Heft 2-3/2003
Mai
2003

Haider als „Gast bei Saddam“

Juden sind der Abschaum der menschlichen Rasse.

(Saddam Hussein im irakischen Radio, 9.6.2001)

Jörg Haider hat die Ein­drücke von seinen Solida­ritätsbesuchen im Irak zu Pa­pier gebracht: Unter dem Ti­tel „Zu Gast bei Saddam. Im ‚Reich des Bösen‘“ erschien Ende März beim Ibera Ver­lag ein gut zweihundertseiti­ges Bekenntnisbuch des Kärntner Landeshauptman­nes. Dieses erschöpft sich weitgehend in einer Reproduktion der irakischen Re­gierungspropaganda und ist durchsetzt von unhinterfrag­ter Faszination gegenüber dem „Orient“. Der kritischen LeserInnenschaft erschließt sich darüber hinaus, worin die weltanschauliche Grund­lage von Haiders Sympathie­bekundungen gegenüber dem arabischen Nationalis­mus und dessen tragenden Eliten besteht, nämlich im Antisemitismus.

Während sich Haider über den verbrecherischen Charakter des Baath-Regimes weitgehend ausschweigt, weiß er von „Tausenden von unschuldigen Zivilisten, die auf dem Altar der imperialis­tischen Ölgelüste der USA geopfert werden“ (S. 10) zu berichten. Nicht Saddams Schreckensherrschaft, auf de­ren Konto die Ermordung von rund fünf Prozent der irakischen Bevölkerung geht, sondern die UN-Sanktionen würden einen „Völkermord“ (S. 17) bedeuten.

Die zahlreichen Einla­dungen aus arabischen Län­dern und dem Iran erklärt sich der „Araberfreund“ (Haider über Haider) mit der Tatsache, dass auch Öster­reich (nach der Aufnahme der FPÖ in die Regierung) vom „internationalen Bann­strahl“ (S. 18) getroffen wor­den sei. Wie Gaddafi, Sad­dam Hussein u.a. ist ja auch er ein Opfer der „USA und anderer Staaten in ihrem Na­heverhältnis“ (ebd.).

Wie sehr das gemeinsame Feindbild verbindet zeigt sich auch in der Art und Weise, wie Haider über seine arabi­schen Gesprächspartner schreibt. Den irakischen Vizepremier Tarek Aziz be­zeichnet er als „einen gebil­deten und durchaus angenehmen Gesprächspartner“ (S. 13). An Gaddafi, der Hai­der schon vor Jahren als Ver­bündeten im Kampf gegen die, wie er sagte, „zionistische Herrschaft“ begrüßte, impo­niert ihm das „Bekenntnis zu Kultur, Volk und einer be­stimmten Lebensweise, die Denken und Handeln prägen und die Errungenschaften der modernen Welt verges­sen lässt.“ (S. 19) Hier ist be­reits eine zentrale weltan­schauliche Gemeinsamkeit von arabischen und völki­schen Nationalisten ange­sprochen, nämlich die kulti­sche Verehrung vormoderner Gemeinschaften. Diese wer­den hier wie dort als quasi natürliche und in Blut und Boden wurzelnde Entitäten dargestellt und in Opposition zur bürgerlichen Vergesell­schaftung gebracht.

Über den syrischen Ver­teidigungsminister Mustafa Tlas, Verfasser der antisemitischen Hetzschrift „Die Mat­zen von Zion“, weiß Haider zu berichten, dass er „ein äußerst träger, humorvoller und würdevoller Mann“, „ei­ne richtige Größe für sich“ (S. 129) sei. Wenig überra­schend hat sich Tlas in erster Linie über die „verbrecheri­sche Politik Israels“ (S. 130) ausgelassen. Bezeichnend auch folgende Episode: „Dann kam etwas völlig Un­erwartetes. Er (Tlas, Anm.) ersuchte mich, bei einem Bild (...) genauer hinzu­schauen. Seine Frau lächelte schelmisch, als sie mein rat­loses Gesicht beim Anblick dieses Bildes bemerkte. Ich verstand nicht, worum es da­bei ging. Erst als ich genau hinsah, erkannte ich den Grund. Das Bild war von Adolf Hitler gezeichnet und von ihm signiert. Tlas erzähl­te mir, daß Londoner Gale­risten ihm viel Geld für die­ses Werk geboten hätten, er sich aber um keinen Preis von diesem Werk trennen könnte.“ (S. 131f) Auf die Idee, dass die Begeisterung für den malenden Führer et­was mit der für ihn zu tun haben könnte, kommt Hai­der natürlich nicht.

Geradezu ins Schwärmen gerät Haider, sobald die Rede von seinem „Freund Naji Sabri“ (S. 41), dem irakischen Außenminister, ist: „Oft ka­men wir regelrecht ins Philo­sophieren über Themen wie Identität und Unterschied, Einheit und Vielfalt. Naji schilderte dabei immer wie­der den ideologischen Hin­tergrund der Baath-Partei, die sich selbst als Bündnis von verschiedenen nationa­lelen Strömungen interpretiert, der die Eigenständigkeit ih­rer Völker das zentrale An­liegen ist.“ (S. 42) Mal abge­sehen vom Zynismus, der aus diesen Zeilen angesichts des Leidens der irakischen Juden und Jüdinnen, KurdInnen und SchiitInnen spricht, der „ideologische Hintergrund der Baath-Partei“ ist Haider deswegen so vertraut und sympathisch, weil es auch sein eigener ist. Tatsächlich stellt der Baathismus (wie auch Gaddafis Lehre vom „Dritten Weg“) eine regio­nalspezifische Artikulations­form des europäischen Rechtsextremismus dar. Nicht umsonst stand der Na­tionalsozialismus an der Wie­ge des panarabischen Befrei­ungsnationalismus, sehen deutsche Neonazis heute im Irak eine „orientalische(n) Variante des nationalsoziali­stischen Volksstaates“, so Axel Reitz vom Kampfbund Deutscher Sozialisten. Um­gekehrt betonte etwa Tarek Aziz gegenüber Haider im­mer wieder „die wohlwollen­de Einschätzung des Irak, was das zunehmende Erstar­ken von nationalen politi­schen Kräften in Europa und auch in Österreich“ (S. 63) betreffe.

Als Schlüsselstellen im Buch erscheinen jene Ab­schnitte, in denen Haider den Antisemitismus seiner arabi­schen Gesprächspartner ein­fach reproduziert: „In ihrem (der Irakis, Anm.) Verständ­nis war bereits das alte Baby­lon Widersacher und Feind der Juden, die heute, verkör­pert durch Israel, den Irak als Inbegriff des Arabertums ver­nichten wollten.“ (S. 56) An anderer Stelle berichtet er wieder über ein Gespräch mit Tarek Aziz: „Immerhin wäre der Irak den USA nicht allein wegen seiner Ölvorräte ein Dorn im Auge, sondern auch aufgrund der Tatsache, daß sein Land es als einziges wagte, der israelischen Ag­gression die Stirn zu bieten und die Palästinenser zu un­terstützen. (...) Dabei mach­te er klar, daß er das Problem in den USA nicht allein auf Seiten der Republikaner sah. Denn auch die Demokraten, die sehr stark von jüdischen Kreisen beeinflusst seien, un­terstützen in der Irak-Frage voll und ganz den Kurs von Bush junior.“ (S. 61f)

Es ist dieser Antisemitis­mus, der die schiefe Wahr­nehmung des Nah-Ost-Konfliktes determiniert. So ist die Rede von der „mit Deckung der USA unverhohlen betrie­benen israelischen Aggres­sionspolitik im Nahen Osten“ (S. 62). Auch seien nicht Giftgasmörder, Despoten oder is­lamistische Selbstmordat­tentäter, sondern die USA und Israel „im wesentlichen dafür verantwortlich, daß sich die Welt insgesamt in einer angespannten und unsicheren Lage befände.“ (ebd.)

Schließlich kommt Haider auf seine Treffen mit Sad­dam, der Hitlers „Mein Kampf“ einmal als „das wichtigste in unserem Jahr­hundert geschriebene Buch“ bezeichnet hat, zu reden. Bei diesen schlug ihm von An­fang an „durchaus eine At­mosphäre der Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit ent­gegen“ (S. 71). Auch hier ist es die antisemitische Weltan­schauung, die reproduziert wird: „Saddam Hussein kam umgehend zur Analyse der politischen Situation im ara­bischen Raum. Im wesentlichen deckten sich seine Aus­führungen bezüglich der Ein­schätzung speziell der Rolle Israels im Zusammenspiel mit den USA mit jenen seines Vi­zepremiers Aziz. Allerdings — und das kam bei ihm beson­ders stark hervor — betonte er immer wieder seine politi­sche Vision von der Einigung der arabischen Nation, um deren elementare Interessen gegen die ‚Zionisten‘, wie Is­rael in all diesen Gesprächen immer wieder genannt wur­de, mit entsprechendem Nachdruck zu verteidigen. Als Vorkämpfer dieser Idee der arabischen Einigung hät­te er sich ganz besonders der Sache der Palästinenser und ihres Kampfes um Eigen­staatlichkeit angenommen. Das wäre auch der Hinter­grund dafür, „daß er den Fa­milien der Selbstmordat­tentäter, die ja bei israelischen Vergeltungsaktionen mit ei­nem Schlag ihres gesamten Hab und Gutes beraubt wür­den, finanzielle Unterstüt­zung zukommen ließe.“ (S. 71) Haider fiel auf, dass Sad­dam „immer dann, wenn es in unserem Gespräch um die Palästinenserfrage ging, sehr aufgeweckt und emotionali­siert wirkte und es verstand, ausgesprochen konsequent zu argumentieren und die Dinge auf den Punkt zu brin­gen.“ (S. 72) Unumwunden räumt der Kärntner Landes­hauptmann ein, „von der scharfen Logik und den kla­ren Argumentationslinien Saddam Husseins überrascht gewesen zu sein.“ (ebd.) Lo­bende Worte also für jeman­den, der Israel als „Zionisten­gebilde“ zu bezeichnen pflegt und von einem judenreinen Palästina träumt. Aber Hai­der wird noch deutlicher, wenn er offen bekennt, dass er „in der Palästinenserfrage einer Meinung mit Saddam Hussein“ (S. 77) ist.

Schließlich findet noch ein Gespräch mit Saddams berüchtigtem Sohn Udai Erwähnung: „Im Unterschied zu seinem Vater, hinter des­sen Bulligkeit doch auch Freundlichkeit zum Vor­schein kommt, zeigte sich Udai sehr bestimmend. Es war kaum möglich mit ihm einen Gedankenaustausch zu führen. Vielmehr nutzte er die Gelegenheit, in seinen Aus­führungen eine scharfe Ab­rechnung mit Israel vorzunehmen und seinen Respekt vor deutschen Tugenden zum Ausdruck zu bringen. Sie lä­gen, so meinte er, dem deut­schen Volk im Blute und könnten daher auch von nie­mandem ausradiert werden. Weniger freundlich war sei­ne Einschätzung gegenüber den Russen, die er im großen und ganzen für verloren hielt, weil die Politiker käufliche Marionetten jüdischer Fi­nanzbosse wären, die in Wirklichkeit das Land re­gierten. Udai rechnete für ganz Europa mit einer baldi­gen Wiedererstarkung der nationalen Kräfte, die abseits ideologischer Kategorien zu einer allgemeinen nationalen Rückbesinnung führen wür­de. So martialisch und be­stimmend sein Auftreten auch war, so erstaunte mich doch die Tiefgründigkeit sei­ner Sprache. (...) Er zeigte sich jedenfalls sehr belesen und ausgezeichnet über die aktuellen politischen Ent­wicklungen informiert.“ (S. 145f) Zu einem antisemi­tischen Paranoiker, der von den in Wahrheit herrschen­den „jüdischen Finanzbos­sen“ schwadroniert, fällt Hai­der also bloß ein, dass er „be­lesen und ausgezeichnet über die aktuellen politischen Ent­wicklungen informiert“ ist. Spätestens hier stellt sich die Frage, ob Haiders Aus­führungen tatsächlich bloß von Blindheit zeugen, oder ob sie nicht doch Kompli­zenschaft und weltanschauli­che Nähe ausdrücken.

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