FORVM, No. 107
November
1962

Djilas oder Die bestrafte Reue (II)

voriger Teil: Djilas oder Die bestrafte Reue

Erst nach dem Prozeß gegen Rajk gaben die Titoisten zu, daß nicht erst im Jahre 1949, sondern schon seit 1936 Stalin den alten Kommunisten falsche Geständnisse abgezwungen hatte, um sie für Verbrechen büßen zu lassen, die niemals verübt worden waren. Unter den Opfern jener Prozesse der dreißiger Jahre befanden sich fast alle Führer der Kommunistischen Partei Jugoslawiens bis zum Jahre 1937.

Erst 1949 sagten sich die Titoisten von jenem Teil ihrer Vergangenheit los, der sie durch ihre bedingungslose Solidarität mit Stalins Verbrechen verknüpft hatte. Doch immer noch wollten sie langsam vorgehen, sich behutsam ablösen — um nicht in die Nachbarschaft von Sozialdemokraten oder Trotzkisten oder jener frühen Kommunisten zu geraten, die nicht nur das Stalin’sche Regime ablehnten, sondern auch den Leninismus, auf den sich dieses berief.

Wir wissen heute, daß Djilas sich durch die Drohbriefe Stalins besonders getroffen fühlte, desgleichen durch all die Verleumdungen, die das Kominform nach dem Bruch verbreiten ließ. Zwei Jahre später, im Herbst 1950, veröffentlichte Djilas eine Artikelserie, die er selbst noch im Jahr 1948 als einen Akt gemeinsten Verrats verurteilt hätte.

In diesen Artikeln enthüllte er für die Leser der „Borba“, des Zentralorgans der Partei, daß die Sowjetunion keineswegs das Land des Sozialismus sei, sondern die Diktatur einer Bürokratie, die, unter fälschlicher Berufung auf den Leninismus, den Staatskapitalismus eingeführt und ihre eigene, unbegrenzte Macht errichtet hatte.

In jenem Herbst 1950 schlug der Vierzigjährige, ohne es recht zu wissen, den Weg ein, der ihn unwiderruflich nicht nur von den konformistischen Gewißheiten seiner Jugend entfernen sollte, sondern überhaupt von der Partei, die zu seiner zweiten Heimat geworden war, seit er, zwanzig Jahre vorher, Montenegro verlassen hatte.

Als Djilas zum erstenmal die soziale Wirklichkeit untersucht, ohne sie vorher einer ideologischen Verfälschung zu unterwerfen, ist er vorerst wie durch einen starken Scheinwerfer geblendet, der plötzlich mitten in der Finsternis aufleuchtet. Er entdeckt die Wahrheit und entdeckt, daß sie in nichts jener Lüge gleicht, die er mit der gewalttätigen Heftigkeit seiner selbstherrlichen Unduldsamkeit bisher verbreitet hatte.

Genau wie die vieizitierte „Logik des Kampfes“, zieht auch die Entdeckung einer während langer Jahre verdrängten Wahrheit ungeahnte Entwicklungen nach sich. Die Wahrheit wird zum Schicksal. Das wußte Dostojewski, der im „Traum eines lächerlichen Menschen“ davon spricht, wie schwer es ist, die neuentdeckte Wahrheit für sich zu behalten, und wie unmöglich es ist, sie nicht jenen zu übermitteln, mit denen man bisher auf falschen Wegen gewandelt war. Mit seiner Artikelserie „Aktuelle Themen“ wird Djilas zum Verräter in den Augen aller nicht-jugoslawischen Kommunisten. Noch ist er der Linie seiner Partei treu, deren Führer er ist, der angesehenste nach Tito und im Rang höher als Kardelj und sein Jugendfreund Ranković.

Djilas beginnt, politische und theoretische Schriften zu studieren, die er bis dahin verurteilt hatte, ohne sie vorher zu lesen. Er geht einer bewegenden Erfahrung entgegen, die wir alle in unserer Jugend gekannt haben: Bücher offenbaren uns, daß Ideen, die wir als unsere eigensten ansehen, bereits lange vor uns von anderen ausgedrückt wurden. Fremde Stimmen kommen uns auf einmal ganz nahe; es ist uns, als hörten wir zum erstenmal den Widerhall unserer eigenen Stimme; ja manchmal scheint es uns sogar, als kämen diese fremden Stimmen aus unserm eigenen Innern.

Mitglied des Politbüros, Präsident des Parlaments, Vizepräsident der Regierung, Chef der Propaganda und damit Beherrscher des gesamten geistigen Lebens seines Landes, entdeckt Djilas, daß er noch sehr viel lernen muß, um zu erfahren, worum es eigentlich geht. Er liest die von den Kommunisten verfemten marxistischen Autoren, unter ihnen Karl Kautsky, Rosa Luxemburg und die anderen Theoretiker des demokratischen Sozialismus. „Alle unsere Auffassungen, insbesondere unsere politischen, ökonomischen und sozialen Ideen, sind erschüttert worden und werden noch viel mehr erschüttert werden“, schreibt er in seinem Artikel „Bund oder Partei“ im Januar 1954, nachdem er am 24. Dezember 1953 erklärt hat, daß es sein Bestreben sei, „sich von der unwirklichen und abstrakten Welt der Elite loszulösen und endlich in die wirkliche Welt einzutreten: in die der einfachen, arbeitenden Menschen und der gewöhnlichen menschlichen Beziehungen“.

Es ist wahr, daß es dafür schon recht spät ist — lang nach jener „Mitternacht des Jahrhunderts“, von der Victor Serge vergeblich sprach, als er die Verirrten warnen wollte. Stalin ist tot, und die treuesten Kampfgefährten des Verstorbenen beeilen sich, ihre Vergangenheit zu revidieren: sie statten sie rückwirkend mit Gebärden, wo nicht gar Taten des Widerstandes gegen den verschwundenen Tyrannen aus.

Der Titoismus hört auf, ein Faschismus zu sein, ja es scheint sogar, daß man ihm nicht einmal seinen sogenannten „Revisionismus“ vorwerfen will. Man öffnet den Titoisten alle Lager: das des „Sozialismus“ sowie das des „Friedens“. Etwas später kommt Chruschtschew selbst nach Belgrad, um das „Mißverständnis“ zu bereinigen.

In der Tat war die jugoslawische Kommunistische Partei nie wirklich ketzerisch gewesen; sie ist es übrigens auch heute nicht. Der Bruch von 1948 wurde ihr aufgezwungen; er war das Ergebnis des Gegensatzes zwischen zwei Machtapparaten, von denen der kleinere einen einzigen der zahllosen Befehle des größeren zurückwies: den Befehl, Selbstmord zu begehen.

Im Jahr 1948 wie im Jahr 1953, und im Jahr 1956 wie heute, bleibt die Ideologie der Führer Jugoslawiens die gleiche: es ist eine Ideologie der falschen Identitäten. Denn ihre Diktatur ist nicht die ihrer Partei und noch weniger die des Proletariats oder des Volkes; es handelt sich in Wirklichkeit um eine im wesentlichen bürokratische Oligarchie, die nicht das winzigste Teilchen ihrer staatlichen Macht abgeben will und die deshalb nicht erlaubt, daß auch nur die kleinste politische Gruppierung entstehe, die Unabhängigkeit anstreben könnte.

Anderseits hat das titoistische Regime im wirtschaftlichen Bereich bedeutende Zugeständnisse gemacht. Es hat den Bauern den Boden zurückgegeben und den Arbeiterräten bei der Betriebsleitung eine beachtliche Rolle eingeräumt. Ferner hat Titos Regime ohne Zweifel eine recht große Zahl von Freiheiten wiederhergestellt. Die Staatsbürger, insbesondere die Nichtkommunisten, dürfen ohne weiteres abweichende Meinungen über philosophische, ästhetische und wirtschaftliche Fragen aussprechen. Die Machthaber bleiben jedoch wachsam und werden mißtrauisch, wenn es sich um Abweichungen bei jenen handelt, die zur führenden Bürokratie gehören. Diese Haltung erinnert an das Mißtrauen der preußischen Könige gegenüber ihrem Offizierskorps.

Es handelt sich in der Tat um eine neue herrschende Klasse — das ist die Folgerung, zu der Milovan Djilas endlich gelangt, nach vielen anderen, die das gleiche vor ihm gesagt und bewiesen haben. Aber diese anderen gehörten nicht zu dieser Klasse und hatten keinen Anteil an ihrer Macht. Djilas aber beschuldigt sich sozusagen selbst, er klagt seine eigene Macht an. Und er schließt sich von dieser neuen Klasse aus und verbannt sich in jenes Niemandsland, das die Heimat der Rebellen ohne Partei ist.

Welch seltsames Abenteuer! Er war ausgezogen, propagandistische Argumente zu suchen, um Tito und sein Regime gegen den politischen Vernichtungsfeldzug Stalins zu verteidigen. Unterwegs begegnete er der Wahrheit über die Diktatur des Proletariats in der Sowjetunion. So entdeckte er, was diese Diktatur in seinem eigenen Land bedeutet. Er erblickte in seinem Spiegel Menschen, die er bekämpfen muß: sich selbst sowie seinen Freund Tito und alle seine Waffenbrüder.

Die letzte Episode vor dem Bruch beginnt mit dem Artikel „Über die neuen Inhalte“, den er am 11. Oktober 1953 in der „Borba“ veröffentlicht. Und sie endet mit dem Artikel „Revolution“, der am 7. Januar 1954 erscheint. Zwischen diesen zwei Daten publiziert er fünfzehn andere Aufsätze, die, obschon noch immer im Parteijargon abgefaßt, alle kommunistischen Gewißheiten in Frage stellen.

Die jugoslawischen Kommunisten wissen zuerst nicht, woran sie sind, doch sie beeilen sich, genau wie in der Vergangenheit, unverzüglich die neue Parteilinie zu akzeptieren. Denn sie glauben natürlich, was Djilas schreibt sei, „parteioffiziell“. Schon schwören sie, daß sie völlig überzeugt sind. Doch sehr bald wird man ihnen zum Bewußtsein bringen, daß sie sich getäuscht haben, und sie werden ebenso eilig wieder umkehren.

Am 26. Dezember 1953 wählt das Parlament Djilas einstimmig zum Präsidenten. Vier Wochen später wird dieser gleiche Djilas all seiner Ämter entkleidet. Er ist nichts mehr, nicht einmal ein kleiner Abgeordneter. Titograd, Montenegros neue Hauptstadt, die ihn mit 98,8 Prozent aller Stimmen in die Skupšina entsandt hat, fordert nun, daß sein Mandat sofort annulliert werde — und dies im Namen von 100 Prozent aller Wähler.

Die braven Leute haben es furchtbar eilig, von Djilas aufs sichtbarste abzurücken, denn er ist offenbar ein erledigter Mann; das Zentralkomitee hatte ihn in der Sitzung vom 17. Januar 1954 ausgeschlossen.

Bei dieser Gelegenheit zeigte sich Djilas übrigens in einem seltsamen Licht; manchmal konnte man vermuten, sein Gemütszustand wäre zerrüttet. So zum Beispiel, als er fast demütig um das Recht bat, an der Abstimmung teilnehmen und gegen sich selbst stimmen zu dürfen. Nur zwei von allen seinen Freunden und Anhängern verteidigen ihn: Mitra Mitrovica, seine geschiedene Frau, und Vladimir Dedijer, der sich mutig und beredt für ihn einsetzt.

Djilas hatte Tito gegen sich, der ihm, eher mit Bedauern als mit Heftigkeit, nicht so sehr seine abweichenden Meinungen vorwarf als die Tatsache, daß er sie öffentlich verbreitet hatte, statt sie dem engsten Freundeskreis vorzubehalten. Tito sagte: „Unter Freunden kann man im Scherz alles sagen ... “

Djilas verlor die Freundschaft, die ihm nach der seines ältern Bruders die wichtigste seines Lebens gewesen war. Er muß das aufs schmerzlichste empfunden haben, und vielleicht hat er sich deswegen so merkwürdig verhalten: als hätte er sich selbst unwiderbringlich verloren.

Man kennt die Folge dieses steilen Sturzes, der in Wirklichkeit eher ein Beginn für Djilas war — ein Beginn, der vielleicht noch andauert.

Inzwischen aber fand Djilas seinen Mut wieder. Vier Monate nach der Sitzung des Zentralkomitees trat er freiwillig aus der Partei aus. Er beginnt ein neues Leben, dessen Abschnitte durch Haftzeiten gekennzeichnet sind; seine Bücher werden zu Etappen seiner leidenschaftlichen Suche nach der Freiheit, die aufgehört hat, für ihn nur ein „kleinbürgerliches Vorurteil“ zu sein. Die Freiheit ist das Hauptthema für den demokratischen Sozialisten, in den Djilas nach dem ungarischen Oktober sich verwandelt hat.

Von den zwei Büchern, die fast überall außer in seiner Heimat und in den kommunistischen Ländern veröffentlicht wurden, ist „Die neue Klasse“ ein durchschlagender Erfolg geworden. Es handelt sich da, wie der anspruchsvolle Untertitel es andeutet, um die „Analyse des kommunistischen Systems“. „Fast alles, was man in diesem Buche findet, ist zuvor schon anderswo zum Ausdruck gebracht worden“, gesteht er gleich zu Beginn.

Es war richtig, dieses Buch zu rühmen und den Autor zu ermutigen, der damals in Sremska Mitrovica, im Gefängnis seiner Jugendzeit, dafür büßen mußte, daß er gewagt hatte, „anders zu denken“, wie Rosa Luxemburg dies einmal genannt hat, und anders zu schreiben. Jedoch hätten die Kritiker dem Ketzer mehr genutzt, wenn sie ihm zu verstehen gegeben hätten, daß man von ihm nicht theoretische Arbeiten, sondern die Wiedergabe seiner einzigartigen Erfahrung erhoffte: die Bekenntnisse eines früheren orthodoxen Stalinisten, der sich auf der Höhe seiner Macht gegen die freiheitsmordenden Fiktionen des Kommunismus empört hat.

„Die Anatomie einer Moral“ war der Titel eines längeren Aufsatzes, mit dem Djilas jenen Skandal hervorrief, der ihm die Sympathien der Gattinnen der führenden Bürokraten Belgrads entzog. Djilas selbst und nach ihm die Weltpresse haben die Bedeutung der mondänen Affären, um die es sich in diesem Artikel handelt, überschätzt, ebenso wie den Aufsatz selbst. Es wäre gewiß wichtig, eine Anatomie der Moral der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten zu schreiben, die durch eine neue Klasse beherrscht werden, welche behauptet, „sozialistisch“ oder „kommunistisch“ zu sein. Aber es käme auch darauf an, die Geschichte der moralischen Entwicklung eines Menschen wie Djilas selbst zu kennen: des illegalen Kommunisten, des totalitären Inquisitors, des Bürgerkriegs-Generals und schließlich des zweithöchsten Würdenträgers einer Diktatur — denn das alles ist dieser Mann gewesen. Weder Samjatin, noch Serge, Silone, Orwell, Koestler und alle ihre Nachfolger sind durch die Erfahrungen hindurchgegangen, von denen Djilas Rechenschaft ablegen könnte. Indem er dies täte, würde er auch jene jugoslawischen Intellektuellen für sich gewinnen, die seine frühere aggressive Unduldsamkeit nicht vergessen haben. Damit sie ihm endlich verzeihen, müßte er vorerst diese Verzeihung erbitten.

Sollte „Land ohne Recht“, sein zweites Buch, nur der erste Band seiner Autobiographie sein, so mag uns der zweite jene Bekenntnisse bringen, die Djilas vielleicht einen bedeutsamen Platz in der Erlebnisliteratur erobern würden.

Man weiß, daß er eine sehr lange Studie dem Leben und den Werken des Fürsten Negoš, des ersten montenegrinischen Dichters, gewidmet hat. Auch dieses Buch durfte in Jugoslawien nicht veröffentlicht werden. Schließlich ist am 25. Mai 1962 sein Buch „Gespräche mit Stalin“ in New York erschienen; es hat nicht nur dort großen Widerhall gefunden.

Nach der Ankündigung dieses Buches wurde ein neues Gesetz erlassen, auf Grund dessen Djilas am 7. April 1962 zum viertenmal verhaftet wurde. Man warf ihm vor, daß er den Interessen seines Landes Schaden zugefügt und „als Instrument des kalten Krieges“ gedient hätte. Der Prozeß, in dem Djilas insgesamt zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, blieb trotz den heftigen Protesten des Angeklagten geheim. Man befürchtete, daß Djilas die Nichtigkeit der Anklage enthüllen und sich selbst zum Ankläger erheben würde.

Lassen wir die tragische Komödie dieser Gerichtsbarkeit beiseite. Man weiß, daß jedes Regime Richter findet, die ihm zu Diensten sind, wenn es seine Gegner „gesetzlich“ zugrunde richten will. Und Tito, sehr schlecht beraten, hat schon vor Jahren beschlossen, seinem früheren Jünger und Freund das Gesetz des Schweigens aufzuzwingen. Um ihn an der Verbreitung von Staatsgeheimnissen zu hindern? Unsinn! Das größte Geheimnis, das allem Regieren gemeinsam ist — nämlich: daß die Völker mit wenig Verstand regiert werden —, ist neben vielen anderen schon seit langem verbreitet. Niemand hat ihm je die geringste Beachtung geschenkt.

Djilas hatte keine Geheimnisse zu verraten. Aber die Januar-Nummer der italienischen Revue „Tempo Presente“ wurde in Jugoslawien verboten, weil sie eine kleine Erzählung enthielt, die der Staatssekretär für die Inneren Angelegenheiten beanstandete, weil sie „den Kampf für die nationale Befreiung und überdies die Führer und das Offizierskorps der Armee verleumdet“. Das Verbot, veröffentlicht im Belgrader Amtsblatt, verschweigt den Namen, mit dem diese Erzählung gezeichnet war: Milovan Dijilas.

„Der Krieg“ [*] ist ein kurzer Text von ungewöhnlichem Wert, das sicherste Zeichen der Begabung, das Djilas als Schriftsteller bisher gegeben hat. Ist es das Kapitel eines Buches, in dem der frühere General der Befreiungsarmee seine Erfahrungen schildert? Ist es der Auszug aus einem Bekenntnisroman?

Warum mußte der jugoslawische Zensor diese wenigen Seiten unterdrücken, die eine tragische Episode erzählen, ohne Namen, Datum oder Ort zu nennen. Man sagt, daß diese Erzählung Geschehnisse widerspiegle, die sich tatsächlich gegen Ende des Krieges an der syrmischen Front ereignet haben. Junge Serben wurden ohne jegliche militärische Vorbereitung und fast ohne Waffen gegen kampferfahrene deutsche Einheiten geworfen, die aus sicheren Unterständen die Rekruten, Schwarmlinie nach Schwarmlinie, hinmähten.

Es ist 34 Jahre her, da erklärte Josip Broz vor dem Strafgericht von Zagreb, daß ihn Ausnahmegesetze in keiner Weise binden und daß nichts ihn hindern könne, einzig gemäß seinem Gewissen zu handeln. Tito kann jenen jungen Mann nicht vergessen haben, der er erst gewesen ist, und nicht die Ziele, für die er sich schlug. In den Dämmerstunden, in denen die Vergangenheit sich des Alternden bemächtigt, muß sich Tito eingestehen, daß der Staat, dessen maßlos gerühmter Chef er ist, kaum jener sozialistischen Gesellschaft ähnelt, für die er bis zu seinem fünfzigsten Lebensjahr gekämpft hat. Es gibt Veränderungen, darunter auch viele Verbesserungen — ohne Zweifel. Doch wieviel Tote, wieviel apokalyptische Leiden, bis man dahin gelangt ist!

Und wieder gibt es Ausnahmegesetze, um einem Mann die Freiheit zu rauben, weil er anders denkt; wieder wendet man polizeiliche Sondermaßnahmen gegen einen armseligen einsamen Ketzer an.

Mag sein, daß sich unter den alten Freunden des Marschalls jemand finden wird, vielleicht ein Schriftsteller, der seinerzeit von Djilas viel zu leiden hatte. Vielleicht wird dieser weise gewordene Mann seinem Freund Tito erklären, daß gegen die Verfolgung des Verfassers der kleinen Erzählung „Der Krieg“ viele schwerwiegende Gründe sprechen. Dieser Mann könnte sagen:

„Lassen Sie doch den Montenegriner außer Landes gehen. So wird er am eigenen Leibe erfahren, daß die Welt die Ketzer nicht mag und die Besiegten verachtet, daß die Geschichten der Verbannten sie einen Augenblick interessieren und eine Ewigkeit langweilen. Man wird sagen: er könnte Ihnen im Ausland schaden? Aber nein! Schlimmstenfalls wird er nur das wiederholen, was Ihre alten Gegner schon seit langem verbreiten, ohne jemanden zu beeindrucken. Bedenken Sie aber, daß Djilas im Gefängnis, krank, völlig allein, ein starker, ja ein zu starker Gegner werden könnte. Er wird dann am stärksten sein, wenn weder er noch einer von uns mehr am Leben sein wird.“

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