Heft 5/2001
September
2001

Sanktionen gegen Österreich und den Iraq

Wenn sich ein Thema der deutschsprachigen Linken erfolgreich in den Mainstreamdiskurs fortpflanzt ist allein schon deshalb Vorsicht angesagt. Was dabei herauskommt wenn sich deutsche AntiimperialistInnen mit dem Iraq solidarisieren hätte eigentlich ohnehin vermutet werden können: ein schlechtes Buch.

Wenn Rüdiger Göbel, der Chefredakteur der ehemaligen FDJ-Tageszeitung Junge Welt gemeinsam mit Joachim Guilliard und Michael Schiffmann ein Buch über die UN-Sanktionen und die US-Europäische Kriegspolitik gegen den Iraq herausgibt, findet dieses antiimperialistische Triumvirat sehr unterschiedliche Artikel mit sehr unterschiedlicher Qualität. Meine anfängliche Freude endlich eine umfangreichere Publikation zu diesem Thema aus einem linken Verlagshaus lesen zu können, ließ im Zuge der Lektüre des Bandes schrittweise nach. Während einige Beiträge, wie jener von Noam Chomsky, oder jene, über die katastrophalen gesundheitlichen Auswirkungen der Angriffe mit Geschossen aus abgereichertem Uran und der folgenden Sanktionen, von Ulrich Gottstein und Joachim Guilliard mit durchaus interessanten Analysen und Fakten aufzuwarten haben, stellen wiederum die Beiträge von Rüdiger Göbel, Ramsey Clark, Ali Mansoor und John Pilger diese in einen Kontext, der selbst die interessanten Beiträge entwertet.

Die AutorInnen schaffen es dabei in einem über 230 Seiten starken Band auf jede Kritik am Bath-Regime Saddam Husseins zu verzichten. Lediglich die Giftgasangriffe auf die kurdische Bevölkerung im Nordiraq werden erwähnt um zu beweisen, dass damals keinerlei Reaktion des Westens stattfand, weil ja der Iraq im Krieg gegen den Iran der Verbündete von USA und Co. gegen den islamistischen Iran war. In keinem Wort wird jedoch das totalitäre innenpolitische Regime des Herrschers in Baghdad erwähnt. Nicht einmal die physische Vernichtung der iraqischen Linken, insbesondere einer der stärksten kommunistischen Parteien der arabischen Welt, wird in dem Buch, das immerhin von angeblichen Kommunisten herausgegeben wird, auch nur erwähnt, geschweige denn, dass auch nur ein einziges Mitglied einer iraqischen Oppositionsgruppe zu Wort kommen könnte.

Ganz im Gegenteil, Rüdiger Göbel kritisiert, dass Kadhim Habib auf Einladung der „grün-nahen Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin über Menschenrechtsverletzungen im Irak“ reden durfte und dort meinte: „Jährlich würden mehrere hundert Menschen hingerichtet, vermeintliche oder tatsächliche Angehörige der Opposition, Angehörige des Militär- und Sicherheitsapparats sowie Menschen, denen illegale wirtschaftliche Transaktionen vorgeworfen werden. Anderen irakischen Opfern widmete er weniger Aufmerksamkeit“, nämlich den Opfern der UN-Sanktionen.

Folglich darf dann auch Ali Mansoor unkommentiert schildern, weshalb denn das „iraqische Volk“ seinen Schlächter so sehr liebt: „Saddam Hussein hat sehr viel für den Irak getan, er hat das irakische Öl verstaatlicht und dem Land zu Prosperität verholfen. In den 70er Jahren war der Irak ein Paradies. Für einen Dinar mußte man 3,8 US-Dollar zahlen. [...] Die Bevölkerung leidet der Sanktionen wegen und nicht wegen Saddam Hussein.“ (S. 86)

Und was wäre schließlich ein deutsches Iraq-Buch, würde es nicht dem Saddam´schen Propagandatrick auf den Leim gehen und die iraqische Situation mit der Situation der Palästinenser unter israelischer Herrschaft in Verbindung bringen? John Pilger fragt etwa: „Warum gibt es keine Sanktionen gegen Israel, das einen großen Teil Palästinas besetzt hält und beinahe täglich den Libanon angreift?“ (S. 165) und der zum Antiimperialisten gewandelte ehemalige US-Außenminister Ramsey Clark nimmt für die Beschreibung der Sanktionen und des Kriegs gegen den Iraq gleich Anleihen bei der Schoa, wenn er meint es habe im Iraq „einen planvollen, systematischen Völkermord an einer wehrlosen Bevölkerung“ gegeben „wobei die Täter kaum einen Fuß auf irakischen Boden setzen mußten.“ (S.56)

Wen wundert es da noch, daß zum Abschluss Joachim Guilliard schließlich noch meint, dass „das kleine Österreich bisher der einzige westliche Industriestaat [war] der unter einem Embargo zu leiden hatte“ (S. 218). Und wen wurdert es weiter, dass ausgerechnet Österreich seit einem Jahr wieder eine Außenstelle der Bundeswirtschaftskammer in Baghdad eröffnet hat. Bei so viel gemeinsamem Leiden ...

Daß die UN-Sanktionen gegen den Iraq nicht zum Sturz Saddam Husseins führen — und vermutlich gar nie führen sollten — sondern nur die einfache Bevölkerung unter ihnen zu leiden hat, sollte Grund genug sein diese aufzuheben. Ich bezweifle aber, dass es humanitäre Anliegen sind, die ausgerechnet Österreich und Deutschland zum Fürsprecher des Iraq innerhalb der „westlichen Wertegemeinschaft“ gemacht haben. Immerhin leistet die deutsche Linke mit solchen Publikationen ihren bescheidenen ideologischen Beitrag dazu, dass die Ölgeschäfte mit Baghdad wieder ins Rollen kommen können.

Rüdiger Göbel, Joachim Guilliard, Michael Schiffmann (Hg.):
Der Irak — Ein belagertes Land
ISBN 3-89438-223-6
Köln, 2001
PapyRossa Verlag
Preis: € 14,32

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