FORVM, No. 293/294
Mai
1978

Unter uns war Krieg!

Eine jugoslawische Arbeiterin in Berlin

In der Bundesrepublik und in West-Berlin leben zwei Millionen ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter. Vera Kamenko ist eine von ihnen. Sie ist eine von den wenigen, die aufschrieb, was sie hier erlebt hat. Sie ist 1969 als Arbeiterin angeworben und nach Berlin transportiert worden. Sie hat hier drei Jahre in Fabriken gearbeitet. Sie saß hier dreieinhalb Jahre im Gefängnis. Dort hat sie ihr Leben aufgeschrieben. Bevor sie schreibt, überlegt sie zwei Monate hindurch, wie sie anfängt. Sie schreibt nachts, sie hat eine Kerze, sie schreibt mit der Hand, sie schreibt ohne Absatz und Rand die Seiten von oben bis unten voll. In Jugoslawien hat sie einen Schreibmaschinenkurs gemacht. Die Schreibmaschine, die sie sich gekauft und mit nach Berlin genommen hat, die läßt sie sich ins Gefängnis bringen. Sie schreibt die handgeschriebenen Seiten mit der Maschine ab. Die fertigen Teile schickt sie nach draußen. Sie schreibt ein Jahr an dem Manuskript. Sie schreibt ihre Autobiographie und ein Gefängnistagebuch. Beides schreibt sie gleichzeitig im Gefängnis. Sie schreibt täglich an der Autobiographie. Sie macht täglich Tagebuchaufzeichnungen. An der Autobiographie habe ich mitgearbeitet, weil Vera gebrochen deutsch schrieb — wie sie sprechen gelernt hat in der Zeit, in der sie hier war. Am Gefängnistagebuch habe ich nicht mitgearbeitet, kein Wort geändert. Es sind kurze Aufzeichnungen vom Tag und verständlich.

Vera, die in Jugoslawien keine Arbeit findet, läßt sich als Arbeiterin für die Bundesrepublik anwerben. Sie ist 22 Jahre alt. Sie hat in Jugoslawien eine Ehe hinter sich und aus dieser einen Sohn, Milorad, vier Jahre. Im Arbeitsvertrag für Deutschland wird sie ohne Kind eingekauft. Milorad bleibt bei seiner Großmutter in Jugoslawien.

Dienstag, 18. Dezember 1973. Sie haben mich in eine Zelle gebracht und zugeschlossen. Da war Bettzeug schon drin. Ich habe Bett gemacht, mich mit kaltem Wasser gewaschen und bin rein ins Bett gegangen. Ich war so müde, daß trotz den Sorgen, was ich hatte, eingeschlafen bin. Ich konnte nicht richtig denken, ich hatte nur eine Gedanken und das zu schlafen. Diese ersten Tage sind unklar geblieben, ich wußte nicht, wann Tag ist und wann Nacht ist. Ich habe mich für nichts interessiert, nur geschlafen habe. Eine alte Beamtin, weil ich in Bett war, hat an mich geschrien, so daß ich aufstehen müßte und habe mich auf Stuhl gesetzt und mit Händen auf den Tisch so weiter geschlafen. Zeit wüßte ich nie, und in Zelle war immer dunkel. Eines Morgens habe verlangt heiße Wasser meine Sachen zu waschen. Bestimmt war Montag, und nachdem ich gewaschen habe und im Bad Wäsche gehängt habe, kommt Beamtin und sagt, daß ich mit ihr kommen muß. Ich war in Nachthemd, weil ich anderes nach dem waschen nicht hatte. Sie hatte einen Bademantel gebracht, so daß ich müßte mit ihr gehen. Wo ich gehen mußte, daß war Kammer. Da haben mir Kleider gegeben zum anziehen und verschiedene Sachen, was ein Mensch nur braucht.

Tageslauf im Knast war so: Um sechs Uhr wecken, dann aufstehen, sich waschen, Zähne putzen, anziehen, Bett machen und dann warten Frühstück. Frühstück war um sieben Uhr und das Margarine, Brot und Knastkaffee ohne Zucker. Das war Kaffee, solche draußen werden wir niemals trinken, so schmeckt scheußlich. Ich hatte immer Durst, so daß ich müßte nehmen. Da habe ich gelernt, Kaffee ohne Zucker zu nehmen. Dann war um verschiedene Zeit vormittags halbe Stunde Freistunde. Da konnte ich mit anderen Frauen zusammen spazieren gehen und sprechen. Dann um zwölf Uhr war Mittag. Dann abends um sechzehn Uhr Abendbrot. Um achtzehn Uhr werden wir wieder aufgeschlossen, Eimer Wasser, welche heiß war, gekriegt und dann wieder zugeschlossen bis morgen früh. Und so war es jeden Tag. Nachher habe ich Arbeit in Kochküche bekommen, da war ich bestimmt zwei Monate. Diese Zeit in Küche ist schnell vergangen, weil war viel zu tun und ich am Abend war total müde. Arbeitszeit war von sechs Uhr früh bis siebzehn Uhr abends. Da habe ich Kartoffelschälen gemacht, Abwasch, Gemüseputzen, Essen tragen bis Fahrstuhl und so weiter. Dann bin ich ins Gemeinschaftszelle gekommen.

Da war ich gemeinsam mit eine deutsche Frau und eine Türkin. Wir haben uns ganz gut verstanden. Ich habe wieder Zellenarbeit gekriegt. Diese Arbeit, welche hatte in Gemeinschaftszelle gemacht, hieß „Axen“-Arbeit. Das haben uns aus dem Fabrik geholt und unsere Frauen haben das montiert. Diese Arbeit ist sehr klein, besteht sich aus dem drei Teilen. Diese Arbeit war sehr langweilig, und Stückzahl damals war sehr groß. Geld, welche wir gekriegt hatten für diesen Arbeit, war zu wenig. Am Tag müßten wir machen bis dreitausend Stück. Manchmal habe ganzen Tag verbracht und diese Arbeit zu machen. Am Morgen früh zu aufstehen um sieben Uhr und schnell frühstücken und dann arbeiten bis Mittag, so habe auch Mittag gegessen und dann wieder machen bis Abendbrot, dann schnell Abendbrot nehmen und wieder arbeiten, manchmal bis elf Uhr nachts gearbeitet, und das bei dem Kerzenlicht, weil elektrischen Licht haben bis zehn Uhr gelassen. Diesen Arbeit haben uns in eine Holzkiste gebracht und das jeden zweiten Tag zwei Kisten. In eine Kiste waren 5.000 Stück zu machen. Das war eine Sauarbeit. Von vielen Sitzen hatte ich Rückenschmerzen. Unser Tisch war immer mit diesem Arbeit besetzt. Diese Arbeit ist leicht zu machen, aber brauchen wir Schnelligkeit dafür. Diese Arbeit besteht sich aus dem drei Teilen. Und das war eine Spirale, dann ein Teil aus dem Plastik und eine, der dritte Teil, von dem Metall. Und das macht sich so. Spirale auf dem Plastikteil machen und dann ins Metallteil drücken das manchmal schwer ging.

Die Fabrik, wo ich gearbeitet habe, heißt Askania-Werke, und da habe ich einen Vertrag als Montiererin gehabt und das für ein Jahr. Die Flugzeugkosten mußten wir zahlen, aber langsam. Ich habe nicht gearbeitet als Montiererin, sondern an der Drehmaschine. In meiner Abteilung waren fast alles Männer. Ich war immer lustig, so bin ich immer, und habe immer Spaß gemacht, aber die Männer haben gedacht, daß ich mit jedem ins Bett gehe. So habe ich in der Fabrik einen schlechten Ruf gehabt. Ich war mit jedem freundlich, aber habe nicht mit jedem geschlafen. Ich habe Männer gehabt, aber ich bin mit dem gegangen, der mir gefällt.

Ich habe vergessen aufzuschreiben, daß ich nicht Montiererin geworden bin, weil sie für mich keinen Platz mehr hatten, ich mußte wählen, an der Maschine zu arbeiten, oder mit dem nächsten Transport nach Jugoslawien zu gehen. Ich wollte nicht zurück und habe die Maschine gewählt. An der Maschine war es sehr schwer für mich zu arbeiten, ich habe Schrauben gemacht, und ich war immer schmutzig vom Öl und Wasser. Ich komme ins Zimmer und habe immer gestunken. Ich bin gleich duschen gegangen, um diesen Schmutz abzumachen, aber das hat nicht viel geholfen. Der Geruch hat mich immer begleitet.

An der Maschine war der Stundenlohn drei Mark. Wir haben am wenigsten gehabt. Ich weiß, daß ich am Ende des Monats immer 300 Mark gekriegt habe. Ich habe an meine Mutter fürs Kind 50 Mark geschickt. Das war in dieser Zeit genug für sie. Sonnabend und Sonntag bin ich durch die Straßen gegangen und habe in Ladenfenster geguckt und geplant, was ich für mich, mein Kind und meine Mutter kaufen werde. Wenn ich Lohn bekam, dann bin ich gleich einkaufen gegangen. Ich brauchte viel für mich, weil ich nicht viel von zu Hause mitgebracht hatte. Manchmal habe ich den halben Monat Geld gehabt und dann in der Fabrik Vorschuß geholt, das ich bis Ende des Monats was zum essen habe. Ich habe nicht gewußt, wie ich mit Geld umgehen soll. Alles war teuer. Kantine war nicht teuer, aber war nicht gut. Wenn ich gegessen habe, mußte ich das immer ausbrechen. Bei uns kochen wir ganz anders.

An einem Abend bin ich an der U-Bahnstation Flughafen vorbeigegangen, da habe ich Musik gehört, und ich war neugierig, alles zu wissen und zu sehen, und ich bin reingegangen. Das war ein Nachtlokal mit moderner Musik. Ich bin da geblieben und habe bißchen getanzt, es war schon spät, und wie immer konnte ich nicht mehr zurück ins Wohnheim gehn, weil ich keinen Schlüssel hatte für die Haustür. Ich wußte nicht, wohin ich gehen soll, ich konnte nicht die ganze Nacht auf der Straße sein und bin in ein Lokal nicht weit von hier gegangen. Das war ein türkisches Lokal. Ich habe einen Platz genommen und Cola bestellt. Ein Mann ist zu mir an den Tisch gekommen und hat gesagt, das er mir gerne helfen will und das wir gute Freunde sein können. Da war ich die ganze Nacht und nachher, also morgens früh, bin ich mit zu ihm gegangen. Er lebte in einem Wohnheim und wir mußten leise und heimlich gehen. Sein Zimmer war groß, und er war noch mit zwei Freunden zusammen. Als ich das gesehen habe, das mehrere drin sind, wollte ich erst nicht ins Zimmer gehen. Auf seine Worte bin ich dann ins Zimmer gegangen. Da hat er Kaffee gemacht und was zu essen, und dann sind wir alle ins Bett gegangen und haben geschlafen. Diese Nacht habe ich allein geschlafen. Wir waren sehr müde.

Nachher sind wir aufgestanden, haben geduscht und sind essen gegangen. Abends sind wir wieder ins türkische Lokal gegangen. Da haben wir Tee getrunken, Musik gehört, und er hat mir hier Arbeit verschafft. Ich habe in der Küche gearbeitet, einfach zu sagen, ich war Mädchen für alles. Dafür habe ich Geld bekommen, aber nicht viel. War gut, aber für mich anstrengend. Nach meiner Arbeit in der Fabrik mußte ich herfahren und hier arbeiten. Bis zehn Uhr abends, und dann hatte ich meine freie Zeit. Dieser Mann war Elektriker und hat in Lokalen Licht gelegt, er hat mich überall rumgeführt. Das waren alles türkische Nachtlokale. Ich war in die Musik verknallt. Ich liebte türkische Musik sehr, noch heute liebe ich diese Musik. Mit diesem Mann habe ich nach kurzer Zeit ein Ende gemacht. Besser ausgedrückt, er hat mich verlassen.

Mittwoch, 26. Dezember 1973. Heute ist Mittwoch, zweite Tag Weihnachten. Ich bin hier im Frauengefängnis schon dreizehn Monate. Diese Zeit ist schnell vorbei. Noch fünf Tagen und Beginn Neujahr. Was werde mir neue Jahr bringen. Ich bin schon verurteilt, fünf Jahre und sechs Monate, habe das nicht angenommen. Ich möchte Revision gehen, aber ich weiß nicht, werde angenommen oder nicht. Ich bin Ausländerin, das ist ein Unterschied, für ihnen bin ich gefährlich, aber das stimmt nicht. Heute Nacht habe geweint. Ich weine fast immer im Nacht. Ich schäme mich und kann es nicht leiden, daß andere mich sieht. Jetzt eine Woche ich arbeite wie Kesselträgerin. Das macht mir Spaß. Brauche nicht in Zelle zu sitzen.

Heute bin aufgestanden um sieben Uhr, dann habe mich zurechtgemacht und gewartet, bis halb acht mich Beamtin abzuholen, Frühstück austeilen. Ich und Doris haben wie immer bei dem Fahrstuhl, wo Essen kommt, bißchen Spaß gemacht. Alle lachen, weil ich komische Sachen spreche, aber ich bin einfach so, ich brauche Spaß, weil sonst viel denken für mich nicht gut, ich habe Angst immer, hier verrückt zu werden. Heute ist Leben von heute bis morgen und an nichts zu denken. Wir haben Essen bis zum Wagen getragen und begonnen haben wir von Zelle bis Zelle Essen auszuteilen. Das macht Spaß, andere bißchen zu sehen und manchmal Worte zu wechseln. Gesichter morgens früh sind sehr komisch. Noch verschlafene Frauen kommen raus wie Menschen von ihrem Loch, so aussehen sie. Meine Arbeit ist dabei, Wasser und Kaffee zu geben. Nach dem Austeilen unsere Arbeit ist alles wieder zur Küche zu schicken. Ich habe bißchen Privilegien hier, ich bekomme immer Wasser in jede Zeit, wann ich will. Frei zu fühlen, ist sehr schön. Um neun Uhr haben wir Müll ausgenommen. Ich habe tragen geholfen, dann habe ich in Zelle zurück und Beamtin schließt mich und habe ein Buch von Pearl Buck gelesen. Heißt Ostwind-Westwind. Ich müßte noch was schreiben, aber ich habe keine Lust gehabt und habe gelesen. Ich schreibe von meinem ganzen Leben bis jetzt.

Um zwölf Uhr Mittag war schon da, heute war gut, Hühnerkeule, schmeckt. Wir haben das schnell gemacht, ausgeteilt. Heute habe Kopfschmerzen gehabt. Habe geschluckt Tabletten, aber hat nicht geholfen. Abendbrot war schon um halb zwei da, das haben wir auch schnell geschafft. Ich habe Wasser gekriegt und habe Kaffee gemacht. Nach dem Abendbrot habe ich im Bett hingelegt und versucht zu schlafen, aber ich konnte nicht. Dann haben Eva und Irene mich angerufen und bin an Fenster gegangen. Eva hat mir Tee geschickt. Das ist lieb von ihr. Hier sind alle gut zu mir. Warum draußen könnte nicht so sein? Um sechs Uhr habe Eimer Wasser bekommen und Wasser für Tee. Das war Einschluß. Jetzt könnte ich machen, was ich will. Dann habe ich Zigaretten gemacht und natürlich Tee getrunken, Kuchen gegessen und jetzt momentan das ich alles schreibe. Radio ist auch an, alte Lieder sind da, mir gefällt das, die deutsche Musik. Alt oder modern, alles ist für mich gut. Ich liebe Musik.

Nach ihm habe ich Hasan kennengelernt, und das war so. Ich hatte Gastritis und war krankgeschrieben. Wegen meiner Krankheit mußte ich die Fabrik verlassen. Ich mußte aus dem Wohnheim raus, und ich wußte nicht wohin, und ein Zimmer zu mieten dafür habe ich kein Geld gehabt. Das war im April 1970. Mein Jahresvertrag war zu Ende. Ich mußte noch 14 Tage arbeiten. Auf mein Geld mußte ich warten bis Mai. Ich bin nicht mehr in die Kantine essen gegangen, und das hat Hasan gesehen, weil wir fast alleine in der Halle geblieben sind. Er hat immer am Arbeitsplatz gegessen. Er hat einen jugoslawischen Mann gefragt und so erfahren, was mit mir los ist. Er hat dann essen gekauft und mir gebracht und gesagt, ich soll das essen. Eines Tages hat er mit mir zusammen gegessen und wir haben dabei gesprochen. Ich habe gefragt, ob er eine Wohnung für mich weiß und er wollte wissen warum, und ich habe ihm dann alles erzählt. Er hat gesagt, daß er ein Zimmer hat und wenn ich will kann ich dieses Zimmer mieten und ich brauche nicht gleich zahlen, sondern erst, wenn ich von der Fabrik Geld bekomme.

Ich habe einen Tag überlegt und habe ja gesagt. Wir sind nach der Arbeit zu ihm gegangen. Das Zimmer war nicht schön, aber für mich allein genug. Es war klein, drin war ein kleines Sofa, ein Schrank, ein Tisch und drei Sessel. Dann haben wir besprochen, daß ich am nächsten Tag umziehen werde und das er mir helfen wird. Ich wollte nicht in diesem Zimmer diese Nacht bleiben, sondern habe gesagt, daß ich ins Wohnheim gehen würde, aber ich bin die ganze Nacht draußen geblieben, weil es schon spät war und ich nicht ins Heim reinkonnte. So bin ich die ganze Nacht durch die Straßen gegangen. Die Nacht war sehr kalt und morgens früh bin ich müde zur Arbeit gekommen. Wenn ich nicht schlafe, das sieht man an meinem Gesicht. Hasan hat gedacht, daß ich mit einem anderen Mann zusammen war. Ich habe nichts dazu gesagt.

An diesem Tag bin ich zu ihm gezogen. Er hat mir dabei geholfen. Dann hat er Kerzen gekauft und diese Nacht ist er bei mir geblieben. Damals war er zusammen mit einer deutschen Frau. Er hat bei ihr gewohnt. Er wollte nicht mehr zurück zu ihr und hat mich gefragt, ob ich mit ihm leben möchte und ihm treu sein. Ich habe ihm versprochen, treu zu sein, aber ich habe nicht gewußt, wie er ist. Damals war es mir genug, immer die Männer zu wechseln, ich brauchte einen Mann, aber eine längere Beziehung zu einem Mann.

Ich habe nicht gearbeitet schon zwei Monate und habe gedacht, daß ich mir nicht weiter von ihm helfen lassen kann, sondern das ich auch Arbeit brauche. Auf einmal war er eifersüchtig, aber er hatte keinen Grund dazu. Erst wollte er nicht, daß ich arbeiten gehe, aber nachher war er einverstanden. Ich habe Arbeit gefunden bei Sarotti. Hasan und ich mußten viel arbeiten, und er hatte nichts anderes im Kopf als Sex und Essen. Das ist bei ihm das Wichtigste gewesen. Er hat mich damals viel geschlagen. Die erste Zeit habe ich gedacht, daß er Recht hat, aber manchmal bekam ich Schläge, und ich wußte nicht, warum. Er hat immer gesagt, daß ich bestimmt immer andere Männer haben möchte. Aber das war nicht so. Er hat noch gesagt, er will aus mir eine richtige Frau machen. Aber seine Methode waren Schläge. Mein Lohn, den ich verdient habe, habe ich ihm gegeben. Er hat gesagt, daß wir alles zusammen bezahlen und ich war einverstanden.

Freitag, 28. Dezember 1973. Heute war in meiner Zelle Kontrolle, haben nichts gefunden, ich wußte das und war ruhig. In letzter Zeit bin ich frech. Ich habe mein Tagebuch gezeigt und gesagt, daß diese ich jede Tag hier schreibe. Was ich schreibe, habe nicht gesagt. Ich weiß nicht, ist das verboten, ein Tagebuch zu schreiben. Verboten oder nicht, ich werde weiter schreiben.

Im Frühjahr 1971 habe ich mich entschlossen, Hasan zu verlassen. Ich hatte eine Zeit nicht gearbeitet, weil ich krank war, und dann habe ich gedacht, daß ich weiter so tun muß, daß ich krank bin und dann einen Tag ohne sein Wissen verschwinden. Ich habe nicht gedacht, daß er mich suchen würde. Ich habe gedacht, er würde mich schnell vergessen, aber meine Gedanken waren falsch. In der Fabrik habe ich alles erklärt, und die hatten für mich Verständnis. Mit Hasan konnte ich nicht sprechen, wenn er das wüßte, würde er mich schlagen. Ich habe alles heimlich gemacht. Meine Dokumente gesammelt, meinen Koffer gepackt, mich bei der Polizei abgemeldet, aber ich mußte noch warten, daß ich von der Fabrik Papiere kriege und Geld. Geld war für mich sehr wichtig, ohne konnte ich nicht gehen. Dieser erwartete Tag ist gekommen. Am Bahnhof habe ich eine Karte gekauft für München. Ich habe bis zur Abfahrt des Zuges eine Stunde Zeit gehabt und bin ins Kaffee Kranzler gegangen. Ich habe da gesessen und mich hat ein Freund von Hasan gesehen. Ich habe Angst gekriegt, daß Hasan mich finden würde im lezten Moment.

In München habe ich versucht, ein Zimmer für die Nacht zu finden, aber wo ich es versucht habe, war keins frei. Wo Zimmer frei waren, da sind sie teuer gewesen, und ein teures Zimmer konnte ich mir nicht leisten. Ich wußte nicht, wann ich eine Arbeit finden werde und das Geld, das ich bei mir hatte, reichte für einen Monat zum leben. Am nächsten Morgen habe ich Arbeit bei Agfa gefunden und ein Zimmer im Wohnheim der Fabrik bekommen. Da habe ich als Montiererin gearbeitet. Die Arbeit war sehr gut, aber ich war nicht gut. Ich habe begonnen zu trinken, und das war Rum.

Einen Sonntag bin ich in den „Wienerwald“ gegangen. Ein jugoslawischer Mann wollte mit mir tanzen gehen. Er hatte ein Moped und wir sind gefahren. Aber nicht zum tanzen, sondern in ein Hotel. Er hat gesagt, daß hier sein Freund wohnt. Er ist mit mir in eine Toilette gegangen. Als ich gesehen habe, wo ich bin, wollte ich raus, aber er hat mich nicht gelassen, sondern wollte mich hier haben. Er hat mich nicht bekommen, aber meine Hose und meine Strümpfe sind dabei kaputt gegangen. Ich bin dann alleine ins Wohnheim zurückgegangen. Er ist hinter mir hergefahren. Unterwegs habe ich ein Taxi angehalten und bin ins Heim gefahren. Ich konnte diesen Fall nicht vergessen und habe immer mehr in meinem Zimmer getrunken.

Ich war schon im zweiten Monat da und die Arbeit war gut. Brauchte nicht schnell zu arbeiten und habe meinen Platz gehabt. Eines Tages war Sonntag, ich habe geschlafen und das Telefon hat geklingelt, einer von der Pforte hat mir gesagt, das Besuch für mich da ist. Ich war im Nachthemd und mußte mich erst anziehen. Ich habe mir ein Kleid geholt und bin runter mit dem Fahrstuhl gefahren. Da hat mich ein Mann in die Arme genommen und zu küssen begonnen. Dieser Mann war Hasan. Vor lauter Angst habe ich erst keine Worte gefunden und habe dann gesagt, daß wir wohin gehen, weil Besuch im Wohnheim verboten ist. Er hat mir erzählt, daß er mich schon zwei Monate sucht und das er bei meiner Mutter war. Sie hat ihm gesagt, wo ich bin. So hat er mich gefunden. Wir sind essen gegangen, und ich habe ihm erklärt, warum ich von ihm gegangen bin. Diese Nacht habe ich mit ihm in einem Hotelzimmer geschlafen, und am nächsten Tag bin ich mit ihm zur Arbeit gegangen, daß ich meine Papiere an diesem Tag bekomme und so sind wir zurück nach Berlin gefahren. Er hat mir versprochen, er wird mich nicht mehr schlagen. Das war meine Bedingung, daß ich zurückkomme. So wars, aber nur kurze Zeit.

Sonnabend, 29. Dezember 1973. Ich will gerne in Deutschland bleiben und hier arbeiten und leben. Ich möchte nicht zurück für Jugoslawien. Was hat Jugoslawien mir gut gemacht. Warum mußte ich hier kommen, konnte mir nicht ein Arbeit da finden. Hier habe meine Leben gestört und habe mein einziges Schatz verloren.

Ich habe probiert zu häkeln, aber habe keine Lust und nach dem kurze Zeit habe ich weggeschmissen an Bett. Dann habe ich eine Idee gehabt, daß ich bißchen zeichne. Das habe ich gemacht bis 22 Uhr. Ich weiß nicht richtig zeichnen, sondern ich kopiere. Jetzt bin ich müde und möchte gern schlafen. Ja, heute vormittag endlich habe meine Wäsche gewaschen. Jetzt ist alles sauber. Gestern abend habe keine Lust mehr gehabt. Ich habe lange geschrieben. Jetzt gehe ich in Bett, und morgen Tag wieder von vorne beginnen. Hier jede Tag ist egal, immer hocken in Zimmer und denken für was? Für einen Fehler, welche ohne meinen Willen ist gekommen. Ich habe immer große Pläne gehabt, und alles hat geplatzt wie Seifenblasen. Ich bin voll von Gift. Ein Tag ich werde diesen Gift spuken raus. Was nutzt mir hier sitzen, ich werde nicht besser als jetzt.

In Berlin bin ich zum Arbeitsamt gegangen. Die haben mich zu einer Firma mit Namen Jersey-Stoffe KG geschickt und da habe ich drei Monate gearbeitet. Stundenlohn war drei Mark fünfzig. Hier war die Arbeit nicht gut. Ganzen Tag stehen von sieben Uhr bis siebzehn Uhr und arbeiten. Pullis zuschneiden mit einer Schere. Scheißarbeit. Da waren andere Arbeiterinnen, fast alle sind türkisch gewesen, sie haben zwei Mark fünfzig die Stunde gehabt. Hier mußte man viel arbeiten, und der Chef war niemals zufrieden. Deutsche Frauen haben viel gestanden und zusammen gesprochen, und wir haben gearbeitet. Ich war nicht dumm und habe das gesagt. Ich habe schon gut deutsch gesprochen, das haben sie im Büro gesehen und eines Tages haben sie mich gerufen und mir gesagt, daß sie mit mir nicht zufrieden sind und ich bin entlassen und müßte mir andere Arbeit suchen. Das war für mich interessant, denn bei anderen Firmen waren sie mit mir zufrieden, weil ich schnell und gut arbeite. Bestimmt brauchen sie Frauen, welche von der Sprache keine Ahnung haben, und diese Frauen sollen sich totarbeiten. Das war 1971. Dann habe ich Arbeit bei Gillette gefunden. Ich habe am Fließband gearbeitet zusammen mit deutschen und jugoslawischen Frauen.

Ich wollte sparen. Deswegen war Hasan böse und hat mich geschlagen. Ich habe gedacht, wenn ich arbeite, um diese Zeit habe ich nicht schlecht verdient, habe ich das Recht, bißchen Geld auf ein Sparbuch zu machen. Ich habe ihm das schön erklärt, aber er wollte mich nicht verstehen. Er wollte davon nichts wissen, er hat gedacht, daß ich eines Tages mit dem Geld von ihm gehen werde. Ich wollte auch Geld für Urlaub haben, daß er nachher nicht sagt, daß ich von ihm lebe. Immer Geld von ihm betteln wollte ich nicht. Wenn ich sagte, ich brauche Geld, um essen zu kaufen, dann war es schlimm. Wenn ich nichts sagte und kein Essen im Haus war, dann war es wieder schlimm. Immer war es nicht gut. Wenn ich Geld kriegte von der Fabrik und ich es ihm nicht gleich abgab, dann war der Teufel los. Er konnte nicht verstehen, daß ich bißchen Geld in der Hand haben will. Ich kann nicht sagen, daß er immer so schlimm war. Wenn er gute Laune hatte, dann machte er alles, aber nachher suchte er wieder Streit.

Meine Freundin war mit ihrem Freund gekommen, uns zu besuchen. Alles war schön, aber nachher, als sie weg sind, fing Hasan mit mir Streit an. Weil ich zu beiden sehr freundlich war, hat Hasan gedacht, ich will mit diesem Mann schlafen. Davon kann nicht die Rede sein. Hasan war mir in dieser Beziehung mehr als genug. Mir war es manchmal zuviel, aber Hasan konnte das nicht verstehen. Ich brauchte eine Pause, aber er konnte das nicht verstehen. Ich war böse, weil er nicht verstehen wollte, daß mir vom Sex der Kopf voll war. Ich brauchte einfach Ruhe.

Im Juli sind wir nach Hause gefahren. Mein Kind war in dieser Zeit an der Adria in einem Kinderheim. Ich habe zehn Tage auf ihn gewartet. Am zehnten Tag ist Mile von der Adria gekommen. Er hat sich gefreut mich zu sehen. Er hat mit anderen Kindern den ganzen Tag gespielt. Eines Tages haben sie Krieg gespielt, und er hat dieses Spiel ernst genommen und hat eine Knaben mit seinem Plastikmesser neben das Auge gestochen. Ich war fertig und habe gesehen, daß Kind braucht eine gute Erziehung. Aber wie ich das machen soll, das war für mich ein Problem. In Jugoslawien konnte ich nicht bleiben, weil ich da keine Arbeit finden konnte. Darüber habe ich mit meiner Mutter einen Streit bekommen, weil sie wollte, daß ich bei ihr und Milorad bleibe und in Jugoslawien arbeite. Weil das nicht ging, habe ich mich entschlossen, Milorad mit nach Deutschland zu nehmen.

Dienstag, 1.Januar 1974. Ich habe neues Jahr am Fenster gesessen und Feuerwerk eingesehen. Hat viel geknallt in allen Farben am Himmel. Dunkel Nacht gewesen, und diese Raketen waren wie Sterne. War schön. Warum ich muß hier sitzen, warum ich könnte diesen Stern nicht nahe sein?

Der erste Monat mit dem Kind war gut, weil ich nicht gearbeitet habe und viel Zeit für ihn hatte. Warum ich dann arbeiten gegangen bin, wenn alles so gut war? Das kann ich sagen: weil wir viele Schulden zu zahlen hatten. Als wir zurückgekommen sind, waren schon Rechnungen im Briefkasten für Elektrisch 700 Mark Nachzahlung für das ganze Jahr. Außerdem hatten wir eine Rechnung für die nächsten zwei Monate für Elektrisch zu zahlen und das waren 155 Mark. Dann mußte Hasan Steuern für sein Auto zahlen, das war mehr als 1.500 Mark. Wir mußten Miete für das Zimmer zahlen, daß war nicht viel, aber wir hatten auch dafür kein Geld. Hasan hatte noch 300 Mark, und das ist Geld für Essen gewesen. Davon mußten drei Personen leben und das den ganzen Monat. Hasan war davon nervös. Ich wollte helfen, alle Schulden schnell hinter uns zu bringen, aber wie das machen? Ich mußte wieder arbeiten, aber es war ein großes Problem da. Was mache ich jetzt mit Mile.

Ich habe von meiner Nachbarin gehört, daß die Schule schon begonnen hat. Ich habe nicht gewußt, daß die Schule hier früher beginnt als bei uns in Jugoslawien. Ich bin dann mit Mile in die Schule gegangen und ich wollte ihn anmelden, aber das war ein Problem. Das Kind hat die deutsche Sprache noch nicht gesprochen, er war Ausländer, für ihn war kein Platz da. Ich habe erklärt, daß er schnell die Sprache lernen wird, weil er dafür sehr begabt war und alles schnell begreift. Die waren sehr freundlich zu mir, und haben versucht, mir zu helfen, aber Platz für Mile war keiner da. Ich habe mit Hasan gesprochen, und er hat sich entschlossen, in seiner Fabrik zu fragen, ob er in der Nachmittagsschicht arbeiten kann, und ich würde vormittags arbeiten. Für einen Kindergarten haben wir kein Geld gehabt. Erst mußten wir Geld haben und dann einen Platz suchen. So haben wir damals gedacht.

Mittwoch, 2. Januar 1974. Heute ist Tag vorbei wie gestern. Einzige Unterschied, weil habe heute Korridor gescheuert. Das muß ich Doris immer helfen. Sie hat heut Besuch gehabt und hat mir zwei Schokolade gegeben und ein Kekspackung. Heute haben duschen gehabt, war schön, Wasser an Körper zu fühlen. Warum könnte nicht so sein, sondern nur einmal in Woche. In Waschbecken ist unmöglich, ganze Schmutz abzuwaschen. Duschraum ist sehr klein für drei Personen. Das für uns ist sehr wenig. Alles bauen hier, aber was wir brauchen, daß nicht. Haben Geld für Mauer und Gitter, aber für große Badezimmer zu machen, da haben sie keine.

Hasan hat nachmittags gearbeitet und ich habe Arbeit bei Philips gefunden. Ich wollte sechs Stunden arbeiten, aber ich mußte acht Stunden arbeiten und vor Weihnachten noch Überstunden machen. So haben es alle gemacht. Ich war neu und mußte alles lernen und mitmachen. Das ist eine schwere Zeit gewesen, weil ich an der Arbeitsstelle immer an zu Hause denken mußte. Das Kind war nicht artig und hat viel Verbotenes gemacht. Hasan und Mile haben sich die erste Zeit gut vertragen, aber langsam war Hasan zu nervös und konnte das Kind nachher nicht mehr leiden. Wenn ich nach Hause kam, mußte ich immer Klagen hören oder Hasan hat seine Schnauze gedreht.

Ich weiß nicht, was mit dem Kind gewesen ist, aber er hat immer was zu Hause angestellt. Hat begonnen, mit dem Fernseher zu spielen, dann mit der elektrischen Heizung, dann mit dem Boiler, manchmal hat er im Ofen Feuer gemacht das ich dachte, der Ofen wird explodieren. Er hat die Uhr von der Wand genommen und mit ihr gespielt. Von allem das Schlimmste war, daß er mich belog und alles verweigerte, was ich fragte. Mehr wegen der Lügen als wegen anderer Sachen habe ich ihm Ohrfeigen gegeben. Er wollte nicht auf mich hören. Mit Erklärungen ging es nicht mehr, und das war für mich letzter Versuch, mit ihm fertig zu werden. Ich habe gearbeitet, wenn ich nach Hause kam, dann mußte ich wieder Hausarbeit machen, und die mußte ich schnell machen, weil die Nacht schnell kommt.

Hasan hat viel Spielsachen für ihn gebracht, daß er was zum spielen hat. Die waren für ihn nicht sehr interessant. Nach einer Stunde waren sie manchmal kaputt. Ich mußte in der Fabrik Überstunden arbeiten, daß hat mich geärgert, weil das Kind noch mehr allein zu Hause war und ich dachte immer, was er wieder Neues anstellt, aber ich mußte arbeiten, wir brauchten Geld. Hasan war nervös, weil ich nicht viel Geld nach Hause brachte, und ein anderes Thema war da nicht. Er war launisch und dann wieder krank, und dann hat das Kind ihn immer gestört. Nach Hause zu Mutter konnte ich das Kind nicht schicken, weil ich für den Weg keine Geld hatte. Ich habe ihm häufig Ohrfeigen gegeben, aber er war dickköpfig und wollte nicht auf mich hören. Einmal bin ich nach Hause gekommen, Hasan war nicht da, Mile war allein, er hat im Hof gespielt und blaue Flecken im Gesicht gehabt. Ich habe ihn gefragt und er hat gesagt, daß Hasan ihn geschlagen hat. Wenn ich dies schreibe, kriege ich Magenschmerzen. Das war im November 1972. Ich denke, eine Woche vor dem großen Fall.

Dienstag, 8. Januar 1974. Heute war Teufel los. Ich habe heute Hausmädchen gemacht. Heute habe Essen verteilt, Waschpulver und Ata verteilt, Müll gesammelt, Fensterbrett abgewischt, Flur abgerieben und in Kammer gewesen, für Station, was braucht, gebracht. Beim Mittagausteilen ich mußte weg, weil habe Besuch gekriegt, bei mir war Annabella. Ich habe mich sehr gefreut, sie zu sehen und zu sprechen. Sie macht für mich viel. Alles bringt, was ich wünsche. Sprechstunde schnell vorbei, darum bin ich traurig. Ich möchte längere mit ihr gesprochen, aber Zeit schnell vergeht. Nach dem Sprechstunde haben heute von Mutter Paket gekriegt und bin zurück an Station gegangen und habe Zelle sauber gemacht. Eine war entlassen, und ich habe alles in einen Korb gepackt und in Kammer getragen, dann habe diese Zelle sauber gemacht. Nach dem kurze Zeit war Abendbrot und das habe ich auch verteilt. Für mich heute war schwerer Tag. Nach dem langen Zeit, wenn du nichts arbeitest, dann ist jede Arbeit schwer. Wir haben in unseren Zellen wenig Bewegung.

Hasan hat wieder gearbeitet, aber nicht lange, ein oder zwei Tage, dann konnte er nicht mehr wegen seiner Krankheit. Wenn er gearbeitet hat, habe ich alle Hausarbeit geschafft, wenn er zu Hause war, konnte ich sie nicht schaffen. Er wollte immer was haben zum essen, trinken, dann hat ihn gestört, wenn ich Wäsche wasche, wenn ich nicht wasche, dann hat ihn die schmutzige Wäsche gestört. Ich mußte immer Teller und Gläser waschen, tausendmal das Zimmer sauber machen, und wenn ich mich bißchen hinsetzte, dann bin ich im Sessel eingeschlafen, dann hat er wieder geschimpft, weil ich nicht schlafen gehe und manchmal habe ich das getan, dann hat er wieder geschimpft, weil schmutzige Teller übrig geblieben sind. Wenn er nicht da war, habe ich alles schnell gemacht, aber so hat er mich immer gestört, und ich konnte mit meiner Arbeit nicht fertig werden. Ich konnte mit meinem Kind nicht lieb sprechen, weil Hasan gleich böse war, er hat nicht gezeigt, daß er böse ist wegen dem Kind, sondern hat immer was anderes gefunden, aber ich wußte das. Ich glaube, er war eifersüchtig auf das Kind und darum konnte ich Milorad nicht so lieb haben, wie ich das immer gewünscht habe. Manchmal, daß war mehr in der letzten Zeit, war ich so müde, wenn ich im Bett lag und versuchte zu schlafen, konnte ich das nicht. Manchmal habe ich gewünscht, daß Hasan mich verläßt. Dieser Wunsch war in letzter Zeit sehr stark. Dann würde ich Geld in Händen haben und meine Wünsche erfüllen.

Am Samstag, den 18. November, hat Mile das erste Mal in die Hose gemacht. Er hatte im Zimmer einen Nachttopf, aber er hat nicht darein gemacht, sondern in die Hose. An diesem Tag habe ich Überstunden gemacht, und als ich nach Hause gekommen bin und das gesehen habe, habe ich auf ihn geschimpft, aber habe ihn nicht geschlagen. Dann am zwanzigsten November hat er es wieder gemacht, ich habe damals gesagt, wird er es nochmal so machen, werde ich ihn schlagen.

Dienstag, 15. Januar 1974. Heute war wie jede Tag. Aufstehen halb sieben, bißchen waschen mich und vorbereiten für Essen austeilen. Heute war ein langweiliges Tag. Habe dann an Maschine geschrieben und habe fertig fünf Seiten gemacht. Heute Nachmittag habe Brief von Mama bekommen, ich habe gleich beantwortet fünf Seiten. Sie hat Doris und Annabella Grüße bestellt. Vergißt nicht niemanden. Am Abend habe bißchen gezeichnet und Wäsche gewaschen. Ich möchte gerne raus von hier und in Fabrik arbeiten. Diese hier ist nicht Leben für mich. Manchmal denke ich, daß ich in Grab sitze. Alles hohe Wände, kleine Fenster, kleine Zelle, lebendig begraben.

Ich bin müde zur Arbeit gegangen. Da habe ich erfahren, daß der 23. November Bußtäg ist und die Geschäfte geschlossen sind. Hasan wußte das auch nicht und hat keinen Vorrat zum essen gekauft, und Kohlen für den Ofen hat er auch vergessen, und ich hatte kein Geld, um was einzukaufen. Als ich nach Hause gekommen bin, war er nicht da, und so konnte ich nicht ins Geschäft gehen, er hatte kein Geld dagelassen. Mile war allein, und ich habe ihm zum Geburtstag alles Gute gewünscht und dann meine Hausarbeit gemacht und war zufrieden, als das Zimmer sauber aussah. Wäsche habe ich keine schmutzige gehabt, weil ich am Sonntag alles gewaschen hatte. Aber mein Frieden war nicht lang. Hasan ist spät am Abend gekommen und nach kurzer Zeit war das Zimmer wieder schmutzig. Teller vom Essen waren da, dann wieder Gläser vom Tee, und ich war zu müde, um weiter was zu machen. Diesen Abend war Hasan sauer auf mich, weil ich keine Kohlen gekauft hatte. Mit was, ich hatte kein Geld. Das habe ich ihm auch gesagt, dann war er wütend, hat seine Jacke gepackt und ist gegangen. Er kam zurück um zwei Uhr nachts. Dann hat er wieder was gebrummt und Tee gemacht. Ich habe so getan, als ob ich schlafe, aber ich war wach und müde. Ich hatte Sehnsucht nach dem Schlaf, aber ich konnte nicht schlafen. Ich war lange wach. Um fünf war ich schon wieder wach. Ich war müde, aber ich konnte nicht schlafen, weil ich gelernt habe, um diese Zeit aufzustehen. Aber ich bin nicht aufgestanden, dieser Tag war Feiertag und ich wollte Hasan und Mile mit meiner Arbeit nicht stören. So bin ich bis acht Uhr im Bett geblieben. Um diese Zeit ist Mile wach geworden und ich bin aufgestanden um was zu essen zu machen. Dann sind beide aufgestanden, das Frühstück war schon auf dem Tisch und sie haben gegessen. Mile ist in den Hof spielen gegangen und Hasan zum Auto und ich hatte Zeit, das Zimmer sauber zu machen und frische Luft reinzulassen. Dieser Tag war kalt und Mile wollte nicht lange im Hof bleiben und ist wieder ins Zimmer gekommen. Das Zimmer war kalt und allein die elektrische Heizung war nicht genug. Hasan hat sich entschlossen, von der toten Frau Kohlen aus dem Keller zu nehmen. Ich war nervös, daß am hellen Tag zu machen.

Nachher ist das Schlimmste gekommen. Ich habe Mittag vorbereitet und Feuer gemacht und da hat es gestunken. Hasan hat geschimpft. Dieses Schimpfen war nicht für feine Ohren. Hasan hat dann das Fenster aufgemacht und nach fünf Minuten wieder zu, aber es hat weiter im Zimmer gestunken.

Er hat an Mile gerochen und ihm zwei Ohrfeigen gegeben, weil er dachte, das Kind lügt. Im Zimmer hat es sehr stark gestunken, ich war böse und habe Mile Hose und Unterhose runtergezogen, um zu gucken, drin in der Hose war Kacke. Das war das dritte Mal, daß er in die Hose gemacht hat. Ich war böse, weil das Kind zu faul war und die ganze Zeit nicht den Mund aufgemacht hat um zu sagen, daß er auf die Toilette will. Ich war sehr wütend, habe ihm seine Unterhose angezogen, den Gürtel vom Schrank gepackt und ihn in den Sessel gelegt und auf den Hintern geschlagen, dabei habe ich gedacht, ihn zur Vernunft zu bringen, daß er das nicht wieder tut. Aber er war sehr frech und hat nicht geweint, sondern ruhig auf meine Befehl alles runtergezogen. Ich habe warmes Wasser in eine Schüssel gegeben und er hat sich gewaschen. Danach habe ich ihn gefragt, was ich mit ihm machen soll, er hat frech geantwortet, nach Hause zur „Baba“ schicken, das heißt zu meiner Mutter nach Jugoslawien. Ich habe gedacht, so Vera, du arbeitest und machst dich kaputt und er ist so zu dir. Sorgst dich um ihn, daß er zu essen hat und was zum anziehen, hast nicht viel Zeit für ihn, und so habe ich ihn geschlagen.

Ich habe ihn geschlagen, er hat immer weiter freche Worte gesprochen, schmerzende Worte für mich, wollte zum Vater, wollte zu Schwiegervater, zur Schule, wollte nicht mehr bei mir bleiben. Unter uns war Krieg, ich wollte ihn mit Schlägen zum Schweigen bringen, er mich mit Frechheit verletzen. Diesen Moment vergesse ich nicht. Ich war müde von allem, verzweifelt und habe einen Menschen geschlagen, den ich liebe. Ich habe nachher immer weiter geschlagen, ich wußte nicht mehr, was ich tue. Ich war nicht mehr fähig zum Denken und zum Anhalten, bis Hasan mich von ihm weggerissen und in den Sessel geschmissen hat.

Ich habe geweint und geweint. Ich habe Mile versprochen, daß ich das nicht wieder tun werde. Ich habe aufgehört zu weinen und das Essen weiter fertig gemacht und dabei habe ich viel nachgedacht. Um sieben Uhr haben wir alle beim Fernsehen gesessen und geguckt, ich weiß nicht, was es gab, ich habe Fernsehen geguckt und habe nichts gesehen, meine Gedanken waren noch immer bei dem Fall. Ich war am Ende, auf einmal hörte ich, daß beide, Hasan und Mile, zusammen sprachen und ich hörte einen Knall. Ich habe gedacht, daß was kaputt gegangen ist, als ich einen Blick auf Hasan geworfen habe, war er allein, er hat seine Hand oben gehabt, und hat nach unten zum Boden geguckt. Ich habe Mile am Boden vor dem elektrischen Herd liegen sehen. Ich habe zu ihm gerufen, daß er aufstehen soll und was das wieder bedeutet und ob es nicht genug war bis jetzt. Hasan ist aufgestanden, ich konnte nicht, ich saß im Sessel wie gelähmt, was bei mir noch gearbeitet hat, war der Mund. Das Kind ist aufgestanden, und ich habe ihn gefragt, ob ihn was schmerzt. Er hat gesagt Nein. Hasan hat seine Jacke vom Haken genommen und ist ohne ein Wort rausgegangen. Das Kind ist wie gewöhnlich um acht Uhr ins Bett gegangen. Er wollte nichts essen, und ich dachte, kann sein, daß er wirklich keinen Hunger hat. Nach dem anstrengenden Tag war es normal, daß er verlangte, schlafen zu gehen. Ich war auch total fertig, aber ich konnte nicht schlafen die ganze Nacht. Ich habe immer zugehört, wie das Kind schläft und ob er Schmerzen hat, aber er hat ruhig geschlafen.

Ich bin um fünf Uhr aufgestanden, und habe immer gedacht, gehe ich, oder nicht, habe nach dem Kind geguckt und ihm einen Kuß gegeben. Er hat fest und ruhig geschlafen, hat nichts gemerkt, und ich habe gedacht, daß mit ihm alles in Ordnung ist. Ich bin zur Arbeit gefahren, an diesem Tag war ich die letzte auf der Arbeitsstelle. Ich konnte nicht richtig arbeiten. Um drei Uhr nachmittags ist Hasan zu mir gekommen. Er hat gesagt, dem Kind geht es schlecht und ich muß sofort nach Hause kommen. Mile hat auf der Couch gelegen, ich dachte er schläft. Ich habe ihm seinen Pulli ausgezogen, der war schmutzig. Hasan hat gesagt, er hat gebrochen. Ich habe ihm einen Schlafanzug angezogen und ihn dann richtig ins Bett gelegt. Wir haben gewartet, daß er wach wird, Fieber hatte er nicht, aber blaue Flecken hat er gehabt. Einen Arzt anrufen wollten wir nicht wegen der blauen Flecke, wie Ärzte sind, Verständnis haben sie nicht und sie würden gleich die Polizei anrufen. Ich wollte nicht ins Gefängnis, ich wollte bei meinem Kind bleiben. Ich versuchte, mit Schnaps zu helfen, ich habe ein Taschentuch damit naß gemacht und es ihm auf die Stirn und den Po gelegt. Dann habe ich Hasan in die Apotheke geschickt, denn Mile hat begonnen, mit den Zähnen zu knirschen. Hasan ist schnell zurückgekommen und hat gesagt, daß die in der Apotheke nichts geben, sondern gesagt haben, wir sollen noch drei bis vier Stunden warten, wird es dann nicht besser, sollen wir einen Arzt anrufen.

Das Kind ist nicht zu sich gekommen. Hasan ist einen Arzt anrufen gegangen und ich habe die ganze Zeit geweint und geweint. Die erste Hilfe ist schnell gekommen, zwei Mann haben das Kind genommen und mich böse und schief angeguckt, daß ich mich nicht getraut habe, was zu sagen. Hasan hat auf die Fragen geantwortet. Ich bin mit Hasan dem Krankenwagen hinterhergefahren. Im Krankenhaus wollte ich mit dem Arzt sprechen, aber der hat mich angeschrieen und automatisch habe ich auch zurückgeschrieen. Dann haben wir auf der Bank gesessen und ein Assistent ist gekommen. Er wollte uns loswerden. Ich habe noch gesagt, daß ich morgen früh um acht wiederkomme.

Zu Hause habe ich die Couch abgeräumt und die Wäsche in die Ecke geschmissen und auf dem Boden gesessen und mit Hasan gesprochen. In diesem Moment habe ich Männerstimmen gehört und es hat bei uns geklopft. Das war Polizei. Ich bin ruhig mit ihnen gegangen.

Ich glaube nach einer Woche ich habe erfahren von dem Fräulein B., Knastfürsorgerin, daß mein Kind nicht mehr lebt. Vor diesem Tag ich habe nichts gehört, und die ist gekommen und mich zu fragen, wo ich will mein Kind begraben lassen. Erste ihre Worte waren: Wissen Sie Frau Kamenko, ihr Kind ist tot. In diese Moment ich war wie mit dem Hammer an Kopf geschlagen, ich wüßte nicht, was ich in diese Moment tun soll, weinen oder lachen. Diese Ton wie gesprochen hat und alles andere. Das mein Kind tot ist, das wußte ich von diese Frau und das durch ihre Worten. Vorher wußte ich nichts, weil niemand hat was mir gesagt, und wann ich Beamtin was gefragt habe, niemand wußte was. Bis diesem Tag. Ich war in Glauben, daß meinem Kind besser geht, und Sie können dann denken, wie war es mir, wann ich an diese Art erfahren habe.

Im August 1976 wird Vera Kamenko nach Jugoslawien abgeschoben. Sie lebt heute wieder in ihrer Heimatstadt in Jugoslawien. Sie arbeitet auf einer Baustelle. Da macht sie, zusammen mit anderen Frauen, die Baracken der Arbeiter sauber.

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