FORVM, No. 262
Oktober
1975

Sex im alten Rom

Ein Nachtrag zum Lateinunterricht: Wie das römische Patriarchat die Sexualität deformierte

Ernest Borneman, bekannter Sexologe des Wortes, hat aus seiner lebenslangen Beschäftigung mit der antiken Männerherrschaft den Schluß gezogen, daß dieser ein Matriarchat voranging, ein Paradies der Menschheitsgeschichte, dessen Wiederkehr die Lösung der Menschheitsprobleme verspricht. In seinem neuesten Buch „Das Patriarchat“, aus dem das nachfolgend abgedruckte Kapitel stammt und das dieser Tage in den Buchhandel kommt (S. Fischer Verlag, Frankfurt, 671 Seiten, DM 39,80, öS 306,50), geht Borneman den Spuren jener Zeit nach — Spuren, die unter den unerfreulichen Zeichen der Diktatur der Männer verschüttet liegen. Borneman möchte (wie er es im Motto seines Buches ausdrückt), daß sein Hauptwerk der Frauenbewegung dienen soll, „wie Das Kapital der Arbeiterbewegung gedient hat“.

Erlösung durch ein neues Matriarchat?
Ernest Borneman in seinem Haus in Scharten, Oberösterreich

Die Angst vor der Impotenz ist das Kernproblem des Mannes im Patriarchat. Deshalb stößt man in der Liebesliteratur der Römer immer wieder auf das kompensatorische Phänomen der Prahlerei mit der Größe des Penis und der Anzahl der geleisteten Emissionen. Eine „Leistungsgesellschaft“ verlangt eben Leistungen, auch auf sexuellem Gebiet, und wer diese Leistung nicht erbringen kann, muß immer in der Furcht leben, zum Versager abgestempelt zu werden. So verspricht Catull seiner Hypsithilla, es neunmal in der Nacht mit ihr zu tun. Ovid, von seinem dichterischen Vorfahren beeindruckt, rühmt sich, das gleiche mit seiner Corinna geschafft zu haben. Der Gegenkaiser Proculus, um nicht hinter den Literaten herzuhinken, bestätigt seinem Vetter Metianus: „Ich habe hundert sarmatische Mädchen in meine Gewalt bekommen. Von diesen habe ich zehn in einer Nacht begattet, allesamt aber innerhalb von fünfzehn Tagen entjungfert.“

Obgleich Ovid freimütig genug ist, sein gelegentliches Versagen zuzugeben, prahlt er doch dazwischen immer wieder mit seiner Leistungsfähigkeit, so in den Amores:

Und zu der Lenden Kraft wird Nahrung geben die Wollust.
Nimmer bei meinem Werk hab ich ein Mädchen getäuscht.
Oft, nachdem ich die Nacht durchbracht mit lüsternem Spiele.
War ich des Morgens früh tauglich und keineswegs schlapp.
Glücklich, wer in dem Zweikampf der Liebe verlieret sein Leben.
Geben die Götter, daß so ende mein Leben einmal!

Der Dichter wiederholt diesen Wunsch:

Mir aber sei’s bestimmt, durch der Liebe Spiel zu ermatten.
Und einst raffe der Tod mitten im Werke mich weg!

Doch auch Ovid hatte seine leistungsschwachen Stunden, in denen er sein Glied dann prompt als einen entfremdeten, ihm nicht mehr verantwortlichen Gegenstand darstellt, der sich „schmählich“ benimmt und ihm, dem virilen Ovid, hier Schande macht. Von einem „feindlichen Geschick“ getroffen, liegt der fremde Gegenstand nun leblos da. Und damit die Zofen des betroffenen Mädchens nicht merken sollen, daß sie unberührt geblieben ist, wird die Schmach verheimlicht, indem die Herrin sich Wasser wie zur postkoitalen Reinigung bringen läßt. Kann das vaterrechtliche Theater seine Absurdität besser darstellen?

Besonders deutlich werden die Gründe der temporären Impotenz römischer Männer von Martial aufgedeckt, indem er berichtet, er könne einfach nicht zur vollen Erektion kommen, wenn seine Lesbia das von ihm verlange:

Immer, o Lesbia, verlangst du, soll steif für dich stehen mein Finger.
Aber bedenk doch, das Ding hat ja kein Fingergelenk!
Wenn du mich auch bestürmst mit schmeichelnden Händen und Worten.
Ist doch ein Tyrann gegen dich selbst dein kommandierender Blick.

Wo die Frau die Führung übernimmt, reagiert der Römer also mit Impotenz. Deshalb betrachteten die römischen Ärzte auch jeden starken weiblichen Geschlechtsdrang als krankhaft. Sie gaben vor, in ihm ein Gebrechen des Uterus zu sehen, und nannten ihn deshalb furor uterinus. In einer Gesellschaft, die völlig von Sklaven abhängig ist, wird der Mann eben stets mit dem Herrn identifiziert, die Frau stets mit dem Sklaven. Verlangt der Sklave etwas, statt zu gehorchen, so macht er sich strafbar oder ist einfach verrückt. So erklärt es sich, daß ein und dieselbe Handlung, die überhaupt erst durch das sexuelle Zusammenwirken zweier Personen möglich wird, stets zwei Deutungen hat: eine infame, die den duldenden, den weiblichen, den Teil des Sklaven trifft, und eine triumphierende, die dem männlichen, dem erobernden, dem Teil des Herrn zukommt.

Der Cunnilingus galt als infam, weil man ihn als einen hörigen Mann betrachtete, der sich vor der Frau erniedrigte, indem er an ihr und auf ihren Befehl eine widerwärtige, entehrende Handlung vornahm, die ausschließlich ihrem Vergnügen diente. Empfand er selber Vergnügen daran, so galt er als geisteskrank. Die Frau dagegen galt nicht als infam, sondern nur als eine Art Hexe, die Männer durch eine Form von Liebeszauber zu widernatürlichen Handlungen bewegen konnte. Die Cunnilinga dagegen galt als infam, da sie von dem doppelten Fluch der Lesbierin und der sklavischen Persönlichkeit getroffen wurde.

Die Fellatio galt nur insofern als infam, als sie den passiven Partner betraf; der aktive war nicht nur frei von Tadel, sondern galt als ehrenhaft, weil er ja einen männlichen Sieg über den unterjochten Partner demonstrierte. Das Seltsame an dieser Logik war nun, wie wir gesehen haben, daß sie den aktiven und den passiven Teil anders empfand, als wir es heute tun. Wir würden den Irrumator als den passiven Partner empfinden, weil er geleckt wird, während wir den Fellator als aktiv empfinden, weil er leckt. Die Römer aber dachten genau umgekehrt. Der Irrumator galt als aktiv, der Fellator als passiv, denn die Römer sahen in dem Fellator vor allem den Mund, das empfangende Organ, und betrachteten ihn deshalb analog zur Frau und deren Scheide. Der Irrumator dagegen wurde mit dem Penis gleichgesetzt und galt deshalb als der männliche, eindringende, erobernde Partner.

Das Verbum irrumare leitet sich nach Nonius von dem altrömischen Wort für „Brust“, ruma, ab und bedeutet deshalb wörtlich „die Brust reichen“ (die gleiche Sprachwurzel taucht übrigens in der Stadt Rom, der „Mutterbrust der Römer“, und in den Namen der Stadtgründer Romulus und Remus auf, die im mutterrechtlichen Sinne, obgleich sie Männer waren, als „Mütter der Stadt“ aufgefaßt wurden). Wie die Mutter dem Kind die Brust reichte, so gab der Irrumator der Fellatrix seinen Penis. Die Worte Fellator und Fellatrix leiten sich, ebenfalls nach Nonius, von fellare, „saugen“, „nuckeln“, ab. Das ganze Bild der Fellatio entspricht also dem der säugenden Mutter und dem saugenden Kind. Daß es eben deshalb von den Römern als eine zum Teil infame Beziehung aufgefaßt wurde, besagt viel über die Angst der Römer vor der Mutterherrschaft.

Um dieser Erkenntnis aus dem Wege zu gehen, vermieden es die Römer mit großer Sorgfalt, das mutterrechtliche Vokabular zu benutzen. Statt fellare, „saugen“, „sich nähren“, sagten sie: „mit dem Mund zu Willen sein“ (ore morigerare), „sich mit dem Munde Mühe geben“ (ore adlaborare) oder „Männer um die Mitte lecken“ (lambere medios viros). Für irrumare, „säugen“, „nähren“, sagten sie: „das Oberste verlangen“ (summa petere), „das Höhere berühren“ (altiora tangere), „am Kopf mitspielen“ (illudere capitibus), „den Kopf nicht schonen“ (non parcere capiti), „auf die Köpfe losspringen“ (insultare capitibus), „den Mund verkeilen“ (os percidere), „den Mund verletzen“ (offendere buccam), „den Mund schänden“ (corrumpere buccam), „die Zunge zusammendrücken“ (comprimere linguam).

Die aktive Irrumatio, eine Art oraler Vergewaltigung, galt dagegen als ehrenhaft. Wenn Martial droht, er werde dem Gargilius seinen Schwanz in den Rachen rammen, damit dieser ihn nicht mehr verleumden könne, droht er: „Wenn, Garagil, ich dich treffe, sollst du schweigen!“ Das sind Worte, die von dem Gotte Priapus kommen könnten, wenn er den Obstdieben droht, er werde sie irrumieren. Man vergleiche Priapeia:

Bohren wird mein Glied sich mitten durch Mädchen und Knaben.
Doch von den Bärtigen will nichts als das Obere ich.
(...)
Dich werde ich päderastieren mit meinem baumlangen Glied.
Und wenn auch das nicht zieht, gehe ich höher hinauf!

Hierher gehört auch die Drohung im Amphitruo des Plautus: „Und deine verfluchte Zunge will ich heute zusammendrücken!“ Der Unehrenhafte bei einer solchen Form der oralen Notzucht ist nicht der Notzüchter, sondern sein Opfer, zum Beispiel der Postumus bei Martial:

Postumus, gestern beim Mahl erzählt’ man eine Geschichte,
Die ich bedaure, denn wer billigt Dinge wie die?
Daß dir dein Mund verkeilet worden sei.

Wenn Martial den Chrestus zwingt, den Schwanz seines jüdischen Sklaven zu lecken, ist das der Inbegriff der Entehrung für einen freien Römer:

Lecken sollst du — nicht meins, denn das ist keusch und schmächtig —,
Sondern jenes verfluchte Glied, das Tribut zu zahlen,
Kommt aus dem abgebrannten Jerusalem her.

Auch über die Frau, die dem Manne als Fellatrix dient, machten die Römer sich stets lustig, so Martial über die Glycera, die Frau des Lupercus, mit der dieser nur oral verkehrte:

Seine Glycera liebt Lupercus zärtlich
Und er einzig besitzet und beherrscht sie.
Daß er bei ihr nicht schlief den ganzen Monat,
Klagt er traurig, und sagt dem Aelianus,
Als ihn dieser befragte nach dem Grunde,
Seine Glycera leide grad an Zahnschmerz.

Wer felliert, tat es also nach Meinung des Römers nur widerwillig und unter Qualen. Man tat es nicht von selber, weil man den anderen liebte und die Sache einen Spaß machte, sondern weil man ihm „widerwillig zu Willen“ war. So Sueton über die Atalante, die den Meleager felliert. Auch von dem Kaiser Commodus, der seine Geliebten angeblich gern fellierte, sagten seine Zeitgenossen, er sei „niederträchtig, boshaft, grausam, wollüstig, sogar im Munde befleckt und geschändet“. Der Irrumator dagegen wurde nur dann als unehrenhaft betrachtet, wenn er zu alt zum normalen Verkehr, zu senil oder bereits impotent war. In diesem Fall traf der Hohn der Römer aber nicht die Tätigkeit des Irrumierens, sondern allein den Substitutcharakter der Tätigkeit. Da die Römer, wie die meisten Männerrechtler, für Schwäche kein Mitleid, sondern nur Verachtung hatten, traf die Verachtung hier das Alter, die Impotenz, die Senilität, nicht aber die Irrumatio, die nur deren Symptom war. So Martial:

Lange zwar schon, o Lupercus, verlernte dein Penis das Stehen.
Dennoch strengst du dich an, Törichter, fähig zu sein.
Züchtige Wangen durch Gold zu verführen nun hast du begonnen.
So auch gereizt, wacht nicht Venus zum Leben dir auf!

Und wieder beim gleichen Autor:

Zu alt, den Mund zu schänden, ist niemand!

Man sieht, der Schändende ist die Frau, die dem Mann zu Willen ist, nicht der Mann, der sie zu der „Schande“ zwingt. So auch bei Juvenal, der sich darüber lustig macht, daß die betrunkene Frau den Mann felliert, statt sich von ihm beschlafen zu lassen:

Kümmert die trunkene Venus sich darum?
Weiß sie doch Penis und Kopf nicht einmal auseinanderzuhalten!

Wenn eine Frau einen Mann freiwillig felliert, kann sich das der Römer nur dadurch erklären, daß sie zu alt und häßlich ist, um durch andere Mittel Männer in ihr Bett zu locken. So Horaz in der 8. und in der 12. Epode. Auch die Wandinschriften in Herculaneum, Pompeji und anderen römischen Städten sprechen von der Fellatrix stets mit Verachtung:

SABINA, DU LECKST, DU BIST EIN SCHWEIN ... MURTIS, DU ÜBLE LECKERIN ... NYMPHE, DU LECKERIN ... LECK DEN SCHWANZ DU, DU SOLLST DEN SCHWANZ ABLECKEN ...

Vor der Irrumatio wurde der Penis oft mit Honig eingerieben. Nach dem Erguß wusch sich die Frau den Mund aus. So Martials Lesbia:

Daß du den Mund befleckst und Wasser trinkest, das paßt sich,
Lesbia! Du brauchst da Wasser, wo nötig es ist.

Einen weitaus größeren Raum als die heterosexuelle Fellatio nimmt in der römischen Literatur der Oralverkehr zwischen Männern ein. Auch hier gilt die gleiche Regel wie beim Verkehr zwischen Frau und Mann: der Irrumator ist geachtet, wenn er nicht alt oder senil ist; der Fellator wird verachtet, weil er sich zu einer schmutzigen Tätigkeit hergibt. So Lampridius vom Kaiser Commodus im 10. Kapitel seiner Commodus-Biographie: „Schon als Knabe war er leckerhaft und schamlos.“ Wenn Catull seinen Nebenbuhler Lesbius besonders lächerlich machen will, schreibt er ein Gedicht über ihn, das den anderen als passiven Fellator darstellt. Ebenso Martial:

Als undeutlicher Flaum auf deinen Wangen dir sproßte,
Hast du mit ekeler Zunge Männern die Mitte geleckt!

Catull macht sich in ähnlicher Weise über Gellius lustig:

Wie es nur mag geschehn, daß dir dein rosiges Mündchen,
Gellius, immer so weiß wird wie gefrierender Schnee,
Wenn frühmorgens von Haus du fortgehst, oder die achte
Stunde aus Mittagsruh spät den Verzärtelten weckt ?
Woher es kommt? Ich weiß nicht. Wie? sagt die flüsternde Fama,
Wahrheit, daß du des Mann’s Mittelgeschäfte verschlingst?
Daher kommt’s! Laut schreien ja Virros niedergerissene
Weichen, und dir um den Mund nebelnd das molkige Naß.

Martial spottet, daß Chione sich ihrer sexuellen Enthaltsamkeit rühme und in der Tat nie Geschlechtsverkehr gehabt habe. Allerdings nur keinen mit dem Schwanz, um so mehr dagegen mit dem Mund:

Niemals, Chione, erzählt das Gerücht, bist du beschlafen worden,
Und in der Welt gäb’ es nichts Reineres als dein Geschöß.
Doch du bedeckest beim Baden nicht den Teil, welchem es not tut:
Übertrage den Schutz, wenn du dich schämst, aufs Gesicht!

Ähnlich eine anonyme Wandkritzelei aus Pompeji, die sich auf den Samen bezieht, den der Fellator geschluckt hat:

WER DEN SCHWANZ ANGESEHEN HAT, WAS GLAUBT MAN, DAS ER GEGESSEN HAT?

Auch unter Männern galt die Regel, daß der Irrumator, im Gegensatz zum Fellator, nur dann verachtet wird, wenn die Irrumatio das Produkt von Senilität oder Impotenz ist; wenn, wie Martial es ausgedrückt hat, „der Schwanz das Stehen verlernt hat“. Deshalb greift Sueton den Tiberius auch nicht wegen der Tatsache an, daß er Kinder dazu verführt habe, ihn zu fellieren, sondern weil er dies aus Senilität und Altersschwäche tat:

Noch Ärgeres und Schmählicheres ist ihm nachgesagt worden, was sich kaum erzählen oder anhören, geschweige denn glauben läßt: nämlich er habe Knaben im zartesten Alter, die er seine ‚Fischchen‘ nannte, angeleitet, ihm beim Baden an den Hüften herumzuschwimmen und zu spielen, ihn zu lecken und zu beißen: ja sogar, daß er sich von halbwüchsigen, aber noch nicht der Brust entwöhnten Kindern am Schamglied oder den Brustwarzen habe saugen lassen — lauter Arten der Wollust, zu denen ihn allerdings seine Körperbeschaffenheit und sein Alter geneigter machen wollten.

Eine der Verleumdungen, mit denen die Römer den Fellator bestraften, war das Gerücht, daß er stets aus dem Munde röche. Deshalb gaben sie vor, seinem Atem zu entfliehen, wo immer er auftauchte, seine Küsse zu befürchten, als ob es Stinkbomben seien, und nie aus dem gleichen Becher zu trinken, aus dem er getrunken habe. So zum Beispiel Martial:

Daß du keinem aus deinem Becher zutrinkst,
Tust du, Hermus, aus Rücksicht, nicht aus Hochmut.

Seneca. De beneficiis:

Obwohl dieser [Caius Cäsar] von Freunden Geldbeiträge für die Kosten der öffentlichen Spiele annahm, so wies er eine große Summe, welche Fabius Persicus schickte, zurück. Und als ihm Leute, die nicht nach den Beitragenden, nur nach den Beiträgen fragten, darüber Vorwürfe machten, daß er’s ausgeschlagen hätte, so erwiderte er: „Soll ich denn eine Wohltat annehmen von einem Menschen, von dem ich keinen Trunk annehmen würde?“

Martial:

Zoilus, was verdirbst das Bassin du durch dein Gesäß uns?
Soll’s noch besudelter sein, Zoilus, tauch mit dem Kopf!

Martial:

Als ob du zürnest dem Volk, so badest du dich, Charidemus,
Brauchest das ganze Bassin, um dir zu waschen den Schoß.
Und nicht möcht’ ich, daß so dein Haupt, Charidemus, du badest.
Aber da badst du das Haupt: bade dir lieber den Schoß!

Martial:

Du sangest schlecht, als du wardst beschlafen, Aegle,
Gut singst du jetzt, nur kann man dich nicht küssen.

Seneca fragt in De beneficiis: „Was hat kürzlich dem Fabius Persicus, dessen Kuß auch Unkeusche vermeiden, zur Priesterwürde verholfen?“ Damit weist er offenbar darauf hin, daß Fabius jemanden in höchster Position, vielleicht Cäsar selber, felliert habe, um sich dadurch die Priesterwürde zu erlecken. Martial dagegen vergleicht den Schmutz, den Manneja beim Fellieren im Munde gesammelt hat, mit Kot und meint, daß Mannejas Hündchen ihm nur deshalb das Gesicht ablecke, weil es den Kot seiner Liebhaber röche:

Lippen und Antlitz leckt, Manneja, stets dir dein Hündchen.
Wundern kann ich mich nicht, leckt doch ein Hund gern am Kot.

Der Cunnilingus, wie wir sagten, galt grundsätzlich als unehrenhaft, weil er der Frau zum Genuß verhalf. Das allein genügte bereits, um ihn in männerrechtlichen Augen zum Pantoffelhelden, zum Schlappschwanz, zum Sklaven der Frau zu machen. Man glaubte bezeichnenderweise, daß Venus den Schimpf, der ihr und ihrem Geschlecht von den Männern angetan worden war, dadurch räche, daß sie manche Männer zu Cunnilingi mache. Darauf weist der furchtlose Spötter Martial hin, wenn er dem Sertorius vorwirft, Venus habe ihn zum Cunnilingus gemacht, weil er den Eryx, den Sohn der Venus, erschlagen habe:

Daß mit der Zunge, Sertor, der Sizilier, Weiber bedienet,
Kommt wohl, Rufus, daher, daß er den Eryx erschlug.

Martial und Ausonius schildern übereinstimmend, wie aus einem Fellator (schlimm genug!) ein Cunnilingus werden kann (weil das Lecken, wenn es einmal zur Gewohnheit geworden sei, den Süchtigen immer tiefer in den Abgrund führe). Martial:

Beaticus, du Kastrat, was hast mit der Fut du zu schaffen?
Diese Zunge, sie soll lecken den Männern die Mitt’!

Ausonius:

Castor, der Männern das Ding in der Mitte zu lecken begehrte,
Aber die Leute nicht konnt’ haben zu Hause bei sich,
Fand einen Ausweg, daß nicht als Fellator er Glieder verderbe:
Bei seiner eigenen Frau fing mit dem Lecken er an.

Seinen Nebenbuhler Lesbius bezeichnete Catull hohnvoll als gewohnheitsmäßigen Scheidenlecker. Ebenso wirft Cicero dem Sextus Clodius wiederholt vor, er sei ein Cunnilingus. Daher jenes beißende Wort „naschen“ in der Rede pro domo: „Mein Sextus — erlaube mir, dich so zu nennen —, weil du ein Dialektiker bist und auch an der Philosophie gern naschst ...“ Dann kommt er mit der vollen Anklage heraus, daß Sextus von Clodia, der Geliebten Catulls, zum Cunnilingus gemacht worden sei: „Frage den Sextus Clodius, laß ihn kommen! Er hat sich zwar versteckt, wir werden ihn aber finden. Und zwar (hier spricht er Publius Clodius, den „Lesbius“ des Catull, an) bei deiner Schwester, wo er mit dem Kopf unterm Rock steckt!“

Ausonius hat in einer ganzen Reihe von Epigrammen den Schulmeister Eunus Syriscus als Cunnilingus angegriffen.
Epigramm 82 trägt die Überschrift: Auf den Lecker Eunus:

Eunus, was zieht dich wohl hin zu der Salbenverkäuferin Phyllis?
Sagt man doch, daß du sie leckst, aber nicht daß du sie fickst!

Ausonius, Epigramm 87, mit der Unterschrift: Auf denselben Schulmeister und Schlecker:

Eunus Syriscus, Schamgliederlecker,
Opischer Magister (denn das lehrt’ ihn Phyllis),
Siehet das Weibergeschöß viereckig gestaltet.
Zieht er’s auseinander, ist’s der Buchstab’ Delta,
Aber die beiden Wülste zu den Seiten der Schenkel
Und die Gaß’ in der Mitte, wo der Spalt sich öffnet,
Nennet er Psi, denn dreizackig ist’s gestaltet.
Wenn er seine Zunge hineinsteckt, ist es ein Lambda,
Und macht eine Figur, ganz wie ein Phi ist.
O, du Dummkopf, du glaubst, es stünde ein Rho dort,
Wo man doch ein langes Jota setzen müßte?
Dir elenden Schweinigel würde ein Tau gehören,
Und ein durchstrichenes Theta steh bei deinem Namen!

Da der „normale“ Römer nichts als Verachtung für den Cunnilingus fühlte, nahm er ihn auch als Mann nicht ernst und empfand es deshalb nicht als Ehebruch, wenn er seiner Frau oder Freundin orale Aufwartungen machte. Deshalb sagt Martial:

Deine Zunge nur buhlt mit meinem Mädchen,
Und du redest, als ob du sie beschliefst!

Wie den Fellator betrachtete man auch den Cunnilingus oft als senil. Und nur wenn er Frauen nicht mehr mit seinem Glied befriedigen konnte, waren die Römer bereit, ihm innerhalb bestimmter Grenzen den Cunnillinctus zu vergeben. Martial:

Lattara, weshalb leckt er den Cunnus? Damit er nicht beischlaf’!

Martial:

Impotent wurde Sotades. Jetzt tut er lecken.

Martial:

Linus, der als verbuhlt nicht wenigen Mädchen bekannt ist,
Büßte die Manneskraft ein. Zunge, nun nimm dich in acht!

Den beschnittenen Kybelepriester Baeticus fragt Martial:

Weshalb ist dir die Scham mit samischer Scherbe verschnitten,
Baeticus, wenn die Fut dir noch so angenehm ist?
Laß dir den Kopf doch kastrieren, dann bist du auch unten verschnitten,
Spottest Kybeles du doch: Bist mit dem Munde noch Mann!

Ein anderer Grund des Cunnilinctus, den die Römer würdigten, obgleich sie auch hier meist zum Spotte neigten, war Schwangerschaft. Man glaubte, daß Geschlechtsverkehr während der Schwangerschaft ungesund für Frau und Kind sei. Die übliche Hilfsmaßnahme war Analverkehr. Auch Oralverkehr wurde geduldet. Begeht aber der Schulmeister Eunus diesen Weg, macht Ausonius sich natürlich auch in dieser Situation über ihn lustig, und zwar mit einem Wortspiel, das die beiden Bedeutungen des Wortes glossa, „Zunge“ und „Glosse“, systematisch durcheinanderbringt:

Eunus, während du leckst die Scham deinem schwangeren Weibe,
Lehrst du das Kind, das noch nicht da ist, schon Glossen verstehn?

Martial meint, daß der Cunnilinctus, auch wenn er nur aus Schwangerschaftsgründen vorgenommen wird, gefährlich sei, weil er zu Erkrankungen oder gar Lähmung der Zunge führen könne (XI, 61):

Mit der Zung’ ein Ehmann, mit dem Mund ein Ehbrecher,
Befleckter als der Vorstadt-Huren Mund Nannejus,
Vor dem, wenn vom Suburer Fenster halbnackt ihn
Die Hurenwirtin sieht, sie ihr Bordell schließet,
Und den sie lieber unten küsset als oben,
Der eben noch durch jene Leibespfort’ eindrang,
Und der mit kund’gem Worte sicher aussagte,
Ob Knab’, ob Mädchen in der Mutter Bauch wäre:
— Freut, Ficker, euch, denn diese Sache geht euch an —
Kann seine fickende Zunge nicht mehr brauchen.
Denn während am geschwollnen Schoß er festhaftet
Und in des Leibes Innern Kinder schreien höret,
Lähmt ekle Krankheit seine gier’ge Buhlerzunge.
Er kann nun weder keusch noch unkeusch beiwohnen.

Der Glaube, daß nicht nur die Fellatio, sondern auch der Cunnilinctus zu Mundgeschwüren, bleicher Gesichtsfarbe und üblem Mundgeruch führe, war allgemein verbreitet. Catull, Juvenal und Martial weisen hierauf hin:

Charinus ist gesund, und siehet doch bleich aus.
Charinus trinket mäßig, und siehet doch bleich aus.
Charinus verdaut vortrefflich, und siehet doch bleich aus.
Charinus liebt die Sonne, und siehet doch bleich aus.
Charinus färbt die Haut, und siehet doch bleich aus.
Charinus leckt den Cunnus, und siehet doch bleich aus.

Martial:

Übel rieche der Mund den Knabenschändern,
Sagst du. Wenn es so ist, wie glaubst du,
Daß er den Cunnilingi riechen müsse?

Ausonius vergleicht auch im Epigramm 125, das auf Eunus, den Lecker, gemünzt ist, den Geruch der Scheidenabsonderung mit der Salgama, der Salzlake, die während des Winters zur Aufbewahrung von Früchten, Wurzeln und Kräutern dient. Martial erklärt, die Cunnilingi hätten, so wie die Fellatores, nach Bock gerochen:

Dich erdrücket mit Küssen jeder Nachbar,
Dich der haarige Pächter, bockig duftend,
Ein Fellator dich auch und Cunnillingus.

Auf den angeblichen Bocksgeruch des Cunnilingus bezog sich auch jene Theaterszene, die in Rom zu Gelächter und Beifall führte, nachdem ein Mädchen, dessen Fut der Kaiser Tiberius lecken wollte, ihn „alter, stinkender Bock“ genannt hatte. Als nun wenige Tage später im Theater die Worte gesprochen wurden: „Der alte Bock beleckt den Ziegen die Natur“, brach das Publikum in spontanen Beifall aus (Sueton, Tiberius).

Angeblich versuchten die Cunnilingi ihren Mundgeruch mit Parfüm zu beseitigen. Darauf spielt das bereits zitierte Epigramm des Ausonius an, das den Besuch des Eunus bei der Parfümhändlerin Phyllis beschreibt: Martial zum gleichen Thema:

Weil von Kassia und von Zimt du immer
Und vom Neste des Vogels Phönix triefest
Und nach Niceros Bleigefäßen duftest,
Lachst du mich, Coracinus, aus, der nicht riecht.
Lieber will ich nach nichts, als lieblich riechen!

Genau wie beim Oralverkehr, galt auch beim Analverkehr der Grundsatz, daß aktiv = männlich = ehrenhaft sei, während passiv = weibisch = ehrlos sein müsse. Während der patriarchalische Römer also nichts Schandhaftes in der Einführung des Glieds in den After eines Mannes, eines Knaben oder einer Frau sah, betrachtete er das Einführenlassen als ausgesprochene Schande. Dies ging so weit, daß man anale Vergewaltigung nicht nur juristisch straffrei ließ, sondern diese Prozedur sogar als offizielle Strafmaßnahme für gewisse Vergehen, zum Beispiel für Ehebruch, benutzte, während der Wunsch, anal koitiert zu werden, zwar nicht bestraft, aber mit beißendem Hohn bedacht wurde, einerlei ob er von einer Frau oder einem Manne geäußert worden war. Deshalb auch das höhnische Epigramm des Martial über Charisianus:

Lupus, Charisianus sagt, er müsse
Schon seit langem der Knaben sich enthalten.
Als den Grund ein Freund ihm entlocken wollte,
Gab er ihm zu Bescheid, er habe Durchfall.

Mit tiefer Verachtung spricht Juvenal den Pathicus Sextus an:

Und nachdem du die Tugend gepredigt,
Hebst du den Steiß an. Ich soll dich
Achten, arschwackelnder Sextus?

Und völlig ohne Verachtung, im Gegenteil von einem gewissen Stolz erfüllt, ist Catull, wenn er droht: „Hinten werd ich und oben euch verlöten!“ Denn dies, die aktive Pedikatio, galt als männlich, ja sogar als göttlich, denn es war die Drohung, die Priapus ausstieß, als er die Obstdiebe verscheuchen wollte. Als göttlich galt auch den Römern der Ursprung der Pedikatio, denn man führte sie auf den Gott Liber zurück. Arnobius erzählt:

Man sagt, daß der Gott Liber, als er noch unter den Menschen weilte, mehr von der Unterwelt wissen wollte, als man ihm im Himmel erzählt hatte. Sein Wunsch war vor allem zu wissen, was unterhalb des Tartarus sich begebe. Die Erfüllung des Wunsches sei ihm aber durch Unkenntnis des Weges unmöglich gewesen. Prosumnus, der Freund des Gottes, kannte jedoch den Weg und versprach dem Gott, ihm die Pforte des Dis und den Zugang zum Acheron zu zeigen, wenn der Gott seinen Willen tun und sich ihm als Frau hingeben wolle. Der Gott schwor, er werde sich unterwerfen, aber erst nach der Rückkehr aus der Unterwelt, wenn Wunsch und Unternehmung erfüllt seien. Prosumnus zeigte ihm daraufhin den Weg und brachte ihn auf die Schwelle der Unterwelt. Während Liber nun den Styx, den Cerberus, die Furien und alle sonstigen Anwohner der Unterwelt beschaute, starb Prosumnus. Liber, der Unterwelt entstiegen, erinnerte sich jedoch des verstorbenen Freundes. Um den Vertrag zu erfüllen und seinen Schwur zu lösen, schnitt er von einem Feigenbaum den dicksten Ast ab, formte ihn zu einem männlichen Glied, befestigte es auf dem Grabhügel des Freundes, nahte sich ihm mit entblößtem Gesäß, schob sich darüber und saß fest. Dann die Geilheit eines Brünstigen vortäuschend, drehte er die Hinterbacken hin und her, dem Freunde darstellend, daß er als Frau vom Holze erlitte, was er dem Freunde als Frau zu leisten versprochen hatte.

Man sieht: Hier wird auf geschickte Weise durch eine der Tugenden, die das Männerrecht am höchsten verehrte, Freundestreue, auch die negative, die duldende, die „weibische“ Seite der Pedikatio von jedem Makel befreit. Und so geschah es denn auch, daß zumindest innerhalb der Reihen der Analerotiker das cevere, die Fähigkeit, mit dem Hintern zu wackeln, als wertvollstes Talent des Pathicus geschätzt wurde. Auch Romulus, dem Gründer Roms, schreibt Persius diese Fähigkeit zu: „Wedelst, Romulus, du mit dem Arsche?“

Aber selbst bei den Pedikatoren brach die Verachtung für den passiven Analerotiker immer wieder durch, so auch bei Martial:

Wenn du mal fickst, Polycharmus, so pflegst du am Ende zu scheißen.
Wenn man dich arschfickt, Polycharm, was tust du denn dann?

Was man dem Pathicus immer wieder vorwarf, war, daß er sich freiwillig Schmerzen zufügen ließ und obendrein auch noch daran Gefallen fand. Man gab vor, daß jede Form des Analverkehrs unweigerlich zu Hautrissen, Geschwüren am After, Feigwarzen, Verstopfung, Durchfall, fahler Hautfarbe, üblem Mundgeruch und ähnlichem führe. Wenn einer all dies erduldete und trotzdem noch mehr davon haben wollte, so galt er als verabscheuungswürdig. Das empfand sogar Martial, selber ein aktiver Pedikator:

Vom Gesäß, zerrissen bis zum Nabel,
Hat Charinus auch nicht ein Überbleibsel.
Und stets ist er doch brünstig bis zum Nabel.
O wie arge Begierde plagt den Armen:
Er ist ohne Gesäß und doch Kinäde!

Man versteht nun, wieso dem Knaben des Naevolus bei Martial immer der Hintern schmerzt und auf welchem Wortspiel sein kompliziertes Epigramm beruht:

Du, der du kennst den Wert und die Wucht der verschiedenen Sekten,
Pannychus, teile mir mit, was für ein Dogma du lehrst.

Der Doppelsinn beruht darauf, daß das Wort pondera, hier mit „Wucht“ übersetzt, gleichzeitig auch die männlichen Genitalien beschreibt, und daß das Wort secta, hier mit „Sekten“ übersetzt, auch „Spaltung“ oder „Riß“ bedeutet, so daß man die gleichen Verse auch so übersetzen kann:

Du, der du den Effekt der vom Schwanz erzeugten Arschrisse kennst,
Pannychus, erzähle mir, welcher Geheimlehre du anhängst!

Man wußte nämlich, daß Pannychus sich als Nachfolger und Erbe der Geheimlehre des Pythagoras fühlte. Als Geheimlehre galt aber auch die Bruderschaft der Pedikatoren und Pathici. Juvenal schildert uns einen Arzt, der verständnisvoll lächelnd einem Patienten die Feigwarzen am After wegschneidet. Celsus beschreibt verschiedene durch Analverkehr erzeugte Leiden. Varro erwähnt die rubigo als ein durch Analverkehr erzeugtes Geschwür. Ausonius meint, man habe die durch Analverkehr erzeugten Hautrisse mit Bimsstein behandelt.

Um diese Gefahren zu vermeiden oder sie zumindest zu vermindern, enthaarten sich die Pathici den After. Man nannte sie deshalb auch depilati („Enthaarte“), leves („Geglättete“) oder resinati („mit Harz bestrichene“), dies weil man Harz zum Entfernen der Haare benutzte. Die Prozedur war nicht ungefährlich, denn das Harz mußte in heißem Öl aufgelöst werden, und dabei kam es oft zu Verbrennungen. So nannte man die Pathici auch „Verbrannte“. Unter den Gegenständen des Kaisers Commodus, die auf Pertinax’ Befehl öffentlich versteigert wurden, befanden sich samnitische Gefäße zum Erwärmen von Harz, Pech und Öl. Diese Harz- oder Pechpflaster nannte man dropax oder psilothron. „Alles Harz löst sich in Öl auf. Ich schäme mich, bekennen zu müssen, daß jetzt sein größter Wert darin besteht, Männer zu enthaaren“ (Plinius). Man bediente sich zum gleichen Zwecke auch der volsella, einer Pinzette, oder so abenteuerlicher Mittel wie heißer Nüsse, Thunfischblut, Frösche, gerösteter Blutegel, Bibergeil und Honig (Plinius).

Es gab deshalb in Rom Spezialisten (ustriculi, „Absenger“) und Spezialistinnen, ustriculae, „Absengerinnen“, die diese Dienste für wohlhabende Männer verrichteten. Tertullian benutzt die Formulierung: „sich sogar der ustriculae bedienend“, wobei Salmasius den Witz macht: „Einst waren die ustriculae dazu da, dich der Haare zu berauben; heute berauben sie dich des Verstandes.“

Die Zahl der Stellen in der römischen Literatur, die sich mit der analen Kosmetik befassen, ist so groß, daß man sich nicht des Verdachtes erwehren kann, die Analerotik in Rom müsse weitaus größere Verbreitung gehabt haben als die Pedikatio. Denn man verband mit der Analregion nicht nur den Begriff der Unreinlichkeit und des üblen Geruchs, sondern gleichzeitig auch die Anziehungskraft eben dieser Gerüche, so daß viele, die nie im Leben aktiven oder auch passiven Analverkehr gehabt hatten und sich ihrer Neigungen also nie bewußt geworden waren, doch Analkosmetik betrieben.

Plautus meinte, wer sich nicht die Afterhaare entfernen ließe, verlöre seine Stimme oder zöge sich einen Kastratensopran zu:

Ich Unglücksmensch! Ich habe mir die Afterhaare nicht gerupft!
Nun trag ich eine Stimme, welche Flügel hat.

Persius spricht von den „welken Lefzen“, die der Haarentferner vor dem Volk ausbreitet. Er meint dabei die enthaarten Hinterbacken, durch die der ausgeweitete After des Pathicus sichtbar wird. Das Enthaaren des Afters hatte aber auch etwas mit der Anziehungskraft des noch nicht behaarten Knabenkörpers zu tun, der den Päderasten immer als Ideal vorschwebte. Deshalb enthaarten sie sich und ihren Lieblingen nicht nur den After, sondern auch die Genitalien und oft den ganzen Rest des Körpers. So bei Martial: „Täglich glättest du den ganzen Körper dir mit Dropax.“ Persius fragt, wieso jemand sich sowohl das Gemächt wie die Hinterbacken enthaare: Wolle er damit Frauen oder Männer anziehen?

Kämmest und salbest ja immer die Borsten am Backen, warum denn
Muß vom Gemächte geschoren dir ragen gerade der Mehlwurm?
Wenn auch fünf Badknechte an diesem Gestrüppe sich mühten,
Und den gesottenen Hintern mit Zangen verzerrten und zwackten,
Doch wird kein Pflug hinreichen, das Farnkraut völlig zu tilgen.

Diese Stelle des Persius hat wohl auch dem Ausonius bei seinem 31. Epigramm vorgeschwebt, in dem er die gleiche Frage stellt, ob der Enthaarte mit seinem nackten Glied Frauen oder mit seinem nackten Hintern Männer anlocken wolle:

Daß du mit siedendem Dropax die Weichen dir glättest, hat Ursach,
Weil ein geglättetes Glied Huren zu reizen vermag.
Nicht aber kann ich’s begreifen, weshalb du dein Hammerwerk Pforzheim
Reibest mit Bimsstein, warum deinen Popo du rasierst.
Oder es müßte denn sein, daß zweierlei Lüste dich jucken,
Daß du am Hintern als Weib fühlst und im Schwanze als Mann.

Martial:

Obgleich du, Chrestus, deinen Sack enthaart trägst
Und nacktem Geierhalse deine Scham gleichet
Und glatter als Kinädenhintre dein Haupt glänzet
Und nicht ein Haar auf deinen Schenkeln aufsprosset
Und oft mit Zangen von den Lippen rupfst die Haare:
Sind Numa, Curius, Quintius, Camill, Ancus,
Dir stets im Mund; und wen man sonst behaart nannte,
Drohend klangen dann deine Worte und hochtrabend,
Mit Theatern schimpftest du dann und dem Zeitalter.
Begegnet währenddessen dir ein Mannschänder,
So — winkst du ihn herbei.

Derselbe:

Nichts ist schäbiger als Hedyls Mantel.
Eins ist aber — er wird’s gestehn — sein Hintrer,
Der noch mehr als sein Mantel abgeschabt ist.

Damit meint Martial nicht nur, daß Hedyls Hintern, genau wie sein Mantel, durch häufigen Gebrauch schäbig geworden sei, sondern auch daß beide ihre Haare, also ihren Flor, eingebüßt hätten. Hierher gehört auch der Hintern des Hylius, der noch mehr abgerieben ist als der letzte Denar, den er besitzt; dahin der gerupfte Leib des Kaisers Otho (Suetonius), auch jene Anspielung auf den jüngeren Vibennius in dem Gedichte des Catullus: „Die haarigen Hinterbacken kannst du nicht für ein As verkaufen.“ Deshalb bittet Galba den Icelus, daß er sich zuvor rupfen lasse, ehe er seine Verführungskünste ausübe (Suetonius).

Den Podex glätteten sich auch solche Männer, die sich im übrigen bemühten, mit struppigem Haupthaar und nie geschorenem Barte die gravitätische Würde der alten Philosophen zu markieren, so bei Martial:

Zenos Namen und den Demokrits und des dunkelen Plato
Und, wer im Bilde noch sonst starret von zottigem Haar,
Nennst du, als wärest du selbst des Pythagoras Schüler und Erbe,
Und dem des Samiers gleich wallet dein Bart dir herab.
Doch, was dem Lockigen fremd und schmachvoll ist den Behaarten,
Hast du den steifen Schwanz gerne im glatten Gesäß.

Juvenal:

Äußerem traue man nicht; denn wo nicht füllten die Gassen
Sünder mit ernstem Gesicht? Du rügest das Laster und bist doch
Selbst der bekannteste Pfuhl in der Zahl der sokratischen Buhlen.
Freilich die Glieder so rauh und die stachelnden Borsten am Arme
Lassen ein trotzig Gemüt uns ahnen; doch hinten am glatten
Schneidet der lachende Arzt frisch weg die geschwollenen Warzen.

Wer sich den Körper, insbesondere die Schenkel, die Scham und das Gesäß enthaaren ließ, galt als Lüstling, als einer, der sich geschlechtlich wie eine Frau gebrauchen ließ. So auch Augustus, der sich, um weicheres Haar zu bekommen, die Haare an den Schenkeln mit heißen Nußschalen absengen ließ. Solche Galanterien verachtete auch Julius Cäsar nicht. Suetonius: „In bezug auf die Körperpflege war er besonders eigen; er ließ sich nicht nur (mit der Schere) die Haare vom Körper scheren und (mit dem Rasiermesser) fleißig rasieren, sondern sogar ausrupfen, was einige mißbilligten.“

Daß der Analverkehr mit der Frau, zumindest im Patriarchat, stets nur Ersatz für den mit dem Manne ist, läßt sich bei den römischen Autoren besonders eindeutig belegen. Hat der Mann in den „normalen“ Positionen die Grenzen seiner Potenz erreicht, geht es immer noch einmal weiter, wenn sie sich ihm „als Knabe“ darbietet.

Apuleius:

Während unseres Geschäkers waren unsere Lüste und Begierden wach geworden und hatten unsere Sinne erregt. Wir entledigten uns jeglicher Hülle und überließen uns völlig entblößt dem Taumel der Wollust. Schon ermattete ich, als Fotis aus eigener Freigebigkeit mir ihr Knabenkränzlein darbot.

Im Zauberesel des Lukianos aus Samosata sagt Lukios zur jungen Magd Palaistra, die in einem Topfe rührt:

Wie gleichmäßig du doch, reizende Palaistra, den Hintern zugleich mit dem Topfe hin und her wendest und herauskehrst. Wie wollüstig dabei die Backen erzittern, glücklich, wer dort hineinkommt!

Als Olympio seiner vermeintlichen Geliebten von vorne beizukommen sucht, findet er den Zugang versperrt. So erbittet er einen anderen Einlaß.

Es ist bezeichnend für die unbewußten Schuldgefühle Martials seiner Frau gegenüber, daß er nie mit ihr anal koitieren kann, ohne das Gefühl zu haben, sie mit einem Knaben zu hintergehen. Verweigert sie ihm den Analverkehr, so beschwert er sich:

Du verweigerst mir das, was Cornelia dem Gracchus gewährte,
Julia ihrem Pompej’, Brutus, dir, Portia bot.
Ehe den süßen Pokal gemischt der dardanische Mundschenk,
Diente anstatt Ganymeds Juno dem Jupiter oft.

Gewährt sie ihm den Wunsch, klappt die Sache auch nicht:

Grimmig lärmst du und schiltst, da du mich beim Knaben betroffen,
Gattin, und sagst, du bötest das nämliche dar.
Wie oft sagte das auch dem verbuhlten Donnerer Juno!
Dennoch teilete der mit Ganymedes das Bett.
Auch der Tirynthier hat den Hylas niedergebeuget:
Glaubst du, daß keinen Popo Megera habe gehabt?
Daphnes Flucht hat Phoebus geschmerzt: der öbalische Knabe
Hat seine Flammen jedoch wieder zu löschen gewußt.
Wenn die Briseis auch oft im Bette ihm wandte den Rücken,
Zog ihr den zarten Freund Aecus’ Enkel doch vor.
Spar’s drum, Dinge von dir mit männlichem Namen zu nennen,
Gattin, und glaube, daß zwei weibliche Glieder du hast.

Martial erfindet dann komplizierte Gründe, weshalb seine Frau ihm doch lieber nicht den Analverkehr erlauben solle. Das Ganze sagt viel über Martials eigentümliche Form der Bisexualität, noch mehr jedoch über deren gesellschaftliche Ursachen:

Da dir das Leben des Manns und seine Treue bekannt ist,
Und dein ehelich Bett keiner berühret und kränkt,
Weshalb quälen dich, gleich Konkubinen, du Törin, die Diener,
Deren Genuß nur kurz und ein flüchtiger ist?
Daß dir, mehr als dem Herren, ein Knabe leistet, beweis’ ich:
Er macht’s, daß du dem Manne bist das alleinige Weib.
Er gibt, was du als Frau nicht geben willst. „Doch, ich geb’ es“,
Sagst du, „daß nicht des Gemahls Liebe verirre vom. Bett.“
Anderes ist das: ich will die Chier, nicht die Mariske.
Beide verwechsele nicht, sieh als Mariske dich an.
Eine Gemahlin und Frau muß auch ihre Grenzen erkennen:
Lasse den Knaben ihr Teil, mache von deinem Gebrauch.

Die Wände Herculaneums und Pompejis sind voll von Wandkritzeleien, die auf den Analverkehr mit Frauen hinweisen:

DOS MACHT’S MIT DEM HINTERN ... TÄUBCHEN CLYMENE, KACK, DAMIT WIR GUT SCHLAFEN KÖNNEN UND ICH ES DEN WEISSEN BACKEN, DEINEN GRÜBCHEN, BESORGEN KANN ... KACKERIN, NIMM DICH IN ACHT VOR DER STANGE ...

Andere zeigen das Wechselspiel zweier Gedanken. In einer Handschrift steht da:

ICH WILL ARSCHFICKEN

Darunter in anderer Schrift:

WER’S EINER LÄUFIGEN VON HINTEN MACHT, VERBRENNT SICH DEN SCHWANZ

Eine dritte Hand schreibt:

WER DAS GESCHRIEBEN HAT, IST SELBER LÄUFIG

Eine vierte fügt hinzu:

WER DAS GELESEN HAT, DEM GESCHIEHT’S BALD VON HINTEN

Die Römer machten viel Wirbel (und sich selber etwas vor), wenn sie immer wieder betonten, sie verkehrten mit der Frau nur deshalb anal, weil sie deren Jungfernschaft schonen wollten (das wurde meist von der Hochzeitsnacht gesagt), weil es weniger gefährlich sei, bei Schwangerschaft anal zu verkehren, oder (was noch am überzeugendsten klingt) um Befruchtung zu vermeiden. Bei all diesen rationalen Motiven war die Irratio der Analerotik das mitschwingende Motiv.

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