radiX, Aussendungen
April
2001

Einige kritische Anmerkungen zur Kampagnenpolitik

anhand des Beispiels: Salzburg, Anti-WEF

Von 1.-3. Juli findet in Salzburg das European Economic Summit statt, ein internationales Treffen der wirtschaftlichen Elite, wo auch diverse PolitikerInnen Österreich wieder beehren werden, und damit Österreich ein Stückchen der von der Regierung so ersehnten „Normalität“ zurückgeben werden.
Verschiedene Gruppen aus dem In- und Ausland haben die Mobilisierung bereits aufgenommen, mit einem knalligen Eventspektakel a la Davos oder Neapel ist im Zuge des momentan so populären „summit hopping“ [1] zu rechnen.

Mit dem Ende der Systemkonkurrenz zwischen real existierendem Sozialismus und freier Marktwirtschaft, und dem von Francis Fukuyama postulierten „Ende der Geschichte“, kam die Linke in Westeuropa in die Krise. Zwischen postmodernem Kampf um Repräsentation, theoretisch abstrakten Flügelkämpfen und einem allgemeinen Bedeutungsgewinn von rechten Ideologemen zerfielen die Strukturen und Zusammenhänge der Achtziger. Erst im Zuge der mit Seattle entstandenen „Antiglobalisierungsbewegung“ kam es zu einem Wiedererstarken des linken Aktivismus, doch viele fangen wieder bei Null an. Personelle Kontinuitäten, Erfahrungsweitergabe von älteren AktivistInnen gab und gibt es kaum, so laufen wir in die Gefahr „alte“ Fehler zu wiederholen, bzw. aus den Erfahrungen die viele GenossInnen schon 15 Jahre vor uns gemacht haben zu wenig zu lernen.

Deshalb nun ein Versuch die Kritik an der Kampagnenpolitik, wie es sie ja auch schon in den Achtzigern gab (Hainburg, Wackersdorf, Anti- IWF/WB, usw...) zu erneuern. Kampagnen sind immer punktuelle Mobilisierungen zu einem Thema, zu einem „Event“, welche zumeist aus Demonstrationen, Kongressen, Workshops, Besetzungen, Diskussionsveranstaltungen, oder ähnlichem bestehen. Es bedeutet eine Menge unbezahlter Arbeit für die AktivistInnen vor Ort, bzw. die Vorbereitungsgruppen, oft überlasten sich wenige.

Die Masse fährt (wenn alles mit der Mobilisierung geklappt hat) da hin, und „konsumiert“ mehr oder weniger was die anderen vorbereitet haben. Das Presseecho verklingt oft schnell wieder, an der Nachbereitung sind schon viel weniger Interessiert. Und was am Ende bleibt, sind neben den positiven Erlebnissen und neuen Kontakten usw. eine gewisse Leere, die durch die nächste Kampagne wieder gefüllt wird. Nach 3 bis 5 solcher Kampagnen bist Du 30, ausgepowert und auf Jobsuche, das war´s dann, hinein ins Private und vielleicht ein bisschen Karriere, mit den Eigenschaften, die du dir als alternativeR Event-ManagerIn angeeignet hast.

Das Praxisverständnis, das aus der Kampagnenlogik resultiert, beschränkt sich auf die Mobilisierung der „Massen“ zu bestimmten Taten, Demos o.ä. Viele Leute sollen für irgendeine Handlung gewonnen werden, die zumeist in der Öffentlichkeit, auf der Straße, stattfindet. Das Anliegen dieser Protestform, die Argumente und die Kritik sollen an die Öffentlichkeit gelangen, erreichen diese aber nur über die Massenmedien.

Die Vermittlung radikaler Gesellschaftskritik über marktabhängige Massenmedien wäre aber verbunden mit deren Selbstauflösung. Inhalte werden daher entstellt, verzerrt und zerstückelt, und dem bürgerlichen Subjekt österreichischer Prägung in ressentimentgeladenen Häppchen serviert. Auch das Problem der „Mediatisierung“ (©hard_ware kollektiv), also der völligen Ignoranz von kritischen Bewegungen auf der einen, und der Fixierung auf schlagzeilenträchtige Randale auf der anderen Seite wird nicht bekämpft, sondern bedient.

Das „Handeln“ wird vom Alltag weg, auf die besonderen Events fokussiert. Politische Praxis, militante Interventionen, Bewußtseinsbildung usw. werden so aus dem Alltag abgezogen und auf die „Sonntage der Bewegung“, wo wir alle unsere Kräfte konzentrieren, verlegt.

Direktes Ziel unseres Aufbegehrens ist nicht: der alltägliche kapitalistische Terror der Lohnarbeit, die dir per Einsatz deines Lebens aufgezwungen wird; die Zurichtung auf Schule und Uni, die dich darauf vorbereiten, dein Leben wegzuschmeißen, für irgendeinen Job; die Gewalt gegen Frauen, MigrantInnen usw...., also all die Formen (auto)repressiver Gewalt, die abstrakter als die „Totalität der Warengesellschaft“ bezeichnet werden können.

Ziel unseres Aufbegehrens ist diesmal ein Treffen irgendwelcher Promis, in irgendeiner Kleinstadt, wo viele nicht einmal auf Urlaub hinfahren würden, wenn dort kein Managertreff wäre.

Trotzdem: Es liegt in unser aller Interesse, daß am 1.7. in Salzburg massiver Widerstand dasteht! Und zwar nicht nur gegen das WEF, vor allem auch gegen die Rehabilitierung der Regierungsbeteiligung einer rechtsextremen Partei und gegen den Schlußstrich unter die Sanktionen gegen Österreich.

Schüssel und Riess-Passer werden diesen internationalen Kongreß nutzen, als Beweis für die allgemeine Akzeptanz der ÖVP-FPÖ Regierung und ihres Gedankengutes. Dieser Kongreß ist ein weiterer Schritt zur „Normalisierung“ und Akzeptanz österreichischer Zustände, und, so er stattfindet, eine Niederlage, den in Zukunft werden Regierungsbeteiligungen, wie die von Umberto Bossi, LePen oder eben Haider´s FPÖ kein gebrochenes Tabu mehr sein.

Deshalb ist es nicht nur wichtig und richtig nach Salzburg zu fahren, sondern auch sich schon im Vorfeld mit dem Sinn der Aktionen, der theoretischen Auseinandersetzung, den Aktionsmöglichkeiten vor Ort und der Repression zu beschäftigen. Damit wir nach den Aktionstagen mit einem Kater aufwachen, der nur von unseren Feierlichkeiten stammt!

Bücher zur Geschichte der Autonomen:

  • in Italien:
    • Die Unsichtbaren, Nanni Balestrini, Schwarze Risse
    • Die goldene Horde, Moroni/Balestrini, Schwarze Risse, 1994
  • in Deutschland:
    • Feuer und Flamme, Geronimo, ID-Archiv, 1990

Alle Bücher sind in der Volxsbibliothek (EKH, jeden Mi. von 17-20.00) entlehnbar.

Infos zur Anti-Wef-Kampagne:
weblink: www.antiwef.org
e-contact: mobilisation@antiwef.org

AKTIONSTAG GEGEN DEN WEF-GIPFEL IN SALZBURG: 1. JULI 2001
ab do, 28.6.: info-point und platz für kreative tätigkeiten u. vorbereitungen am sa, 30.6.: workshops (rechtshilfe, sani, ...) und ein fest am abend am so, 1.7.: demo, ziviler ungehorsam, ...

[1Summit hopping („Gipfelhüpfen“): wie ein Wanderzirkus reisen die immer gleichen AktivistInnen, oft 1000e km, zu den verschiedenen Demonstrationen.

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