FORVM, No. 228
Januar
1973

Woman’s Art

manifest zu der ausstellung MAGNA (arbeitstitel frauenkunst), einer ausstellung, an der nur frauen teilnehmen. geschrieben im märz 1972.

DIE STELLUNG DER KUNST IN DER FRAUENBEWEGUNG IST DIE STELLUNG DER FRAU IN DER KUNSTBEWEGUNG.

DIE GESCHICHTE DER FRAU IST DIE GESCHICHTE DES MANNES,

denn der mann hat für mann und frau das bild der frau bestimmt. die sozialen und kommunikativen medien wie wissenschaft und kunst, wort und bild, kleidung und architektur, gesellschaftlicher verkehr und arbeitsteilung, werden von männern geschaffen und kontrolliert. ihr bild der frau haben die männer auf diese medien abgebildet; diesen medialen mustern entsprechend haben sie die frauen geformt und die frauen sich. wenn die wirklichkeit eine gesellschaftliche konstruktion ist und deren ingenieure die männer sind, liegt eine männliche wirklichkeit vor.

die frauen sind bisher nicht zu sich gekommen, weil sie nicht zu wort gekommen sind, in dem sinne, daß man ihnen jene medien verweigert hat. so ist es zu verstehen, wenn ich verlange, gebt den frauen das wort, damit sie zu sich kommen können. wir frauen müssen, um zu einem von uns selbst bestimmten bild der frau kommen zu können und damit zu einer veränderten abbildung in der gesellschaftlichen funktion der frau, an der konstruktion der wirklichkeit via den medialen bausteinen teilhaben.

man wird das nicht freiwillig und ohne widerstand geschehen lassen, deshalb muß gekämpft werden! wollen wir frauen unsere ziele durchsetzen: gesellschaftliche gleichberechtigung, selbstbestimmung, ein neues bewußtsein der frau, werden wir sie in allen bereichen des lebens ausdrücken müssen. dieser kampf wird nicht nur für uns selbst, sondern auch für die männer, die kinder, die familie, die kirche ... mit einem wort, für den staat, weitreichende folgen haben und änderungen des gesamten lebens mit sich bringen.

die frau muß sich also aller medien als mittel des sozialen kampfes und als mittel für den gesellschaftlichen fortschritt bedienen, um die kultur von den männlichen werten zu befreien. sie wird dies auch in der kunst tun. wenn es den männern durch jahrtausende gelungen ist, ihre vorstellungen von erotik, sex, schönneit, ihre mythologie der stärke, kraft und strenge in plastiken, gemälden, romanen, filmen, dramen, zeichnungen etc. zum ausdruck zu bringen und damit unser aller bewußtsein zu beeinflussen, wird es an der zeit

UND IST ES AN DER ZEIT,

daß wir frauen das ausdrucksmittel kunst benützen, um das bewußtsein aller zu beeinflussen, um unsere vorstellungen in die gesellschaftliche konstruktion der wirklichkeit einfließen zu lassen, um eine menschliche wirklichkeit zu schaffen. bis jetzt wurde die kunst zum großteil von männern erzeugt, haben meist nur männer die sujets des lebens, die probleme des gefühlslebens, behandelt und dazu nur ihre aussagen, ihre antworten, ihre lösungen gebracht. nun müssen wir unsere aussagen artikulieren! all diese begriffe von liebe, treue, familie, mutterschaft, gefährtin, die nicht von uns geprägt wurden, zerstören und neue erzeugen, die unserer sensibilität, unseren wünschen entsprechen.

die kunst, die der mann uns aufdrängt, verändern, heißt, die facetten der frau, die der mann gebaut hat, zerstören. die neuen werte, die wir der kunst bringen, werdenüberdie zivilisatorischen prozesse uns frauen neue werte zuordnen. die kunst kann für die frauenbewegung von bedeutung sein, indem wir aus der kunst neue bedeutungen — unsere bedeutungen — schlagen: dieser funke kann den prozeß unserer selbstbestimmung entzünden. die frage, was können die frauen der kunst und was die kunst den frauen geben, kann man so beantworten: die übertragung der spezifischen situation der frau in den künstlerischen kontext, errichtet zeichen und signale, die einerseits neue künstlerische ausdrucksformen und botschaften sind, anderseits rückwirkend die situation der frau verändern.

die kunst kann ein medium unserer selbstbestimmung sein, und diese bringt der kunst neue werte. diese werte werden über den kulturellen zeichenprozeß die wirklichkeit verändern, einer anpassung an die weiblichen bedürfnisse entgegen.

DIE ZUKUNFT DER FRAU WIRD DIE GESCHICHTE DER FRAU SEIN.

Aktion Mann als Hund:
Valie Export, Peter Weibel, Wien, Kärntner Straße, 1968
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