Heft 1-2/2006
Mai
2006

Fans, überwacht

Polizeiapparate und Polizeibehörden kommen, wie wir wissen, nicht ohne Feindbilder aus. In Zürich sind es seit den 80er Jahren vor allem HausbesetzerInnen, Punks und Hip-HopperInnen, die sich als Blitzableiter anbieten. Dass junge ausländische und vor allem dunkelhäutige AsylbewerberInnen nicht fehlen dürfen, versteht sich von selbst.

Sie alle dienen als Begründung zur Etablierung von noch mehr Staatsmacht, noch mehr technischer Ausrüstung und noch breiterer Überwachung und staatlicher Fichierung, also der Speicherung personenbezogener Daten. Die „arbeitende“ Bevölkerung wird zum DenunziantInnentum angehalten, und einige Medien basteln kreativ an den negativen Klischees dieser unangepassten, jungen, störrischen und konsumfeindlichen Randgruppe, die man nur noch mit polizeilichen Hilfs- und Abwehrmittel, sprich Tasern, Wasserwerfern mit dem besonders schädlichen CS Gas/Wassergemisch, mit Gummischrotgewehren und biometrischer Überwachung in Schach halten kann.

Neu im StaatsfeindInnen-Katalog sind nun die Fussballfans. Dass diese in die obere Liga der StaatsfeindInnen aufgestiegen sind, verdanken sie in erster Linie der sozialdemokratischen Zürcher Polizeivorsteherin Esther Maurer. Ihr fatales Konzept, präventiv alle Fans einer gewalttätigen Klientel zuzuordnen, ging im Dezember 2004 auf.

Vor dem Meisterschaftsspiel GC (Grasshopper-Club Zürich) gegen den FCB (Fussball-Club Basel) am 5.12. hielt ein massives Zürcher Polizeiaufgebot 427 Personen am Bahnhof Altstetten, einem Vorort von Zürich, fest, darunter viele Minderjährige. Alle Fans wurden vor dem Spiel aus dem Sonderzug, mit dem sie angereist waren, herausgeholt und festgenommen. Bereits in Basel verhinderte die Basler Polizei, vermutlich in Absprache mit den Zürcher Behörden, dass die Basler FCB Fans mit öffentlichen Zügen nach Zürich reisen konnten. Sie alle wurden genötigt, in einen bereit gestellten Sonderzug einzusteigen.

Beim Bahnhof Altstetten angekommen, wurden die Fans nach dem Aussteigen sogleich eingekesselt. Die mit Schildern, Schlagstöcken und Gummischrotgewehren ausgerüstete Polizei sperrte alle Ausgänge ab, um eine so genannte Personenkontrolle durchzuführen. Als ein Rauchtopf gezündet wurde, brach in den hinteren Reihen Panik aus. Die PolizistInnen reagierten ebenso panisch und sprayten Reizstoff in die zusammengepferchte Menge. Unter den Eingekesselten war alles vertreten, vom 14-jährigen Mädchen bis zum 40-jährigen Familienvater. 300 verhaftete Fans, darunter viele Kinder, wurden in der Polizeikaserne in Massenzellen untergebracht, ohne Möglichkeiten, sich frisch zu machen, zu telefonieren oder auf die Toilette zu gehen. Alle bekamen einen Eintrag ins Polizeiregister.

Der 13. Mai, ein Samstag, brachte endlich den Durchbruch für die eidgenössischen WächterInnen der inneren Sicherheit. Das Meisterschafts-Endspiel zwischen den Erzrivalen Zürich und Basel versprach eine „Fussballparty“ der ganz besonderen Art zu werden. Während die Zürcher Fans hinter einem über zwei Meter hohen Sicherheitszaun in Schach gehalten wurden, blieb der Zugang der Basler Fans aufs Spielfeld offen. Wider Erwarten verlor der Basler Club das Spiel in letzter Minute. Die Hatz auf FCZ Spieler (Fussballclub Zürich) und auf Zürcher Fans war eröffnet, das Spielfeld wurde von den Basler Fans gestürmt. Kaum waren die Tränengasschwaden der massiv aufgebotenen Polizei verflogen, die letzten Feuerwerkskörper der Hooligans gegen Mitternacht verschossen, wetteiferten Mit- und Unverantwortliche in Sachen Fan-Bashing um die Wette. Der Sicherheitsverantwortliche der Swiss Football League Thomas Helbling warf allen, die das Referendum [1] gegen die Änderung des Bundesgesetzes zur Wahrung der Inneren Sicherheit unterschreiben wollen, vor, sie/er mache gemeinsame Sache mit kriminellen und gewalttätigen Hooligans.

Bundesminister Samuel Schmid zog nach und freute sich über die unerwartete Hilfe der Gesetzesvorlage. Auf die brisanten Inhalte des so genannten Hooligangesetzes [2] wurde bewusst nicht eingegangen. Aber selbst die Boulevardzeitung BLICK schrieb: „Jetzt schreien alle laut nach dem Hooligangesetz. Aber das ist ein durchsichtiges Manöver, um vom bisherigen Nichtstun abzulenken. Schon heute sind Stadionverbote möglich, man muss sie nur durchsetzen.“ Und der Einsatzleiter der Basler Polizei meinte: „Das Hooligangesetz hätte am Samstag wenig bis gar nichts gebracht. Die Gesetze gegen Randalierer sind heute schon da, man muss sie nur konsequent anwenden.“

Das Referendum der Fussball- und Eishockey-Fanclubs, das u.a. von Menschenrechtsgruppe augenauf [3] und den Demokratischen Juristinnen und Juristen (DJZ) unterstützt wird, wurde initiiert, weil das Hooligangesetz BürgerInnenrechte massiv einschränken würde. So können beispielsweise Angestellte privater Sicherheitsdienste durch willkürliche Aussagen erreichen, dass Menschen auf bloßen Verdacht hin jahrelang vom Staat fichiert und mit Zwangsmaßnahmen belegt werden. Das so genannte Hooligangesetz ist vor allem eine große Fichierungsaktion des Staates, mit Zugriff auf alle Polizeidaten auch für private Sicherheitsdienste. Dass Staat, Polizei und private Sicherheitsdienste mehr Rechte für sich einfordern, ist nicht neu. Mit dem Schüren von Ängsten und einem flugs herbeigeredeten permanenten Ausnahmezustand werden BürgerInnenrechte immer mehr beschnitten. Die Fraktionspräsidentin einer christlichen Partei und Kandidatin für die demnächst stattfindende Wahl in die oberste Bundesbehörde möchte das Hooligangesetz auch auf Demonstrationen ausweiten. Das Ziel: TeilnehmerInnen können dann schon im Vorfeld der Demo für 24 Stunden eingesperrt werden.

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