radiX, Nummer 4
Oktober
2000

Vorsicht, Überwachungsstaat!

Im Juli wurden neue Überwachungsgesetze verabschiedet, die den beiden österreichi­schen Geheimdiensten weitreichende Rechte einräumen. Sie erhalten sozusagen die Funktion einer militärischen Staatspolizei.

Bereits seit dem 1. Mai können private Unternehmen MitarbeiterInnen und JobbewerberInnen (!) für 3.400 bis 10.200 Schilling von der österreichischen Staatspolizei auf ihre politische Zuverlässigkeit hin durchleuch­ten lassen. Solche Tests sind für ExekutivbeamtInnen schon seit längerem Praxis, auch BeamtInnen in höheren Positionen sollen in Zukunft routinemäßig abgecheckt werden. Dafür müssen die Betroffenen selbst einen Fragebogen ausfüllen, dessen Angaben dann sicherheitspoli­zeilich überprüft werden. Theoretisch kann das Ausfüllen eines solchen Tests verweigert werden — wie gut dann aber die Chancen sind, den Job zu bekommen, kann sich jedeR vorstellen.

Die im Juli beschlossenen Änderungen des Sicherheitspolizeigesetzes und das neue Militärbefugnisgesetz erlauben den Geheimdiensten nun massivste Eingriffe in das Privatleben. Während für polizeiliche Lauschangriffe bislang das Einverständnis eines Richters benötigt wurde, entscheiden die ermittelnden BeamtInnen nun selbst, ob sie abhö­ren und filmen oder nicht.

Zum „Zwecke der nachrichtendienstlichen Aufklärung“ werden sie nun dazu ermächtigt, Observationen, Lausch- und Videoangriffe (!) durchzuführen und verdeckt zu ermitteln — z.B. bei einer angeblichen Gefährdung der militäri­schen Sicherheit. Bürgermeister und Behörden müssen den GeheimdienstlerInnen auf Verlangen falsche Papiere ausstellen, Gebietskörperschaften (Krankenkassen ...) Daten herausrücken. Und als ob das noch nicht reicht, wird den GeheimdienstlerInnen in den Gesetzeserläute­rungen „das Ermitteln von Autoren, die sich kri­tisch bzw. teilweise negativ mit dem Bundesheer auseinandersetzen“ (Format 27/2000) nahege­legt. Eine kritische Meinung zum Bundesheer als Freibrief für den Lauschangriff und sogar Videoüberwachungen — na dann Prost! Weiterhin empfiehlt der schwarzblaue Gesetzgeber die „Beobachtung von einzelnen Aktivitäten als auch die Beobachtung von (politischen) Gruppierungen, die sich unter anderem gegen die militärische Landesverteidigung richten bzw. die­ser kritisch gegenüber stehen“, (ebenda) Daß dies die Geheimdienst-Überwachung so ziem­lich aller linken Gruppen miteinschließt, muß da wohl nicht extra dazugesagt werden. Dagegen werden rechtsextreme Militärfanatiker von der Geheimdienstüberwachung wohl nicht betroffen sein.

Einzige Kontrolle für die Überwachungswut der Geheimdienste ist ein zahnloser „Rechtsschutzbeauftragter“. Und das bei Geheimdiensten, die sich selbst der parlamentari­schen Kontrolle entziehen! Nicht einmal dem zuständigen Untersuchungsauschuß sind konkre­te Zahlen über die Anzahl der MitarbeiterInnen bekannt, das Geheimdienstbudget ist im Verteidigungshaushalt nicht extra angeführt und somit unbekannt. Bedenkt man noch dazu, dass einige Nachrichtendienstler ein Naheverhältnis zur FPÖ haben, ein Heeresgeheimdienstler für die FPÖ im Parlament sitzt und der Verteidigungsminister Scheibner ebenfalls ein FPÖler ist, dann ist das nicht gerade beruhigend für die ÜberwachungskritikerInnen. Scheibners Pressesprecher ist übrigens nach dem Kriegsmaterialgesetz verurteilt und hat politisch einen eindeutig rechtsextremen Hintergrund.

Kombiniert sind die neuen Überwachungsmög­lichkeiten der Geheimdienste mit erweiterten Befugnissen für die Staatspolizei. Die Novellierung des Sicherheitspolizeigesetzes bein­haltet u.a. die „erweiterte Gefahrenforschung“. Das bedeutet nichts anderes, als dass auch die Staatspolizei lauschen und überwachen darf (das übernimmt auf Anforderung eine eigene Spezialeinheit), bevor es überhaupt zu einer Straftat gekommen ist. So kann das (politische und) persönliche Umfeld einer Person ohne kon­krete Straftat erforscht werden. Der anfänglich eindeutige Begriff „Organisierte Kriminalität“ (= nicht politisch!) wurde inzwischen gegen den Gummibegriff „Kriminelle Vereinigung“ ausge­tauscht, was einen gewaltigen Unterschied macht. Hinzu kommt, dass der Begriff „kriminelle Vereinigung“ im Gesetz nicht genauer definiert ist und daher von den BeamtInnen ausgelegt wer­den kann.

Was allerdings mindestens genauso schlimm ist, ist die nun geschaffene Möglichkeit, Informationen bei „Dritten“ einzuholen. — Stell dir vor, der nun auch politische Geheimdienst oder die Staatspolizei taucht bei deinem Nachbarn/deiner Nachbarin auf, und befragt ihn oder sie danach, was für Leute dich besuchen kommen, was du so treibst, etc. und du weißt nicht einmal etwas davon! Dem Denunziantentum wird so Tür und Tor geöffnet! Zudem besitzen die StaatsbürgerInnen nicht einmal ein Auskunftsrecht darüber, ob er/sie schon über­wacht wurde bzw. überwacht wird. Es kann doch nicht angehen, dass die BürgerInnen von ihrem Staat als potentielle VerbrecherInnen behandelt werden und der Staat deshalb so gravierende Eingriffe in das Privatleben zulässt!

Die neuen Gesetze bedeuten in der Praxis, dass die Geheimdienste Zugang zu beinahe allen Daten (außer private Firmen) bekommen, während die Kontrolle mehr als mangelhaft ist. Anfragebeantwortung von Verteidigungsminister Scheibner: „Müssen Arbeiterkammern Angaben über Betriebsräte herausrücken? Ja. Zugang auch zu den Daten der Wirtschaftskammer? Ja. Psychiatrische Anstalten? Ja. Krankenhäuser? Ja. Jugendämter? Ja.“ (profil 27/00) Gegen diese Überwachungsgelüste haben selbst der Chef der Wiener Anwaltskammer und die Präsidentin der Richtervereinigung schwere Bedenken angemel­det.

Und als ob das noch nicht reichen würde, plant Innenminister Strasser die Bildung eines Bundeskriminalamtes nach deutschem Vorbild. In ihm sollen dann ein zentraler Erkennungsdienst, DNA-Analyse, Interpol und die Sondereinheit für den Lauschangriff (SEO) zu einer Superpolizeibehörde zusammengefasst werden. Wunderbar ergänzt werden diese Überwachungs­maßnahmen durch das europaweite ENFOPOL-Abhörsystem. Big brother is watching you ...

Die beiden Oppositionsparteien SPÖ und Grüne wollen das Gesetz beim Verfassungsgerichtshof anfechten. Bleibt nur zu hoffen, dass sie Erfolg haben. Bis dahin werden die Geheimdienste wohl Daten erheben, filmen und lauschen. Selbst noch in der Regierung hatten die Sozialdemokraten das Gesetz übrigens in ähnlicher Variante begrüßt ...

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