FORVM, No. 203/II
November
1970

Programm der Befreiungsfront von Quebec

In der ersten Phase der Verhandlungen zwischen der Regierung von Québec und der „Befreiungsfront von Québec” (F.L.Q.), vor der Intervention der Bundesregierung in Ottawa, hatte die Regierung von Québec eine der Bedingungen der F.L.Q. erfüllt: die Verbreitung des letzten Manifests der F.L.Q. über den Rundfunk und in bestimmten Zeitungen. Dadurch lernten Millionen von Frankokanadiern erst die politischen Positionen der „Terrororganisation“ kennen.

Die Befreiungsfront von Québec ist weder ein neuer Heiland noch ein moderner Robin Hood. Sie ist eine Organisation von Arbeitern aus Québec, die entschlossen sind, alles zu tun, damit das Volk von Québec endlich selbst sein Schicksal in die Hand nimmt. Die Befreiungsfront von Québec will die vollständige Unabhängigkeit für die Bürger von Québec, in einer Gesellschaft, die frei ist und für immer gesäubert von der Clique gieriger Haie, den „großen Bossen“ und ihren Knechten, die aus Québec ihr bevorzugtes Jagdgebiet für billige Arbeitskraft und skrupellose Ausbeutung gemacht haben.

Die Befreiungsfront von Québec stellt keine Aggression dar, sondern ist die Antwort auf eine Aggression, die von der Hochfinanz über ihre Marionetten in der Bundes- und Provinzregierung organisiert wurde.

Die Befreiungsfront von Québec finanziert sich selbst aus freiwilligen Abgaben, die sogar ausbeuterische Unternehmungen, Banken und Finanzgesellschaften leisteten. Wir haben eine Zeitlang geglaubt, daß es sich auszahlt, alle unsere Energien, alle unsere Ungeduld in der „Partei von Québec‘‘ zu kanalisieren, wie das René Levesque so schön sagt. Aber der Sieg der Liberalen zeigt, daß, was man in Québec Demokratie nennt, immer nur die „Demokratie“ der Reichen ist. Der Sieg der „Liberalen Partei“ ist im Grunde nur der Sieg der Wahlmanager Simard und Cotroni (Cotroni, ein bekannter Führer der Unterwelt, ist einer der Wahlmanager der Liberalen Partei). Daher wird sich die Befreiungsfront von Québec nicht mehr vom britischen Parlamentarismus und von den Brosamen ablenken lassen, die uns die angelsächsischen Kapitalisten alle vier Jahre vorsetzen. Viele Bürger von Québec haben das begriffen und werden danach handeln.

Die Liberale Partei wird dies im kommenden Jahr zu spüren bekommen: 100.000 organisierte und bewaffnete revolutionäre Arbeiter!

Die Polizisten von Montréal hätten diese Gründe eigentlich verstehen müssen, als der verlängerte Arm des Systems. Sie hätten merken müssen, daß wir in einer terrorisierten Gesellschaft leben, weil ohne ihre Macht und ohne ihre Gewalt am 7. Oktober nichts mehr funktionierte.

Wir haben genug vom „kanadischen“ Föderalismus, der die Milchproduzenten von Québec dafür büßen läßt, daß die Bedürfnisse des Commonwealth befriedigt werden, der eine sinnlose Importpolitik betreibt, mit der er die Arbeiter aus der Textil- und Schuhindustrie, die ärmsten von Québec, der Reihe nach brotlos macht, zum Vorteil einer Handvoll verdammter „Money makers“ und Cadillac-Besitzer.

Wir haben genug von einem Föderalismus, der die Nation von Québec unter die ethnischen Minderheiten Kanadas einstuft.

Wir haben genug davon, und immer mehr Bürgern von Québec geht es genau so:

  • genug von einer Regierung von Höflingen, die tausend Purzelbäume schlagen, um die amerikanischen Millionäre zu charmieren und sie zu Investitionen in Québec zu veranlassen. Québec, die „Belle Province“, wo Tausende Quadratmeter Wald voller Wild und fischreicher Seen exklusives Eigentum dieser allmächtigen Herren des 20. Jahrhunderts sind.
  • genug von einem Heuchler wie Bourassa, dem Chef der Liberalen Partei, der sich auf die Panzerwagen von Brinks stützt, auf das echte Symbol der ausländischen Besetzung von Québec, um in den armen „eingeborenen“ Bürgern von Québec die Angst vor Elend und Arbeitslosigkeit wachzuhalten, an die sie schon so gewohnt sind.
  • genug von den Steuern, die der Gesandte aus Ottawa in Québec den angelsächsischen Bossen übergibt, um sie zu Investitionen „anzuregen“.
  • genug von den Versprechungen von Arbeit und Wohlstand, während wir tatsächlich immer noch die eifrigen Knechte und Stiefellecker des Großkapitals sind, solange die Hochburgen des Großkapitals aus der Rue St. Jacques und der Wallstreet bei uns sitzen, solange wir Bürger von Québec nicht mit allen Mitteln, auch mit Dynamit und Waffen, versuchen, diese Bosse der Wirtschaft und der Politik zu vertreiben. Denn diese Bosse sind zu allen Gemeinheiten bereit, um uns besser auszunehmen.

Arbeiter aus der Industrie, aus dem Bergbau und aus der Forstwirtschaft; Arbeiter aus dem Dienstleistungsgewerbe, Lehrer und Studenten, Arbeitslose, nehmt alles, was euch gehört, eure Arbeit, eure Selbstbestimmung und eure Freiheit.

Arbeiter von Québec, beginnt schon heute, euch das wieder zu nehmen, was euch gehört. Nehmt euch euer Eigentum. Ihr allein kennt eure Fabriken, eure Maschinen, eure Hotels, eure Universitäten, eure Gewerkschaften; erwartet euch keine Wunder von Organisationen!

Macht eure eigene Revolution in euren Wohnvierteln, in eurem Arbeitsmilieu. Wenn ihr die Revolution nicht selbst macht, werden andere Usurpatoren, Technokraten und andere, an die Stelle der paar Zigarrenraucher treten, die wir jetzt haben. Dann müssen wir wieder von vorne beginnen. Ihr allein seid fähig, eine freie Gesellschaft zu bauen.

Wir müssen kämpfen, nicht mehr jeder für sich, sondern gemeinsam bis zum Sieg, mit allen Mitteln, die es gibt, so wie es 1837 bis 1838 geschehen ist (unsere heilige Mutter Kirche beeilte sich allerdings, die Patrioten zu exkommunizieren, um sich besser den britischen Interessen zu verkaufen).

An allen Enden von Québec müssen die, die man voller Verachtung als „lousy French“ und als Alkoholiker zu behandeln wagte, energisch den Kampf gegen die Unterdrücker von Freiheit und Gerechtigkeit aufnehmen. Sie müssen alle professionellen Vertreter des Hold-up und der Gaunerei außer Gefecht setzen, als da sind Bankiers, Geschäftsleute, Richter und gekaufte Politiker.

Wir sind Arbeiter von Québec, und wir werden den Kampf zu Ende kämpfen. Wir wollen mit der ganzen Bevölkerung diese Sklavengesellschaft durch eine freie Gesellschaft ersetzen, die von selbst und für sich selbst funktioniert, eine Gesellschaft, die auf die Welt hin offen ist.

Unser Kampf kann nur zum Sieg führen. Man kann ein Volk, das erwacht, nicht länger in Elend und Verachtung halten.

Es lebe das freie Québecl

Es leben unsere Genossen, die in politischer Haft sitzen!

Es lebe die Revolution von Québecl

Es lebe die Befreiungsfront von Québec!

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