums sowie durch Vergrößerung des Haushaltseinkommens durch Erwerbstätigkeit der Frauen. Die Verbesserung der Lebensverhältnisse ist also keineswegs das Resultat eines wie immer auch gearteten Umverteilungsprozesses. Der Lohnanteil am gesellschaftlichen Wertprodukt ist jahrzehntelang konstant geblieben, in Boomperioden sinkt er sogar beträchtlich. Die gewerkschaftliche Politik der niedrigen Reallöhne führte sogar dazu, daß der Lebensstandard der österreichischen Arbeiter weit unter jenem der übrigen westeuropäischen Industriestaaten liegt. Hinsichtlich des Pro-Kopf-Konsums (1090 Dollar) liegt Österreich im untersten Drittel der OECD-Länder, gefolgt von Spanien, Griechenland und Portugal.

1970 stiegen die Gewinne um 20%, die unverteliten Gewinne der Kapitalgesellschaften sogar um 35%. Die Löhne um 7,9% nominell.

7 EWG-Druck wächst

Die internationale Krise des imperialistischen Systems hat sich in den letzten Jahren wesentlich verstärkt. Es gab in einem seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr dagewesenen Ausmaß Arbeitslosigkeit und Inflation. Diese Krisen sind weniger konjunkturell als strukturell. Daher erweist sich das bisher angewandte keynesianische System des Staatsinterventionismus als zusehends wirkungsloser. Die strukturellen Ursachen der derzeitigen Krise liegen vorwiegend in den zunehmenden Verwertungsschwierigkeiten des Kapitals in jenen Branchen, die bisher als wachstumsintensiv und expansiv galten: Elektroindustrie, Automobilbau usw.

In Österreich konnte die letzte Rezession (1970/71) übersprungen werden, weil das ausländische Kapital hier gerade in diesen Sektoren äußerst günstige Ausbeutungsbedingungen vorfand (niedrige Löhne bei hoher Produktivität, was sogar zu einem Sinken der Arbeitskosten pro Einheit führt). Diese Branchen konnten daher in Österreich in den letzten Jahren überdurchschnittlich expandieren, nicht nur auf dem Binnen-, sondern vorwiegend auf dem Auslandsmarkt. Doch wird in den nächsten Jahren sich auch hier die internationale Strukturkrise bemerkbar machen und zu einer Stagnation des Wachstums führen. Durch die Integration Österreichs in die EWG fällt nämlich die bisherige Hauptmotivitation des direktinvestierenden Auslandkapitals nach Absatzmärkten in der EFTA (überdies sind diese Länder inzwischen gleichfalls der EWG beigetreten).

Die derzeitige internationale Krisensituation verschärft in zunehmendem Maße die bisherigen Widersprüche innerhalb des Imperialismus, und zwar in Form der Verlagerung des Kräfteverhältnisses zugunsten des deutschen und japanischen Imperialismus. In dieser Situation wird die Eingliederung Österreichs in die EWG zwangsläufig zu einer Verschärfung der inneren Widersprüche führen. Denn die EWG bedeutet für den österreichen Kapitalismus die verstärkte Durchsetzung des Weltmarktes und damit des Wertgesetzes, das die unterdurchschnittlich produzierenden Länder zur Rationalisierung und Intensivierung ihrer industriellen Produktion zwingt. Partiell hat sich diese Tendenz bereits durch das Einströmen des Auslandskapitals bemerkbar gemacht.

Die verstärkte Verflechtung mit dem imperialistischen Weltmarkt zwingt die bereits bestehende Großindustrie zur Monopolbildung (Stahlfusion) und initiiert gleichzeitig den Konzentrationsprozeß sowohl des ausländischen als auch des nationalen Kapitals. Dies alles auf Kosten eines Teiles der privaten Klein- und Mittelbetriebe, die solchen Wettbewerbsbedingungen nicht gewachsen sind. Ihnen fehlen die Kapitalmittel, die für Rationalisierungen notwendig sind. Daher werden sie zunächst einen verschärften Druck auf die Arbeiterklasse in Form niedriger Löhne und Steigerung des Arbeitstempos ausüben. (Diese Entwicklung wird vor allem die papier-, leder- und holzverarbeitende Industrie treffen.) Das bedeutet für die kommenden Jahre ein Anwachsen der Klassenkämpfe. Entscheidend wird die Rolle des ÖGB sein und die Herausbildung einer neuen Avantgarde innerhalb der Arbeiterklasse.

Österreichische Wirtschaft im NF

  • Günther Chaloupek: Wer verdient wieviel? Zur Entwicklung der persönlichen Einkommen. NF Sept./Okt. 1972.
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