ZOOM 4/1998
Oktober
1998

Parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste

Ergänzend zum vorherigen Interview mit Markus Purkhart bringt ZOOM einen Auszug aus seiner Diplomarbeit: Staatspolizei, Heeresnachrichtenamt und Abwehramt. Die österreichischen Geheimdienste aus der Perspektive parlamentarischer Transparenz und Kontrolle — eine politikwissenschaftliche Analyse zur österreichischen Demokratie, Wien 1998, S. 85–89.

Die Geheimhaltung der Dienste wie die Brisanz ihrer Tätigkeit verlangen eine effektive parlamentarische Kontrolle. Für dementsprechende Kontrollmöglichkeiten wurde seitens des Parlaments nicht ausreichend gesorgt.

Ein konkreter Gestaltungswille des Parlaments zur Effektivität der parlamentarischen Kontrolle ist aus den Ergebnissen außer in entfernten Ansätzen und Detailbereichen nicht erkennbar und dokumentierte sich in verzweifelten Anträgen an die Regierung, „für die parlamentarische Kontrolle“ zu sorgen. Ausnahmen hierzu sind die Initiativanträge zur Einrichtung der ständigen Unterausschüsse sowie zum Beschluß eines Geheimdienstgesetzes für alle österreichischen Geheimdienste. [1]

Das Parlament scheint mit dieser komplexen Materie über lange Zeit hindurch überfordert gewesen zu sein. Erst in jüngerer Zeit konnten grundsätzliche Ansätze und Vorschläge im Parlament Fuß fassen. Es ist zu hoffen, daß diese ausgebaut und verbessert werden.

Sachpolitik

Zum Thema österreichische Geheimdienste gestellte Anträge wurden nur angenommen, wenn sie von (zumindest) einer Regierungsfraktion gestellt wurden. Die Annahme eines von einer Oppositionspartei gestellten Antrags durch die Regierungsfraktion konnte nicht festgestellt werden. Eine parteipolitische Orientierung am Gegenstand muß zum Unterschied von einer sachpolitischen konstatiert werden.

Ein Paradebeispiel dafür ist der 1969 einstimmig beschlossene Antrag zu einem Stapo-Gesetz sowie die Erkenntnis, daß zur Kontrolle der Geheimdienste eine parlamentarische Einrichtung notwendig wäre. Nachdem die SPÖ 1970 die Regierung übernommen hatte, waren alle diesbezüglichen Bemühungen hinfällig. Wurde anfänglich (während der Minderheitsregierung) noch versichert, dem Parlament Ende 1970 einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, so bestand knapp sechs Jahre später für die Schaffung eines Staatspolizeigesetzes keinerlei Notwendigkeit. [2]

Die ständige Kontrolle der Geheimdienste

Die Einführung der ständigen Unterausschüsse bestätigt die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Kontrolle der österreichischen Geheimdienste.

Der einstimmige Beschluß zur Einführung dieser Kontrollinstanzen erfolgte 1991, ihr Arbeitsbeginn Ende 1993. Die geringe Ausstattung der ständigen Unterausschüsse mit faktischen Möglichkeiten zum konkreten Eingriff läßt allerdings auf eine halbherzige Lösung schließen.

Die Abhängigkeit von der Mehrheit bezüglich der Einsichtsmöglichkeiten kann die direkte Kontrolle und damit die eigene Einsicht verhindern. Für eine effektive Kontrolle der Geheimdienste wurde in diesem Fall nicht ausreichend gesorgt. Die Opposition klagt vier Jahre nach Einführung der ständigen Unterauschüsse noch immer, daß die Mehrheit die volle Einschau in die Arbeit der Geheimdienste verhindern würde. [3]

Die Verhinderungsmöglichkeiten der Bundesminister widersprechen jeglicher Kontrolleffektivität. Es besteht für die Bundesminister keine Verpflichtung zur Auskunft und Einsichtsgewährung, wenn „Nationale Interessen“ oder die „Sicherheit von Personen“ gefährdet sind. Eine verbindliche Definition dieser Standardphrasen besteht nicht, eine Überprüfung der Angemessenheit dieser Floskeln ist unmöglich. Dieser Punkt wird besonders im Bereich der Geheimdienste schlagend, wo man davon ausgehen kann, daß der Großteil der Thematik die „nationale Sicherheit“ betrifft.

Gegenüber der entsprechenden Verfassungsbestimmung (Art 52 a (2) B-VG) wurde für die Minister im Geschäftsordnungsgesetz eine schon bestehende Möglichkeit erweitert sowie eine zusätzliche Möglichkeit geschaffen, um auf Fragen bzw. Einsichtsverlangen nicht reagieren zu müssen. Die Erweiterung gegenüber der Verfassungsbestimmung betrifft die Veränderung von „nationaler Sicherheit“ in den diffuseren Begriff der „nationalen Interessen“. Die vom Parlament selbst geschaffene neue Möglichkeit der Verweigerung, falls es den Ministern „nicht möglich“ [!] ist, Auskunft zu geben oder Einsicht zu gewähren.

Die strafrechtlich gesicherte Vertraulichkeit der Sitzungen verhindert jegliche Öffentlichkeitswirkung. Das ist sinnvoll, sofern den Abgeordneten alle Möglichkeiten zur Kontrolle offen stehen. Wenn eine vollständige Kontrolle jedoch verhindert werden kann, dann ist keine Vertraulichkeit notwendig, und die Abgeordneten der Ausschüsse könnten die Öffentlichkeit mit den Ergebnissen ihrer Prüfungstätigkeit konfrontieren.

Öffentlichkeitswirksamkeit

In vielen Fällen läuft der Kontrollzyklus über die Öffentlichkeit und die Medien. Die Effektivität der Regierungskontrolle durch die Fraktionen des Nationalrats hängt wesentlich von ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit ab.

Durch die öffentliche Präsentation der Prüfungsergebnisse wird eine Reaktion der Öffentlichkeit bewirkt, bei Nichtübereinstimmung mit der öffentlichen Meinung dadurch Druck auf die Regierung erzeugt. Dieser Druck kann für das Parlament die nichtvorhandene Möglichkeit der direkten Einflußnahme auf die Regierung ersetzen. Die Auskunftsaktion von Bundesminister für Innere Angelegenheiten Löschnak ist dafür ein Beispiel, die mit einer gleichzeitigen Erhöhung des Informationsniveaus für die Parlamentarier einherging. [4]

Der Frage/Antwort-Fit der Anfragen zeigt, daß mündliche Anfragen vollständiger und informativer beantwortet werden als schriftliche. Die übliche Reaktion der jeweils regierenden Partei ist jedoch die weitgehende Tabuisierung des Themas und der Versuch, die Geheimdienste und ihre Agenden aus der politischen Schußlinie herauszunehmen. Die Regierungen sind bestrebt, das Thema der österreichischen Geheimdienste der parlamentarischen Öffentlichkeit zu entziehen (s.o.).

Speziell für den Bereich der militärischen Dienste besteht das Bestreben, die diesbezügliche Diskussion dem Plenum zu entziehen und in die ständigen Unterausschüsse zu verbannen.

Der Bundesminister für Landesverteidigung meint kontinuierlich, daß man die Kompetenz dort belassen sollte, wohin sie das Parlament verlegt hat. [5]

Anfragen erfolgen großteils erst nach Medienberichten. Diese Praxis ist einerseits erklärbar mit der geringen Informationsmöglichkeit der Abgeordneten, andererseits stellt sich auch die Frage, wieweit auch Abgeordnete erst auf öffentlichen Druck reagieren bzw. öffentlichen Rückhalt benötigen, um Aktionen zu setzen. Eine von der öffentlichen Meinung unabhängige Eigeninitiative ist selten.

Ministerien betreiben keine Öffentlichkeitsarbeit zu ihren Geheimdiensten oder nur in bescheidenem Ausmaß im Vergleich zu ihrer sonstigen Verwaltungstätigkeit. Ein Grund dafür kann auch in nicht vorhandenen rechtlichen Grundlage zu finden sein. [6]

Die Vermittlung der Wirksamkeit der Geheimdienste und die nachträgliche Darstellung von Erfolgen wäre aber sicherlich dem Image und Verständnis für diesen Teil des Sicherheitsapparates förderlich und der demokratischen Qualität Österreichs zuträglich.

[1Vgl. Abg. Kostelka, 28.11.1996, 20.GP, 326/A

[2Vgl. BMI Rösch, 17.6.1970, 12.GP, Beantwortung von 83/M (8. Sitzung:291); 11.2.1976, 14.GP, 75/AB zu 46/J

[3Vgl. Abg. Wabl, 23.1.1997, 20.GP, Debatte zum RH-Tätigkeitsbericht 1994 (58. Sitzung:148)

[4Vgl. BMI Löschnak, 2.12.1992,20.GP,1640/AB zu 1843/J; 17.1.1992, 20.GP 1985/AB zu 1999/J

[5Vgl. BMLV Fasslabend, 26.2.1992, 18.GP, Beantwortung von 168/M (59. Sitzung:6121F.); 30.7.1996, 20.GP, 727/AB zu 703/J; 20.11.1996, 20.GP, 1262/AB zu 1235/J

[6Information von Hauptmann Rudolf Gollia, Pressesprecher von BMI Schlögl.

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