Risse, Risse 4
Mai
2002

Jörg Haider

Kärnten und sein deutscher Fürst

Jörg Haider hat in seiner Politik gegenüber der slowenischen Minderheit Kärntens nicht nur ein Exerzierfeld seines Deutschnationalismus gefunden.

Haiders Politik stellt zwar einen erneuten Höhepunkt kärntner Deutschtums-Politik dar, greift aber auf eine lange Tradition deutschnationaler politischer Tradition zurück. Unter dem Druck deutschnationaler Hegemonie ging die Zahl der slowensichsprachigen Bevölkerung bereits im 19. Jahrhundert deutlich zurück. Das im Mittelalter noch völlig slowenischsprachige Kärnten, das unter der Herrschaft der Habsburger zu einem zweisprachigen Gebiet wurde in dem vor allem das städtische Bürgertum immer deutlicher dem deutschsprachigen kulturellen Einfluss aus dem Norden erlag, war bis zum Aufkommen des Deutschnationalismus des 19. Jahrhunderts noch nicht in völkische Kollektive gespalten. Beide Sprachen wurden oft von den selben Personen zu unterschiedlichen Zwecken und in unterschiedlichen Situationen verwendet. Erst der Deutschnationalismus schuf so eine „slowenische Minderheit“, eine „Volksgruppe“, die sich von der deutschsprachigen Bevölkerung minorisiert sah. Mit dem Zerfall der Habsburger-Monarchie und der Grenzziehung zwischen dem neuen Staat der Südslawen und dem sich nun als deutschsprachigen Nationalstaat definierenden Österreich wurde die slowenischsprachige Bevölkerung Kärntens endgültig zur Minderheit. Von der Mehrheit der slowenischsprachigen Bevölkerung um Ljubljana und Maribor nunmehr durch die Karawankengrenze getrennt, stellte die slowenischsprachige Bevölkerung Kärntens zwar immer noch fast ein Drittel der KärntnerInnen, wurde aber als ländliche Bauernbevölkerung endgültig marginalisiert und vom tonangebenden Deutschnationalismus an den Rand gedrängt. Aus dem Mythos des „Abwehrkampfes“ gegen die Verbände des südslawischen SHS-Staates schöpfte eine Szene aus deutschnationalen Kulturvereinen und politischen Parteien, zu denen sich auf Landesebene auch die Christlichsozialen und SozialdemokratInnen gesellten, die Argumente eines permanenten und expansiven Kampfes gegen die slowenische Bevölkerung. Dabei spielte einerseits der Expansionsdrang zum verloren geglaubten Meer im Süden eine Rolle, anderseits aber auch der Versuch eine völlige Germanisierung Kärntens durchzusetzen. Das Slowenische an sich wurde dabei schon als staatsfeindlich und hochverräterisch betrachtet, anpassungswillige SlowenInnen hatten „Windische“ zu werden.

Vida Obid, Mirko Messner und Andrej Leben haben nun eine gute Zusammenfassung dieser Germanisierungspolitik der deutschnationalen Kärntner gegenüber der slowenischen Bevölkerung veröffentlicht. Sie arbeiten dabei mit einer Fülle von Beispielen heraus, dass der deutschnationale Konsens in Kärnten nicht als Randerscheinung zu betrachten ist, sondern bereits in der ersten Republik eine Hegemonie in der deutschsprachigen Bevölkerung errang, die sogar große Teile der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung umfasste. Insofern war es kein Zufall, daß nirgendwo in Österreich der Nationalsozialismus auf fruchtbareren Boden fiel als in Kärnten und dass nirgendwo in Österreich der Übergang vom Nationalsozialismus in die postfaschistische Demokratie so reibungslos ablief wie hier. In Kärnten kam es 1945 zu einem „einmaligen Akt der Machtübernahme direkt aus nationalsozialistischen Händen“ (S 130) in die der „demokratischen Landesparteien“. Am 7. Mai übergab Gauleiter Rainer die Regierungsgeschäfte an den mittlerweile zum kommissarischen Regierungspräsidenten ernannten Gauhauptmann Natmeßnig. Rainer hielt „seine Abschiedsrede im Rundfund und Natmeßnig schob nach. Die neuen Parteien garantierten, sagte er, ’daß das Kärntner Volk einig und stark sein wird, wenn es darum geht, gegen einen inneren und äußeren Feind seinen bereits vor 25 Jahren zum Ausdruck gebrachten Volkswillen auf Unteilbarkeit unseres Landes zur Geltung zu bringen’“(S 132).

So wurde in Kärnten eine direkte Kontinuität deutschnationaler Politik ermöglicht, die sich auch organisatorisch niederschlug. Wichtigstes Bindeglied deutschnationaler Heimat-, Kultur- und Gesangsvereine sowie politischer Parteien bildete bereits in der ersten Republik der 1920 gegründet Kärntner Heimatdienst, der, nachdem ihm die SPÖ 1924 den Rücken gekehrt hatte, in Kärntner Heimatbund umbenannt wurde, 1938 völlig in der NSDAP aufging und nach 1945 unter dem alten Namen „Heimatdienst“ wiedergegründet wurde.

Obid, Messner und Leben arbeiten deutlich den Einfluss heraus, den diese rechtsextreme Sammelbewegung heute noch in der Kärntner Politik spielt und die Rolle die dieses politische Substrat in der Machtergreifung Jörg Haiders spielte. Die Kärntner SlowenInnen dienten dabei als Feindbild Nummer eins. Das Buch der drei Autoren stellt jedoch nicht nur die deutschnationale Aggression gegenüber der slowenischen Minderheit, von der Ausgrenzung der slowensichen PartisanInnen über den Ortstafelsturm bis zur gegenwärtigen „Slowenenpolitik“ des Landeshauptmannes Haider dar, sondern auch die Reaktionen der Minderheit. Dabei beschönigen die Autoren auch nicht die Konflikte und unterschiedlichen Konzepte der verschiedenen politischen und kulturellen Organisationen der Kärntner SlowenInnen und halten auch nicht mit ihrer Kritik an Volksgruppenkonzepten und slowenischer Identitätspolitik zurück. Das Buch stellt kein umfangreiches wissenschaftliches Werk zu diesem Thema dar, bildet aber eine gut und flüssig lesbare - und vor allem aktuelle - Einführung in die Marginalisierung und Verfolgung der „Minderheit“ durch den hegemonialen Deutschnationalismus. In Zeiten in denen Haider selbst Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes als zu slowenenfreundlich ignoriert und stattdessen für die Aufhebung der Benes-Dekrete und Avnoj-Beschlüsse kämpft, leistet dieses Buch einen wichtigen Beitrag zur Kritik jener politischen Strömungen, die Jörg Haider zum Landeshauptmann des „Bollwerks des Deutschtums“ werden lassen.

Vida Obid / Mirko Messner / Andrej Leben:
Haiders Exerzierfeld, Kärntens SlowenInnen in der deutschen Volksgemeinschaft
Wien, 2002
Promedia Verlag
Euro 13,90

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