FORVM, No. 262
Oktober
1975

Wenn die Rechten die Macht ergriffen haben ...

In einem Brief an seine Frau Chiang Ching warnte Mao Tse-tung schon zu Beginn der Kulturrevolution, daß sein Freund (gemeint ist Lin Piao) ihn nur deshalb „in den Himmel“ hebe und einen beispiellosen Personenkult um ihn entfalte (das kleine rote Büchlein „Worte des Vorsitzenden Mao Tsetung“ ist ein Werk Lin Piaos), um ihn, also Mao, als „Geistervertreiber Chung Kuei“ für seine, Lin Piaos, politische Zwecke einzusetzen.

Die Dinge gehen generell auf ihr Gegenteil zu — je höher man jemanden in den Himmel hebt, desto schwerer schlägt er auf. Ich rechne damit, mir beim Fall Körper und Knochen zu zerschmettern. Was wäre daran schon Wichtiges, die Materie ist nicht auszulöschen, sie wird nur zerschmettert.

Sie wollen die Partei und mich persönlich niederschlagen; das ist der Unterschied zwischen mir und der Schwarzen Clique. Diese Worte darf man jetzt nicht veröffentlichen. Die Linken drücken sich jetzt alle so aus. Wenn man das veröffentlichte, würde man ihnen eine kalte Dusche verpassen, das wäre eine Unterstützung für die Rechten. Unsere jetzige Aufgabe heißt, die Rechten in der ganzen Partei und im ganzen Land zu einem Teil (vollständig ist unmöglich) niederzuschlagen, nach weiteren sieben oder acht Jahren kann man erneut eine Kampagne starten und die Rinderteufel und Schlangengeister hinwegfegen, später muß so etwas noch viele Male durchgeführt werden. Zu welcher Zeit man diese Worte veröffentlichen kann, läßt sich jetzt noch nicht fest sagen, weil die Linke und die breiten Massen über meine Worte nicht sehr erfreut sein würden. Möglicherweise kommt ein passender Zeitpunkt nach meinem Tode, wenn die Rechten die Macht ergriffen haben; sollen sie sie dann ruhig veröffentlichen! Die Rechten werden diese Worte von mir benutzen, um für immer die Schwarze Flagge zu hissen, doch wenn sie so verfahren, wird ihnen das nicht gut bekommen.

Mao Tse-tung
8. Juli 1966
Helmut Martin: Mao intern
München 1974 (Hanser), S. 192ff
Mao Tse-tung und seine Frau Chiang Ching (194?)
Nach diesem Kalender Maos wäre 1973/74 eine neue Kulturrevolution fällig gewesen. Die „Pi Ling Pi Kong“-Kampagne könnte der Auftakt dazu sein. Die Klassenkämpfe von Volkschina zeigen einen langfristigen Rhythmus: große Wendungen im Abstand von acht bis zehn Jahren (Sieg und Staatsgründung 1949, Großer Sprung 1958, Kulturrevolution 1966), davor kleinere Wellen im Abstand von zwei bis drei Jahren, die meist die Funktion haben, die großen Wenden vorzubereiten (Kollektivierungskampagne 1955/56, Unterdrückung der Rechtselemente nach der Hundert-Blumen-Kampagne 1957, maoistische „Literaturkritik“ 1965, Kritik an Konfuzius und Lin Piao 1973/74).
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