FORVM, No. 301/302
Januar
1979

Wir sind nicht so

Stellungnahme zu Waltraud Mayer und Katharina Riese

Der Artikel, der das Ergebnis einer Analyse der Arbeitssituation von Institutssekretärinnen durch einen Arbeitskreis „Frauen an der Universität“ sein soll, enthält eine Reihe von Vorwürfen, die sich auf das Institut für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik (IFIP) beziehen. Wir sehen uns deshalb veranlaßt, dazu folgende Stellung zu beziehen:

  1. Sekretärinnen haben keine berufsinterne Entwicklungsmöglichkeit und keine Aussicht, durch Verzicht auf Privatleben im Beruf weiterzukommen (Endpunkt der Sekretärinnenkarriere):
    Frau Mayer wurde die Möglichkeit geboten, folgende Kurse zu besuchen:
    • Sekretärinnenweiterbildungskurse des Berufsförderungsinstituts;
    • Bibliothekskurs der Österreichischen Nationalbibliothek;
    • Englischkurs.

    Ferner wurde die Anregung gegeben, einen Kurs zur Erlangung der B-Matura und damit der Erreichung einer Pragmatisierung (siehe dazu auch Punkt 2.) zu absolvieren. Die Finanzierung dieser Kurse wäre durch die aus den Einnahmen der Mitarbeiter des IFIP gespeiste Arbeitsgemeinschaft für Finanzwissenschaftliche Forschung und Information erfolgt. Frau Mayer hat von diesen Angeboten zum Großteil keinen Gebrauch gemacht — es wurde ein Sekretärinnenkurs des Berufsförderungsinstituts besucht, ein Bibliothekskurs wurde abgebrochen. Dies, obwohl der Besuch der Kurse in der Dienstzeit ermöglicht war. Auch hat Frau Mayer in den meisten Jahren ihren Gebührenurlaub, der ja auch für selbstdefinierte Bildungszwecke nützbar wäre, entgegen den wiederholten Aufforderungen des Institutsvorstands nur zögernd konsumiert.

  2. Zum Vorwurf, der Sekretärinnendienstposten wurde von b in c umgewandelt:
    Dem Institut steht laut Berufungszusage ein B-Sekretärinnendienstposten zu. Zugeteilt wurde vom Ministerium lediglich ein C-Dienstposten. Im Zuge der Anregung an Frau Mayer, die B-Matura zu erwerben, und des Angebots der Pragmatisierung wurde die Umwandlung dieses Dienstpostens in einen B-Dienstposten betrieben. Nachdem Frau Mayer in der Folge keinerlei Interesse in dieser Richtung gezeigt hat, wurde diese Umwandlung nicht mehr weiter betrieben.
  3. Zum Vorwurf der Ausnützung für unbezahlte Arbeiten:
    Frau Mayer erhielt aus dem individuellen Einkommen des Institutsvorstands und aller Assistenten aus Forschungsarbeiten (ausgenommen Dr. Spreitzhofer) alljährlich ein im voraus mit ihr fixiertes Einkommen. Dieses belief sich im Jahre 1976 auf 30.000 Schilling. Die Zusage wurde im Oktober 1977 zurückgezogen; bis dahin hat Frau Mayer im Jahre 1977 18.000 Schilling erhalten. Dieses zusätzliche Entgelt diente zur Sicherung einer marktgerechten Entlohnung für eine marktgerechte Leistung, sowohl was die Qualität der Institutsverwaltungstätigkeit als auch was qualitative und quantitative Mehrleistungen im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeiten des Instituts anbelangt (siehe dazu auch Punkte 4. und 10.).
  4. Zum Vorwurf der Überlastung mit Arbeiten an „Privatgutachten“ und der Vertragswidrigkeit des Arbeitsverhältnisses:
    1. Die Heranziehung von Institutspersonal, Institutseinrichtungen und -material zur Erstattung von Gutachten über Fragen des Fachgebiets ist rechtlich zulässig, wenn diese Gutachten im Zusammenhang mit der Lehr- und Forschungstätigkeit des Instituts stehen und wenn maximal 15 Prozent des Honorars an die Quästur abgeführt werden.
    2. Die „Expertisen“ der Assistenten und des Institutsvorstands entsprechen in allen Fällen den von der Errichtung des Instituts her vorgegebenen Lehr- und Forschungszielen und den damit konformen Ausbildungsinteressen des Instituts. Dies geht aus den Veröffentlichungslisten in den Tätigkeitsberichten des IFIP hervor. Der Satz von 15 Prozent Honorarabführung an die Quästur wurde im Institut immer eingehalten, in einigen Fällen überschritten.
    3. Zur administrativen und finanziellen Abwicklung der Forschungsarbeiten wurde von den Institutsangehörigen die Arbeitsgemeinschaft für Finanzwissenschaftliche Forschung und Information gegründet. Die Arbeitsgemeinschaft gibt auch die Forschungsmemoranden „Der öffentliche Sektor“ heraus. Zusätzlich zu den an die Quästur abzuführenden 15 Prozent der Honorare zahlen die Assistenten weitere 15 Prozent ihrer Honorare aus Gutachten und Forschungsaufträgen ein, der Institutsvorstand etwa 65 Prozent. Dieser Arbeitsgemeinschaft gehörte bis Oktober 1977 auch Frau Mayer an. Sie hat bis zu diesem Zeitpunkt administrative Tätigkeiten inklusive Buchhaltung für die Arbeitsgemeinschaft besorgt und aus den Mitteln der Arbeitsgemeinschaft die in Punkt 1. und 3. genannten Abgeltungen erhalten. Würde bei der Abwicklung der Forschungsarbeiten nicht die hier dargestellte Vorgangsweise gewählt werden, sondern die Abwicklung über die Quästur (bei einer Beauftragung des Instituts mit Forschungsprojekten), wären Zusatzhonorierungen von Institutsangehörigen (inklusive Institutssekretärinnen) über die im öffentlichen Dienst geltende Besoldung hinaus ausgeschlossen.
    4. Zusätzlich zur Abführung der Honoraranteile an die Quästur und an die Arbeitsgemeinschaft werden aus den Mitteln der Gutachtertätigkeit zur Bewältigung des größeren Teils des Arbeitsanfalls ständig eine Halbtagskraft und eine teilzeitbeschäftigte Institutsbibliothekarin (letztere teilweise aus Mitteln der Arbeitsgemeinschaft) bezahlt. Diese sind jedoch zu erheblichen Teilen mit normaler Institutsarbeit beschäftigt, die die vertragsbedienstete Institutssekretärin entlastet. Darüber hinaus werden fallweise Aushilfskräfte für Statistiken und Schreibarbeiten aus den Einnahmen der Gutachtertätigkeit bezahlt. Schließlich wird auch der dienstliche Briefverkehr der Assistenten größtenteils selbst getippt.
    5. Für Schreibarbeiten für auftragsfinanzierte Projekte (z.B. ÖROK-Gutachten, FAG-Gutachten) und aus öffentlichen Mitteln geförderte Projekte (Forschungsmemoranden „Öffentlicher Sektor“) wurde Frau Mayer extra bezahlt, wenn dies geplant außer der Dienstzeit erfolgte.
    6. Die Belastung aus Arbeiten für Forschungsprojekte dieser Art insgesamt war für Frau Mayer sehr gering, so daß für Verwaltungsarbeit ausreichend Zeit geblieben wäre.

  5. Zur Arbeitszeit:
    Die Arbeitszeit war bis 18. November 1977 so vereinbart, daß bei Bedarf von Überstunden diese durch Zeitausgleich im Durchschnitt zu regeln waren. Überdies war dafür die in Punkt 3. angeführte Abgeltung vorgesehen.
  6. Zum Vorwurf des Kaffeekochens und ähnlicher Tätigkeiten:
    Seit der Widerwille von Frau Mayer zu derartigen Tätigkeiten manifest wurde, wird sie nur in seltenen Fällen, z.B. Besuchen, um solche gebeten. Das Kaffeekochen einschließlich Besorgen von Kaffee und Kaffeefiltern usw. wird von Assistenten und Institutsvorstand, der maturierten Bibliothekskraft und der Halbtagskraft kollegial besorgt. Dies wurde auch schon in den Zeiten so gehandhabt, als sich Frau Mayer an diesen Verrichtungen noch beteiligt hat.
  7. Zum Vorwurf des Bücherschleppens:
    Der Vorwurf ist berechtigt. Allerdings war die Möglichkeit einer Taxibenützung gegen Kostenersatz gegeben. Im übrigen betrifft dieser Anlaß nicht Frau Mayer.
  8. Zum Vorwurf des Handtuchholens:
    Der Vorwurf ist berechtigt, wenngleich nicht allen Institutsangehörigen bekannt war, wo die frischen Handtücher jeweils verwahrt sind. Seit der Widerwille von Frau Mayer manifest wurde, werden die Handtücher selbst geholt.
  9. Zum Vorwurf der Besorgung von Privatangelegenheiten:
    Der Vorwurf des Schreibens eines Mietvertrags, der von einem Assistenten gefälligkeitshalber erbeten wurde, ist berechtigt. Alle anderen Angelegenheiten betreffen nicht das IFIP.
  10. Zum Vorwurf der Kreativitätsschübe:
    Dieses Phänomen gibt es in der Tat. In Kenntnis dieser Schwäche des intellektuellen Produktionsprozesses wurde auch die flexible Arbeitszeitregelung und die marktgerechte Honorierung vereinbart. Außer dem werden in solchen Fällen häufig externe Kräfte herangezogen.
  11. Zum (unausgesprochenen) Vorwurf der institutsfremden publizistischen Tätigkeit:
    Ein Problem besonderer Art stellen im IFIP Veröffentlichungen dar, die in der Übergangszone zwischen wissenschaftlicher Expertise, politischer Beratung und wissenschaftlich fundierter Parteinahme in der Öffentlichkeit liegen. Beispiele hiefür sind finanzwissenschaftlich und infrastrukturpolitisch begründete Fachaufsätze in der Tagespresse (z.B. Kleine Zeitung: Finanzkrise des Staates; Arbeiter-Zeitung: Staatsverschuldung; Energie; Die Industrie: Wie öffentliche Aufgaben besser und billiger erfüllt werden könnten). Solche Stellungnahmen mit volksbildnerischer Absicht erscheinen durchaus dienstrechtlich gedeckt. Da der Institutsvorstand die ihm zustehenden Einkünfte aus privaten Forschungsaufträgen zu mindestens 15 Prozent der Quästur und zusätzlich zu etwa 65 Prozent über die Arbeitsgemeinschaft auch zur Finanzierung der Institutsaufgaben zur Verfügung stellt, erachtet er die Heranziehung von Institutsressourcen als voll abgegolten. Seit Frau Mayer Kritik an ihrer Arbeitsleistung mit dem Hinweis auf solche Schreibarbeiten begegnet, wird sie vom Institutsvorstand nicht mehr zu solchen Arbeiten herangezogen.
  12. Schlußbemerkung:
    Die Kritik an der generellen Schlechterstellung der Frau im Beruf und Gesellschaft trifft in den meisten Fällen zu, ist aber allein durch die Arbeitssituation eines Instituts nicht veränderbar. Alle anderen spezifischen Vorwürfe werden von den Assistenten und dem Institutsvorstand zurückgewiesen. Der Vorwurf, den diese an Frau Mayer richten, betrifft die Quantität und Qualität der Arbeitsleistung.
    Aus diesem Grund wurde Frau Mayer die Vereinbarung über eine zusätzliche Honorierung (siehe Punkt 3.) mit Oktober 1977 aufgekündigt. Von den Tätigkeiten für die Arbeitsgemeinschaft (siehe Punkt 4.c) wurde sie entlastet.

Als Fazit ergibt sich somit, daß nunmehr ein so hohes Maß an allgemeiner Unzufriedenheit und gegenseitigem Mißtrauen besteht, daß eine Wiederherstellung eines erträglichen Arbeitsklimas und kollegialen Verhältnisses zwischen Frau Mayer und den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht mehr erwartet werden kann. Der Institutsvorstand hofft deshalb, daß die Bemühung von Frau Mayer um einen anderen Arbeitsplatz bald erfolgreich sein wird.

Klaus Pitter
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