ZOOM 3/1998
Juni
1998

Codenummer K28

Fritz Molden war im österreichischen Widerstand gegen das Dritte Reich und nach Kriegsende Mitglied eines antisowjetischen Untergrundnetzes. In den fünfziger Jahren war er Redakteur und Herausgeber der Tageszeitung Die Presse und von 1957 bis 1960 Mitglied des Politischen Komitees des Befreiungsausschusses Südtirol. In den sechziger Jahren und auch jetzt wieder Chef des Verlags Molden.

Zoom: Im Zusammenhang mit der Aufdeckung der Gladio-Struktur 1990 wurde im ORF eine Dokumentation von Podgorsky jun. und Monika Halkort gesendet. Darin erscheint eine mysteriöse Person namens Kardschi Ney. Kannten Sie ihn?

Fritz Molden: Ich kann mich an den Namen nicht erinnern, das heißt allerdings nicht, daß ich ihn nicht möglicherweise getroffen habe.

Ich habe gelesen, daß Sie Akteneinsicht in Washington genommen haben. Wie kam es dazu?

Ganz einfach, im Jahre 1988/89 durch meinen alten Freund John Mapother, der damals meines Wissens noch bei der CIA war, aber es kann auch durch einen der österreichischen Diplomaten in Washington vermittelt worden sein. Damals wurden Akten von der CIA freigegeben und in die National Archives übersiedelt. Da ist dann einer mit mir hingefahren und hat mich mit dem dortigen Deputy Director zusammengebracht. Dieser war ein Deutscher, der im Jahr 33 emigrierte. Der fragte, was mich interessiere, und ich nannte ihm meinen Code, K-28, und wollte alles sehen, was mit der Nummer zusammenhing.

Als OSS-Mann?

Das war mein Code im Zweiten Weltkrieg, den ich von der OSS erhielt. Es wurden damals nie Namen benützt. Im Krieg wurden ja die gegenseitigen Codes geknackt. Auf jeden Fall bekam ich dann in Washington stoßweise Berichte und Kabeltelegramme, jedoch hatte ich nur wenig Zeit zur Verfügung. Ich konnte mich nur auf weniges konzentrieren.

Im Herbst/Winter 1944 gab es in London, Washington und Bari eine lebhafte Auseinandersetzung um meine Person. Die Engländer waren der Überzeugung, ich sei ein Doppelagent. Die Nazis hätten mich geplanterweise in die Schweiz geschickt. Die Engländer waren recht konsequent in ihrer Auffassung und sagten, daß man mich über den Rhein schicken sollte. Wenn mich die Deutschen abschießen würden, dann wäre ich ein „honest guy“, und wenn sie mich nicht abschießen, dann bin ich eben ein Doppelagent. Die Amerikaner meinten, das wäre nicht sehr zielführend, weil tot würde ich ihnen nichts mehr nützen. Die Engländer meinten, ein bißchen Risiko müsse der Mensch auf sich nehmen. Davon ließen sich die Amerikaner nicht überzeugen. Trotzdem gab es eine lange Diskussion und schließlich eine eigenen Konferenz auf einem relativ hohen Level. Dulles schickte seinen Stellvertreter Gary Van Arkel nach London, die Franzosen Guy de Rocquemorel, mit dem ich gearbeitet habe, das Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces Europe und das Hauptquartier in Caserta schickten ebenfalls Vertreter. Die Engländer legten ihren „case“ vor und meinten, es wäre nicht möglich, daß ich überhaupt nach Wien und Berlin gefahren sei, bestenfalls sei ich bis Mailand gefahren. Die Amerikaner und Franzosen meinten, nein, ich wäre mit Leuten von ihnen ja bis Innsbruck und Wien gefahren. Darauf meinten die Briten, ich wolle die Alliierten nur auf breiter Front auffliegen lassen. Aber erst im Februar 1945 zeigten die Engländer einen Meinungswechsel durch einen Telegrammverkehr, wo sie schrieben, „we drop our doubts. You can clear him“. Das hat mich am meisten interessiert, da ich davon keine Ahnung gehabt habe. Aber ich habe gewußt, daß sie mir nicht trauten und ich ihnen übrigens auch nicht. Denn sie hatten ein anderes Prinzip, sie wollten Agenten haben. Für uns war das unerträglich, denn wir sagten, wir sind österreichische Freiheitskämpfer und wir kooperieren auf der gleichen Ebene mit allen Alliierten.

Dann las ich noch die „evaluations“ der OSS-Bern über meine Berichte durch. Denn nach jeder Reise habe ich mit einem halben Dutzend von Experten die Ergebnisse meiner Reisen durchgesprochen. Vierzig Jahre später habe ich gesehen, was sie daraus gemacht haben: woran sie Zweifel gehabt haben, was für sie wichtig war. Politisch ist es unbedeutend, weil es fünfzig Jahre vorbei ist und hier interessiert sich mit Recht keiner, außer ich persönlich. Damals waren die Akten, so glaube ich, nur bis 1945 freigegeben. Das, was nachher war, war ja erst ab 1947. Da gab es dann wichtigere Leute, Gruber, Helmer, Graf, Ottilinger und Spann. Ich war halt einer in einer großen Gruppe.

Das ist jetzt das Untergrundnetz. Gehörte der kürzlich verstorbene Zimmer-Lehmann auch dazu?

Ja. Zimmer-Lehmann war beim Widerstand, war nach dem Krieg stellvertretender Chefredakteur der Furche und kam dann auch dazu. Beim Professor Fritz Neeb trafen wir uns einmal, daher weiß ich, daß er dabei war. Fritz Neeb war eine zentrale Figur.

Auch Wolfgang Igler, der Sportredakteur bei der Presse war. Er war ein großer Widerständler. Er war mein Funkpartner in Wien. Er wurde als Oberleutnant der Wehrmacht schwer verwundet in Rußland und wurde dann einer der Topleute bei Szokoll in Wien. Leider verstarb er sehr früh. Auch Rafael Spann ist schon tot. Er war sieben Jahre in Workuta, nachdem die Sowjets ihn an der britischen Zonengrenze erwischt haben. Später war er in Seibersdorf. Die Ottilinger ist dann auch Vorstandsdirektorin bei der ÖMV geworden. Man muß ja bedenken, die sind alle für Österreich in sowjetischen Kerkern gesessen, und da hat sich die Regierung Gott sei Dank anständig verhalten.

Gab es eine Art Bezeichnung für die Operation, einen Decknamen zum Schutz?

Verglichen mit dem Zweiten Weltkrieg schien es nicht so gefährlich. Ich glaubte sowieso nicht, in einer gefährdeten Position zu sein, da ich in den westlichen Sektoren war. Das stellte sich erst später als Irrtum heraus, wie sie auch mich schnappen wollten. Die wirklich Gefährdeten waren jene, die entweder in dem russischen Sektor waren oder ständig auch durch die Zonen durchfahren mußten. Es gab sicher keinen offiziellen Namen für die Operation. Jeder hatte ja nur bestimmte Dinge zu machen gehabt. Meine Aufgabe am Anfang waren die politischen Kontakte, die politische Koordination mit den Leuten in Niederösterreich. Die Landesregierung war damals in der Herrengasse, so konnte ich sie im wesentlichen in Wien treffen, und daher war ich nur selten in Niederösterreich selbst.

Wer waren die Eingeweihten auf der politischen Ebene, in der Bundesregierung?

Sicher dabei waren Helmer, Gruber und Graf. Mit denen hatte ich zu tun. Die haben ja zu mir gesagt, willst du mitmachen. Ja und aus. Vor allem mit Graf hatte ich zu tun, weil er innerösterreichisch der Koordinator war. International gesehen war es wahrscheinlich Gruber mit seinen Kontakten zu den Amerikanern, möglicherweise auch mit den Engländern. Bei den Niederösterreichern war es auf Beamtenebene, wobei man nicht offen geredet hat. Man hat darüber gesprochen, daß es doch wichtig wäre, im Falle von Unruhen oder Hungerdemonstrationen Kontakte zu pflegen, daß es günstig wäre zu überlegen, wo sie Funkgeräte aufstellen können, falls das Telephon einmal unterbrochen wäre. Bei einer langen Konferenz wurde überlegt, wie man Bahnlinien umlegen könnte, vom Franz-Josefs-Bahnhof zum Nordbahnhof usw. Das haben Landesbeamte und ÖBB-Leute gemacht, die beauftragt waren. Der junge Kargl war bei einem der Gespräche dabei.

Wolfgang Pfaundler darf ja jetzt frei in Italien herumreisen. Und so stellt sich mir die Frage, ob aus diesem Netzwerk eine Unterstützung für Südtirol auch kam?

Nein. Das hatte miteinander nichts zu tun. No connection, whatsoever. Pfaundler selbst wird jede Woche von Journalisten angerufen, die wissen wollen, welche Masten er gesprengt hat.

Uns würde es mehr interessieren, welch Logistik dahinter stand, woher die Waffen in Südtirol kamen.

Das weiß ich auch nicht, aber sicher nicht von den Amerikanern, denen war das vollkommen egal.

Haben die Aktionen in Südtirol nicht eigentlich gegen die amerikanischen Interessen verstoßen, gegen die NATO? Bekamen Sie da nicht Druck?

Die Amerikaner waren ja nicht unsere Vorgesetzten, die haben uns ja nicht vorschreiben können, was wir machen dürfen. Ich habe oft mit Amerikanern gesprochen, um sie zu überzeugen, daß man was tun müßte. Da geschah nichts, weil sie vollkommen auf die kommunistische Gefahr in Italien fixiert waren, d.h. die Verhinderung einer Machtergreifung durch die PCI. Aber niemand hat sich getraut zu sagen, wir schaden der NATO. Schließlich war ich ein Österreicher, was interessierte mich damals die NATO. Aber sie wären auch gar nicht auf die Idee gekommen. Mein „standing“ im Weltkrieg hat sicher auch geholfen, daß mir da niemand gekommen ist, entweder mit Geld oder mit Befehlen. Im wesentlichen haben sie andere Sorgen gehabt, der Kalte Krieg im Osten war ihnen soviel wichtiger, aus Südtirol haben sie sich herausgehalten. Sie haben uns auch nie unterstützt, nie. Es war ihnen unangenehm, daß sich zwei befreundete Länder herumgestritten haben.

Großbritannien und Frankreich haben eher etwas wie Sympathie mit uns gehabt, da sie beide Italien nicht vergessen haben, daß es ihnen 1940 in den Rücken gefallen ist. Noch fünf bis sechs Jahre danach betrachteten sie Italien als Opportunisten, das zuerst mit Hitler marschierte, und wie er schwach wurde, plötzlich zu den Alliierten überlief. Ich war zweimal in meinem Leben bei de Gaulle. Da hat er jedesmal lange über Italien geschimpft und gesagt, Südtirol könnts ihr haben und Triest auch, das ist doch viel besser. Das war die Meinung der Kriegsgeneration

Wann waren Sie bei de Gaulle?

Einmal im Sommer 1944, kurz nach der Eroberung von Paris. Rocquemorel brachte mich zu ihm. Er war der persönliche Verbindungsmann de Gaulles im besetzten Frankreich und organisierte dann nach der Befreiung auf eigenen Wunsch die französischen Kriegsgefangenen im besetzten Österreich. Und so brachte ich ihn hinein und heil wieder heraus. Damals machte de Gaulle eben die Zusagen, die er dann nicht eingehalten hat, was aber nicht sein Fehler war. Ein zweites Mal bei den Südtirolverhandlungen im Jahre 1946. Später war ich noch einmal als Verleger bei ihm wegen seiner Memoiren, die ich dann 1971 in meinem Verlag herausbrachte.

Danke für das Gespräch.
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