Hermann Engster

Hermann Engster, geb. 1942, lebt in Göttingen, Studium der Nordistik und Germanistik, Tätigkeit am Skandinavischen Seminar der Universität Göttingen, danach in der Erwachsenenbildung im Bereich Fremdsprachen, z.Zt. Dozent an der Universität des dritten Lebensalters der Universität Göttingen, Seminare zu Literatur und Opern, Vortragstätigkeit zum Thema „Wagner und der Antisemitismus“, seit 25 Jahren Fan der Wertkritik bei der Krisis und nun auch im Trafoclub der Streifzüge.

Beiträge von Hermann Engster
Streifzüge, Heft 65

Charaktermaskerade

Goethe und Marx. Allegorien der Warenform im Faust II
November
2015

Dieser Artikel will eine Erkenntnis wieder ins Bewusstsein rufen, der die Zeit, zu der sie formuliert wurde, nicht günstig war. Es handelt sich um eine Deutung des zweiten Teils von Goethes Faust durch den Germanisten Heinz Schlaffer. Schlaffer ist einer der Scharfsinnigsten seines Fachs und hat (...)

Streifzüge, Heft 66

Heine und die Menschenware

August
2016

Heinrich Heine gilt nach landläufiger Meinung als der romantische Dichter überhaupt. Das ist zu einem kleinen Teil richtig, zu einem größeren aber falsch. Er hat in der Tat einige höchst romantische Gedichte geschrieben, wie z.B. das rätselhafte Der Tod, das ist die kühle Nacht, er beherrscht virtuos (...)

Streifzüge, Jahrgang 2016

Die Wanderratten

Ein Gedicht für gestern und heute
September
2016

Heinrich Heine, Die Wanderratten Es gibt zwei Sorten Ratten: Die hungrigen und satten. Die satten bleiben vergnügt zu Haus, Die hungrigen aber wandern aus. Sie wandern viel tausend Meilen, Ganz ohne Rasten und Weilen, Gradaus in ihrem grimmigen Lauf, Nicht Wind noch Wetter hält sie auf. Sie (...)

Streifzüge, Heft 69

No future for Jenny

Januar
2017

Welches ist Ihr Lieblingsbuch, Herr Brecht? – Sie werden lachen: die Bibel. Brecht hat das Gedicht Die Seeräuberjenny 1926 geschrieben, im selben Zeitraum wie die Ballade Von der Kindesmörderin Marie Farrar, einer als Dienstmädchen schuftenden jungen Frau, die ihre (ungewollte) Schwangerschaft (...)

Streifzüge, Heft 71

Unwiederbringlich

Zu Heines Gedicht „Die Lore-Ley“
Dezember
2017

Im Jahr 1848 beschreiben Marx und Engels in ihrem Manifest der Kommunistischen Partei die grundstürzenden Veränderungen, die in Deutschland und Westeuropa mit dem Siegeszug des Kapitalismus und der Herrschaft der Bourgeoisie einhergegangen sind. (In: Die Frühschriften, ed. Landshut, 1971.) In (...)

Streifzüge, Heft 72

Ich – eine Zwiebel

Überlegungen zu einer Allegorie in Henrik Ibsens Drama Peer Gynt
März
2018

Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse. (Karl Marx, VI. These über Feuerbach) Henrik Ibsens Drama Peer Gynt, ursprünglich ein dramatisches Gedicht nach der Vorlage (...)

Streifzüge, Heft 74

Vorschule der Dialektik

Dezember
2018

moderiert und dann textlich destilliert von Hermann Engster Das Problem: Ich wollte herausfinden, ob Brechts Kindergedichte auch in der Schulpraxis funktionieren. Die Versuchsanordnung: drei Grundschulen in Göttingen, vier vierte Klassen an jeweiligen Terminen, Buben und Mädchen im Alter von (...)

Streifzüge, Heft 76

Das Drama vom Geld und dem Juden

Zu Shakespeares Kaufmann von Venedig
September
2019

Kein ärgrer Brauch erwuchs den Menschen als Das Geld! Es äschert ganze Städte ein, Es treibt die Männer weg von Haus und Hof, es wandelt auch die redliche Gesinnung um und lehrt sie hässlichen Geschäften nachzugehn; es unterweist die Menschen in Verschlagenheit, und auch Verbrechen nicht zu scheun (...)

Streifzüge, Jahrgang 2019

Gefahr der „Umvolkung“

November
2019

Rezension zu: Heinrich Detering, Was heißt hier „wir“? Zur Rhetorik der parlamentarischen Rechten. Stuttgart: Reclam 2019, 60. S. Politiker/innen der in deutschen Parlamenten vertretenen Rechten beschwören die Gefahr der „Umvolkung“ Deutschlands, mit „Kopftuchmädchen“ und „Messermännern“ als Vorhut (...)

Streifzüge, Jahrgang 2020

Nachruf Ruth Klüger – Wienerin, Amerikanerin, Göttingerin

Oktober
2020

Und Jüdin. „In Birkenau bin ich Appell gestanden und hab Durst und Todesangst gehabt. Das war alles, das war es schon.“ So berichtet sie in ihren Lebenserinnerungen „weiter leben“. Ein Titel mit bedeutsamer Lücke: weiter leben statt weiterleben. „Schnoddrig“ wurde ihr Stil genannt. Ein Fehlurteil. (...)

Streifzüge, Heft 80

Gottfried August Bürger, Citoyen

Dezember
2020

Zu erinnern ist an den weithin vergessenen Göttinger Dichter Gottfried August Bürger, einen Bürger nicht nur dem Namen nach, sondern auch im idealen Sinn: einen Citoyen. Er ist der Schöpfer der deutschen Kunstballade, der Lenore, einer mitreißenden Schauerballade, veröffentlicht im Göttinger (...)

Streifzüge, Jahrgang 2021

Peter Samol: Die Leistungsdiktatur

Februar
2021

Der Titel ist formuliert gleich der Überschrift zu einer Erzählung, und das Possessivum „uns“ nimmt Leserin und Leser sogleich in diese hinein – tua res agitur. Als Erzählung über uns selbst ist Samols Text angelegt: nicht als deduktive Explikation von der abstrakten Höhe der Theorie, sondern induktiv (...)

Streifzüge, Jahrgang 2021

Friedrich Engels, Freund

März
2021

Amicus certus in re incerta cernitur. Der wahre Freund erzeigt sich in unsichrer Zeit. (Marcus Tullius Cicero, 106 – 43 v.u.Z.) Dear Frederick! Lieber Mohr! – so redeten Karl Marx und Friedrich Engels bisweilen einander in ihren Briefen an. (Mohr in Anspielung auf Marx‘ dunklen Teint.) So lautet (...)

Streifzüge, Heft 82

Ja heißt Ja und Nein heißt Nein

Mai
2021

1771 unternimmt der 21-jährige Goethe zu Pferd Streifzüge durch das Elsass und sammelt alte Volkslieder, die, wie er schreibt, „ich aus denen Kehlen der ältesten Mütterchens aufgehascht habe“; dazu hat er vermutlich auch schriftliche Vorlagen eingesehen. Er hat zwölf Lieder gesammelt, darunter auch (...)

Streifzüge, Heft 81

Der Automatenmensch, ein romantischer Albtraum

Juli
2021

Die Natur baut keine Maschinen, keine Lokomotiven, Eisenbahnen … Sie sind Produkte der menschlichen Industrie; natürliches Material, verwandelt in Organe des menschlichen Willens über die Natur … Sie sind von der menschlichen Hand geschaffne Organe des menschlichen Hirns; vergegenständlichte (...)

Streifzüge, Heft 83

Dystopie des Kolonialismus

Dezember
2021

Shakespeares The Tempest, deutsch Der Sturm, ist eines der am schwierigsten zu interpretierenden Werke des großen Dramatikers. Es ist ein Spätwerk, geschrieben 1610, wenn auch nicht das letzte, wie lange vermutet. Sein Kernthema ist: Was ist die wirkliche Welt, wenn es nur subjektive und überdies (...)

Streifzüge, Heft 84

Tausch und Täuschung

Juni
2022

Der Roman soll das deutsche Volk dort suchen, wo es in seiner Tüchtigkeit zu finden ist, nämlich bei seiner Arbeit. Motto zu Gustav Freytags Roman Soll und Haben (1855) Seldwyla ist eine von Gottfried Keller erfundene schweizerische Kleinstadt, bewohnt von Kleinbürgern mit einer schon südländisch (...)

Streifzüge, Jahrgang 2022
Rezension

Tilman Tarach, Teuflische Allmacht

August
2022

Tilman Tarach: Teuflische Allmacht. Über die verleugneten christlichen Wurzeln des modernen Antisemitismus und Antizionismus. Edition Telok: Berlin/Freiburg 2022, 224 S., 14,80 € „Der christliche Judenhass war zwar schlimm“, so geben die Kirchen notgedrungen zu, „aber erst richtig furchtbar war der (...)

Streifzüge, Heft 85

Poesie als Tauschwert

September
2022

Die Welt muss romantisiert werden. Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es. (Novalis) Joseph von Eichendorffs Gedicht Sehnsucht, 1834 geschrieben, ist eines der schönsten Gedichte (...)

Streifzüge, Heft 86

Care und Kehricht

Dezember
2022

Es gibt einen Punkt, von dem es keine Rückkehr gibt. Dieser Punkt ist zu erreichen. (Franz Kafka) Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt. Mit diesem so grausigen wie grandiosen Satz hebt eine der (...)

Streifzüge, Heft 87

Heinrich Heine, Jude und Deutscher

Juli
2023

Von Heine wird gesagt, dass er ein in sich zerrissener Mensch gewesen sei. Heine war nicht zerrissen, sondern er wurde es, weil ihm das Verlangen, Jude und Deutscher zugleich zu sein, verwehrt wurde. Es war Deutschland, das ihn zerriss. Düsseldorf, wo Heine 1797 geboren wird, ist eine (...)

Streifzüge, Jahrgang 2024

Märchenunglück

März
2024

Kinder brauchen Märchen. (Bruno Bettelheim) Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm waren nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene gedacht, als Unterhaltungsbedürfnis für Menschen aus allen sozialen Schichten: für Bauern, Dienstleute und Handwerker bis hinein ins großbürgerliche Milieu. (...)