Streifzüge, Heft 2/2001
Juli
2001

Vom Korporatismus zum schlanken Faschismus

I.

Mir will scheinen, daß über das Verhältnis von „Faschismus“ und „Demokratie“ einige Verwirrung herrscht, die spätestens an einer Figur wie Haider sich bemerkbar macht: Kann es das geben, einen wirtschaftsliberalen, plebsizitär-demokratischen Faschisten? Wenn der an die Macht gekommene historische Faschismus, am deutlichsten in der Form des großdeutschen Nationalsozialismus, sich durch massiven Staatsinterventionismus und hierarchische Durchorganisierung der Gesellschaft auszeichnete, wie paßt dann jemand ins Raster „Faschist“, der Entstaatlichung und soziale Selbstverantwortung fordert? Die durchaus zutreffende Beobachtung, daß Schröder, Blair und Haider sich nur noch dadurch unterscheiden, daß letzterer seiner Klientel unverblümt alt-braune Duftmarken zum Deregulationsprogramm hinzugibt, führt zu Verwirrung. Sieht man mit Recht in Korporatismus und Staatsökonomie, die in Österreich noch ausgeprägter sich gestaltete als im Nachkriegsdeutschland, einen direkten Nachfahren des Faschismus, den Postfaschismus am Werk, so muß ein „Systemgegner“ wie Haider doch entweder ein Beleg dafür sein, daß der Faschismus keine Option für die Krisenlösung mehr darstellt, als ob Faschismus und Krise nicht den Normal-, sondern den Ausnahmezustand des Spätkapitalismus darstellen würden, oder zumindest dafür, daß die Ära des Postfaschismus sich zugunsten einer neuen Art Faschismus zu Ende neigt — des „demokratischen“, wie ihn die Veranstalter dieses Kongresses in ihrem Aufrufstext bezeichnen. Sehr richtig festgehalten wird in diesem Text, daß „die neue österreichische Regierung das Gemeinschaftsstiftende der Sozialpartnerschaft beibehalten will, ihr materielles Substrat hingegen, die relativ komfortable Alimentierung der abhängig Beschäftigten überwinden will“ und „daß es falsch ist, Haider nur einen Faschisten oder nur einen Demokraten zu nennen.“

Richtig ist auch, daß die Erscheinungsform der „postfaschistischen Demokratie“ sich unter Bedingungen verschärfter Standortkonkurrenz — auch innerhalb des Nationalstaats —, Konsolidierung der Haushalte und epochal sich verschärfender Überflüssigkeit und Austauschbarkeit von Arbeitskraft verändern. Irreführend aber ist der Begriff „demokratischer Faschismus“ als Gegenbegriff zum „Postfaschismus“ — und von uns auf keinen Fall so intendiert als wir die Bahamas 31 so betitelten —‚ wenn er dazu dienen soll, ein „Paradox zu fassen“, ein Paradox, das darin bestehen solle, daß jemand zugleich Demokrat und Faschist ist — denn das ist alles andere als ein Paradox, der Faschismus war und ist schon immer ungemein demokratisch.

Das Mißverständnis, daß es erst eines Haiders und der Verschlankungskuren des Sozialstaats bedurft hätte, damit „die Demokratie mit Haider endgültig zu sich selbst käme und zugleich ihren historischen Widerpart, den Faschismus, integriert“ — als ob nicht insbesondere der Nationalsozialismus die bislang tödlichste Konsequenz des Systems des gleichen und freien Tauschs gewesen wäre, Konsequenz insofern, als daß die ideale Gleichheit vor Tausch und Recht, Grundlage der Demokratie, in ihrem eigenen Progreß in die materiale Gleichheit vor Blut und Rasse, Postulat des Faschismus, umschlägt — wie es Jochen Bruhn in „Was deutsch ist“ auf den Punkt bringt:

„Die Vermittlung wird einkassiert. Die zu Subjekten formierten Individuen haben ... einzugestehen, daß sie vom Kapital nicht bloß funktional instrumentalisiert, sondern vielmehr material konstituiert worden sind. Ihre Form ist schon ihr ganzer Inhalt, alles, woran sie sich halten können. Die Transformation des Staatsvolks der Bürger in die souveräne Volksgemeinschaft der Artgenossen zieht die letzte Konsequenz aus der bürgerlichen Gleichheit durch kapitalistische Vergleichung.“ Weil das Kapital Subjektivität sowohl konstituiert wie auch kassiert, exterritorialisiert das Individuum, das auf Gedeih und Verderb Tausch-Subjekt bleiben muß, seine eigene Bedrohtheit in eine doppelte Morddrohung:

„Im Rassismus halluziniert der Bürger seinen Untergang in krude Natur, im Antisemitismus seine Liquidation durch den hypertrophen Geist. Die — im Rassismus — so allgemeine wie diffuse Angst vorm Verschwinden seines Subjektcharakters im plump Kreatürlichen kommt — im Antisemitismus — mit der allerdings spezifizierten und exakt addressierten Furcht vor der Auflösung seiner Subjektivität durch die geheimnisvollen Mächte des Abstrakten überein.“ (Bruhn, Freiburg 1994, 98f)

Aufgrund von solcherlei Unklarheiten über die Beziehung zwischen Demokratie resp. Liberalismus und Faschismus resp. Nationalsozialismus will ich nicht nur über Formveränderungen sowohl faschistischer Mobilisierung als auch des postfaschistischen Staates selber sprechen, sondern zunächst die Kontinuität der faschistischen Epoche, wie ich sie nennen will, von Hitler bis Haider herausarbeiten. Eine Epoche, die mit dem unwiederbringlichen Untergang der „liberalen“ Konstitution von und Konstellation zwischen Proletariat, Bürgertum und Staat, begann und trotz tiefgreifender Formunterschiede zwischen Nationalsozialismus, Nachkriegskorporatismus und Neoliberalismus einige durchgängige Merkmale aufweist, die sich heute so deutlich wie schon lange nicht mehr zeigen — wenn man Nationalsozialismus und Postfaschismus nicht allein unter dem Blickwinkel der Staatskonjunktur und der auf Defizit gegründeten Vollbeschäftigung betrachtet, sondern unter dem Blickpunkt der „negativen Integration“ — ein Begriff, den ich im folgenden noch erläutern werde. Nur so viel: Für die faschistische Konstitution/Konstellation ist nicht so sehr entscheidend, was es vernünftigerweise für die Einzelnen zu gewinnen gäbe, sondern die Angst, daß man beim Verlieren zu früh drankommen könnte oder zu nah am Abgrund sich befände. Selbstverständlich besitzt der Nationalsozialismus und auch der Postfaschismus ein materielles Substrat im Sinne einer mehr oder minder komfortablen Staatsalimentation — aber es ist nicht so, daß mangelnder Komfort die Integration in Frage stellen würde. Vielmehr zeigt sich der Grad von „Internalisierung von Herrschaft“ dann am stärksten, wenn die benefits von Staats wegen kärglich werden und die Gemeinschaft um ihrer selbst willen verfolgt und bekämpft. Vielleicht ist es sogar so und das wäre eine Folge-These, daß im plebiszitär-neoliberalen politischen Gewand und in der authentisch-egalitären Konkurrenzkultur der 90er Jahre die aller ursprünglichsten Züge und Affekte des Nationalsozialismus wieder aufscheinen. Vielleicht ist es so, daß der einstmals kollektiv organisierte Amoklauf (der Judenverfolgung) sich in den Alltag aller Einzelnen verlagert, und dort fast schon entideologisiert sich in wahllos scheinender Gewalttätigkeit und Diskriminierung austobt; wenn auch willkürlich scheinende Feindbesetzungen eben doch nicht zufällig sind, denn der permanente Kampf konstitutiv rassistischer und antisemitischer Staatsbürger bündelt sich periodisch und in steigender Frequenz zu immer neuen, wenn auch im Vergleich zu früher amorphen Volks- und Staatskampagnen gegen Seuchen oder Schädlinge am Ganzen (die nur ein Abglanz jenes kombinierten Unter-/Übermenschen „Das Judentum“ sind, den der Nationalsozialismus vernichtete; die Sehnsucht nach einem derart kompakten Projektionsobjekt treibt allerdings noch heute die Friedhofs- und Synagogenschänder); jenes Ganze aber ist — gleich wie schlank auch immer — stets noch die Einheit von Volkskörper und Interventionsstaat.

Das Funktionieren eines faschistischen Anti-Etatismus, der Ideologie Haiders und Schröders, der Abschied vom relativen Komfort des Korporatismus und der repräsentativen Spielart der Demokratie bedarf keiner faschistischen Partei oder eines Reichsparteitags — wer danach Ausschau hält, kann sich in Ruhe zurücklehnen und uns für Spinner halten. Wessen es bedarf, ist allein das automatisierte Ressentiment gegen alle und jeden. Daran fehlt es nach 70 Jahren faschistischer Epoche wahrlich nicht; vielmehr erscheint eine Feststellung Georg Seeßlens sehr plausibel: „Die Faschisierung der Wahrnehmung und der Handlungsanleitungen war bei vielen deutschen Menschen, und so bei einer Reihe derer, die ich kenne, 1945 noch gar nicht abgeschlossen. Es ist möglich, daß es 1965 mehr echte Faschisten in Deutschland gab (ich vermute, in beiden Teilen des Landes) als 1945, und 1985 noch einmal mehr als 1965.“ (Natural Born Nazis, Berlin 1996, 30)

II.

Weil „eine Diskussion über das Verhältnis von Faschismus und Demokratie in den postnationalsozialistischen Gesellschaften“ (Aufrufstext) nicht möglich ist, ohne das Verhältnis von Liberalismus und Nationalsozialismus am Anfang desselben zu klären, möchte ich den Grundlagentext hierzu, Horkheimers „Die Juden und Europa“ von 1939, heranziehen. Nicht zuletzt um einige Grundzüge des Nationalsozialismus herauszuarbeiten, die den Begriff der „negativen Integration“, wie er bereits kurz anklang, verdeutlichen sollen — „negative Integration“, die das Pfund darstellt, mit der sowohl der neoliberale Faschismus Haiders als auch europaweit regionalistische und separatistische Spielarten wuchern.

Vor einer „Diskussion über das Verhältnis von Faschismus und Demokratie“ bedarf es einer kurzen Verständigung über das Verhältnis von Faschismus und Nationalsozialismus. Nicht nur gilt es eine faschistische, nachbürgerliche, volksstaatliche Epoche von einer liberalen, bürgerlichen, wenn man so will vor-etatistischen Epoche des Kapitalismus zu scheiden, sondern auch den Faschismus als Gesamtepoche vom Nationalsozialismus als dessen frühen Gipfelpunkt: Den Faschismus kann man grob als progrediente Entfaltung der barbarischen Potenzen der kapitalen Subjektkonstitution beschreiben, und den großdeutschen Nationalsozialismus als epochalen Gipfelpunkt, weil in ihm konstitutives Ressentiment der Subjekte und konstitutionelle Staatsraison bruchlos in eins fallen — in den Volksstaat, der schließlich nach den Worten von Enderwitz, in einem vom Wahnsinn geschüttelten Leviathan kulminiert.

Daß nach einer solchen Kulmination die deutschen und österreichischen Zustände denen anderer westlicher Gesellschaften ähneln und doch nicht dieselben sind, hatten bereits Agnoli und Brückner in einem anderen Grundlagentext, der „Transformation der Demokratie“ von 1967 hingewiesen — zu einer Zeit, als gerade erst leise Zweifel am Fortgang des „Wirtschaftswunders“ aufkeimten. Daß Wohlfahrtsstaat und Krisen- bzw. Notstandsstaat prinzipiell aus einem, nämlich demokratischen Holz geschnitzt sind, Notstand die „Demokratie“ nicht gefährdet, sondern ihren Charakter gerade zum Vorschein bringt, tritt schärfer hervor „in Ländern mit einer schwachen liberalen Tradition und einer um so stärkeren obrigkeitlichen Belastung wie Deutschland.“ (S. 53) Brückners und Agnolis Einsichten wird von ihrer Hellsichtigkeit nichts genommen, auch wenn ihr politischer Kontext der einer durch potentiell aufrührerische Massen gefährdeten ökonomischen und politischen Ordnung ist, und weniger der, der sich uns heute darbietet, daß die Krise die Feindseligkeit aller gegen alle in actu setzt, die der Staat in Erfüllung eines Bedürfnisses seiner Bürger in immer neuen Kampagnen gegen die von außen kommende Bedrohung, die als heimtückische Krankheit wütet, kollektiviert.

Diese Form des „permanenten Notstands“, der sich als permanente zivile Generalmobilisierung präsentiert, war 1967 kaum vorherzusagen gewesen, wo sie sich doch heute noch dem traditionell überkommenen Begriffsinstrumentarium einer „marxistischen Terminologie“ sperren, dem die Demokratie entweder als durch den Faschismus gefährdet erscheint, oder die die an sich schätzenswerte Demokratie nur für eine Maskerade des Faschismus hält, statt für einen Wesenszug desselben.

Gerade vor diesem Hintergrund liest sich manche Passage der „Transformation“ — trotz der genannten Einschränkungen — mit Gewinn, nämlich als Charakterisierung der postfaschistischen Epoche als einheitlicher, die sowohl den „Wohlfahrtsstaat‘“ als auch den „schlanken Staat“, sowohl den Korporatismus als auch die Kampagnendemokratie umfaßt:

Soweit der moderne Kapitalismus sich auch vom Faschismus entfernt haben mag: der präfaschistisch-liberale Ruf nach dem ‚starken Staat‘ wiederholt sich postfaschistisch-neoliberal und präzisiert sich in der Bereitschaft der Privilegierten, selbst Opfer zu bringen und sich Beschneidungen aufzuerlegen, wenn dadurch die Freiheit besser geschützt werden kann.

Freiheit bedeutet nicht die Restitution der liberalen Freiheit, die nach einem Wort Horkheimers dem Arbeitslosen immer noch die Würde beließ, ihn nicht zu beachten, sondern die Aufrechterhaltung der Handlungsfreiheit des autoritären Staates, der, und sei die Zuwendung noch so kärglich bemessen, dennoch die einzige und damit fetischisierte Appelationsinstanz der Gemeinschaft der Entwerteten und Austauschbaren, sprich der Gesellschaft bleibt. Die Wiedererrichtung eines Ordo-Liberalismus im Wohlstandsstaat ist genauso scheinhaft wie der Neoliberalismus des schlanken Staates: Mögen ihre Verlaufsformen auch noch so unterschiedlich scheinen, ist der eine eher gekennzeichnet durch Passivität und Repräsentation, der andere durch Aktivbürgertum und Selbstverwaltung, so haben beide nichts mit dem klassischen Liberalismus mehr zu tun. Die Sorge des Wirtschaftssubjektes um sich ist unwiederbringlich transformiert in die Sorge des Volksgenossen um die Handlungsfähigkeit des Staates; ein Wohl und Wehe jenseits des eigenen Staatsbürgerdaseins ist nicht mehr vorstellbar: Selbst die „private“ Altersvorsorge wird in staatlichem Auftrag installiert, der kollektive run zur Börse wird als gesellschaftliche Verpflichtung inszeniert.

„Der Anspruch des Staates, zum Schutz des ‚Ganzen‘ Disziplinierungs- und Disziplinarmaßnahmen gegen einzelne Volksteile ... zu ergreifen, ergibt sich aus der gleichen Kompetenz, das Geschäft des sozialen Ausgleichs zu besorgen.“ Heute angesichts der Schröders und Haiders erleben wir das Beschriebene in Reinkultur: Der soziale Ausgleich wird gerade dadurch besorgt, daß Disziplinarmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung ergriffen werden — symbolische und handgreifliche, formalgesetzliche wie spontan-eigenmächtige.

„Der alte liberale Staat, der sich wenig um Sozialsicherung, Rentenwesen und Arbeitsmarktordnung kümmerte, kannte nur den nackten Armee- und Polizeieinsatz gegen die streikenden Arbeiter. Der heutige politische Staat darf den Notstand auf alle Bereiche ausdehnen, deren Regelung ihm gesellschaftlich übereignet worden ist.“ Scheinen diese Bemerkungen auch eher an ein System von Notverordnungen zu denken, so gilt doch, daß Deregulierung der Sozialsysteme von Staats wegen mitnichten eine Entregulierung bedeuten. Die sogenannte Sozialordnung bleibt weiterhin unter Kontrolle des Staates, gerade weil sein Budget restringiert ist. Um das an etwas Alltäglichem zu verdeutlichen:

Heute kann man die soziale Schichtzugehörigkeit wieder am Zustand des Gebisses (wie an der Lebenserwartung im allgemeinen) ersehen; damit aber erschöpft sich die Parallele zur liberalen, vorfaschistischen Epoche. Dem liberalen Staat jedenfalls wäre es gleichgültig gewesen, ob sich seine Bürger die Zähne putzen oder nicht — der deregulierte Sozialstaat dehnt seine Kontrolle selbst auf diesen Lebensbereich aus, indem er Zuwendungen von der „Selbstverantwortung“ der Bürger abhängig macht, ergo dem Gebißzustand und der Frequenz des Arztbesuches. Ein gewagtes Beispiel gewiß; es zeigt aber m.E. schlaglichtartig, wie tief Kontrolle in den Alltag hinabreicht, auch jenseits der schon enormen Offenlegungspflichten, denen beispielsweise Sozialleistungsempfänger unterliegen. „Deshalb zerstört seine Praxis“, die des Postfaschismus, „die alte liberale Formel von der Trennung von Staat und Gesellschaft.“ Eine grundlegend wichtige Feststellung Brückners und Agnolis, denn es ist vielleicht das Kennzeichen der faschistischen Epoche, die ihn heute genauso wie 1933 von der liberalen Epoche des Kapitalismus signifikant und irreversibel unterscheidet: Die Aufhebung der relativen Autonomie der gesellschaftlichen Sphären zueinander. Gesetzgebung und Unterhaltung, Politik und Kunst folgen einem kollektiv geteilten Ressentiment — es ist ein und derselbe Ungeist, der alle Bereiche durchherrscht und Faschismus und Postfaschismus solchergestalt so immens demokratisch macht. Nicht von ungefähr ersetzte im NS der Wink des Führers den Erlaß eines formalen Gesetzes, was nur deshalb funktionierte, weil ein jeder sich im Führer wiederfand, dessen Omnipotenz der gewünschten eigenen entsprach und dennoch nur dem verlängerten Stammtisch Machtworte verlieh. Immer wollte der Faschismus das Moment der Bewegung festhalten, die sich den vormalig geltenden Spielregeln entzieht und damit einerseits die größtmögliche Kontrolle über die Bevölkerung ermöglicht und andererseits auch die größtmögliche Partizipation derselben erheischt — die bitteren Scherze des Karikaturisten Achim Greser, der die NSDAP als größte Bürgerinitiative der Geschichte zur Kenntlichkeit entstellt, klären besser über das Wesen des Faschismus auf als die ganze archivarische Akribie eines Reinhard Kühnl: Der autoritäre Staat ist die staatgewordene Bewegung.

Gerade jene Kombination von Kontrolle und Kampagne kennzeichnet wieder den nachkorporatistischen Postfaschismus, dessen Exponenten Schröder wie Haider sind — was nicht heißt, daß der korporatistische Postfaschismus im Grunde ganz anders gewesen wäre: Das Maß und die Frequenz der Mobilisierung aber hängt ab a) von der Größe des zu verteilenden Kuchens wie b) vom Maß der Internalisierung des Faschismus im je einzelnen. Im „schlanken“ Postfaschismus ist a) geschrumpft und b) gewachsen — beides bedingt sich gegenseitig. Der Notstand ist permanent, ohne eines Ermächtigungsgesetzes noch zu bedürfen. Die „einzelnen Volksteile“, gegen die er in medialer und nicht mehr legalistischer Weise ausgerufen wird, befinden sich ohnehin bereits im Visier des „Ganzen“, so daß der Staat nicht mehr den Notstand in Szene zu setzen gezwungen ist, sondern ihn als permanenten moderiert, also die Hunde an die Kette nimmt oder von ihr läßt — und nur bei Bedarf im Namen des Volkes in Gesetz und Verordnung gießt. Recht haben die Kommentatoren, die stolz darauf verweisen, daß der deutsche Herbst sich heute so nicht wiederholen könne: Er hat nämlich bis heute nicht mehr geendet.

Dieser Mechanismus ist soweit verselbständigt, daß selbst Neo-Nazis, die doch wie kaum jemand sonst die sogenannten „Angste und Sorgen der Bürger“ tatkräftig ventilieren, zum Objekt einer solchen Kampagne „negativer Integration“ stilisiert werden können, wiewohl sich natürlich das Jagdfieber im Vergleich zu den Extremistenjagden der 70er in Grenzen hielt. Dafür, daß Postfaschismus als gesellschaftlich internalisierter und habitualisierter Faschismus beschrieben werden kann, spricht nicht nur, daß der Verfolgungs-Affekt, der sich in Windeseile in politische Kampagnen umsetzt, sich mittlerweile sogar gegen offen bekennende Faschisten richten kann. Auch spricht dafür, daß tatsächlich die einzig gefürchtete Opposition, der Massenzuspruch zugetraut wird, die der Neonazis ist: Denn sie richtet sich nicht gegen den autoritären Staat, sondern fordert nur sein volkstümliches Idealbild ein — Vollbeschäftigung und Rassereinheit. Ein überschießendes Engagement, das prinzipiell als wünschenswert und integrationsfähig erscheint, soweit es seinen Wunsch nach traditioneller faschistischer Durchorganisierung der Gesellschaft auf realistische Größenordnungen herunterschraubt und das Verfolgen von „Asseln“, „Zecken“ und Ausländern dem Souverän überläßt; nur als Belohnung für ein an sich wünschenswertes Engagement läßt sich das neu aufgelegte Aussteigerprogramm der Bundesregierung lesen: 50.000 Mark allein dafür, daß man von der selbstgemachten „Nationalen Revolution“ auf das Mitmachen der anstehenden „Nationalreformen“ herunterschraubt.

III.

Eine unsererThesen war, daß in der Popularität Haiders und seiner Parolen, die auf Verunmittelbarung von Herrschaft und Deregulation hinauslaufen, sich ursprüngliche, konstitutive Züge des Nationalsozialismus zeigen, ohne sein historisches Gepräge noch annehmen zu müssen — Züge, die auch der wohlfahrtsstaatliche Postfaschismus nie abgelegt hatte, wiewohl sie in ihren Erscheinungsformen gleichsam gezügelt waren. Das läßt sich u.E. an der ungebrochenen Aussagekraft des 1939 erschienenen Textes von Horkheimer über die „Juden und Europa“ zeigen, der auch den legendären Satz enthält, daß vom Faschismus nicht reden solle, wer vom Kapitalsmus schwiege — Horkheimers Beobachtungen werden mir als Leitfaden für die folgenden Ausführungen dienen.

Viel, auf den ersten Blick Stichhaltiges, ist gegen Horkheimer eingewandt worden. Gewiß hatte er das mörderische Nicht-Aufhören-Können des staatlich organisierten Antisemitismus unterschätzt, ebenso wie den Durchhaltewillen der Deutschen im kommenden Krieg; Fehleinschätzungen, die aber bloß zeigen, daß die Grundlagen wenigstens noch instrumenteller Vernunft bereits stärker unterhöhlt waren als selbst die finsteren Prognosen Horkheimers diesen selber 1939 ahnen ließen.

Von Böswilligkeiten, die dem Mitverfasser der „Dialektik der Aufklärung“ dies zum Vorwurf machen, und zu denen sich neuerdings leider auch Eckhard Henscheid herbeiläßt, [1] abgesehen, lautet die zentrale Kritik, wie sie exemplarisch Brick und Postone formulierten, in etwa so: Weil Horkheimer die auch im Nationalsozialismus kontinuierenden Widersprüche, die sich aus der politischen Ökonomie ergeben, für im schlechten Sinne des Staatskapitalismus aufgehoben erkläre, sei er in ausweglosen Pessimismus verfallen. Sicher klingen Sätze wie „Die Ökonomie hat keine selbständige Dynamik mehr. Sie verliert ihre Macht an die ökonomisch Mächtigen.“ schräg; gewiß wäre einzuwenden, daß das Kapital sich von der eigenen Krisenhaftigkeit nicht emanzipiert; gewiß wäre zu kritisieren, daß Pollocks Theorie des krisenfreien Staatskapitalismus so unhaltbar ist, wie sie sich auf Horkheimer bezieht. Pollocks Schlußfolgerung teilt Horkheimer aber gar nicht in der unterstellten Form; was klar wird, wenn man sich den Kontext des eben zitierten Satzes vor Augen führt:

„Aber die totalitäre Ordnung ist nichts anderes als ihre Vorgängerin, die ihre Hemmungen verloren hat. Wie alte Leute zuweilen so böse werden, wie sie im Grunde immer waren, nimmt die Klassenherrschaft am Ende der Epoche die Form der Volksgemeinschaft an ... Die Vermittlung wird jetzt abgeschafft. Der Faschismus ist die Wahrheit der modernen Gesellschaft, die von der Theorie von Anfang an getroffen war. Ihn zu erkennen, bedarf es keiner Revision der ökonomischen Theorie. Der gleiche und gerechte Tausch hat sich selbst ad absurdum geführt und die totalitäre Ordnung ist dies Absurdum.“ (8, 116) Horkheimer trifft damit etwas, was seine wohlfeilen Kritiker verfehlen. Jene schließen aus der durchaus richtigen Feststellung, daß es nach wie vor die Abstraktionen sind, die die Menschen, auch die Mächtigen, beherrschen, durchaus falsches. Nämlich, daß der Kapitalismus immer mit sich identisch ist, daß die Chancen der Revolution immer gleich gut sind, daß die sogenannten Neuen Sozialen Bewegungen einen adäquaten Ersatz für die revolutionären, proletarischen Bestrebungen des 19. Jahrhunderts darstellen, wie es Postone in „Time, Labour and Social Domination“ anklingen läßt, und daß, zu schlechter Letzt, der Faschismus kein Einschnitt in das business as usual war, sondern gerade einmal ein Ausrutscher oder gar eine Art Preis des Fortschritts hin zur „absoluten Schranke“ des Kapitals.

Dagegen erfaßt Horkheimer den Charakter des epochalen Wandels des Kapitalismus von Liberalismus in Faschismus, die Übersetzung des planlos-anonymen Marktgeschehens in unmittelbare Herrschaft; ein Wandel, der so weit geht, daß dieses Geschehen überhaupt nicht mehr als solches, sondern nur noch durch seine Übersetzung in Herrschaft erscheint, die bewußt — nicht im Sinne von aufgeklärt, sondern absichtlich und planmäßig — auf die vermaßten Einzelnen wirkt.

„Die Ausbeutung reproduziert sich nicht mehr planlos über den Markt, sondern in der bewußten Ausübung der Herrschaft. Die Kategorien der politischen Ökonomie: Äquivalententausch, Konzentration, Zentralisation, sinkende Profitrate haben heute noch reale Gültigkeit. ... Sie (die Ökonomie) ist jedoch in die Praxis planmäßiger Gewalt eingegangen, die die sozialen Gegensätze unmittelbar zu meistern sucht.“ (Horkheimer: Die Juden und Europa, in: Zeitschrift für Sozialforschung, Reprint München 1980, Bd. 8, 122) Dadurch daß alles gleich bleibt, die abstrakte Herrschaft der Kategorien der Politischen Ökonomie, ändert sich alles, allem voran die Form dieser abstrakten Herrschaft, die so total wird wie der Sachzwang des hoch zusammengesetzten Kapitals. Die Einheit von Ohnmacht gegenüber der Abstraktion und Willkür in der Konkretion, die das Herrschaftspersonal des Faschismus von Anfang an kennzeichnete, wird so ein beständiger Grundzug. Die permanente Krise, die nicht zum Ausbruch kommen darf, übersetzt sich in politische Übersprungshandlungen, die kraft eigener Dynamik stets zum blanken Terrorismus tendieren: Personen sind es, die das Apersonale, die Krisenhaftigkeit der Selbstannihilation der Ware Arbeitskraft an Personen abreagieren — ob die Objekte solcher Willkür noch überhaupt in einem begründbaren Zusammenhang mit der Handlung stehen, ist uninteressant: Wer Jude und damit „unser Unglück“ ist, bestimme ich, hieß es bei Hitler, bei Fischer heißt es, daß Milošević schuld an der Verelendung in Ex-Jugoslawien sei, für Schröder drücken die Arbeitslosen die Wachstumsraten der Wirtschaft: „Die Freiheit der Führer ist Trug wie die des Geschäftsmanns; wie er vom Markt abhing, hängen sie von blinden Konstellationen ab.“ (8, 126)

Jedes in der einstmals abgetrennten Sphäre der Ökonomie auftretende Problem ist ein unmittelbar politisches geworden; aus dem je individuellen Scheitern bereitet die faschistisch formierte Gesellschaft, in der die Angst vor der Überflüssigkeit Volk und Herrschaftspersonal zusammenschweißt, eine Katastrophe, die die so geschaffene Mehrheit einer Minderheit bereitet und zufügt: „Die soziale Herrschaft, die mit ökonomischen Mitteln nicht zu halten war,“ sagt Horkheimer in Vorausblick auf das Scheitern sämtlicher New Deals, wenn sie sich nicht zu Kriegswirtschaften umstellten, „weil das private Eigentum sich überlebt hat, wird mit direkt politischen fortgesetzt. Diesem Zustand gegenüber repräsentiert der Liberalismus noch in seiner Verfallsform das grösstmögliche Glück der grösstmöglichen Anzahl. Denn die Menge des Ungliücks, das die Majorität in den kapitalistischen Mutterländern erlitt, ist kleiner als die heute auf die verfolgten Minderheiten konzentrierte.“ (8, 121)

Ökonomische Bedrohung oder gar Scheitern wird nicht mehr als Einzelschicksal vor einer anonymen Instanz erlitten, sondern nur noch im Kontext mit dem Staat. Er ist es, der die Unterstützung kürzt, er ist es, der auf Abschaffung des Tarifsystems drängt; er ist es aber auch, der zur Behebung der Mißstände angerufen wird, sprich, „um die Menge des Unglücks“ auf Ausgewählte zu konzentrieren. Nicht auf eine Beschneidung dieser Funktion zielt denn auch die anti-etatistische Rhetorik des neoliberalen Faschismus, sondern auf die Reinigung des Staatshaushaltes von zögerlichen Elementen, die die barbarische Krisenlösung behinderten, und von parasitären Kostgängern. Eine Mehrheit drängt es zur Wiederholung — ob in Haiderscher oder anderer Form ist dahingestellt: Herrschaft soll wieder so unmittelbar werden, wie sie es zu Zeiten der deutschen Arbeitsfront schon einmal war; allerdings in einer sehr viel „individuelleren“, flexibleren Auffächerung: Von ungarantierter Beschäftigung, über den Dumpinglohn bis hin zur durchaus traditionellen Zwangsarbeit für die Gemeinschaft:

„An Stelle des Tausches mit der Arbeit tritt das Diktat über sie. Waren die Massen in den letzten Jahrzehnten aus Kontraktpartnern Bettler, Objekte der Fürsorge geworden, so werden sie jetzt unmittelbar Objekte der Herrschaft. Im vorfaschistischen Stadium bedrohten sie die Ordnung ... Im Spätkapitalismus verwandeln sich die Völker zuerst in Unterstützungsempfänger und dann in Gefolgschaften.“ (8, 119) „Zuerst“ will sagen, daß es ohne Unterstützung sicherlich keine Gefolgschaft gegeben hätte, daß die Gefolgschaft aber gekündigt würde, nur weil die Unterstützung karger wird, folgt daraus mitnichten. Der Staat ist tatsächlich nach dem epochalen Zusammenbruch des mehr oder weniger ungesteuerten Marktes zum „Lebensmittel“ geworden; daran ändert nichts, ob dieses Lebensmittel nun Eintopf oder bloß Wassersuppe ist; nicht einmal, daß man für die Wassersuppe sich in den Schützengraben begeben muß, ändert mehr etwas an der Verstaatlichung der Subjekte, die — nota bene — ihrem eigenen, unmittelbaren Bedürfnis entspringt. Die Zwanghaftigkeit dieser Verstaatlichung, die Gewißheit, daß allein die staatliche Handlungsfähigkeit und nicht mehr das Vertrauen in die eigene Verkaufbarkeit die Existenzgarantie noch gewährt, hat sich in einem Maße habitualisiert, daß die Kürzung der staatlichen Alimente relativ klaglos hingenommen wird. Das, was noch interessiert, womit diese Kürzung, siehe Haider, bestens verkauft werden kann, ist das Versprechen, daß die lästigen Mit-Esser vom Tisch verjagt werden. Je erschütterter das Vertrauen in die eigene Verwertbarkeit, desto polternder nicht nur das Beharren auf nationaler, rassischer Zugangsberechtigung, sondern auf der eigenen Solidität, die Fähigkeit des kleinen Mannes zur harten Arbeit und Opferbereitschaft. Zwang soll wieder alle von Bluts wegen Gleichen zu Arbeitstieren machen, und alle diesem Zusammenhang Fremden ungleich halten, was auch für die gilt, die ihr durch Parasitismus verwirkt haben: Faulenzer, Penner und Subventionsbezieher, die nichts Erbauliches für die Gemeinschaft liefern, Kunstbaggage und jüdische Gemeinden sowieso; aber auch Beamte und Funktionäre, die im Auge des Neiders ihre soziale Sicherheit auf Kosten „unserer“ Unsicherheit behaupten. Daß man die einen nur beschimpfen, die anderen aber verfolgen soll, versteht sich für den autoritären Charakter von selbst.

Erwischen soll es die, denen man unterstellt, sie lebten besser, sie sonnte sich in unverdientem „Glück“; als logische Verlängerung des im deutschen Wohlstandsschlager romantisierten „Vagabunden“ oder „Zigeunerjungen“ neidet man noch dem offensichtlich Armen seine Beschäftigungslosigkeit. Friedrich Merz kann sich des Beifalls sicher sein, wenn er diese „Glücklichen“ sogar aus dem bürgerlichen Verkehr, der Teilhabe am allgemeinen Äquivalent ausschließen möchte und ihnen nur noch Lebensmittelgutscheine statt Geldleistungen gönnt, wie jetzt schon den Asylbewerbern. Ein ähnliches „unverdientes Glück“ wittert man aber ausgerechnet auch bei den Kujonierern solcher Parasiten, den Beamten des Öffentlichen Dienstes, deren Existenzsicherheit als genauso parasitär am Staat angesehen wird wie das vom Staat verwaltete und alimentierte Elend: Dem Steuerrebell, der gegen Korruption und Verschwendung sich wendet, ist jede Mark zuviel, die in derlei Usurpatoren gesteckt wird. All das ist ihm Betrug an der Gemeinschaft, deren innerer Kitt das neidvolle Wachen darüber ist, daß ja keiner aus der Phalanx des Unglücks sich davonstiehlt — eine gemeinsame Lehre aus dem deutschen Parteienskandal und dem Aufstieg der FPÖ. „Die Unteren dürfen nicht zu glücklich werden, sonst hören sie auf, Objekte zu sein. Die Wut aber, die durch das Elend erzeugt wird, die tiefe, inbrünstige, geheime Wut der an Leib und Seele Abhängigen betätigt sich dort, wo Gelegenheit ist, also gegen das Schwache und Abhängige selbst.“ (8, 132) — und ist es das nicht von vorneherein, wird es dazu gemacht. Das ist das Un-Wesen der „negativen Integration“, die man als gemeinsamen Willen zum Unglück beschreiben könnte. Er ist die Basis des Bündnisses von Mob und Elite: Letztere weiß diese Vorgabe sehr wohl zu nutzen, um Hemmnisse auf dem Sparkurs hinfortzuräumen, die Zustimmung zum Terror gegen die besonderen Volksteile in die „Gesundung“ des Staatshaushaltes umzumünzen. Aus einer im April veröffentlichten Untersuchung geht hervor, daß 1994 in Deutschland erst 33% der Bevölkerung davon überzeugt waren, daß der, der nicht arbeite,auch nicht arbeiten wolle, während 2001 über 60% dies zu Protokoll gaben.

Der neuerdings offen ausgestellte Pseudo-Individualismus ist kein Zeichen dafür, daß der Faschismus sich demokratisiere oder gar mit dem Liberalismus aussöhnen müsse, sondern bringt offener denn je ans Tageslicht, was den Faschismus von jeher auszeichnete: Daß seine Massenverbände, genau wie das eben beschriebe Bündnis von tiefer und allseitiger Feindseligkeit bestimmt werden. Der Konkurrenzkampf aller gegen alle geht weiter nicht nur mehr im Sinne eines objektiven Schicksals, sondern im Sinne subjektiv ausgeübter wie erlittener Willkür, als die die Ohnmacht gegenüber dem objektiv sich vollziehenden Verhängnis auftritt; der neueste Faschismus muß im Gegensatz zu seinen Vorläufern nur weniger so tun, als ob er die eigenen traditionellen Lügen von Solidarität und nationaler Geborgenheit noch glauben würde. Er ist so selbstverständlich geworden, daß er seine Geschäftsgrundlage, die willkürliche Selektion, offen preisgeben kann, ohne noch wie sein historischer Vorgänger Mimikry an die Solidarität einer revolutionären Bewegung betreiben zu müssen. Gerade die wachsende Gleichheit derer, die um die Vernutzung ihrer Arbeitskraft zu einem existenzsichernden Preis ringen, setzt die Willkür der Selektion von Staats wegen in den 90er Jahren in fast vergessene Kraft.

„Die Lüge von der Gerechtigkeit ... die Lüge von der freien Bahn, die Lüge vom Gottesurteil des Erfolgs sind durchsichtig geworden“‚ aber so zwingend wie je, denn „die Bürokratie entscheidet über Leben und Tod. Sie schiebt die Verantwortung für das Scheitern von Existenzen nicht wie die alten Kapitalisten auf Gott, sondern auf staatliche Notwendigkeit.“ Horkheimer erkannte den zutiefst asozialen Charakter, der den Zwangsverbänden des NS eignet und der in der Hierarchisierung und Organisation des sozialen Abstiegs à la Schröder und Haider offen sich als „Demokratisierung“ zeigt: Sehnsucht nach unmittelbarer Herrschaft und Lust am Abschuß gerade dessen, der einem zutiefst in Überflüssigkeit und Austauschbarkeit ähnlich ist.

[1Henscheid E.: Die Nürnberger Rassengesetze. Sowie ihr Echo bei der Kritischen Theorie, in: Ders./G.Henschel: Jahrhundert der Obszönität, Berlin 2000, S. 181.

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