FORVM, No. 235/236
Juli
1973

Handelskrieg

Die Krise der amerikanischen Bourgeoisie

P. M. Sweezy und H. Magdoff sind die gegenwärtig bedeutendsten marxistischen Ökonomen der USA. Sie haben schon mehrfach die gegenwärtige Entwicklung des Kapitalismus untersucht (H. Magdoff, Das Zeitalter des Imperialismus; Baran/Sweezy, Monopolkapital). Ihre Analysen publizieren sie fortlaufend in ihrer Zeitschrift „Monthly Review“, aus deren Mai-Nummer die vorliegende Arbeit stammt. Der Artikel wird durch die letzten Verhandlungen zwischen den USA und der UdSSR akzentuiert: Der amerikanische Kapitalismus will im Zusammenwirken mit der UdSSR einen Teil seiner ökonomischen und politischen Schwierigkeiten (Energie, Rohstoffe, Weltraumforschung, Abrüstung) beseitigen, um den imperialistischen Konkurrenten besser gewachsen zu sein.

1 Weltbankier pleite

Das Abkommen von Bretton Wood ist endgültig zusammengebrochen. Das Währungssystem beruhte ursprünglich auf der Austauschbarkeit von Dollar und Gold (für eine Unze 35 Dollar), Gold wurde als Währungsreserve und als internationales Zahlungsmittel verwendet. Über zwei Jahrzehnte respektierten alle Staaten dieses Abkommen, in dieser Zeit verfügten die Vereinigten Staaten über eine praktisch unerschöpfliche Goldmine. „Goldene Dollar“ liefen aus der Druckpresse — gleichgeachtet dem gelben Metall, das von den rücksichtslos ausgebeuteten Arbeitern der südafrikanischen Minen zu Tage gefördert wurde. Solange Bretton Wood funktionierte, war es ein wunderbares System. Seine Vorzüge schilderte 1965 Staatssekretär Roosa in einem Congress-Hearing:

Wenn die USA nicht Weltbankier wären, hätten sie schon längst ihre Importe (vielleicht durch eine Deflationspolitik) beschränken, ihre Auslandsinvestitionen — die gegenwärtig zur Stabilität der Zahlungsbilanz erheblich beitragen — reduzieren und unter Umständen starke Abstriche an der Militär- und Wirtschaftshilfe für ihre Verbündeten und Freunde machen müssen. Wenn wir das alles getan hätten, würden unsere ausländischen Kunden ihre Einkäufe erheblich senken, und es käme zu einer Diskriminierung des Dollars in den meisten Ländern der Welt. Anstelle eines schnell wachsenden Welthandels gäbe es stagnierende Tendenzen, die sich sehr nachteilig auf unseren eigenen Wohlstand und den der ganzen freien Welt auswirken würden.

(H. Magdoff, Das Zeitalter des Imperialismus, 1970, S. 94)

Die Grundlage für die gegenwärtigen Schwierigkeiten wurden von den USA selbst gelegt, indem sie Papiergeld in immer größeren Mengen produzierten und damit das Geldvolumen vergrößerten. Ein Prinzip der klassischen politischen Ökonomie wurde mit Füßen getreten: eine Mehrausgabe von Papiergeld verringert nämlich seinen Metallwert (als Ausdruck menschlicher Arbeit), anders ausgedrückt: die Geldmenge kann über eine bestimmte Größe nur durch den Einsatz des Arbeitsvermögens erhöht werden.

Die USA hatten als führender Produzent von Industrie- und Agrargütern stets eine positive Handelsbilanz (Export größer als Import), vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1970. Der amerikanische Handel war immer eine Quelle des Geldzustroms. Ähnlich sind die Leistungen, welche die „entwickelten“ den „unterentwickelten“ Ländern bieten. Selbst die Auslandsinvestitionen, obwohl die öffentlichen Statistiken die Tatsachen entstellen, bringen viel mehr Einnahmen als Ausgaben:

US-Kapitalinvestitionen im Ausland (1950-1971) 46,3 Md. Dollar
Einnahmen daraus 88,4 Md. Dollar
Differenz (= Gewinne) 42,1 Md. Dollar

2 Dollar in Vietnam gestürzt

Um 1950 weisen die USA ein Defizit in der Zahlungsbilanz auf, und diese Entwicklung ist in der Tendenz gleichgeblieben. Der Grund: Die Ausgaben der USA im Ausland stammen aus der wirtschaftlichen und militärischen „Hilfe“ für „befreundete“ und verbündete Länder. Als Marxisten können wir dieses Phänomen leicht erklären. Das Defizit in der amerikanischen Zahlungsbilanz ist eine Konsequenz des amerikanischen Imperialismus, der die ganze Welt kontrollieren und beherrschen will.

Die Kosten für die Aufrechterhaltung des amerikanischen Imperialismus wurden durch den Vietnamkrieg, den längsten und (nach dem Zweiten Weltkrieg) kostspieligsten in der Geschichte der USA, rapide gesteigert. Die andere Seite des Konkurrenzkampfes der Imperialismen ist der zunehmende Einfluß der Konkurrenz Japans und der Europäischen Gemeinschaft (EG) und die Inflation in den Vereinigten Staaten selbst. Beide Faktoren begünstigen seit 1965 den Schwund in der amerikanischen Zahlungsbilanz und führten zum Handelsdefizit 1971. Da der Ausstoß des amerikanischen Papiergeldes immer mehr gesteigert wurde, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Dollar im Verhältnis zu anderen Währungen, welche eine „gesündere“ Handelsbilanz aufweisen konnten, abgewertet werden mußte. Diese Zeitspanne wurde durch die Aktionen der multinationalen Konzerne, der Spekulanten und der Ölscheichs im Nahen Osten stark verkürzt: sie wechselten gigantische Beträge von Dollar gegen Mark, Yen oder Franc und verstärkten dadurch den Druck auf den Dollar.

Die Regierungen und Zentralbanken kämpften vergeblich gegen die Dollarflut. Das unaufhaltsame Sinken des Wechselkurses des Dollars stellte sie vor unlösbare Probleme. Es begann z.B. eine Spekulation auf die Deutsche Mark: Dollar werden gegen DM getauscht und treiben die DM in die Höhe, während der Dollar fällt. Um den Währungsabkommen zu entsprechen, muß die Deutsche Bundesbank die überschüssigen Dollar aufkaufen, denn die offiziellen Wechselkurse müssen gehalten werden. Das hebt wieder die Nachfrage nach DM und fördert die Inflation in der BRD. Letzten Endes ist es ein verlorenes Gefecht, denn es können nicht alle auf ewig den Dollarstrom eindämmen und in ihre Zentralbanken leiten.

Die erste Vorschrift des Währungsabkommens von Bretton Wood, die gebrochen wurde, war die Konvertibilität des US-Dollars in Gold. De facto war das schon im März 1968 geschehen, und de jure im August 1971. In diese Zeitspanne fällt eine Reihe von Abwertungen (englische Pfund, französischer Franc) und Aufwertungen (DM), aber das schwer beschädigte Währungssystem war noch nicht tödlich getroffen. Der Zusammenbruch kam mit der offiziellen Aufhebung der Konvertibilität durch die Regierung der Vereinigten Staaten am 15. August 1971. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 53,3 Milliarden Dollar im Ausland, während die Goldreserven nur noch bei 10,5 Milliarden Dollar standen. Eine letzte Anstrengung wurde mit dem Smithschen Abkommen im Dezember 1971 versucht, dessen Konsequenz die offizielle Abwertung des Dollars und die Einführung eines Systems fester Wechselkurse war. Präsident Nixon feierte diese Abmachung als bedeutendstes Ereignis in der Währungsgeschichte, aber das half nichts.

1973 war der Dollarstrom im Ausland auf 82 Milliarden angestiegen. Eine Reihe von Ereignissen, meist eher trivial, löste eine neue Krise im Frühjahr dieses Jahres aus. In Wahrheit existiert heute kein internationales Währungssystem, sondern ein Nebeneinander nationaler Währungen, welche aus einer Reihe von ökonomischen, politischen und psychologischen Gründen einen bestimmten Kurs haben. Viele Ökonomen halten diese Entwicklung für eine positive Wendung. Sie argumentieren, daß unter dem alten System eine Spekulation gegen den Dollar relativ einfach war. Wurde die DM oder der Yen aufgewertet, hatten die Spekulanten beträchtliche Gewinne, wenn sie Dollar zurückkauften. Unter den neuen Gegebenheiten ist das Floaten der Währungen ein Nachteil für alle Spekulanten, da die Kurse sofort angeglichen werden können. Dieser Umstand soll den Anreiz zur Spekulation bremsen und die Kurse auf ihre „wahren Werte“ einpendeln lassen.

Wir wissen, daß das System von Bretton Wood durch das wachsende Defizit in der amerikanischen Zahlungsbilanz und die gigantische Dollarschwemme unterminiert wurde. Die negative Zahlungsbilanz ist eine Folge der horrenden Kosten für die Aufrechterhaltung des US-Imperialismus. Heute stellt sich die Frage, ob irgendwelche Anzeichen bestehen, daß diese Tendenz umgekehrt werden kann.

Eine Zeitlang schien es möglich, die Kosten des Indochinakrieges zu reduzieren. Aber mit der Fortsetzung des Krieges in Kambodscha hat die amerikanische Regierung das Gegenteil bewiesen. Der Trend bleibt aufrecht: 1972 hat das Handelsdefizit eine Höhe von 6,8 Milliarden Dollar erreicht, Anzeichen für einen Rückgang gibt es nicht. (Anm.d.Ü.: Als das US-Handelsministerium Zahlen veröffentlichte, wonach die Handelsbilanz vom Monat April zum Monat Mai 1973 aus dem Aktivum in ein Passivum zurückgefallen sei, kam es zu einem Kurssturz des Dollars, und die DM wurde am 29. Juni um 5,5% aufgewertet).

Selbst im neuen „floatenden“ Währungssystem wird der Kurswert des Dollars immer weiter sinken. Die bürgerlichen Ideologen wagen nicht, es auszusprechen: Der US-Kapitalismus und das ganze kapitalistische System gehen einer beispiellosen Krise entgegen.

3 Gesetz des Kapitaldschungels

Der zweite Faktor in der Abwertung (neben dem Zahlungsbilanzdefizit) ist die Inflation in den Vereinigten Staaten. Es gilt: je größer die Abwertung, desto stärker die Inflation. Überspitzt ausgedrückt kann man sagen, daß am Ende des Prozesses eine Superinflation kommen muß, mit drastischen Konsequenzen für die amerikanische Innenpolitik und die Handlungsunfähigkeit im internationalen Rahmen. Da die herrschende Klasse diese Zukunft nicht akzeptieren wird, müssen wir uns fragen, welche Alternativen ihr bleiben. Eine einfache „Lösung“ wäre, vorausgesetzt es besteht der Wille zu diesem Schritt, die Ausgaben des US-Imperialismus zu kürzen: die Liquidierung des Indochinakrieges, Zusperren aller Auslandsstützpunkte, Rückzug der US-Truppen und „Berater“ usw. Wir wissen aber, daß die Nixon-Regierung dazu nicht gewillt ist, im Gegenteil, es scheint, als wollte sie diese Ausgaben noch steigern. Unter diesen Voraussetzungen kann die Zahlungsbilanz nur über den privaten Sektor verbessert werden, d.h. eine Verbesserung der Handelsbilanz durch eine Steigerung der Einnahmen aus den Auslandsinvestitionen.

Jeder Zeitungsleser kennt das Geschwätz von den „Verhandlungen“, die alle Probleme lösen werden. Das ist Unsinn. Was die Vereinigten Staaten gegenwärtig wünschen, ist eine Reduzierung ihrer Importe und die Steigerung ihrer Exporte. Die anderen kapitalistischen Länder bezwecken das gerade Gegenteil; freiwillig werden sie nie den Forderungen der USA nachkommen. Es gab eine Periode, in der die USA mächtig genug waren, um die amerikanische Lösung durchzusetzen. Resultat war das Abkommen von Bretton Woods. Die Zeiten haben sich aber gründlich geändert, die Verhandlungen werden von allen Parteien mit dem gleichen Interesse geführt: Sicherung der eigenen Währung. Die Vereinigten Staaten bekommen heute von den anderen Staaten nicht mehr Garantie als sie geben.

Im Dschungel des Kapitalismus gilt eine Regel: Kann eine Sache nicht auf dem Verhandlungsweg durchgesetzt werden, greift man zur Gewalt. Die Nixon-Regierung versucht es zuerst mit Verhandlungen, gleichzeitig bereitet sie sich auf den Handelskrieg vor. Sie bemüht sich gar nicht um Geheimhaltung. Ein Sprecher des Handelsministeriums („Business Week“ vom 17. Februar 1973): „Ich denke, die Regierung ist im Begriff, sich auf einen Handelskrieg vorzubereiten.“ Eine andere Stellungnahme: „Die zu erwartenden Verhandlungen über den internationalen Handel steuern in stürmische Gewässer. Es ist nicht weit hergeholt, wenn man sagt, daß ein Handelskrieg zwischen der USA, Kanada, Japan und der EG bereits begonnen hat. „Es ist der öffentlichen Aufmerksamkeit entgangen, daß die Nixon-Regierung seit 1972 eine Reihe von Störmanövern gegen die großen Handelspartner der USA unternommen hat.“ (Richard B. Du Boff, The Devalued Dollar, Commonwealth, 30. März 1973.) Du Boff stützt seine Feststellung auf mehrere Beispiele über die Anwendung der Antidumping-Gesetzgebung. Das waren aber Versuche, die, wie das Handelsdefizit von 1972 gezeigt hat, ohne sonderliche Wirkung geblieben sind. „Am 31. August 1972“, berichtet Du Boff, „konnte man von einer hohen Regierungsstelle erfahren, daß der Präsident den Eindruck gewonnen habe, aus den Handelspartnern seien Handelskonkurrenten geworden, aber gerade die Vereinigten Staaten könnten besser als jede andere Nation einen Handelskrieg durchstehen. Der Informant fügte hinzu, der Präsident habe endgültig die Geduld verloren.“ Im Winter 1972/73 beschäftigte sich Nixon mit der „ehrenvollen“ Beendigung des Vietnamkrieges, wie er sie eben verstand, um mehr Spielraum für die Auseinandersetzungen in den USA zu gewinnen. Im Frühjahr war er zum nächsten Schritt bereit, in Form einer sehr weitgehenden Gesetzesvorlage über den Handel, die er am 10. April 1973 dem Kongreß vorlegte.

Der Entwurf zielt auf eine Liberalisierung des Welthandels; die Verringerung der internationalen Handelsschranken soll die Ausweitung der US-Exporte begünstigen. Nixon hätte mit diesem Gesetz mehrere Möglichkeiten, um die Handelshindernisse mit anderen Ländern im Sinne der USA zu manipulieren. In Wirklichkeit geht das am Problem vorbei:

  1. Gegenwärtig haben die Vereinigten Staaten keine Chance, ihre Exporte über den Verhandlungsweg substantiell über die Importe zu heben.
  2. Der Rückgang der US-Exporte liegt weniger an den Handelsschranken als an der Qualität der Waren, dem Marketing und den ausländischen Produktionsstätten der multinationalen Konzerne, die in den USA ihre Zentrale haben. Hier gibt es tatsächlich keinen Weg, das amerikanische Handelsdefizit abzubauen.

4 Nixon hilft den Konzernen

Wenn wir berücksichtigen, daß der Rückgang der US-Handelsbilanz in den letzten Jahren dem Wachstum der Importe zuzuschreiben ist (1968-1972 nahmen die Importe um 69% zu, die Exporte nur um 45%), sehen wir die Stoßrichtung des Nixonschen Vorschlages. Die „New York Times“ vom 11. April 1973 hat das treffend zusammengefaßt:

  • Der Präsident erhält neue Vollmachten, um Importbeschränkungen über solche Staaten zu verhängen, die amerikanische Waren kontingentieren oder ihre Exporte subventionieren.
  • Der Präsident erhält das Recht, eine Importsteuer frei festzulegen oder Kontingente zu bestimmen, falls die USA eine negative Zahlungsbilanz haben, umgekehrt kann er alle Zölle aufheben, wenn die Zahlungsbilanz einen Überschuß erwarten läßt.

Mit diesen Vollmachten versehen, kann Nixon über Nacht das Handelsdefizit eliminieren. Er wird es auch tun. Aber die verbitterten „Partner“, vor allem Japan und die EG, können diesen Schlag nicht unbeantwortet lassen, und was bislang nur Vorspiel war, wird zum Handelskrieg ausarten.

Während der letzten Dollarabwertung verkündete Finanzminister Shultz, daß die Regierung bestrebt sei, alle Kontrollen über den Kapitalexport bis Ende 1974 aufzuheben. Diese Maßnahme ist unvereinbar mit einem Programm, welches die Handelsbilanz eines Landes wieder ins Gleichgewicht bringen soll. Robert Roosa nannte dies eine „undankbare Verpflichtung“, während Du Boff, vom anderen Ende des ideologischen Spektrums, kommentierte: „Die Beseitigung aller Kapitalkontrollen ist ein zu gefährlicher Schritt für eine Nation, die ein Defizit der Zahlungsbilanz zu verzeichnen hat, um so mehr als der Kapitalstrom ins Ausland noch begünstigt wird — aber er gibt beredt Zeugnis von den eigentlichen Prioritäten Nixons.“ Kein Kritiker gibt uns einen Hinweis, warum Nixon gerade diese Gelegenheit benützte, seine feste Absicht zu verkünden, die Kapitalkontrollen aufzuheben.

Die einzig plausible Erklärung ist, daß die Regierung der USA in voller Übereinstimmung mit den gigantischen multinationalen Konzernen agiert. Vielleicht glaubt Nixon an eine Chance für die Restauration des Dollars dadurch, daß die rückfließenden Profite aus den Auslandsinvestitionen die Zahlungsbilanz verbessern (vgl. „Balance of Payments and Empire“, Monthly Review, Dezember 1972). Mit der Ankündigung einer Eleminierung der Kontrolle — wo das Gegenteil angezeigt wäre — signalisiert Nixon den Konzernen seine volle Unterstützung. Mit Hilfe der Regierung können die Monopole nunmehr ihre Auslandsgeschäfte beträchtlich ausweiten.

Wir sind der Ansicht, daß die Nixon-Regierung zwei Strategien einsetzen wird, um dem Niedergang des Dollars Einhalt zu gebieten:

  1. eine aggressive Handelspolitik — bis zum Handelskrieg;
  2. eine Steigerung des Dollarrückflusses aus den Auslandsinvestitionen.

Diese Strategien führen zur Herausbildung eines neuen Widerspruchs.

Ein Handelskrieg wird sich nicht auf den Handel allein beschränken, er wird die internationalen Beziehungen in ihrem ganzen Umfang betreffen. Jedes Land wird notgedrungen strenge Kontrollen über Wechselkurse, Kapitalbewegungen und Profite einrichten. Die Freiheiten der internationalen Konzerne dürften empfindlich beschnitten werden. Die Utopie der Multinationalen war „eine Welt“, mit einer föderalistischen Welt-Regierung, einem Rechtssystem, einer einzigen Währung und einer absoluten Freiheit in ihren Transaktionen — ein Superimperialismus. Die wirkliche Welt hat sich nie an diesen Wunschtraum gehalten, wenn er auch in einer Periode der US-Hegemonie in den Jahren 1950-1970 schon greifbar nahe schien. Die Vorherrschaft der USA gehört der Vergangenheit an, das Währungssystem ist zerstört, ein vernichtender Handelskrieg zeichnet sich ab, die Konzerne müssen sich an die neue Realität anpassen.

Die volle Bedeutung dieses Wechsels wird wahrscheinlich erst in einiger Zeit begriffen werden. Aber schon in der gegenwärtigen Entwicklungsphase ist unschwer vorauszusagen, daß in einem Handelskrieg die amerikanischen multinationalen Konzerne (MK) einer großen Belastung ausgesetzt sein werden. Die Regierung der USA glaubt in Form der MK ein Instrument zur Korrektur der Zahlungsbilanz zu besitzen, mit dem sie den Niedergang des US-Kapitalismus aufhalten kann. Andererseits sollen die MK gerade in Ländern agieren, die durch die amerikanische Handelspolitik am stärksten getroffen werden. Ein Konflikt der Konzerne mit ihren Gastländern ist unausweichlich.

Aus diesem Dilemma gibt es keinen Ausweg. Wenn die MK der amerikanischen Regierung gegenüber loyal bleiben wollen, werden sie im Ausland verschiedenen Repressionen ausgesetzt sein, von der Beschlagnahme der Profittransfers bis zur vollständigen Nationalisierung, was für die „Gastländer“ eine günstige Gelegenheit wäre, sich der amerikanischen Dollarflut zu entledigen. Wenn sich die MK entschließen, „gute Bürger“ ihres Gastlandes zu bleiben, können sie ihre Profite nicht in die USA transferieren, wie die Regierung das will. Wahrscheinlich werden die Strategen der US-Regierung die Irrationalität ihrer Alternative einsehen.

Das bedeutet für die Zukunft eine scharfe Kontrolle der Gesamtwirtschaft und aller gesellschaftlichen Bereiche; ein Anwachsen der heimischen Mehrwertrate; verschärfte Konkurrenz mit anderen imperialistischen Metropolen um die Vorherrschaft in der Welt; die Formierung eines Dollarblocks, wenn nötig mit Waffengewalt, der ganz Nord- und Zentralamerika einschließt. Als wahrscheinlich abzusehen sind Aktionen, um die Ölproduzenten des Nahen Ostens gemeinsam mit anderen imperialistischen Staaten gefügig zu machen, sowie der politische und militärische Kampf gegen rivalisierende Imperialisten sowie gegen revolutionäre Bewegungen im „eigenen“ Bereich. Die USA haben bereits eine Entwicklungsrichtung eingeschlagen, die zur Veränderung von Organisation und Ausübung der politischen Gewalt in den USA selbst führen muß.

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