MOZ, Nummer 41
Mai
1989

Geschädigte E-Wirtschaft?

Die Tiroler Wasserkraftwerke AG prozessierte gegen einen Schriftsteller, der ihre Geschäftsmethoden kritisierte und den Verdacht äußerte, eine TIWAG-Funkanlage arbeite für die NATO.

Funkstation Haiminger Alm

Die Tiroler Wasserkraftwerke AG war mit schweren Geschützen aufgefahren. Im Medienprozeß gegen den Innsbrucker Schriftsteller Markus Wilhelm, Herausgeber der Zeitschrift „Foehn“, klagte sie wegen Kreditschädigung auf angemessene Bestrafung, Einziehung der Nummer des „Foehn“ vom Jänner 1988 und auf Übernahme der Verfahrenskosten durch den Schriftsteller.

Den Kredit, Erwerb und das berufliche Fortkommen der TIWAG sieht Anwalt Josef Michael Danler durch drei Passagen in der Zeitschrift, die sich mit der Energiewirtschaft im allgemeinen und der Tiroler Situation im besonderen beschäftigt, gefährdet:

  • Markus Wilhelm schrieb, daß die TIWAG „in ihrem Interesse, im Interesse der ausländischen E-Konzerne, denen sie verpflichtet ist, und im Interesse bundesdeutschen Finanzkapitals“ bauen will. Diese Interessen, so steht’s im „Foehn“, versuche die TIWAG „mit handfesten Lügen und unverhohlenen Drohungen“ durchzusetzen.
  • Weiters kritisierte der Autor den verbilligten Strompreis für industrielle Abnehmer und meinte, daß dieser unter anderem deshalb möglich sei, „weil einer der drei Direktoren der Tiroler Landeselektrizitätsgesellschaft, Helmut Mayr, Vorstandsmitglied der Vereinigung Österreichischer Industrieller ist“.
  • Drittens sieht sich die E-Wirtschaft durch den geäußerten Verdacht, daß die TIWAG durch einen Sendemast auf der Haiminger Alm „die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten der NATO in unserem Land und über unser Land hinweg unterstützen“ könnte, geschädigt.

Der Schaden, den die TIWAG durch diese Berichterstattung erlitten habe, sei erheblich gewesen, sagt genannter Direktor Helmut Mayr, beim Prozeß im Innsbrucker Landesgericht sowohl als Anwalt als auch als Zeuge agierend, aus. Um die Auswirkungen des „Foehn“-Berichtes „in der Öffentlichkeit wieder gutzumachen“, habe die TIWAG eine Werbekampagne mit einem Budget „in Millionenhöhe“ beschließen müssen, argumentiert Mayr. Der Tatbestand der Beeinträchtigung des Erwerbes sei ohne Zweifel gegeben, denn „es formieren sich in letzter Zeit erhöhte Widerstände gegen Kraftwerksbauten, aber auch gegen Leitungsanlagen“ — eine Aussage, die dazu angetan ist, kritische Berichterstattung zu kriminalisieren.

Die Vertretung eines Vorstandsdirektors eines Öffentlichen Elektrizitätsunternehmens in der privaten „Vereinigung Österreichischer Industrieller“ — übrigens auch vom Rechnungshof kritisiert — sei durchaus nicht in den Zusammenhang von Mauschelei zu stellen, meinte der — gehoben näselnde — Anwalt Danler, denn: „Ein Postbeamter kann ja auch Vorsitzender in einem Briefmarkensammlerverein sein.“ Markus Wilhelm hält dem den Vereinszweck der Industriellenvereinigung gegenüber, nämlich, daß Mitglieder die Interessen der anderen Mitglieder zu fördern hätten. Verteidiger Walter Sarg: „Es muß ja im Interesse der Vereinsmitglieder, also der Industrie, sein, billigen Strom zu beziehen.“ „Jawohl“, antwortet Mayr. Könnte es vielleicht so etwas wie einen Tauschhandel — Mitgliedsbeitrag der TIWAG in Millionenhöhe, wie kolportiert wird, bei der Industriellenvereinigung und umgekehrt dafür Kraftwerkspropaganda durch die Industriellen geben — will der Verteidiger wissen. „Auf die Frage nach Gegengeschäften antworte ich nicht“ (Mayr). Er jedenfalls trete in der „Vereinigung Österreichischer Industrieller“ dafür ein, daß die Vereinigung für Kraftwerksbauten eintrete.

Die Frage der Verteidigung, ob die TIWAG — nochmals: ein öffentliches Unternehmen mit Versorgungspflicht gegenüber den TirolerInnen — nicht auch bei einer Konsumentenschutzorganisation Mitglied sein solle, stößt bei Helmut Mayr auf Unverständnis: „Die Bäcker“, meint er, „schließen sich auch nicht zusammen zu einer Interessensvereinigung der Semmelesser.“

Bezüglich der Funkanlage, die sich im Eigentum der TIWAG befindet, an der aber auch die Post, die Tiroler Landesregierung, die Gendarmerie, die Autofahrervereinigung ÖAMTC, der Verbundkonzern und die Bundesstraßenverwaltung mit Funkstellen beteiligt sind, sagte der „Presse“-Journalist Haider als Zeuge aus, ihm habe ein Tiroler Kollege — ein seriöser Patriot, wie es heißt — folgende Begebenheit geschildert: Er habe bei der Funkanlage ein Auto mit US-Kennzeichen „Fürstenfeld Bruck“ und einen Techniker, der sich an der Anlage zu schaffen machte, beobachtet. Dieser Techniker habe den Informanten im Befehlston angehalten weiterzugehen. Ganz sicherlich, so Haider vor Gericht, habe sein Kollege den Ausdruck NATO im Zusammenhang als Verdacht geäußert. Warum er denn dann die Geschichte nicht selbst journalistisch verwertet habe, will der TIWAG-Anwalt wissen. „Als Journalist“, erklärt Haider fast schüchtern, „gefährdet man sich ja selbst dauernd, wenn man in Richtung Neutralitätsverletzung recherchiert.“

Das geschilderte Erlebnis ist aus mehreren Gründen bedeutsam: Erstens ist die Funkanlage für „normale Menschen“ mit dem Auto nicht zu erreichen, da die Zufahrt abgesperrt ist — freie Zufahrt haben nur Eigentümer bzw. Benützer. Zweitens sind im bayrischen Grenzland Aufklärungs- bzw. Fernmeldetruppen der USArmy stationiert. Drittens scheint selbst die Staatsanwaltschaft Innsbruck verunsichert über den Wahrheitsgehalt des Verdachtes — zumindest hat sie im November 1988 eine von der TIWAG erstattete Strafanzeige wegen „Verdachtes des Vergehens der Verleumdung“ zurückgelegt. Viertens ist „Fürstenfeld Bruck“ nicht irgendein US-Kennzeichen: Im nahegelegenen Augsburg-Gablingen befindet sich die größte fernmeldeelektronische Aufklärungsstation außerhalb der Vereinigten Staaten, das 6913. Electronic Security Squadron, betrieben von der US Army Field Agency. Und fünftens paßt der geäußerte Verdacht trefflich ins Gesamtbild einer — nicht nur nachrichtendienstlichen — Angliederung Österreichs an die NATO.

Markus Wilhelm wurde freigesprochen, ein Urteil, gegen welches die TIWAG Berufung einlegte.

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