radiX, Aussendungen
Februar
2001

Finkelstein-Auftritt in Wien

Am Freitag, dem 9. 2., um 19.30 Uhr präsentiert Norman Finkelstein sein Buch in Wien im Amadeus im Steffl, 1., Kärntner Str. 19. Nach den bisherigen Erfahrungen auf Finkelsteins Veranstaltungstour durch das ehemalige Deutsche Reich, ist mit Auftritten seiner Fans aus Burschenschaften und anderen rechtsextremen Gruppen zu rechnen. Auftritte von Antifas sind also eher in größeren Gruppen zu empfehlen.

Zur Information für die, die noch nichts von Finkelsteins Buch gehört haben, ein Artikel aus DER STANDARD, 07. Februar 2001:

Am Freitag präsentiert Norman Finkelstein „Die Holocaust-Industrie“ in Wien

Diese Woche erscheinen die umstrittenen Thesen des Politologen Norman Finkelstein über die Instrumentalisierung des Holocaust und die Existenz einer angeblichen „Holocaust-Industrie“ auf Deutsch. Öffentliche Diskussionen in Berlin, Zürich und Wien eröffnen ab heute die Show. Eine Einschätzung von Bert Rebhandl.

Der amerikanische Politologe Norman Finkelstein brachte im vergangenen Jahr „Überlegungen zur Ausbeutung des Leidens der Juden“ zu Papier. Seine „reflections“ hat er mit vielen Annahmen vermischt, wodurch er zu dem Schluss kam, eine „Holocaust-Industrie“ sei am Werk, die aus wenigen Männern besteht. Sie kassieren beträchtliche Honorare für Vorträge und Anwaltsstunden, während sie europäische Länder zu überzogenen Reparationszahlungen für Naziverbrechen erpressen, die sie häufig nicht an die jüdischen Überlebenden weitergeben.

In den USA erschien Finkelsteins Buch in einem kleinen Verlag, und die Öffentlichkeit wusste nicht recht, wie mit diesem Text umzugehen sei, dessen moralischer Anspruch so hoch war, dessen verschwörerischer Tonfall aber so beunruhigende Anklänge enthielt.

Im deutschsprachigen Raum kam es schon im vergangenen Herbst zu einer ersten Welle der Auseinandersetzung. Salomon Korn, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, forderte den Verzicht auf eine Veröffentlichung des Buches in Deutschland, weil es antisemitische Vorurteile befördere.

Indem der Münchner Piper Verlag diese Woche eine Übersetzung vorlegt, bekommen die Missverständnisse um Finkelsteins Thesen eine neue Dimension. Jetzt handelt es sich nicht länger um den emotionalen Einwurf eines amerikanischen Juden, der die Politik des Staates Israel gegenüber den Palästinensern verurteilt, sondern scheinbar um ein Sachbuch mit kontroversen Auffassungen über die Funktion des Holocaust-Gedenkens.

Finkelsteins Text genügt aber weder auf der Ebene der Dokumentation noch auf der Ebene der Reflexion den Anforderungen, die ein vernünftiges Lektorat stellen müsste. Es beginnt damit, dass in der deutschen Ausgabe das Wort Holocaust wie ein Warnsignal vorwiegend in Großbuchstaben geschrieben wird, gemäß Finkelsteins Auffassung, es handele sich dabei nicht um einen Begriff für die Vernichtung europäischer Juden durch die Nazis, sondern um eine ideologische Konstruktion.

Er kümmert sich nicht darum, dass es um den Begriff Holocaust selbst schon ausführliche Debatten gab, dass Claude Lanzmann und andere die Rede von der Shoah vorziehen und dass es in neuerer Zeit eine eher pragmatische Übereinkunft gibt, in der Öffentlichkeit das Wort Holocaust beizubehalten.

Mangelnde Recherche

Das typographische Manöver, den Holocaust stets in Versalien zu schreiben, erinnert ohne Absicht, aber deutlich an die Anführungszeichen der Holocaust-Leugner. Auf eine prekäre Weise kehrt Finkelstein die Übereinkunft um, derzufolge hinter der Akzeptanz eines Begriffs vom Holocaust alle Auffassungsunterschiede über dessen historischen oder religiösen Status nachrangig sind.

Es folgen seine Ausführungen. Das erste Kapitel zieht eine große Linie durch die Nachkriegsgeschichte. Der israelisch-arabische Junikrieg von 1967 markiert einen Wendepunkt. „Eine beliebte Pose“, schreibt Finkelstein, „der nach 1967 als Zionisten Wiedergeborenen bestand darin, ihre Unterstützung für ein vermeintlich belagertes Israel gegen die Feigheit der amerikanischen Juden während des Holocaust auszuspielen. In Wahrheit taten sie genau das, was die jüdischen Eliten Amerikas immer getan hatten: Sie marschierten im Gleichschritt mit der Macht in Amerika.“ Finkelsteins eigentlicher Adressat sind die USA (siehe unten stehendes Interview) und deren globale Machtpolitik.

Im zweiten Kapitel kommt Finkelstein näher auf die „Holocaust-Industrie“ zu sprechen, die je nach geopolitischer Lage ihre „Produktionsrate steigert“.

Holocaust-Shows

Die Goldhagen-Debatte oder der Fall des literarischen Schwindlers Wilkomirski und die Vortragshonorare von Elie Wiesel: Alles wird hier zum Argument für eine „große Holocaust-Show“, von der „Schwindler und Geschäftemacher“ profitieren.

Das dritte Kapitel trägt den Titel „Doppelt abkassiert“ und ist eine wenig transparente Darstellung der Sammelklagen amerikanischer jüdischer Interessenverbände vor allem gegen die Schweiz. Hier äußert Finkelstein besonders gravierende Vorwürfe, und hier wird auch der Mangel, dass sein Buch nicht auf Recherchen, sondern nur auf Lektüre beruht, besonders schwerwiegend. Seine Darstellung mündet in einen Satz: „Während die Holocaust-Industrie Zahlenspiele treibt, um ihre Entschädigungsforderungen hochzutreiben, machen sich Antisemiten voller Schadenfreude lustig über die ,jüdischen Lügner’, die sogar ihre Toten ,verhökern’.“

Die Holocaust-Industrie ist ein fundamentalistisches Buch, dessen Sprache zuweilen antisemitische Färbung annimmt. Finkelsteins gute Absichten sind es gerade, die das Buch zu einem intellektuellen Skandal machen: Er kann es nicht akzeptieren, dass der Holocaust wie jeder andere historische Tatbestand einem Kräftespiel unterliegt, in dem Interpretation, Ideologie, Interessen und individuelle Leidenschaften entscheidend sind. Sein moralischer Rigorismus führt ihn dazu, von einer „Holocaust-Industrie“ als einem Subjekt zu sprechen, und mit dieser Rede verlässt er schon im Titel die vernünftige Debatte und eröffnet ein Pamphlet.

Am Freitag, dem 9. 2., um 19.30 Uhr präsentiert Norman Finkelstein sein Buch in Wien im Amadeus im Steffl, 1., Kärntner Str. 19.

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