MOZ, Nummer 43
Juli
1989

Wer ist Vizeleutnant Schwarz?

Österreich hat zwei militärische Geheimdienste — einer ist „rot“-dominiert, der andere „schwarz“. Der Staat hat ihre Aufgaben zwar streng getrennt, aus politischem Mißtrauen tun die einen aber auch den Dienst der anderen. Ein Fallbeispiel.

Die General-Körner-Kaserne: Sitz des Heeresnachrichtenamtes
— ihre Umzäunung darf keine Lücken haben.
Bild: Bundesministerium für Landesverteidigung

Offiziell wird er in einem Amt des Bundesministeriums für Landesverteidigung eingesetzt. Finden kann man seinen Namen dort allerdings auf keiner Liste.

In der Öffentlichkeit tritt er als Vertreter des Militärkommandos Wien auf. Der Telefonistin in der Wiener Radetzky-Kaserne, Sitz desselbigen Kommandos, ist er hingegen unbekannt: „Bei uns ist der nicht.“

Tatsächlich zu finden ist er im „Kommandogebäude General Körner“ in der Wiener Hütteldorferstraße. Dort logiert neben dem Armeekommando auch der Dienstgeber des Vizeleutnant Schwarz, der militärische Geheimdienst „Heeres-Nachrichtenamt“.

Seine dortige Tätigkeit fällt unter den Bereich militärischer Geheimhaltung — dementsprechend kurz werden Fragen beantwortet. „Ich gebe grundsätzlich keine Statements ab“, meint Schwarz selbst. Und der Mann, dem das Telefon mit der Klappennummer 8271 gehört (Namen hat er keinen, Sie wissen, Geheimdienstler müssen ihre Identität immer verbergen!), sagt mir „ganz sicher nicht, wo er tätig ist“.

Aufgefallen war der HNA-Beamte bei einer Diskussionsveranstaltung einer Wiener Friedensinitiative. Vor Beginn der Veranstaltung erwähnte er gegenüber der Moderatorin, der AHS-Professorin Brigitte Bannert, wie beläufig, daß er ja wisse, daß sie schon einmal Probleme mit dem Bundesheer hatte. Frau Bannerts Überraschung wuchs, als sie im Zuge des Gesprächs bemerkte, daß der Vizeleutnant, der sich als Vertreter des Militärkommandos Wien vorstellte, sehr detailliert über eine Auseinandersetzung, die sie im Jahre 1984 anläßlich einer Waffenschau mit Soldaten führte, Bescheid wußte.

Auch Kurt Wegscheidler, der als Obmann der „Vereinigung Demokratischer Soldaten Österreichs“ an der Diskussion teilnahm, hatte ein „déja-vu“Erlebnis: Schwarz war ihm am Tag zuvor als aufmerksamer Zuhörer bei einem Vortrag, den er zum Thema „Soldatenbewegung in Westeuropa“ hielt, aufgefallen. Und bereits 14 Tage später sollte er ihn neuerdings treffen — wieder war Wegscheidler Referent, wieder Schwarz Lauscher im Publikum.

Zufall oder Absicht?

Wie kommt nun ein „Heeresschnüffler“ als Referent zu einer Veranstaltung der Friedensbewegung? Über das Militärkommando Wien. Dort ist Schwarz seit 1983 als Informationsoffizier bestellt, das heißt, er kann für wehrpolitische Informationsarbeit im schulischen und außerschulischen Bereich eingesetzt werden. Und als solcher, erklärt Stabswachtmeister Weber von der zuständigen Abteilung „S 5“, hat er auch an besagter Diskussion teilgenommen. Die ganze Geschichte sei sehr kurzfristig gelaufen, Frau Bannert habe ein, zwei Tage vor der Veranstaltung angerufen und jemanden gesucht, und da habe man, so Franz Weber, herumtelefoniert, „und der Blacky Schwarz hat halt Zeit gehabt und hat sich bereit erklärt, dorthin zu gehen“. Es sei „reiner Zufall“, wenn ein Nachrichtendienstler als Infooffizier zu einer Veranstaltung entsendet wird, assistiert Oberstleutnant Steiner, Leiter der Abteilung „S 5“.

Doch so zufällig kann die Entsendung des „Blacky“ nicht sein. Frau Bannert hatte nämlich bereits zwei Wochen vor der Veranstaltung um einen Referenten angefragt, es kam auch zu einigen Telefonaten zwischen ihr und den Leutnants Murhammer bzw. Call. Diese hatten sich erkundigt, wer noch eingeladen sei, denn „vielleicht kennen wir jemanden, und dann können wir uns darauf einstellen“, erinnert sich die Organisatorin an das Gespräch. Die Darstellung des Stabswachtmeisters Weber, daß nur Schwarz verfügbar gewesen sei, wird noch unglaubwürdiger, wenn in Betracht gezogen wird, daß beim Militärkommando Wien immerhin 212 Informationsoffiziere bestellt sind.

Doch für Schwarz, so kontert Weber, habe auch gesprochen, daß er „einer der besten und erfahrensten Infooffiziere ist“ — allein heuer habe er schon drei ähnliche Veranstaltungen bestritten. Wann und wo, kann der Stabswachtmeister leider nicht sagen — „ich führe da nur eine Stricherlliste“. An anderer Stelle aber, wo über die Tätigkeit der Infooffiziere genauer Buch geführt wird (dort nämlich, wo sie ihren Anspruch auf Aufwandsentschädigung geltend machen können), ist zu erfahren, daß Schwarz in den letzten beiden Jahren keine Veranstaltung verrechnet hat.

„Man kennt Sie doch!“

Die Abteilung „S 5“ hält es für „nicht bedenklich“ (Steiner), daß ein Geheimdienstler als Infooffizier eingesetzt wird. Auch das genaue Wissen um das politische Vorleben der Frau Bannert überrascht Oberstleutnant Steiner nicht: „Die Bannert, die kennt man doch!“

Ob das Wissen um eine Person, die sich politisch bisher nicht exponiert hatte, nicht eher auf Aktenkenntnis denn auf allgemeine Bekanntheit zurückzuführen ist? „Tun’S mich nicht verhören. Man kennt sie halt. Genauso, wie man Sie schön langsam kennen lernt“ (Steiner).

Informationsoffiziere erstatten nach getaner Arbeit Bericht. Hiezu sind Formulare auszufüllen, wobei allgemeine (Teilnehmerzahl, Thema des Vortrages), etwas speziellere („Schwergewicht des Interesses — männlich/weiblich“) und ganz spezielle Fragen („Besonders kritische Aussagen“, „Beurteilung der Situation innerhalb der Schule“) zu beantworten sind. Schwarz füllte den Bogen aus, erstattete darüber hinaus noch mündlichen Bericht und legte — nach eigenen Angaben einem Kollegen (oder Kameraden, je nach Diktion) gegenüber — „ein Karteiblatt“ an.

Brigitte Bannert, der dies zu Ohren kam, wandte sich an den Volksanwalt. Auf sein Anraten erbat sie vom Heeres-Nachrichtenamt Auskunft, ob über sie ein Akt angelegt wurde. Eine Antwort hat sie bis dato nicht erhalten.

Ist die Darstellung, der Geheimdienstler wäre zufällig Gesandter des Militärkommandos Wien geworden, also unglaubwürdig, stellt sich die Frage nach den tatsächlichen Motiven.

Eine persönliche wie politische Freundschaft zwischen Weber und Schwarz könnte da mitgespielt haben. Ersterer ist Chefredakteur der Zeitung „Der Kamerad“, Organ des „Österreichischen Kameradschaftsbundes“, in der „rechtsextreme Einflüsse sichtbar“ sind, wie das Handbuch „Rechtsextremismus in Österreich“ anmerkt. In der Ausgabe „5/89“ gratuliert „Der Kamerad“ dem neugewählten Präsidenten der Wiener Unteroffiziersgesellschaft, Vizeleutnant Walter Schwarz, und hofft „auf gute Zusammenarbeit“. Dieser wiederum hat sich schon mehrmals als Verfechter einer soldatischen Tradition jenseits politischer Inhalte hervorgetan und etwa seinen Vater, der in der Hitler-Wehrmacht diente, als „Vorbild“ bezeichnet.

Der Dienst im Dienst

Für die Entsendung von Walter Schwarz dürfte aber seine tatsächliche Tätigkeit im Heeresnachrichtenamt Ausschlag gegeben haben.

Dort ist er in einer Abteilung beschäftigt, die es offiziell gar nicht gibt und somit absolut keiner Kontrolle unterliegt. Das HNA besteht auf dem Papier aus vier Abteilungen: Der Fernmeldeaufklärung und der Informationsabteilung (für die Informationsbeschaffung im Ausland zuständig), der Auswertungsabteilung und der Abteilung für Recht und Ausbildung. Diese vier Abteilungen sind in einer horizontalen Struktur angelegt, ihnen übergeordnet ist offiziell nur der Leiter des HNA, Divisionär Ulrich.

Tatsächlich aber wurde 1981 — noch in Zeiten sozialistischer Alleinregierung — zwischen dem Leiter und den vier genannten Bereichen eine Führungsabteilung etabliert, die offiziell niemals genannt wurde und deren Existenz auch heute noch geleugnet wird.

Dieser „Dienst im Dienst“ funktioniert als „clearing-committee“ — dort wird entschieden, welche Berichte nach „oben“ also an die politisch Verantwortlichen — gehen, dort werden Aufgaben, für die es keinen gesetzlichen Auftrag gibt, koordiniert und durchgeführt. Die Führungsabteilung arbeitet mit einem Budget von 25 Millionen Schilling jährlich, und einer ihrer zwanzig Mitarbeiter ist Vizeleutnant Schwarz.

Insider wissen, daß die Führungsabteilung politische AktivistInnen, insbesondere natürlich Linke und AntimilitaristInnen, beobachtet und Akten über sie anlegt. Würde diese Vermutung zutreffen, hätte das Heeresnachrichtenamt für seine Spitzeltätigkeit keinerlei rechtliche Deckung. Denn seit der Trennung des Heeresnachrichtendienstes im Jahre 1985 in zwei Dienste (Heeresnachrichtenamt und Heeresabwehramt) obliegt diese Tätigkeit („Spionageabwehr“) dem Abwehramt. Dieses ist im Verhältnis zum Nachrichtenamt wesentlich kleiner, hat weniger Budget und ist vorwiegend mit SPÖ-Beamten besetzt. Das HNA hingegen ist — trotz „rotem“ Leiter — von Kartellverband und Hardcore-ÖAABlern dominiert.

Militärs und Militärpolitiker trauen nun der „roten“ Spionageabwehr im Heeresabwehramt (HAA) nicht, weshalb sie sich lieber aus dem Nachrichtenamt mit Informationen versorgen lassen. Und genau darin liegt der Aufgabenbereich der geheimen Führungsabteilung.

Ihr ehemaliger Leiter, Thomas Mais, der im Lucona-Ausschuß wegen der angeblichen Vernichtung von Aktenbergen verhört wurde, gilt als Intimus von Verteidigungsminister Lichal. Und auch Schwarz werden gute Beziehungen sowohl zu Mais als auch zu Lichal nachgesagt.

Und damit könnte sein Auftreten bei oben genannter Veranstaltung in einem völlig anderen Kontext stehen: Demnach wäre seine Aufgabe nicht nur gewesen, wehrpolitische Bildungsarbeit durchzuführen, sondern auch das, was landläufig „Bespitzeln“ genannt wird: Informationen über Leute, die dem Bundesheer kritisch oder ablehnend gegenüberstehen, zu sammeln und zu katalogisieren. So würde auch das Karteiblatt, von dem Schwarz sprach, seinen Sinn bekommen.

Im Ministerium ist man über den Fall äußerst unglücklich. „Er hätte dann eine dienstliche Funktion, die eigentlich etwas anderes von ihm verlangt als seine außerdienstliche Tätigkeit als Informationsoffizier. Möglicherweise gibt es Menschen, die das sauber trennen können, aber es ist sicher nicht gut, wenn jemand aus diesem Bereich Infooffizier wäre“, meint der Pressesprecher Sartorius-Thalborn betont vorsichtig.

Die Tage des Vizeleutnants Schwarz im Heeresnachrichtenamt könnten somit gezählt sein. Nicht nur, daß Sartorius-Thalborn der Sache nachgehen will. Es weiß auch jedes Kind, daß es das Wesen eines Geheimdienstlers ist, seine Tätigkeit geheimzuhalten. Und Walter Schwarz ist ins Gerede gekommen. Vielleicht folgt er nun schon bald dem ehemaligen Leiter der Führungsabteilung, Thomas Mais, nach, der, als der Geheimdienst ihn nicht mehr wollte, ins Militärkommando Wien übersiedelte. Stabswachtmeister Weber würde sich sicher über den Zugang seines Freundes „Blacky“ freuen.

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