FORVM, No. 210/I/II
Mai
1971

Homos sind normal (II.)

K. G. ist Ministerialrat im Bundesministerium für Justiz. Der I. Teil seines Aufsatzes erschien im NF März/April 1971. Seitenziffern in Klammern beziehen sich auf das Standardwerk Klimmer, Homosexualität.

voriger Teil: Homos sind normal

XIII. Homosexuelle sind gesund

Der Psychiater geht meist vom einzelnen kranken Menschen aus, der bei ihm Hilfe sucht. Nicht der gesunde, sondern nur der kranke Homosexuelle wird von ihm erforscht, d.h. jener, der an Komplexen (inneren Konflikten oder Verdrängung) leidet, oder dessen Triebabweichung auf einer Entwicklungshemmung beruht, oder dessen Homosexualität pervertiert ist.

Gemütserkrankungen der Homosexuellen entstehen meist aus Konflikten mit der Umwelt: Entehrung, Erpressung, strafrechtliche Verfolgung, Verzicht auf eheliches Glück, Kinder, eigenes Heim, ihnen aufgedrängte Minderwertigkeitsgefühle. Sie werden krank, weil ihre Belastung zu groß war und sie mehr verdrängten, als sie sublimieren, d.h. in geistige oder gesellschaftliche Werte umsetzen konnten. Zermürbt, enttäuscht, mit Schuld- und Minderwertigkeitsgefühlen kommen sie zum Psychiater. In dieser Stimmung meinen sie, ihre Triebabweichung sei der größte Irrtum ihres Lebens, das „normale Sexualziel“ müsse ihnen größeres Glück bringen. Dieselbe Verzweiflung findet man jedoch auch bei enttäuschten Heterosexuellen.

Homosexualität kann nicht von der Klinik aus studiert werden. Die Forschung muß darüber hinaus die Persönlichkeit des Homosexuellen kennen und achten. Den homosexuellen Menschen können wir nur wissenschaftlich erfassen, wenn wir versuchen, ihm auch innerlich nahezukommen. Deswegen begnügen sich die modernen Sexualwissenschaftler nicht mit den Patienten, die sie aufsuchen, sondern sie sind selber forschend tätig und begegnen dabei in der Hauptsache gesunden, vollwertigen Menschen homosexueller Prägung. Wohl hat die Homo-, wie die Heterosexualität, ihre Fälle von Krankheit und Verdorbenheit, die gesunden Homosexuellen überwiegen jedoch an Zahl bei weitem (S. 85 f.).

XIV. Homosexualität ist erworben und angeboren

Zur heterosexuellen Geschlechtsentwicklung gehören gleichermaßen Erbe und Umwelt, demzufolge werde dies, meint Klimmer, auch für die homosexuelle Geschlechtsentwicklung zutreffen. Hiebei dürfe man daher weder die konstitutionsbiologischen Faktoren noch die Erlebniswirkung übersehen. Eine ausschließlich konstitutionsbiologische Erklärung, die starre Vorbestimmung annähme, so daß Entwicklung und Leben überhaupt nichts mehr zu formen und mit Inhalt zu erfüllen hätten, wäre zu einseitig. Sie übersähe den zeugenden und bestimmenden Wert des Erlebnisses für die sexuelle Bildung.

Einseitig aber wäre auch die Erklärung, Homosexualität sei reine Erlebniswirkung. Ein homosexuelles Erlebnis ist auf bestimmte Menschen von grundlegender, gestaltender Nachwirkung, während es auf andere keinen Eindruck macht. Umweltfaktoren allein bewirken keine Homosexualität. Hiezu muß eine Veranlagung gegeben sein.

Die biologischen Gründe für die Bevorzugung heterosexueller Verhaltensweisen und die kulturellen Faktoren unserer Gesellschaftsordnung sind sicherlich so zwingend, daß immer eine heterosexuelle Entwicklung herbeigeführt wird, wenn keine Störfaktoren hinzutreten.

Untersuchungen zeitigten das Ergebnis, daß es keine Abgrenzung zwischen angeborener und erworbener Homosexualität gibt. Es lasse sich vielmehr eine Variationsreihe aufzeichnen, die von vorwiegend anlagebedingten bis zu vorwiegend milieubedingten Fällen führt.

Die Umwelt kann nur auslösen, was schon vorhanden ist (S. 184). Die echten Homosexuellen können ihren Geschlechtstrieb nicht willkürlich verändern, auch nicht unter dem Druck einer strafgesetzlichen Drohung (S. 186).

XV. Homosexualität der Frau

Homosexualität unter Frauen kommt in annähernd gleichem Umfang wie unter Männern vor (S. 193 u. 316).

Pseudohomosexualität (homosexuelle Handlung, ohne selbst homosexuell zu sein) ist unter Frauen sogar häufiger als beim Mann. Anscheinend hat die Frau weniger Scheu und Abneigung vor dem eigenen Geschlecht als der Mann. Bei Mangel an heterosexuellem Verkehr neigt wohl die Frau leichter als der Mann zu homosexuellen Ersatzhandlungen.

Frauen, die als frigid bezeichnet werden, sind gar nicht selten homosexuell, bewußt oder unbewußt (S. 189).

Homosexualität der Frau wird in der Öffentlichkeit anders beurteilt als Homosexualität des Mannes, weil wir von Jugend auf an Intimitäten zwischen Frauen gewöhnt sind; Küsse, Umarmungen, Kosenamen usw. Daher können homosexuelle Frauen ganz öffentlich ihre Zuneigung zur Schau tragen. Dauernde eheähnliche Verbindungen finden sich häufiger zwischen Frauen als zwischen Männern. Ihr Zusammenleben ist weniger auffällig als zwischen Männern (S. 192).

Trotz dieser unterschiedlichen, nachsichtigen Beurteilung in der Öffentlichkeit entspricht die Homosexualität der Frau derjenigen des Mannes.

Die Ursachen der Homosexualität der Frau sind die gleichen: Anlage und irgendwelche Erlebnisse in der Kindheit, Vorgänge im Elternhaus, welche die sexuelle Haltung lange vor der Geschlechtsreife prägten. Sowohl Vater als auch Mutter können die Entwicklung ihrer entsprechend veranlagten Tochter ungewollt in die homosexuelle Richtung drängen. Vaterhaß z.B. führt dazu, daß das Mädchen weder Zuneigung noch Achtung für ihn fühlt und keinem Manne mehr vertraut oder alle Männer haßt (S. 187). Starke Bindung an die Mutter kann das gleiche Resultat haben.

Die Arten des homosexuellen Verkehrs zwischen Frauen entsprechen weitgehend denen des männlichen Verkehrs. Auch hier ist gegenseitige Handbefriedigung die verbreitetste Form und wird von vielen als einzige angewandt. Fast ebenso häufig findet man Mundverkehr. Wesentlich seltener ist Schenkelverkehr. Die seltenste Form ist Einführung eines künstlichen Penis in die Vagina der Partnerin.

Dies scheint bei oberflächlicher Betrachtung gegen Homosexualität zu sprechen. Verkehrsform ist aber unwesentlich, sie berührt nicht das Grundphänomen, die eigentümliche, auf das eigene Geschlecht gerichtete Beziehung. Das primäre ist auch bei dieser Art des Verkehrs der seelische Ablauf.

Der Homosexuelle lehnt den Beischlaf mit einer andersgeschlechtlichen Person als für ihn widernatürlich ab und ist hierzu meist auch nicht fähig. Dies gilt nicht nur für den homosexuellen Mann, dem es beim Anblick einer Frau vielfach schon an der Erektionsfähigkeit mangelt, sondern in gleicher Weise für die lesbische Frau. Obwohl die homosexuelle Frau beim heterosexuellen Verkehr nur passiv zu bleiben bräuchte, ist ein großer Teil der Lesbierinnen zum heterosexuellen Geschlechtsakt spätestens in dem Augenblick außerstande, in dem es zur Berührung der Genitalien kommt. Bis dahin zurückgehaltener Ekel bricht durch und mobilisiert nicht für möglich gehaltene Abwehrreaktionen.

XVI. Homosexualität ist unheilbar

Homosexualität ist keine Krankheit. Dennoch fehlte es nicht an Versuchen, Homosexuelle einer Heilbehandlung zu unterziehen.

Von dem Gedanken ausgehend, daß die Homosexualität durch Störungen im hormonalen Gleichgewicht hervorgerufen sei, behandelte man Homosexuelle mit dem geschlechtseigenen Hormon. Diese Therapie versagte. Es besteht sogar die Gefahr, daß der Geschlechtstrieb dadurch aktiviert wird.

Behandlungen mit weiblichem Hormon führen zu Dämpfung bis Niederschlagung des männlichen Triebes. Man spricht daher auch von hormonaler Kastration oder, besser, hormonaler Libido-Dämpfung. Die Erfahrung hat gezeigt, daß eine Verminderung des sexuellen Triebes wohl eintreten kann, aber nicht zwangsläufig zu erwarten ist.

Längere Verabreichung von weiblichem Hormon hemmt die Gonadotropinbildung in der Hypophyse. Hierauf stellt sich eine Rückbildung bis Schwund des Hodens ein, was ein Versiegen der Androgenbildung mit allen weiteren Folgen bewirkt. Dieser Vorgang ist nach Absetzung der Verabreichung von weiblichem Hormon meist rückbildbar. Es können auch nicht rückbildbare Veränderungen des Hodengewebes auftreten. Diese Behandlungsmethode kann deswegen nicht als harmlos propagiert werden (S. 203).

Abgesehen von diesen Folgen wird die hormonale Dämpfung vielfach erlebnismäßig als äußerst unangenehm empfunden. Auch schmerzhafte weibliche Brustdrüsenbildung tritt immer auf. Depressionen sind nicht selten. Verabreichung von weiblichem Hormon zur Dämpfung männlicher Sexualität kann nur in seltenen, extremen Fällen starker Sexualaggressivität in Frage kommen.

Man versuchte auch durch Injektionstransplantation (Überpflanzung mittels Einspritzungen) größerer Mengen Geschlechtszellen eine Umstimmung zu erreichen.

Diese Versuche mußten schon deshalb erfolglos bleiben, weil die hormonale Komponente für die homosexuelle Entwicklung nicht allein verantwortlich ist.

Auch durch Kastration (Entfernung der Hoden) wird die Triebrichtung nie geändert. Nur in einigen Fällen kommt es im Laufe der Jahre zum Schwinden des Triebes. Im übrigen können körperliche und seelische Störungen auftreten, zumal da den Sexualhormonen auch wichtige unspezifische Wirkungen zukommen, zum Beispiel im Eiweiß-, Kalk- und Phosphorstoffwechsel. Es kommt nicht selten zu tiefgreifenden Stoffwechselstörungen und Entkalkung der Knochen, zum Teil mit erheblichen subjektiven Beschwerden. Der Entmannte ist nicht nur sexuell, sondern auch allgemein körperlich und geistig ein verkümmertes Wesen (S. 206 f.).

Die leibseelische Bindung an das eigene Geschlecht bleibt bestehen. Es kommt sogar vor, da der kastrierte Mann etwas weibisch wird, daß die Homosexualität sich noch verstärkt (S. 207).

Kommt es zur operativen oder strahlenmäßigen Ausschaltung der Eierstöcke, so ist bei einem hohen Prozentsatz derarig behandelter Frauen weiterhin sexuelle Befriedigung (Orgasmus) nachzuweisen. Desgleichen beseitigt die Kastration nicht bei allen Männern die Fähigkeit, den Beischlaf auszuüben, weil die zur Erektion notwendige Tätigkeit des Großhirns erhalten bleibt (S. 206).

Mikrooperative Eingriffe in die Hirnsubstanz, um durch minimale Gewebszerstörung gewisse Abläufe zu verhindern, die z.B. bei der Partnerwahl notwendig sind, wären denkbar. Glücklicherweise liegt die praktische Auswertung bereits durchgeführter Tierversuche noch in weiter Ferne. Der auch in anderer Hinsicht manipulierbare Mensch wäre die Folge.

Psychotherapeutische Maßnahmen haben sich als aussichtslos erwiesen, abgesehen davon, daß sie wegen des Zeit- und Kostenaufwandes für einen größeren Personenkreis kaum in Frage kämen.

Man hat auch versucht, Homosexuelle durch Setzen von Hemmungen und Erregungen zu behandeln. Homosexuellen wurden Bilder von Jünglingen und Männern unter gleichzeitiger Verabfolgung von Brechmitteln vorgeführt. Später zeigte man ihnen bei schöner Musik, Wein und gutem Essen Bilder schöner Frauen. Die klinische Behandlung dauerte zweimal drei Wochen. Diese Behandiungsmethode erinnert an die Alkoholentwöhnungskuren mit Antabus. Sie hat versagt.

„Behandlungsarten“ wie Schockkur und Leukotomie sind schon wegen der großen Gefährlichkeit und Möglichkeit schädlicher Nachwirkungen abzulehnen. Bei 14 nach Leukotomie untersuchten Männern ergab sich in 3 Fällen eine Abnahme, in 6 Fällen eine Zunahme und in 5 Fällen das Gleichbleiben der früheren Triebstärke. Die Art der früheren sexuellen Betätigung wurde von allen beibehalten (S. 218).

„Heilbehandlung“ bei Homosexuellen hat sich auf ärztliche Hilfe in jenen Fällen zu beschränken, in denen vor allem jugendliche Homosexuelle unter schwersten seelischen Kämpfen leiden und den Wunsch haben, heterosexuell zu werden. Aufklärung und Beratung ist auch dort am Platz, wo Homosexuelle unter der Vorstellung einer Sinnverfehlung ihres Lebens leiden. In diesen Fällen könnte auch durch Aufklärung der Öffentlichkeit über das Wesen der homosexuellen Veranlagung geholfen werden. Denn das „Leiden“ des Homosexuellen hat in der Mehrzahl der Fälle in der ihm durch die Gesellschaft zuteil werdenden Diskriminierung seine Wurzel.

XVII. Es gibt keine „Verführung“ zur Homosexualität

Wer an Verführung zur Homosexualität glaubt, müßte folgerichtig auch eine Verführung Homosexueller zur Heterosexualität annehmen. Dann dürfte es eigentlich keine Homosexuellen geben, denn von Jugend auf werden wir durch Lektüre, Theater, Kino, bildende Kunst, Erlebnisse im Elternhaus, in Gesellschaft, auf der Straße ständig heterosexuell beeinflußt. Es gelingt dieser ununterbrochenen „Verführung“ nicht, die Homosexuellen umzustellen.

Ebensowenig gelingt es, Homosexuelle durch Gewöhnung an heterosexuellen Verkehr zu Heterosexuellen zu machen. Dies zeigt sich bei homosexuellen Ehemännern, die geheiratet haben, um „normal“ zu werden. Obwohl es einigen von ihnen gelingt, den Beischlaf auszuüben, bleiben sie trotz „Gewöhnung“ daran homosexuell eingestellt. Wer mit beiden Geschlechtern sexuell verkehren kann, muß darum noch nicht beide lieben (S. 230).

Die Möglichkeit einer Verführung zur Homosexualität ist also zu verneinen. Die homosexuelle Triebrichtung bricht auch dann durch, wenn (S. 227) vorerst nur mit heterosexuellen Personen Umgang gepflogen wurde und sogar heterosexuelle Beziehungen angebahnt waren.

Wird ein junger Mensch nach Verkehr mit Homosexuellen homosexuell, dann wäre er es auch ohne diese „Verführung“ geworden (S. 233).

Das vermeintliche Erwerben der Homosexualität ist nichts als das Bewußtwerden der angeborenen Triebrichtung. Der „verführte“ Homosexuelle ist ein Homosexueller, dessen sexuelles Triebleben mit der „Verführung“ erwacht, genau wie beim Heterosexuellen mit der „Verführung“ zum mann-weiblichen Verkehr sein Liebesleben beginnt (S. 234).

Homosexuelle Handlungen, wie sie häufig bei Mangel an Partnern des anderen Geschlechts in Gefangenschaft, Internaten und auf langen Seereisen anzutreffen sind, bewirken keine Homosexualität, es sei denn, es waren bereits Voraussetzungen für diese Triebrichtung vorgegeben.

XVIII. Homosexuelle sollen nicht heiraten

Die Ehen Heterosexueller mit Homosexuellen sind meist unglücklich und oft nur von kurzer Dauer.

Wie kann eine Ehe ohne Liebe glücklich sein? Bestenfalls besteht gegenseitiges Verstehen, Kameradschaft und wirtschaftliche Interessengemeinschaft.

Wird Liebe vorgetäuscht, ist es Betrug und endet meist tragisch. Selbst wenn der homosexuelle Mann keine gleichgeschlechtlichen Handlungen ausführt, kann er gemäß seiner Veranlagung doch keine Liebe für seine Frau haben und wird sie in Gedanken betrügen. Um mit einer Frau sexuell verkehren zu können, wozu nur wenige Homosexuelle fähig sind, stellen sie sich meist in ihrer Phantasie männliche Personen vor. Daher bevorzugen sie gewöhnlich den Verkehr im Dunkeln oder schließen zumindest die Augen. Der Körper der Frau wird nur zur Friktion ihres Gliedes benutzt, es handelt sich um eine Art Onanie in der Scheide.

Wenn auch auf diese Art der heterosexuelle Verkehr dem Homosexuellen gelingt, bleibt doch die notwendige Entspannung meist aus. Dies kann zu nervösen Störungen und sogar Haßgefühlen gegen die Ehefrau führen.

Homosexuelle können in einer heterosexuellen Ehe keine Befriedigung (potentia satisfactionis) finden. Der homosexuelle Rückfall ist Ausdruck ihrer Sexualnot.

Die Eheschließung Homosexueller sollte daher nicht gefördert, sondern unter allen Umständen verhindert werden. Auch deshalb, weil bei den Kindern die Gefahr erblicher Belastung bestehen könnte (S. 444; auch S. 239).

Es sollte daher auch eine homosexuelle Frau aus den entsprechenden Gründen keine Ehe schließen.

XIX. Homosexuelle sollen nicht enthaltsam leben

Vielfach wird in der Öffentlichkeit die Meinung vertreten, der Homosexuelle sollte sich geschlechtlich beherrschen, d.h. er sollte enthaltsam leben. Es ist dies allerdings ein Verlangen, das der Heterosexuelle entrüstet von sich weisen würde.

Die Verdrängung des sexuellen Triebes lebenslänglich zu fordern, ist nicht nur mangelndes Verständnis gegenüber Homosexuellen, sondern auch ein Akt der Rohheit (S. 411). Der Sexualtrieb fordert Befriedigung, wenn der körperlich-seelische Organismus nicht in Unordnung geraten soll (S. 432).

Sexuelle Spannungen erwecken Unlust, schwere dranghafte Verstimmungen, gequälte, getriebene, innere Unruhe. Sie können aber auch zu Explosivreaktionen, aggressiven, asozialen Handlungen führen (S. 245).

Aus dieser Erkenntnis wird den Homosexuellen vielfach zur Selbstbefriedigung geraten. Diese dient jedoch nur der örtlichen Funktion der Sexualorgane, die zweite Komponente des Geschlechtstriebes, das Kontaktbedürfnis, der Kontrektationstrieb, bleibt unbefriedigt. Dieser Trieb drängt zu körperlicher und seelischer Berührung, er hat somit gesellschaftliche Bedeutung. Erst die Vereinigung dieser beiden Komponenten bildet den normalen Geschlechtstrieb des Menschen (S. 247 f.).

Sexualnot und seelische Vereinsamung können dazu führen, daß Homosexuelle aus Verzweiflung ruhelos in bestimmten Straßen, Plätzen und an Bedürfnisanstalten (S. 268) umherschweifen und sich in riskante sexuelle Handlungen einlassen, die oft in erstaunlichem Gegensatz zu ihrer sozialen Stellung stehen (S. 243). Dies ruft erst recht die „Öffentlichkeit“ auf den Plan, die selbst an diesen Zuständen schuld ist, weil sie einer falschen Moral huldigt, Forderungen aufstellt, die beim besten Willen nicht einzuhalten sınd.

Klimmer fordert daher neue Moralbegriffe unter entschiedener Berücksichtigung biologischer Elementarfakten. Sie sollten das tatsächliche Geschlechtsverhalten wirksam beeinflussen und ihm nicht wirklichkeitsfremd, daher einflußlos gegenüberstehen (S. 250).

XX. Homosexuelle sind keine Kriminellen

Hentig meint, daß die Kriminalität der Homosexuellen höher ist als die der Heterosexuellen: von 138 Homosexuellen hätten 72 Eigentumsdelikte und 40 Rohheitsdelikte begangen. Der homosexuelle Verkehr sei wegen starker Gegensätze, die hier zusammenstießen, wie jung und alt, arm und reich, zu Straftaten besonders geeignet (S. 272).

Andere Untersuchungen, deren Ergebnisse Klimmer zitiert. (S. 272 f.), ergaben, daß keine besonderen Beziehungen zwischen Homosexualität und Verbrechen bestünden, daß Charakter und Moral dem Durchschnitt entsprechen; der Homosexuelle ist nicht lasterhafter, kraftloser oder sittlich verdorbener als der Heterosexuelle. Bei den von Hentig berichteten Fällen handelt es sich nicht um Homosexuelle, sondern um Personen, gegen die ein gerichtliches Verfahren wegen homosexueller Verfehlungen schwebte, also auch um heterosexuelle Prostituierte. Die von Hentig erörterte Kriminalität ginge zu Lasten der heterosexuellen Strichjungen.

XXI. Gesetze gegen Homosexuelle

Durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25.6.1969 (BGBl. 1969 Teil I S. 645 ff.) wurde in der Deutschen Bundesrepublik die Strafbarkeit der einfachen gleichgeschlechtlichen Betätigung zwischen Männern abgeschafft. Zwischen Frauen war sie in der Deutschen Bundesrepublik schon bisher straffrei.

Derzeit werden gleichgeschlechtliche Handlungen noch in folgenden Staaten ohne Rücksicht auf das Alter bestraft: Abessinien, Ägypten, Australien, Chile, Finnland, Indien, Jemen, Jugoslawien, Kolumbien, Kostarica, Libanon, Pakistan, Panama, Portugal, Puerto Rico, Rumänien, Sowjetunion, Syrien, USA (außer Columbia, Illinois, Vermont, Wisconsin).

In folgenden Staaten werden sie nur dann bestraft, wenn sie mit Jugendlichen begangen werden, wobei das Schutzalter verschieden ist: Argentinien (22), Belgien (21), China (16), Dänemark (18), England (21), Frankreich (21), Griechenland (17), Holland (21), Island (18), Italien (16), Japan (13), Luxemburg (14), Norwegen (21), DDR (21), Schweiz (20), Schweden (18), Tschechoslowakei (18), Türkei (15), Ungarn (20), USA (21 in Illinois).

In Österreich steht derzeit eine kleine Strafrechtsreform in parlamentarischer Behandlung. Sie sieht unter anderem die Aufhebung der Strafdrohung gegen einfache homosexuelle Handlungen vor. Sie sollen nur noch strafbar sein zwischen männlichen Personen, die zwar das 18., aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben.

Abgesehen von allen anderen Überlegungen ist insbesondere auch im Hinblick auf die beim § 129 StG. bestehende hohe Dunkelziffer zu hoffen, daß diese Reform Gesetzeskraft erlangt. Denn nichts ist dem Ansehen der staatlichen Autorität abträglicher als die Aufrechterhaltung einer mit der Wirklichkeit nicht mehr in Einklang zu bringenden Strafbestimmung.

In Deutschland dürften nur 0,001 Prozent bis 0,0034 Prozent der Fälle zur Verurteilung gekommen sein (S. 329). Da in Deutschland im Gegensatz zu Österreich auch schon vor dieser Änderung homosexuelle Handlungen zwischen Frauen nicht strafbar waren, ist anzunehmen, daß die Dunkelziffer in Österreich noch viel höher liegt.

Landesgericht Innsbruck

14 Vr 2642/67

Im Namen der Republik

... Beim Beschuldigten handelt es sich offensichtlich um einen eingefleischten Homosexuellen, der in den vergangenen Jahren in vielen Fällen Unzucht wider die Natur getrieben hat. Diese Vielzahl und die Tatsache, daß er in der Hauptverhandlung nicht die geringste Spur von Reue und Einsicht zeigte, machen die Anwendung des Gesetzes über die bedingte Verurteilung unmöglich ...

Und in einer Rechtsmittelentscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 11. Jänner 1968, Bs 558/67, heißt es:

Das Verhalten des Angeklagten läßt einen erheblichen Charaktermangel in der Richtung der Begehung von Unzuchtshandlungen wider die Natur mit Personen desselben Geschlechts erkennen. Nach diesem Charakter, der nicht schlechthin mit einer krankhaften Veranlagung entschuldbar ist, ist die Anwendung des Gesetzes über die bedingte Verurteilung nicht angebracht.

Angesichts solcher das Wesen der Homosexualität völlig verkennenden Urteile sollte die von Karl Kraus bereits im November 1907 in der „Fackel“ gerügte „Schmach einer Menschheit, die sich von der Jurisprudenz an die Genitalien greifen läßt“, endlich ein Ende finden.

Im übrigen vermochte selbst die im Mittelalter für die Homosexualität vorgesehene Todesstrafe sie nicht auszurotten. Die Ansicht, Homosexuelle würden durch Freiheitsstrafe gebessert werden, ist daher als weltfremd abzutun. Abgesehen davon ist die Entfaltungsmöglichkeit der Homosexualität im Gefängnis besonders groß.

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