ZOOM 6/1996
Oktober
1996

Militärische Notwendigkeiten

Noch dieses Jahr muß ein neues Zivildienstgesetz beschlossen werden. Der Beamtenentwurf zu einer Gesetzesnovelle liegt nun vor. Die Arbeitsgemeinschaft für Wehrdienstverweigerung und Gewaltfreiheit kritisiert die vom Innenministerium vorgelegten Vorschläge, da sie die Schlechterstellung der Zivildiener fortschreibt.

Der vorliegende Entwurf übergeht die von Jugend- und Zivildienstorganisationen seit langem erhobenen Forderungen nach der Gleichstellung von Wehr- und Zivildienern. Er brächte Österreich im EU-Vergleich die schlechteste Zugangsregelung zum Zivildienst und die im Verhältnis zum Wehrdienst längste Dauer.

Die Wehrpflichtigen, die aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigern wollen, wären mit den unterschiedlichsten Fristen konfrontiert. Neu gemusterte Wehrpflichtige müßten bis einen Tag vor Erhalt des Einberufungsbefehls eine Zivildiensterklärung einbringen (siehe Grafik).

Jene, die nach dem 1.1.1992 tauglich wurden, könnten genau fünf Jahre nach dem Tauglichkeitsbescheid sechs Wochen lang erneut eine Zivildiensterklärung einbringen. Alle, die vor dem 1.1.1992 gemustert wurden, wären von jedem Antragsrecht ausgeschlossen.

Zugang zum Zivilidienst

Zugang zum Zivildienst in Europa

Wie die Grafik entlang einer symbolischen Zeitlinie veranschaulicht, ist in keinem anderen europäischen Land die Frist, innerhalb derer Wehrpflichtige Zivildienst beantragen können, so kurz wie in Österreich. In manchen Ländern ist ein Zivildienstantrag noch während des Wehrdienstes möglich, in den meisten anderen bis kurz vor den Einberufungstermin – also jener Tag, an dem der Wehrpflichtige erstmals zum Militär einrücken muß.

Nur in Österreich soll die Frist nun an den einige Monate davorliegenden Tag gebunden werden, an welchem das Bundesheer dem Wehrpflichtigen den Befehl zuschickt, daß er demnächst einrücken muß. Das Problem daran: Erst an dem Tag, an dem der Wehrpflichtige seinen Einberufungsbefehl in der Hand hält, weiß er, daß seine Frist bereits gestern abgelaufen ist, ihm der Zugang zum Zivildienst daher verwehrt bleibt.

Etwas speziell ist die Situation in Italien. Dort gibt es zwar eine nur zweimonatige Frist für die Antragstellung nach der Stellung, wird der Wehrdienst aber aufgeschoben, kann ein Zivildienstantrag solange gestellt werden, bis der Aufschub endet.

Gewissensfreiheit bleibt eingeschränkt

„Nicht die Gewissensgründe geben den Ausschlag für die Zugangsmöglichkeit, sondern sogenannte militärische Notwendigkeiten“, stellt die Zivildienstsprecherin im Grünen Parlamentsklub, Theresia Haidlmayr, fest. Gerald Gmachmeir von der Friedenswerkstatt Steyr rüttelt am Schreckgespenst Zivildienstkommission: „Wer gar kein Recht hat, Zivildienst zu beantragen, für den ist es auch gleichgültig, ob es eine Gewissensprüfungskommission gibt oder nicht, wie lange der Zivildienst dauert und ähnliches.“ Eine Rückkehr zur Zivildienstkommission möchte natürlich niemand. Doch die Frist, Zivildienst zu beantragen, war früher wesentlich länger.

Verlängerung des Zivildienstes

Die Zivildienstdauer soll dem Entwurf des Innenministers zufolge auf zwölf Monate verlängert werden. In einen zweiwöchigen Urlaubsanspruch sollen sowohl Dienstfreistellungen als auch Krankheiten bis zu drei Tagen eingerechnet werden.

Der 14tägige Urlaub ist die Mogelpackung, um die drohende Zivildienstdauer von zwölf Monaten zu verdecken. Zu dieser Verlängerung meint sogar ÖVP-Jugendlandesrat Walter Aichinger aus Oberösterreich: „Zwölf Monate Zivildienst sind zu lange, von einer Gleichbelastung von Wehr- und Zivildienern kann nicht die Rede sein.’ Auch der oberösterreichische SPÖ-Landesvorsitzende Fritz Hochmair sieht in der längeren Dienstzeit eine ’Diskriminierung’ der Zivildiener. Hochmair entschuldigt Innenminister Caspar Einem, der seiner Meinung nach ’lieber heute als morgen von diesem Punkt der Novelle Abstand nehmen würde“.

Länge des Zivildienstes in der EU
Die Grafik zeigt in Prozent, um wieviel der Zivildienst länger dauert als der Wehrdienst. Die Zahlen über den Balken geben die Länge des Wehrdienstes/Zivildienstes in Monaten an. Nur in Österreich dauert der Zivildienst künftig mit 12 Monaten um 50 % Prozent länger als der Wehrdienst mit 8 Monaten. In Italien wurde die ursprünglich doppelte Länge des Zivildientes für verfassungswidrig erklärt. Seitdem dauern Wehr- und Zivildienst gleich lang. Jene EU-Staaten, in denen die Wehrpflicht bereits abgeschafft wurde oder deren Abschaffung beschlossene Sache ist (Belgien, Niederlande, Frankreich), wurden nicht in die Grafik aufgenommen.

Bereits bei den letzten Gesetzesnovellen wurden viele Verschärfungen des Zivildienstrechtes von der SPÖ in Kauf genommen, um eine Zivildienstdauer von zwölf Monaten zu verhindern. Caspar Einem meinte noch vor einem Jahr, daß ein längerer Zivildienst weder inhaltlich noch formal gerechtfertigt sei, verlangt doch das Zivildienstgesetz eine ähnliche Belastung von Zivil- und Wehrdienern.

Daß sich lechts und rinks leicht verwechseln lassen, geht auch aus den Stellungnahmen des schwarzen Rechnungshofpräsidenten beziehungsweise des roten Finanzministers hervor. So stellt Rechnungshofpräsident Fiedler fest, daß die Verlängerung um einen Monat jährlich etwa 59 Millionen Schilling Mehrkosten verursachen und dadurch das Budget stark belasten wird. Finanzminister Klima in seiner Begutachtung des Einem-Entwurfes: „Die Notwendigkeit einer verstärkten Beschränkung der Aufschubmöglichkeiten ist umso mehr gegeben, um die Zivildienstpflichtigen in einem möglichst niedrigen Lebensalter den Zivildienst ableisten zu lassen und solcherart Einsparungspotentiale auch tatsächlich zu realisieren.“ Diese Einsparungspotentiale belaufen sich auf bis zu zehn Millionen Schilling. Zur Zivildienstverlängerung hingegen fallen dem roten Finanzminister keine Budgetargumente ein.

Neue Einsatzgebiete

Die Erweiterung der Einsatzgebiete auf Umwelt-, Kinder- und Jugendorganisationen ist ein Ansatz für einen alternativen Zivildienst. Solange es jedoch gleichzeitig Dienstleistungen bei der Polizei gibt, kann keineswegs von einem alternativen Friedensdienst gesprochen werden.

Die Friedenswerkstatt Steyr glaubt, daß „eine flächendeckende Zivildienstinformationstätigkeit nur durch Unterstützung der regionalen Friedens- und Jugendorganisationen“ möglich sei, da die „Schwelle Ministerium“ für viele zu hoch sei.

Beibehalten werden soll das Bonsystem für die Verpflegung der Zivildiener. Landesrat Aichinger (ÖVP/OÖ) verlangt eine Pauschalierung der Verpflegungskosten, damit die Zivildiener nicht „ihren Lebensunterhalt vorfinanzieren müssen“.

Eine Vertretung der Zivildienstleistenden im Sinne eines Betriebsrates ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Plattform der Zivildienstleistenden Österreichs legte demgegenüber einen umfassenden Vorschlag für eine Interessenvertretung auf Landes- und Bundesebene vor.

Das Netzwerk Gewissensfreiheit meint, „daß der Zivildienst durch die Einbindung in die Umfassende Landesverteidigung (ULV) weiterhin ein Teil der militärischen Sicherheitspolitik“ ist. Die Entwicklung von Alternativen zur militärischen Sicherheitspolitik im Rahmen eines eigenen Dienstes außerhalb der ULV würde „der Entkriminalisierung totaler Gewissensverweigerer dienen“.

BürgerInneninitiative

Die BürgerInneninitiative „Freiheit für das Gewissen“ soll noch vor der Behandlung der Zivildienstgesetznovelle im Nationalrat eingebracht werden. Bis zum 23. September 1996 lagen 1000 Unterschriften vor. Das Netzwerk Gewissensfreiheit möchte im Oktober noch weitere Unterschriften sammeln und diese dem Nationalrat mit den Forderungen zur Gleichbehandlung von Wehr- und Zivildienern übergeben. Noch ist Gelegenheit, sich der Petition anzuschließen.

Die gemeinsame rechtliche Stellungenahme der Arbeitsgemeinschaft für Wehrdienstverweigerung und des Netzwerks Gewissensfreiheit zum Gesetzesentwurf senden wir auf Wunsch gerne zu.

Vom Zivildienst gesetzlich ausgeschlossen

1980 leistete Peter Zwiauer seinen Grundwehrdienst, durfte aber schon nach zwei Monaten abrüsten. Der Grund: Sein Dienstgeber, die Post, brauchte ihn dringend. Er wurde aus öffentlichem Interesse befreit. Das Thema Heer schien für ihn damit erledigt. Mitnichten. 1994 erhielt er kurioserweise gleich zwei Einberufungsbefehle und stellte daraufhin einen Zivildienstantrag. Zu spät: Er hätte seinen Zivildienstantrag spätestens einen Monat nach Abschluß des Stellungsverfahrens einbringen müssen.

„Ich will nur gleichbehandelt werden“, sagte Zwiauer und ging gegen die Negativbescheide des Innenministeriums bis zum Verfassungsgerichtshof, der seine Beschwerde ebenfalls ablehnte. Für 20. Mai 1996 erhielt er einen Einberufungsbefehl in die Kaserne Zwölfaxing, dem er nicht Folge leistete.

„Warum“, fragt Zwiauer, „darf ich keine Gewissensgründe haben?“ Jetzt hat er ein Strafverfahren wegen Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls am Hals. „amnesty international“ hat bereits angekündigt, ihn im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe als Gewissensgefangenen zu adoptieren. Im Fristendschungel des Zivildienstes hatte Zwiauer nie die Möglichkeit, seinen Gewissenswandel geltend zu machen.

Über Gesetzesänderung nicht informiert

Oliver Roman wurde vor 1994 gemustert. Da er von der Gesetzesänderung nicht informiert war, versäumte er die einmonatige Übergangsfrist für die Abgabe einer Zivildiensterklärung. Seine am 25. April 1994 eingebrachte Zivildiensterklärung wurde abgewiesen. Oliver Roman bekämpfte den Bescheid bei Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof. Doch seinen Beschwerden wurde ohne inhaltliche Begründung nicht statt gegeben.

Ein Antrag auf neuerliche Stellung lehnte das Militärkommando ab. Sein Aufschub des Wehrdienstes ist mit vollendetem 28. Lebensjahr abgelaufen. Oliver Roman hat einen Antrag auf neuerliche Stellung gestellt. Muß er einrücken, wird Roman aus Gewissensgründen die Waffe verweigern.

Oliver Roman fordert einen Kulturdienst außerhalb der Umfassenden Landesverteidigung, der mit Mitteln der Kunst gewaltfreie Konfliklösungswege entwickeln soll. Er ist bereit, den Kulturdienst zu organisieren. Ziel des Kulturdienstes ist es, kritische kulturelle Auseinandersetzung zu den Themen Krieg, Macht, Unterdrückung, Folter, gewaltfreie Konfliktlösungsmodelle und positive Lebensgestaltung zu fördern.

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