FORVM, No. 319/320
Juli
1980

Weiße Neger

Frantz Fanon: Schwarze Haut, weiße Masken. Syndikat Verlag, Frankfurt 1980, 164 Seiten, DM 24, öS 184,80

Hundert Jahre nach Abschaffung der Sklaverei fühlen sich die Nachkommen der aus Afrika auf die französischen Antillen verschleppten Neger als Weiße. De jure sowie nach ihrem eigenen kulturell geformten kollektiven Unbewußten sind sie Franzosen. Als imaginäre Europäer sind sie Rassisten wie wir. Die Negerkinder spielen „Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann“ und verabscheuen als „Neger“ die Senegalesen.

Dieses in sich evident unwahre „weiße“ Selbstbewußtsein enthält einen Minderwertigkeitskomplex, der unter dem rassistischen Blick des Weißen in den Abgrund der Selbstverachtung fällt. Der Antillenneger erlebt sich als das, was für ihn selbst der Afrikaner war, den er verabscheut: als Neger, der die weiße Frau mit ihren geheimen Wünschen erschreckt wie der Jude den arischen Kaufmann durch die Projektion von dessen eigener Raffgier.

Dies war Frantz Fanons Friedensangebot. Es erschien 1952 in Paris. 28 Jahre dauerte es, bis es uns erreichte. Der Psychiater Fanon wendet darin europäische Begrifflichkeit originell, schlüssig und erfolglos gegen das rassistische Syndrom. 1953 wurde er Chefarzt in Algerien, ab 1956 arbeitete er für die FLN. Sein anderes Buch [1] kennt jeder, den Aufruf zur Gewalt gegen Kolonialismus und dessen Nutznießer, bevorwortet von Sartre.

[1Die Verdammten dieser Erde, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1961

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