FORVM, No. 430/431
November
1989

Österreichs verborgene Nazi-Vergangenheit und der Fall Waldheim

Dieser Beitrag erscheint demnächst in französischer Übersetzung in dem Buch „Le juifs depuis François Joseph jusqu’à Kurt Waldheim“; hg. v. L. Charenzowski, in Brüssel. Er ist die Ausarbeitung eines Vortrags, den der Autor beim gleichnamigen Symposium des Martin Buber-Instituts der Universität Brüssel und des CCLJ aus Anlaß der „Europalia“ am 10. Oktober 1987 gehalten hat. Die „Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaften“ hat 1989 eine Veröffentlichung dieses Artikels abgelehnt.

Österreich stellt in diesen Tagen (Oktober 1987) wieder einmal seine — wirklich — schönsten Seiten in das Schaufenster. Und in der Tat ist es heute ein liebenswertes Land, und nicht bloß deswegen, weil es in seiner Außenpolitik immer wieder auf Eigenschaften hinweist, die in der modernen Welt etwas gelten, so

  • die wertvollen Kulturschätze, die von dem ehemals regierenden Habsburgerhaus aus ganz Europa in Wien zusammengetragen wurden,
  • Wiens bahnbrechende intellektuelle und kulturelle Errungenschaften aus der Zeit um 1900, denen vor allem die modernen Natur- und Humanwissenschaften und die Künste so viel verdanken,
  • die international und beim Vergleich mit der Zwischenkriegszeit so beachtliche politische Stabilität des Landes, dessen hohes wirtschaftliches und sozialpolitisches Niveau sowie sein international anerkanntes friedlich-diplomatisches und humanitäres Wirken,
  • und nicht zuletzt die Tatsache, daß Österreich eben kein Land ist, in dem die Alt- und Neonazis offen auf der Straße herumlaufen oder überhaupt eine Rolle bei Wahlen spielen.

Dies ist so, weil die meisten Österreicher der Zweiten Republik (seit 1945) im Gegensatz zur Ersten Republik (1918 bis 1938) bestimmte Lehren aus ihrer Geschichte (vor allem aus Bürgerkrieg und „Anschluß“-Bestrebungen) gezogen haben, in ihr eigenes Land Vertrauen haben und mit ihrer staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung recht zufrieden sind; [1] vielleicht auch, weil die Österreicher aufgrund einer in diesem Land besonders starken barocken Traditio [2] ein Lebensgefühl bewahrt haben, das ihnen die Idee, sich als subtile Schauspieler oder als einfache Bonhommes und Genießer darzustellen, selbstverständlich gemacht hat; [3] oder auch weil die österreichische offizielle Politik sich der Propagandierung eines solchen Bildes angenommen hat und weil die Österreicher gewöhnt sind, Anordnungen der Obrigkeit zu gehorchen, sogar bevor sie direkte Befehle erhalten. Manche nennen dies auch, „ihre Pflicht erfüllen“. [4]

Gewiß, dies ist eine Vereinfachung, aber immerhin eine weniger weitgehende Vereinfachung als jenes Bild, das eine im österreichischen Außenministerium im Herbst 1986 zur „Imagepflege“ eingerichtete Arbeitsgruppe, [5] und das nicht wenige Österreicher sich selbst und den anderen vormachen möchten.

Denn da gibt es eine Erbschaft des Habsburgerstaats, die seinen kleinen, fast ausschließlich deutschsprachigen Nachfolger nach dem ersten Weltkrieg besonders anfällig machte für Autorität und Ordnung in der Gesellschaft, für Vatersymbole, Traditionalität, fast noch gegenreformatorische Mentalität und Liebe zur Selbstdestruktion bis zum Selbstmord. [6] Diese Erbschaft, abgesehen von einer ganz anderen, auf die noch näher eingegangen werden soll, lastet heute noch auf Österreich. Gern spricht man im heutigen Österreich auch nicht davon, daß die berühmte Kultur Wiens des fin de siècle zum Großteil von seiner jüdischen Minderheit geschaffen wurde, [7] daß die österreichischen Juden in den 30er Jahren von den Nazis mit der stillen Zustimmung der österreichischen Bevölkerung in die Emigration getrieben oder in den 40er Jahren in den Gaskammern des Dritten Reichs vernichtet wurden. [8] Ja es scheint so, als seien unbeabsichtigt nicht wenige der positiven Errungenschaften des heutigen Österreich aus den Fehlern und blutigen Entgleisungen der Zeit vor 1945 hervorgegangen oder als wären sie einfach die umgekehrte Fortsetzung jener Strukturen, die die Schattenseiten von Österreichs Vergangenheit ausmachten. Dies gilt etwa für den schwerindustriellen Sektor, der so wichtig für die Wirtschaft Österreichs bis heute ist, für die Sozialpartnerschaft und die weitgehende Konfliktlosigkeit der letzten Jahrzehnte, [9] und für die nationale Identitätsfindung der Österreicher durch die und nach der NS-Herrschaft; [10] aber auch für den Umstand, daß die Vertreibung des (dem „Holocaust“ entkommenden Teils des) österreichischen Judentums im Ausland dazu beigetragen hat, den geistigen Errungenschaften Österreichs weltweite Geltung zu verschaffen, [11] was sie von Österreich aus schwerlich gekonnt hätten.

Ein Österreich-Bild, das nur seine hellen Seiten darstellt, war schon vor 1986 ein irreales. Nach 1986, als eine schreckliche verdrängte Vergangenheit in einer viele Österreicher und ausländische Beobachter überraschenden Weise in die Gegenwart zurückkehrte, wäre es nur ein vergeblicher Versuch der Täuschung und Selbsttäuschung, dieses Bild künstlich aufrechtzuerhalten. In diesem Kontext, als Korrektiv zu einem allzu schönfärberischen Österreichbild, ist zu verstehen, wenn ich mich in der Folge kritischer, als viele Österreicher es sonst tun, mit folgenden Fragen beschäftige:

I. Welche Aspekte von Österreichs Nazi-Vergangenheit sind es, die bis in die jüngste Gegenwart kollektiv verdrängt wurden?

II. Warum ist dies so und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die politische Kultur des Landes?

III. Wo liegen die für Österreich relevanten Problembereiche in Waldheims Lebensgeschichte?

IV. Und wie verhalten sich die beiden Dunkelzonen des Vergessens und Verdrängens (in der Person Waldheims und der österreichischen Gesellschaft) zueinander?

I.

Die Nazi-Periode, als Österreich nach dem „Anschluß“ im Jahre 1938 in das Dritte Reich integriert war, galt bisher kaum als Teil der österreichischen Geschichte. Sie wurde in wissenschaftlichen Publikationen, Politikerreden und Schulbüchern meist reduziert auf die Aspekte der Okkupation und der Diktatur, die nur deutsche Nationalsozialisten Österreich auferlegt hätten. [12] Die Momente der Fremdherrschaft, des Widerstands, des wachsenden österreichischen Patriotismus wurden dabei besonders hervorgehoben, was nicht zur Gänze, sondern nur in ihrer Überbetonung falsch ist. Abgesehen von einer „verführten Minderheit“, habe die große Mehrheit der Österreicher mit dem NS-Regime, der Judenverfolgung nichts zu tun gehabt. Nicht selten wurden die sieben Jahre zwischen 1938 und 1945 überhaupt ganz übersprungen und man ließ die Zweite Republik direkt an die Erste anschließen.

Eine solche grobe Verzerrung ist seit 1986 nicht mehr widerspruchlos möglich, obwohl sich die Anhänger Waldheims, insbesondere im Außenministerium und in manchen Tageszeitungen [13] intensiv bemühen, eine solche selbstkritische Aufarbeitung von bestimmten Aspekten der österreichischen Zeitgeschichte, die als belastend empfunden werden, zu verhindern. In der auch in Österreich ins Rollen gekommenen Historikerkontroverse [14] wurden aber sieben konkrete Tabuzonen immer deutlicher erkennbar. [15]

1. Der Nationalsozialismus ist eine politische Erfindung des alten Österreich, selbst wenn der vor-Hitler’sche Nationalsozialismus nicht vollkommen identisch ist mit jenem Hitlers in München ab 1919. Nur in den gemischtsprachigen Randzonen und Industriegebieten Nordböhmens konnte innerhalb der sich sozial und wirtschaftlich bedroht fühlenden Deutsch-Sprechenden schon um die Jahrhundertwende entstehen, was nach dem Ersten Weltkrieg in vielen Regionen Mitteleuropas und in Norditalien so attraktiv wurde: der Versuch, eine Art von (mittelständischem) Sozialismus und extremem Nationalismus zu verbinden. Daraus entstand eine wahrhaft explosive Kombination von nationalistischen und sozialen Protektionsbedürfnissen aufstrebender neuer Mittelschichten oder abstiegsbedrohter alter Mittelstände in einer Gesellschaft am Übergang in die Moderne. Für diese Schichten war in der Tat (deutscher) Nationalitätskampf aussichtsreicher als der internationalistische Klassenkampf der österreichischen Sozialdemokratie. [16]

2. Auch Hitler war ein Exportprodukt Österreichs. [17] Schon aus dem deutschnationalen Milieu der oberösterreichischen Provinzstadt Linz kommend, verbrachte er seine politischen Lehrjahre in Wien. Dort wurde er zum bewußten Antisemiten und Rassengläubigen, dort entdeckte er den völkischen Radikalismus Georg von Schönerers und seiner Studenten (und Jungakademiker), [18] dort lernte er bei Karl Lueger und dessen Christlichsozialen [19] die mobilisierende Wirkung einer aus dem Katholizismus abgeleiteten politischen Liturgie [20] und eines demagogischen Antisemitismus kennen. Uns heute absurd erscheinende Ideen obskurer Sektierer und damals angesehener „nationaler Denker“ Wiens (nicht nur Jörg Lanz-Liebenfels’ und Arthur Trebitschs, sondern auch Houston Stuart Chamberlains, der sich jahrelang in Wien aufhielt [21]) prägten seine Weltanschauung. In „Mein Kampf“ finden sich erdrückende Beweise dafür. Erst als politisch weitgehend fertiger junger Mensch ging Hitler im Alter von 24 Jahren von Wien fort.

Die selben großen nicht-sozialistischen politischen „Lager“, die — ausgenommen die sozialistische Arbeiterbewegung (heute SPÖ) [22] — schon den jungen Hitler geprägt hatten, nehmen bis heute, demokratisiert, aber im Grunde wenig verändert, einen wichtigen Stellenwert ım politischen Leben Österreichs [23] ein, als katholisch-konservative Volkspartei (ÖVP) und als deutschnational-liberale FPÖ.

3. Der Antisemitismus war in Österreich im frühen 20. Jahrhundert besonders stark verankert, wahrscheinlich stärker als in jedem anderen Land West- und Mitteleuropas. Die kulturelle Basis war der Katholizismus und seine religiös begründete Judenfeindschaft, [24] die auch im heutigen Österreich, bei den geistigen Erben Luegers, ein weitverbreitetes Vorurteil ist. Dieser traditionelle katholische Antijudaismus ist mehr oder weniger in allen politischen „Lagern“, besonders aber innerhalb der ÖVP, und selbst unter sozialistischen Anhängern [25] nachweisbar. Aus den Spannungen des von der wirtschaftlichen Modernisierung verspätet erfaßten Landes entstand jedoch in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ein aggressiver „moderner“ Antisemitismus, [26] der in seinem Bestreben, auch die sich assimilierenden Juden zu erfassen, auf die Begriffe und Ergebnisse der damaligen Leit-Wissenschaften, insbesondere die Biologie und Medizin, zurückgriff. Trotz aller Differenzen des religiösen und des rassischen Antisemitismus gab es auch fließende Übergänge zwischen beiden Versionen des Judenhasses. Auf jeden Fall war die erstere die Voraussetzung der letzten, und ohne den weit verbreiteten christlichen Antisemitismus hätte die nationalsozialistische Judenverfolgung und Vernichtung nicht ablaufen können.

Vor allem in Wien gab es für die Entwicklung des Antisemitismus einen günstigen Boden. Zahlenmäßig bedeutende Mittelschichten, die auf eine „ständische“ Absicherung ihrer Lebenschancen hofften, sahen sich von zwei Seiten bedroht, vom kapitalistischen Großbürgertum und von der Arbeiterbewegung, und die Juden waren hier wie überall dort, wo der eigenständige Kapitalismus schwach war, im Groß- und Bildungsbürgertum stark vertreten. [27] Auch sonst traten sie in der gesellschaftlich traditionelleren Habsburgermonarchie als Träger von wirtschaftlicher Modernisierung und von liberalen wie sozialistischen Ideen auf. Daher richtete sich gerade gegen sie die ganze Aggressivität der Sich-Bedroht-Fühlenden. Die relativ große Zahl der jüdischen Zuwanderer aus Ostmitteleuropa um den Ersten Weltkrieg bestärkte nur noch die antisemitischen Vorurteile.

In Krisenzeiten schlugen solche Ressentiments dann leicht in eine wüste Judenhetze um. So auch im März 1938, nach dem „Anschluß“ und während der „Reichskristallnacht“ als sich selbst „reichsdeutsche“ Nationalsozialisten und Gestapobeamte vom Ausmaß dieses spontanen Judenhasses in Wien überrascht zeigten. Schließlich war es nicht zuletzt die „Volksmeinung“ der NS-Funktionäre und ihrer zahlreichen Mitläufer, die die Judenverfolgung des Dritten Reiches von Wien aus anheizte. Österreicher waren es, die von der Beraubung der Juden, von der Übernahme der Posten und Geschäfte der Juden, von der Vertreibung der Juden aus ihren Wohnungen profitierten, und zwar zu Zehntausenden. Der nichtjüdischen Bevölkerung war es nur recht, daß die Juden schließlich „deportiert“ wurden, irgendwohin, wo es ihnen beileibe nicht gut ging. Man fragte nicht weiter danach, man drängte sogar darauf, wie der „Völkische Beobachter“ schrieb: „Darr Jud muß weg, sein Gerschtl bleibt da!“ [28]

4. Nach dem Zerfall des habsburgischen Vielvölkerstaates breitete sich unter den deutschsprachigen Österreichern aller politischen Strukturen, insbesondere unter den Deutschnationalen und den Sozialdemokraten, aber auch teilweise auch unter den Christlichsozialen ein überwältigendes Streben nach einer Vereinigung mit Deutschland aus. [29] Seine Verwirklichung schon 1918 wurde nur aufgehalten vom Anschluß-Verbot der Siegermächte. Als die Österreicher allmählich begannen, sich ab 1933 auf ihre Eigenstaatlichkeit einzurichten und die „austrofaschistische“ Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur offiziell eine gewissen österreichischen Patriotismus auf ihre Fahnen schrieb, [30] entfaltete Hitlers Machtübernahme in Deutschland einen neuen Sog auf die Österreicher. Der nationalsozialistische Antisemitismus störte wenige Österreicher, ja zog viele geradezu an, und Hitler versprach die Überwindung der Wirtschaftskrise, mit der das autoritär-faschistische Österreich Dollfuß’ und Schuschiggs bis 1938 nicht fertig wurde. Und die Unterdrückung der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung hatte praktisch ein Drittel der Bevölkerung davon ausgeschlossen, sich mit dem bedrohten Österreich, das ja eine Diktatur war, zu solidarisieren. Der „Anschluß“ [31] Österreichs war daher im Lande selbst etwas Populäres.

5. So ist es nicht verwunderlich, daß die NSDAP auch in Österreich ab 1932 massenhaften Zulauf fand, wenngleich mit zweijähriger Verzögerung gegenüber Deutschland; daß 1938 die Österreicher ın ihrer großen Mehrheit dem „Anschluß“ und Hitler zujubelten und in der Folge in einem Ausmaß in die NSDAP strömten wie nirgends sonst im „Altreich“, d.h. im Deutschen Reich innerhalb seiner Grenzen von 1937. [32] 1942 gab es rund 688.000 NS-Mitglieder in den „Alpen- und Donaugauen“, das heißt, etwa jeder vierte erwachsene männliche Österreicher war Nazi. Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum nach 1945 jede schematisch-administrative Entnazifizierung scheitern mußte. [33] (Im übrigen gilt ähnliches mehr oder weniger auch für die heutigen beiden deutschen Staaten.)

6. Die Österreicher waren jedoch nicht nur überrepräsentiert als einfache NSDAP-Mitglieder, verglichen mit den Nazis in Deutschland. Sie nahmen auch innerhalb des nazistischen Besatzungs- und Vernichtungsapparats eine sehr prominente Rolle ein: Ernst Kaltenbrunner als „zweiter Mann“ des SS-Apparats nach Himmler, Odilo Globocnik als übereifriger Leiter der „Aktion Reinhard“ und Adolf Eichmann (wie Hitler politisch sozialisiert in Österreich) als Exekutor der „Endlösung“, unterstützt von Franz Novak, Anton und Alois Brunner, Erich Rajakowitsch, Franz Stangl, Gustav Wagner, Hanns Rauter, ganz abgesehen von den Besatzungschefs Seyß-Inquart, Glaise-Horstenau und Otto Wächter. [34] Wohl dürften viele dieser Österreicher in erster Linie in Positionen, wo sıe massenhafte Verbrechen begehen konnten, nur gekommen sein, weil bei der Gleichschaltung der „Ostmark“ „reichsdeutsche“ Postenjäger sie in Ersatzkarrieren außerhalb Österreichs abgedrängt hatten und die kriegerische Expansion des Dritten Reichs genügend neue Spitzenpositionen geschaffen hatte. Aber nur für „Volksgenossen“ die als voll verläßlich galten, konnte es solche Karrieren geben, ihr Österreicher-Sein hinderte sie nicht, an den ärgsten Verbrechen des Nationalsozialismus mitzuwirken.

Auch wenn die einschlägigen Forschungen noch nicht weit genug gediehen sind, so sollte doch Simon Wiesenthals erschütternde Bilanz ernst genommen werden: „Mindestens drei Millionen ermorderte Juden gehen zu Lasten der an den Verbrechen beteiligten Österreicher“. [35]

7. Nicht zuletzt kämpften Österreicher an den Fronten des Zweiten Weltkrieges praktisch mit derselben Aufopferung und Pflichtbereitschaft wie die „Reichsdeutschen“, und zwar bis zum Ende. Österreicher wirkten ohne Zögern an Repressalien mit, die weit über das kriegsrechtlich akzeptierte Maß an Grausamkeit hinausgingen. Österreicher waren besonders häufig auf dem Balkan eingesetzt, als Generäle, Offiziere und einfache Soldaten. [36] Einerseits war dies deswegen, weil das österreichische Gebiet rein geografisch am nächsten zu Südosteuropa lag und die Österreicher schon in der Habsburgermonarchie diese Region Europas als ihren halbkolonialen Hinterhof betrachtet hatten, andererseits weil sie häufig noch slawische Sprachen sprachen und Hitler der nicht ganz falschen Meinung war, die Österreicher könnten als „geborene Diplomaten“ besonders gut umgehen mit all den verschiedenen Völkern dieses Raums. Österreicher waren daher auch oft in SS- und Wehrmachts-Einheiten tätig, die laut Wehrmachtsbefehlen den „Partisanenkampf“ auf den geringsten Verdacht hin gegen die Zivilbevölkerung „mit den allerbrutalsten Mitteln“ führten und „in diesem Kampf ohne Einschränkung auch gegen Frauen und Kinder jedes Mittel anzuwenden“ verpflichtet waren. Ja es gibt sogar quellenmäßige Anhaltspunkte, daß das Ausrotten und Niederbrennen ganzer Dörfer und Kleinstädte, das „Aussiedeln“ ganzer Regionen auf eine andere „Endlösung“ hinausliefen: auf einen Vernichtungskrieg und eine systematische Verringerung der slawischen Völker um 30 Millionen (!), um deutschen „Lebensraum“ zu schaffen. [37]

Erst als der Krieg im Hinterland auch in Österreich für jeden spürbar wurde und sich die Niederlage abzeichnete, begann sich der „Durchschnittsösterreicher“, den Helmut Qualtinger in der Figur des „Herrn Karl“ so treffend beschrieben hat, von gesamtdeutschen Reichsvorstellungen zu verabschieden und sein Österreichertum hervorzukehren bzw. weiterzuentwickeln. [38] Bereitwillig griffen nach 1945 die österreichischen politischen Eliten — und in weiterer Folge allmählich eine breitere Öffentlichkeit — jenen staatsideologischen Rettungsring auf, den ihnen die Allierten selbst in der „Moskauer Deklaration“ von 1943 zugeworfen hatten und worauf noch näher eingegangen werden soll.

II.

Es erhebt sich hier die Frage, warum die allen ausländischen Freunden und Kennern Österreichs teils bekannten, teils aber auch nicht bewußten zeitgeschichtlichen Fakten nach der Befreiung des Landes von der NS-Diktatur so weitgehend aus dem kollektiven Bewußtsein verdrängt werden konnten? Die heutige österreichische Republik, die gerade der Niederlage Hitler-Deutschlands und der Befreiung vom Nationalsozialismus ihr Wiedererstehen verdankte, hätte sich doch auf der Basis ihres neuen und 40 Jahre lang bewährten Demokratie- und Nationalbewußtseins selbstkritisch auch mit den dunklen Aspekten ihrer Zeitgeschichte auseinandersetzen können. War die Verdrängung von Österreichs NS-Vergangenheit vielleicht unvermeidlich, oder enthüllt sie eben doch immer noch bestehende emotionelle Bindungen an das überwunden geglaubte Regime und seine Politik? Enthüllen sich nicht gerade hier die verschleierten Brüche und Widersprüche im Demokratiebewußtsein und in der österreichischen nationalen Identität? Auf diese Fragen können vor allem vier Antworten gegeben werden:

1. Zunächst waren es, wie gesagt, die USA, Rußland und England (und später auch Frankreich) selbst, die, ungewollt, dem wiederentstandenen österreichischen Staat eine international wie innenpolitisch wirkungsvolle staatspolitische Rechtfertigung lieferten. Denn am 30. Oktober 1943 einigten sie sich in Moskau darauf,

„daß Österreich, das erste freie Land, das der typischen Angriffspolitik Hitlers zum Opfer fallen sollte, von der deutschen Herrschaft befeit werden soll“. Andererseits stellten sie auch fest: „Österreich wird aber auch daran erinnert, daß es für die Teilnahme am Kriege an der Seite Hitler-Deutschlands eine Verantwortung trägt, der es nicht entrinnen kann und daß anläßlich der endgültigen Abrechnung Bedachtnahme darauf, wieviel es selbst zu seiner Befreiung beigetragen haben wird, unvermeidlich sein wird.“ [39]

Abgesehen von inneren Widersprüchen dieses Dokuments, das als die „Zeugungsurkunde“ der 15 Monate später geborenen Zweiten Republik gelten kann, verstanden es die Leiter der österreichischen Nachkriegspolitik vorzüglich, den ersten Teil der „Moskauer Deklaration“, die Opfer-Rolle Österreichs, in den Verhandlungen mit den Alliierten hervorzustreichen, und andererseits den zweiten, von der Mitverantwortung sprechenden Teil vergessen zu machen. Über das Schulwesen und die Presse ging diese Interpretation auch in die breite öffentliche Meinung ein. Dies mochte im ersten Jahrzehnt der Zweiten Republik ein Gebot der Staatsräson sein, ging es doch zunächst darum, eine bessere Behandlung Österreichs im erstrebten Staatsvertrag, und insbesondere eine möglichst weitgehende Reduktion der Reparationsleistungen insbesondere an die Sowjetunion zu erwirken. [40] Auch war weder die Bevölkerung noch die Regierung bereit, das arisierte Eigentum der Juden großzügig zu restituieren, geschweige denn eine Art Wiedergutmachung zu leisten. [41] Vom Standpunkt politischer Moral und echter Aufarbeitung der Nazivergangenheit mußte dies höchst problematisch sein.

Allerdings hätte ein Staat, der 1945 seine Entstehung zum überwiegenden Teil der Befreiung von außen und nicht einer Erhebung im Inneren verdankte, schwer auf dem Einbekenntnis seiner Mitverantwortung an dem überwundenen Regime aufbauen können. Obwohl sich die drei staatsgründenden Parteien der Zweiten Republik — ÖVP, SPÖ und KPÖ — anfangs stark zum Antinazismus bekannten und politischen Widerstandskämpfern eine nicht unbedeutende Rolle einräumten, wäre angesichts der keineswegs klar antinazistischen Einstellung des Großteils der österreichischen Bevölkerung die Mitverantwortungs-These wohl selbstmörderisch gewesen. So verfestigte sich die nur zur Hälfte wahre Theorie von Österreich als dem ersten Opfer Hitlers, die geradezu die politische „Lebenslüge“ dieses Landes wurde. [42]

Mit der Erlangung des Staatsvertrages vom 15. Mai 1955 und dem Ende der vier alliierten Besatzungen entfielen auch die Gründe zur außenpolitischen Rechtfertigung der „Opfer-These“, mit dem Wachsen eines Österreich- und Demokratiebewußtseins in den 60er und 70er Jahren wurde auch die innenpolitische Rechtfertigung der „Lebenslüge“ vollends obsolet. Dennoch haben es alle österreichischen Regierungen bis 1987 vermieden, diese Anpassung an die historische Wahrheit vorzunehmen. Erst im Gefolge der Staatskrise um Bundespräsident Waldheim und des 50jährigen Gedenkens des „Anschlusses“ im Frühjahr 1988 zeichnete sich eine wirklichkeitsnähere Version des offiziellen Geschichtsbildes im Sinne eines „Sowohl-Opfer-als-auch-Täter“ [43] ab.

2. Vor allem die Antifaschisten der älteren Generation und jüngere Österreicher, die der Nazivergangenheit ihrer Eltern und Großeltern distanziert (und selbstkritisch) gegenüberstehen, vertreten oft die Meinung, daß Österreich gerade wegen der nicht wirklich versuchten oder mißlungenen Entnazifizierung seine Vergangenheit nicht ernsthaft aufarbeiten konnte. [44] Tatsächlich aber setzte die Zweite Republik in den ersten Monaten und Jahren nach ihrer Entstehung Ende April 1945 einige entscheidende gesetzgeberische und administrative Akte gegen die ehemaligen Nationalsozialisten.

Am 8. Mai 1945 wurde das „Verbotsgesetz“, das bei Todesstrafe eine nazistische Wiederbetätigung untersagte, im Juni 1945 wurde ein österreichisches „Kriegsverbrechergesetz“ erlassen. Die NSDAP-Mitglieder, die Angehörigen von SS und SA sowie einer Anzahl weiterer NS-Organisationen, insgesamt 536.000 ehemalige Nazis, wurden registriert und (bis 1948) vom Wahlrecht ausgeschlossen. Dabei unterschied man zunächst formal zwischen den etwa 10.000 „Illegalen“ (d.h. Nationalsozialisten, die vor dem 13. März 1938 der NS-Organisation beigetreten waren) und den danach Beigetretenen, denen infolge von Mitläufermentalität oder Zwangssituation der Diktatur eine mildere Behandlung zugebilligt wurde. Später, im Junı 1947, wurde im sogenannten „Entnazifizierungsgesetz“ je nach Rang und Funktion zwischen 495.000 „minderbelasteten“ und 42.000 „belasteten“ Nationalsozialisten unterschieden, da infolge des Umfangs des gesamten betroffenen Personenkreises — etwa ein Viertel aller österreichischen Familien — eine solche Differenzierung unvermeidlich erschien. Insgesamt wurden 55.000 Nationalsozialisten verhaftet und ein großer Teil von ihnen einige Jahre lang in Lagern interniert, wodurch sie weniger „umerzogen“ [45] denn in ihren Anschauungen bestärkt und in ein Beziehungsnetz (sog. „Glasenbacher“) eingebunden wurden. 13.600 ehemalige Nationalsozialisten wurden von „Volksgerichten“ verurteilt, darunter 43 zum Tode (30 davon wurden hingerichtet), und bei 34 lautete das Urteil auf lebenslänglich. Rund 270.000 Ex-Nazis waren noch 1945 im öffentlichen und privaten Sektor berufstätig gewesen. Davon wurden bis Mitte 1946 die Hälfte von ihren Posten entfernt, um allerdings bald darauf wieder an ihrem alten oder an anderen Posten eingestellt zu werden. Die Entnazifizierung im Staatsapparat, wo knapp ein Viertel aller Beamten wegen Nazimitgliedschaft entlassen werden mußte, war allerdings tiefergehend als in anderen gesellschaftlichen Bereichen. [46] Dies gilt besonders für die Beamten höherer Ränge, was jedoch nicht bedeutet, daß nicht ehemalige jüngere Nationalsozialisten aus niedrigeren Positionen im Laufe der Jahrzehnte in Spitzenpositionen hinaufstiegen.

All diese Maßnahmen wurden von österreichischer Stellen, jedoch unter dem Druck und unter der Kontrolle der alliierten Besatzungsmächte, durchgeführt. Anders als in Deutschland [47] lag in Österreich von Anfang an die Entnazifizierung in den Händen einheimischer Staatsorgane und der drei zugelassenen politischen Parteien, ÖVP, SPÖ und KPÖ, die bis 1947 eine nicht zuletzt von einem formellen Antinazismus zusammengehaltene Allparteienregierung bildeten. Ergaben sich schon daraus bedeutende Unterschiede bezüglich der Entnazifizierungspolitik je nach der parteipolitischen Dominanz, so differierte diese noch mehr je nach Besatzungszone. Während die Sowjetunion den österreichischen Behörden (und der KPÖ) relativ freie Hand ließ und die Amerikaner, teils auch die Briten, in ihrer Besatzungszone anfangs rigorose Entnazifizierung durchsetzten, verhielten sich die Franzosen in Westösterreich den Nazis gegenüber von Anfang an recht lau.

Schon im Jahre 1947 wurde jedoch der Höhepunkt der Entnazifizierungspolitik überschritten, danach setzte eine stufenweise Amnestierung und wirtschaftliche wie politische Reintegration der ehemaligen Nationalsozialisten ein. Teils war dafür der schwindende Druck seitens der Besatzungsmächte verantwortlich, deren Konsens über die Österreich-Politik sich im Gefolge des Kalten Kriegs verflüchtigte. Insbesondere die amerikanische Besatzungsmacht und die einen Westkurs einschlagende österreichische Regierung versuchten nun auch die echt oder nur oberflächig „entnazifizierten“ Ex-Nazis zu gewinnen. Auch der Wettlauf um Wählerstimmen und Experten veranlaßte alle drei politischen Parteien, ab Ende der 40er Jahre mehr oder weniger viele „Ehemalige“ anzuziehen. Auch die Notwendigkeiten der sich allmählich erholenden und schließlich in den „Korea-Boom“ einbezogene österreichische Wirtschaft beschleunigten diese „Aussöhnung“ mit der Nazi-Vergangenheit. Die Unterscheidung zwischen wenigen „großen Nazibonzen“ und zahlreichen „kleinen Nazis“, „Verführten“ und “Mitläufern“ aber auch die betont „antipreuBische“ Stoßrichtung der offiziellen Politik ermöglichte und rechtfertigte diese Art historischer „Schadensabwicklung“. Schon 1949 durften die „Ehemaligen“ wieder wählen und eine „vierte“ Partei gründen, den „Verband der Unabhängigen“ (VdU), die fast eine halbe Million Stimmen erreichte und aus der später die Freiheitliche Partei (FPÖ) hervorging. Nach dem Abzug der alliierten Besatzungsmächte wurden binnen drei Jahren auch die letzten Reste der Entnazifizierungspolitik liquidiert. [48]

Die Entnazifizierungspolitik war somit zweischneidig, wohl ernsthaft und tiefgreifend begonnen, aber halbherzig durchgeführt und von kurzer Dauer. [49] Zweifelsohne wurde dadurch die gegenwärtige politische Kultur Österreichs auf das Nachhaltigste geprägt.

3. Es erhebt sich nun die Frage, ob für die österreichischen politischen Eliten angesichts des im folgenden zu behandelnden Problembereichs überhaupt eine andere Möglichkeit der Überwindung des Nazismus in Österreich realistisch gewesen wäre.

Die beträchtliche Breitenwirkung des Nazismus in der österreichischen Bevölkerung mußte die versuchte Entnazifizierung im Grunde zu einem aussichtslosen Unterfangen machen, sofern sie nicht von einem — eben nicht stattfindenden — revolutionären gesellschaftlichen Umsturz oder von der Bereitschaft zu langdauernden wirtschaftlichen Rückschlägen getragen war. Denn wenn rund 14 Prozent aller erwachsenen Österreicher Nazis gewesen waren, dann bedeutet dies, daß bei der typischen Sozialstruktur der NS-Anhängerschaft einzelne mittelständische und akademische Berufe in einem noch viel höheren Maße nationalsozialistisch durchdrungen waren: freie akademische Berufe zu etwa 60%, öffentlich Bedienstete zu 38%, Privatangestellte zu 29% und Bauern zu 26%. [50] Konnten bei der Polizei 1945 noch 75% der Sicherheitswachebeamten wegen NS-Mitgliedschaft ausgewechselt werden, so waren Experten wie die Richter und Staatsanwälte, von denen in Wien dennoch mehr als die Hälfte entlassen wurden, nur schwer zu ersetzen. Dasselbe gilt auch für die Lehrer und Professoren an Schulen und Universitäten, wo rund 80% bzw. 70% nationalsozialistisch „belastet“ gewesen sein dürften. Nicht ganz so gravierend war die Lage im privatwirtschaftlichen Sektor, der im übrigen vielen aus dem Staatsdienst entlassenen Nazis Unterschlupf gewährte. [51]

Somit wird klar, daß eine schematische Entnazifizierung überall dort, wo die Nazi-Mitgliedschaft eine bestimmte Größenordnung erreichte, schon wegen der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der bisherigen staatlichen Tätigkeit und des Wirtschaftslebens auf kaum überwindbare Schwierigkeiten stoßen mußte. [52] Dies war in Österreich der Fall. Wären alle Nationalsozialisten sofort aus ihren Berufen entlassen worden, das Verwaltungs- und Wirtschaftsleben Österreichs wäre schwer beeinträchtigt gewesen. Auf längere Sicht ging jedoch der „antinazistische Atem“ aus. Und so änderte sich an der Situation, die von persönlichen Kontinuitäten gekennzeichnet war, ab Ende der 40er Jahre wenig.

4. Als noch gravierender erwies sich jedoch die große Zahl der Nazis und von der NS-Ideologie Infizierten auf dem Gebiet der Weltanschauung. Hier stand ein auf die Dauer innenpolitisch schwer zu neutralisierender Hemmechanismus einer tiefgreifenden Demokratisierung im Wege. Denn die 600.000 Nazis des Jahres 1942 waren mit der Niederlage des Dritten Reiches nicht schon automatisch vom Nazismus geheilt worden, wenngleich die Zahl der opportunistischen Anpaßler 1938 bis 1945 groß gewesen sein muß. Ja, über die Kreise der eigentlichen „Parteigenossen“ hinaus dürften die NS-Ideologie und eine ihr zugrundeliegende „paranazistische“ Mentalität Fuß gefaßt haben, man schätzt, bei mindestens 40% der Bevölkerung. [53] Einzelne Elemente des ideologischen NS-Syndroms waren noch viel breiter in der Bevölkerung verankert. [54]

So verwundert es nicht, daß ein Drittel der Bevölkerung in den amerikanischen Besatzungssektoren im September 1946 den Nationalsozialismus für eine gute Idee, die nur schlecht durchgeführt worden sei, hielt; daß zu dieser sensiblen Frage 22% keine Meinung hatten und daß den Nazismus nur 45% für schlecht hielten. Diese Zahlen verschlechterten sich bis Februar 1948 sogar noch (auf 41% bzw. 18% bzw. 41%), [55] sodaß man annehmen kann, daß die Nazi-Erbschaft nach dem kurzen Schock der Kriegsniederlage und des Beginns der alliierten Besatzungen schon 1948 wieder verstärkt auflebte.

Seither haben wahrscheinlich die Österreicher bei Meinungsumfragen zwar demokratisch zu antworten gelernt, und in vielem ist in der Tat eine demokratiepolitische Besserung eingetreten. Aber einzelne Komponenten der NS-Mentalität waren in Österreich noch zwischen 1976 und 1985 recht weit verbreitet: „Anschluß“-Tendenzen und geopolitische Großraumwünsche zwar nur bei 12 bzw. 15%, aber Wertschätzung des Führerprinzips bei 21%, Herrenvolkvorstellungen bei 39% und militante politische Intoleranz bei 45% der Befragten. [56] Aber es gibt auch Indikatoren, daß gewisse antisemitische Vorurteile fast ungebrochen weiterleben. Zwar gaben noch zu Beginn der 80er Jahre nur 8% einer repräsentativen Meinungsumfrage an, physischen Widerwillen vor Juden zu empfinden, aber 22% stimmten teilweise und gar 52% voll der Meinung zu, die Juden seien in einem bestimmten Ausmaß selber schuld an ihrer Verfolgung. Nur 15% der Bevölkerung waren weitgehend vorurteilsfrei, ein Viertel jedoch zeigte 1976 ausgeprägte antisemitische Einstellungen. Bezeichnend ist, daß auch 40% der Österreicher antisemitische Außerungen hochgestellter Politiker ohne Widerspruch hinzunehmen bereit waren, [57] was seither durch den Gang der Ereignisse und Äußerungen hoher ÖVP-Politiker bestätigt wurde. (So kam es 1986 und 1987 vielfach zu offen antisemitischen Äußerungen hoher ÖVP-Funktionäre, etwa Michael Graffs Ausspruch, solange Waldheim nicht sechs Juden erwürgt habe, sei alles in Ordnung, und dem Vergleich der Angriffe des World Jewish Congress auf Waldheim mit dem den Juden in die Schuhe geschobenen Prozeß Jesu durch den Linzer Bürgermeister Carl Hödl; beide Politiker mußten seither zurücktreten.) Es gibt also in Österreich nach dem „Holocaust“ einen „Antisemitismus ohne Juden“ und dieser Antisemitismus ist — infolge seiner von oben durchgesetzten Tabuisierung — weithin auch einer „ohne Antisemiten“. [58]

Trotzdem oder gerade deswegen gibt es eine starke Kontinuität des nazistischen Antisemitismus in Österreich, nicht nur mit der Zeit vorher, sondern auch mit der Zweiten Republik. Unmittelbar nach 1945 wurden zurückgekehrte Juden etwa in der Wiener Straßenbahn oder in „Displaced Persons“-Lagern im Salzkammergut nicht nur angepöbelt, sondern auch tätlich angegriffen. Auch die Regierung war sich dieser Situation bewußt. So erklärte der damalıge österreichische Außenminister, Karl Gruber (ÖVP), im Jänner 1947 im Ministerrat, daß „für das Leben der Juden in Österreich nach Abzug der Besatzungsmächte infolge der antisemitischen Stimmung im Lande keinerlei Garantie bestehe“. [59]

Auch der sozialistische Staatskanzler Karl Renner war sich über die weite Verbreitung des Antisemitismus auch nach 1945 im klaren. Er wehrte sich gerade deswegen, wie er sagte, gegen jede allzu strenge Entnazifizierungs- und Entschädigungspolitik für Juden. Diese Maßnahmen würden auf Widerstand der Bevölkerung stoßen, „umso mehr, als es fast keine Familie, auch keine sozialistische Arbeiterfamilie, gibt, ... die nicht in der näheren oder ferneren Verwandtschaft Leute hat, die mit den Nationalsozialisten mitgegangen sind“. [60] Doch zahlreiche Äußerungen von sowohl konservativen wie sozialistischen Regierungsmitgliedern aus den späten 40er Jahren belegen, daß solche Rücksichtnahmen auf die antisemitische Volksstimmung nicht bloß Taktik waren: sie entsprangen einer ebensolchen antisemitischen Vorurteilsstruktur vieler politischer Funktionäre des neuen Österreich. So versuchte 1962 der ÖVP-Bundeskanzler Julius Raab dem Präsidenten des World Jewish Congress, Nahum Goldmann, als dieser zu Entschädigungsverhandlungen in Wien weilte, allen Ernstes einzureden, „daß sich die Juden und Österreich in der gleichen Lage befänden, beide seien Opfer des Nazismus“. [61]

Dementsprechend fiel auch die Rückstellung des geraubten jüdischen Eigentums und die Entschädigung der überlebenden Juden aus. Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland [62] lehnte Österreich als „Opfer des Nationalsozialismus“ Entschädigungszahlungen an Israel grundsätzlich ab und verzögerte bzw. erschwerte solche an einzelne Juden lange Zeit. Bezeichnenderweise waren in Wien zwischen 1938 und 1942 zwar rund 70.000 Juden-Wohnungen „arisiert“ worden, doch nach 1945 wurden nur 24.000 Nazi-Wohnungen beschlagnahmt. Die österreichische Regierung versuchte systematisch, die Vermögensrückstellungen aus Grundbesitz, Betrieben, Wohnungen, Kunstgegenständen, Aktien etc. möglichst einzuschränken, Juden waren zunächst selbst von Fürsorgemaßnahmen, die den aktiven Widerstandskämpfern für erlittene Verfolgung gewährt wurden, ausgeschlossen. (Zigeuner, Zwangssterilisierte und Homosexuelle etwa werden im übrigen bis heute nicht voll als Opfer des Nazismus anerkannt, während Dienstzeiten und erlittene Schäden durch Tätigkeit im NS-Staatsapparat und in der Wehrmacht voll kompensiert werden.) Die Rückkehr der überwiegend jüdischen Emigranten war nicht nur jahrzehntelang unerwünscht, sie wurde in vielen Fällen sogar hintertrieben. Dies gilt für ehemals „austromarxistische“ Politiker und Journalisten wie für im Exil oft zu Weltgeltung gelangte Wissenschafter und Künstler. [63]

Somit wird klar, daß das Verhältnis der Österreicher als Kollektiv zu ihrer NS-Vergangenheit in einem doppelten Sinne gebrochen ist. Einerseits schufen die justizielle und administrative Entnazifizierung, was die „großen Nazis“ und die ärgsten Verbrecher anlangt, und die berufliche und politische Entnazifizierung der Eliten, wenigstens für die Dauer von einigen Jahren, einen deutlichen Kontinuitätsbruch; daher gibt es heute auch praktisch kein offenes Bekenntnis zum Nationalsozialismus und keinen nennenswerten Neonazismus. Zugleich lebten aber in der breiten Masse der Bevölkerung Elemente der NS-Weltanschauung und jener „paranazistischen“ Mentalität, ohne die das Dritte Reich nicht so breitenwirksam und effizient gewesen wäre, wenig verändert oder gänzlich ungebrochen weiter. Andererseits muß dieses halbverborgene Weiterleben der österreichischen NS-Vergangenheit, da es weder mit dem politischen Selbstverständnis der Zweiten Republik noch mit den internationalen Erwartungen vereinbar ist, umso energischer verdrängt und abgeleugnet werden. Die „Opferthese“ und die kompensatorische Überbetonung des antinazistischen Widerstands, der in Österreich nicht geringer, aber auch nicht wesentlich größer als in Deutschland war, dienen daher weithin als Rechtfertigungsideologie. Und all dies trägt schließlich bei zur Perpetuierung dieses gespaltenen Geschichtsbewußtseins vieler Österreicher über die direkt in den Nazismus involvierten Generationen hinaus. In genau diesen Kontext ist auch der Fall Waldheim eingebunden.

III.

Als im Laufe des Herbstes 1985 die Wahlwerbung für die im Frühjahr 1986 fälligen Wahlen zum Amt des Bundespräsidenten, der in Österreich weitgehend nur symbolische Bedeutung, jedoch bei der Regierungsbildung und in einigen anderen, meist personalpolitischen, Entscheidungen eine Schlüsselrolle hat, [64] anlief, wurde von der gegenerischen Seite die „braune Vergangenheit“ Waldheims als Propagandamittel lanciert. [65] Ein Teil der Führungsgruppe der SPÖ und antifaschistische Gruppen, die bis dahin der gerüchteweise schon bekannten Teilnahme Waldheims am Balkankrieg keine wesentliche Bedeutung zugemessen hatten, begannen, den Präsidentschaftskanditaten der ÖVP deshalb für politisch angreifbar zu halten. Daß dabei weniger prinzipielle Bereitschaft zur Aufdeckung und Verarbeitung eines kleinen Teilbereichs von Österreichs verborgener Nazi-Vergangenheit, denn propagandistische Überlegungen im Vordergrund standen, ist schon aufgrund der insbesondere auch in der Ära Kreisky (1970-1985) halbherzigen und oft ambivalenten Haltung führender Sozialisten dem NS-Problem gegenüber zu vermuten. So hatten die meisten SPÖ-Spitzenfunktionäre noch im Frühjahr 1985 nichts Gravierendes darin gesehen, daß ein Minister, der zwar von einer anderen Partei, der FPÖ, gestellt wurde, jedoch der von den Sozialisten geführten Koalitionsregierung angehörte, den aus italienischer Haft entlassenen Kriegsverbrecher Walter Reder mit Handschlag begrüßt hatte. [66] Da den führenden Sozialisten jedoch die problematische Haltung des Großteils der Bevölkerung zur NS-Vergangenheit bekannt war, dürften sie es vorgezogen haben, durch andere den Hauptangriff auf Waldheim führen zu lassen. Das österreichische Wochenmagazin „profil“ und der World Jewish Congress — letzterer in eklatanter Fehleinschätzung der innerösterreichischen Wirkungen — nahmen sich dieses moralisch berechtigten Anliegens an, was sofort nahezu weltweit zu intensiven Diskussionen um Waldheim führte. Dabei und bei der 1987 und 1988 immer wieder auflebenden Kritik an Kurt Waldheim standen folgende Anschuldigungen [67] im Vordergrund:

1. Ein Vorwurf lautete, Waldheim sei ein Nazi gewesen. Dieser Vorwurf vereinfacht die quellenmäßig unbestreitbare Tatsache, daß Waldheim nach dem „Anschluß“ zwar Mitglied der NS-Studentenbundes und einer SA-Reiterstandarte geworden, jedoch niemals NSDAP-Mitglied gewesen ist. In die SA dürfte Waldheim nur formell und indirekt über den Reitclub der Konsularakademie, in der er 1938 studierte, gekommen sein; dem Studentenbund trat er als aufstiegsorientierter Student eher aus Karrieregründen denn aus ideologischer Überzeugung bei. Auch seine 1944 fertiggestellte Dissertation über die staatspolitischen Vorstellungen eines antipreußischen katholischen Konservativen des 19.Jahrhunderts [68] läßt nicht direkt NS-Ideolologie erkennen, wohl aber die österreichische Version „gesamtdeutscher Reichs“-Vorstellungen. [69] Gerade für „katholisch Nationale“, denen Waldheim nicht ganz fern gestanden sein dürfte, gab es aber noch weitere solcher Punkte der Übereinstimmung mit dem Reich Hitlers, ohne daß sie deshalb schon in allem dem Nationalsozialismus zugestimmt hätten: Antikommunismus, „Ostraum“-Politik, europäisches Hegemoniestreben, Kapitalismus-, Liberalismus-, Demokratiekritik, oder die katholische Version antijüdischer Vorurteile. Nur ein grobes Unverständnis der Funktionsmechanismen des NS-Regimes konnte daraus den Vorwurf des ideologischen Nazismus machen, aber nur ein ebenso leichtfertiger Umgang mit der Nazivergangenheit Österreichs oder reine Apologetik konnte Waldheim von jeder organisatorischen und weltanschaulichen Nähe zum NS-Regime freisprechen oder ihm „einige ethische Autonomie“ zuschreiben. [70] Immerhin hatte Waldheim einer NS-Nebenorganisation angehört, aufgrund der er nach den österreichischen Gesetzen von 1945 und 1947 „registrierungspflichtig“ gewesen wäre.

2. Ein ganzes Bündel anderer Vorwürfe gegen Waldheim bezieht sich auf seine Tätigkeit als Offizier der deutschen Wehrmacht in Südosteuropa, denn nicht nur die SS, sondern auch die deutsche militärische Führung und zahlreiche Heereseinheiten wirkten an der „Endlösung der Judenfrage“ mit; [71] sie waren auch in einem großen Ausmaß an kriegsverbrecherischen Greueltaten beteiligt, die an der Ostfront und auf dem Balkan weit über das „übliche“ Kriegsgeschehen hinausgingen und eben auf einen Vernichtungskrieg gegen die „niederrassigen“ slawischen Völker hinausliefen. Konkret wurden Waldheim unter anderem folgende Punkte vorgeworfen:

  • „Überstellung von Zivilisten an die SS zur Ausbeutung als Sklavenarbeiter“ und „Deportation von Zivilisten in Konzentrations- und Todeslager“; vor allem seine räumliche Nähe zu den Vorgängen im Mai 1942 in Ostbosnien und im Sommer 1942 in Westbosnien (Kozara),
  • „Vergeltungsmaßnahmen gegen Geiseln und Zivilisten“, d.h. Massaker in Partisanen-Gebieten Griechenlands 1943 und in jugoslawisch Mazedonien 1944,
  • „Deportation von Juden von verschiedenen griechischen Inseln“, d.i. die Durchführung der „Endlösung“ auf den Inseln West-Griechenlands und der Agäis,
  • „Mißhandlung von alliierten Gefangenen“, Verhöre von britischen und amerikanischen Kriegsgefangenen und deren Übergabe an die SS. [72]

Dies bedeutet, daß Waldheim, der zwar „keine direkte Befehlsgewalt hatte und nach seiner Verwundung an der Ostfront 1941 nur als Stabsoffizier Dienst verrichtete, sich zu kritischen Zeitpunkten an kritischen Orten in solchen Positionen befand, die ihn in einen direkten, funktionalen Zusammenhang (als Übermittler und Verarbeiter von Informationen und Mitwirkender am sozialen Prozeß der Entscheidungsfindung der Kommandierenden) mit kriegsrechtswidrigen Vorgängen brachten, insbesondere

  • als O3-Ordonnanzoffizier in der Gruppe Ic/AO ın der Heeeresgruppe E in Arsakli,
  • als O2-Offizier beim Quartiermeister (Ib) in Westbosnien,
  • als O1-Ordonnanzoffizier in der Operationsabteilung (Ia) des Verbindungsstabs zur II. italienischen Armee in Athen.

Zweifelsohne war er einer der bestinformierten Offiziere seiner Dienststelle im Oberkommando der Heeresgruppe E, der auch von den Judendeportationen und den Massakern an den Partisanen und der Zivilbevölkerung gewußt haben muß.

Zweifelsohne wußte Waldheim sehr viel mehr von den kriegsverbrecherischen Vorgängen in der deutschen Balkanarmee, als er zugab. Denn seine Pflicht als Ordonnanzoffizer war es, alle im weitesten Sinne militärisch wesentlichen Vorgänge zu wissen. [73]

Aufgrund dieses nun auch von einer internationalen Historikerkommission bestätigten Befundes kann Waldheim nicht als Kriegsverbrecher, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn, bezeichnet werden. Doch ist er auch nicht von jeder Mitverantwortung freizusprechen. [74]

3. Einen anderen Problemenbereich in Waldheims Vergangenheit stellt sein Nachkriegsverhalten und das wahrscheinliche Wissen von seiner Kriegstätigkeit auf seiten diverser Geheimdienste und Regierungsstellen im Westen und Osten dar. Doch ist dieser Bereich weniger für die österreichische Zeitgeschichte als für die Gegenwartsgeschichte der Großmächte und der UNO relevant. [75]

4. Geradezu typisch für Österreichs kollektiven Umgang mit der NS-Zeit und der Periode des Zweiten Weltkriegs sind die Leerstellen in Waldheims Darstellungen über diese Jahre und Episoden. „Er war bemüht, seine militärische Vergangenheit in Vergessenheit geraten zu lassen und, sobald das nicht mehr möglich war, zu verharmlosen.“ [76] Gerade Waldheims Verhalten, das die Interpretation bewußten Verschweigens unvermeidbar macht, wurde lange Zeit als Indiz dafür gewertet, daß er wirklich schwerwiegende Handlungen zu verbergen habe.

Es wäre allerdings auch zu einfach, dieses Verschweigen nur als simple Lügen im Interesse opportunistischen Karrierestrebens zu verstehen. Es ist möglicherweise ein Ausdruck von Waldheims Unfähigkeit, sein Verhalten im Dritten Reich außerhalb Österreichs in seiner Komplexität und Ambivalenz verständlich zu machen: seine partielle Übereinstimmung mit dem Regime, das er partiell auch ablehnte; sein funktionales Nahverhältnis zu unmenschlichen Handlungen der Wehrmacht, ohne selbst direkt verantwortlich zu sein; der Normenkonflikt in ihm selbst zwischen dienstlichem Pflichtethos und militärischem Ehrgefühl; sein Gespaltensein, als Österreicher in der deutschen Armee, ohne den Zwang einer fremden Okuppationsmacht zu verspüren, gedient zu haben.

IV.

Man kann den Fall Waldheim nicht verstehen, ohne ihn in den Kontext der österreichischen Bewußtseinsgeschichte zu stellen. Es gibt dabei in sechs Bereichen auffällige Parallelen im Verhältnis Waldheims zur NS-Vergangenheit [77] zu Defiziten des kollektiven österreichischen Geschichtsbildes:

1. Was aus der internationalen, insbesondere der westlichen Sicht an Waldheims persönlicher Geschichte und an der gesamten Nazi-Vergangenheit Österreichs als so unverständlich erscheint, brauchte der großen Mehrheit der Österreicher niemals ausdrücklich erklärt zu werden. Insbesondere die älteren Generationen, aber nicht nur diese, lebten (und leben) in einem ähnlichen Zustand des Nicht-Verständlichmachen-Könnens ihres damaligen Verhaltens wie Waldheim. Ihre eigentlichen politischen Wertungsgrundsätze, würden sie offen ausgesprochen, widersprächen den Wertmaßstäben der Zweiten Republik. Sie können daher eine Geschichts-Interpretation im Vor- und Umfeld der NS-Vorstellungen nicht öffentlich zum Ausdruck bringen; auch der bisherige wirtschaftliche und politische Erfolg der Zweiten Republik macht deren offiziöse Geschichtsinterpretation kaum anfechtbar. Diese „Gestrigen“ und „Vorgestrigen“ können sich aber auch nicht dazu durchringen, ihre persönlichen Wertvorstellungen dem offiziellen Selbstbild der Zweiten österreichischen Republik anzupassen und auf ihre persönliche Vergangenheit mit den Augen der Gegenwart zu sehen.

Daraus resultiert kollektiv ein geteiltes Geschichtsbewußtsein über die NS-Periode: der neueren antinazistischen Interpretation in der politischen Öffentlichkeit, in den Medien und in der akademischen Zeitgeschichte steht unverändert eine „paranazistische“ halböffentliche oder private Populartradition gegenüber. Ein deutliches Zeichen dafür war Waldheims Spruch von der Pflichterfüllung: denn als österreichischer Patriot konnte er seine Pflichterfüllung in einer — aus seiner Sicht der 80er Jahre — fremden Wehrmacht nicht gleichzeitig als Entschuldigung und Positivum herausstellen.

In dieser Hinsicht gleicht das Verhalten Waldheims dem der Österreicher als Ganzem. Wie Waldheim sich nicht an seine Balkanjahre erinnern wollte und geradezu ungehalten reagierte, daß immer wieder seine „Vergangenheit aufgerührt“ würde, so ist die Mehrzahl der Österreicher der Meinung, man solle endlich die Vergangenheit ruhen lassen, die Gräben (zwischen den politischen „Lagern“) nicht wieder aufreißen, alte Wunden nicht anrühren und zum Bluten bringen. „Sind wir froh, daß diese schreckliche Zeit vergangen ist, erhalten wir nicht künstlich eine Erinnerung daran!“ — So oder ähnlich ist die Volksmeinung [78] und diejenige gar nicht weniger konservativer Politiker und Journalisten.

2. Der einfachste Ausweg aus diesem Dilemma auf individueller und kollektiver Ebene ist Schweigen, Verschweigen und, wenn dies nicht mehr möglich ist, Lügen über die Vergangenheit. Solche Unaufrichtigkeit erschien (und erscheint) der Mehrheit der Österreicher als nicht gravierend genug, um eine Wahl Waldheims oder seine weitere Amtsausübung zu verhindern. Eine Bevölkerung, die jahrhundertelang, seit der Gegenreformation, mit einer relıgiös und politisch intoleranten Obrigkeit, die mit allen Mitteln den Untertanengehorsam erzwungen hat, auszukommen gelernt hat, hat selbst auch autoritäre Verhaltensweisen internalisiert. Für sie wurden jedoch angesichts der Obrigkeit auch kritische Distanz zu den Herrschenden jedweder Art, Kryptoprotestantismus, politische Hinterhältigkeit, schauspielerische Lippenbekenntnisse und Relativierung durch Kasperliade und Witze zur Überlebensstrategie. Wohl deshalb wurden Waldheims irreführende Darstellungen in der breiten österreichischen Öffentlichkeit nicht als grundsätzlich politisch-moralischer Defekt gewertet. Lügen gehört gewissermaßen zu den akzeptierten Spielregeln der österreichischen Politik, wie der österreichische Außenminister, Alois Mock, im Frühjahr 1987 offen sagte. Sie sind in der österreichischen politischen Kultur „läßliche Sünden“, [79] so wie sie in der katholischen Moraltheologie nicht als schwere Sünden gewertet werden. Das Aussparen von Geschichte kann jedoch nicht permanent und vollständig funktionieren. Manchmal ist es unvermeidlich, in die „black box“ einiges Licht zu werfen, wenn Eltern und Großeltern von ihren unter neuen (demokratischen) Wertvorstellungen heranwachsenden Kindern gefragt werden, was sie „damals“ taten. [80] Dasselbe geschieht, wenn ein Politiker ins „Schußfeld“ der Gegner kommt, was allerdings üblicherweise durch die inoffizielle österreichische Nachkriegsstrategie der politischen Großparteien „Haust Du meinen Nazi, hau’ ich Deinen Nazi!“ abgewehrt wurde; oder wenn wie 1988 ein runder Jahrestag eines historisch bedeutungsvollen Ereignisses öffentliches Gedenken ganz unvermeidlich macht. Dann erst werden andere Schutzmechanismen wirksam. Auch hier gibt es frappierende Parallelen zwischen dem Fall Waldheim und Österreich als Ganzem.

3. Typisch für eine solche Strategie ist die Bagatellisierung der eigenen Rolle. Waldheim sei nur ein „subalterner Offizier, der mal dolmetschte, mal Fähnchen steckte, Berichte verfaßte, diese weiterleitete, ein „Kofferträger“ seines Vorgesetzten, „einfacher Soldat“, ein kleiner Stabsoffizier u.dgl. gewesen. Österreich als Ganzes sei 1938 ein kleiner Staat, der von Hitlerdeutschland überfallen wurde, gewesen, die Österreicher hätten im Dritten Reich keine wesentliche Rolle gespielt. (Vergessen sind Hitler, Kaltenbrunner, Globocnik, General Löhr u.dgl.). Wenn die Österreicher überhaupt Nazis gewesen seien, dann waren sie „kleine“ Nazis, oder sie hätten „nur“ in der Waffen-SS oder in der Wehrmacht gedient.

4. Eine andere Strategie zur Abwehr von historischer Verantwortung ist die Vordatierung eines Gesinnungswandels, einer Bekehrung, des die Gegenwart bestimmenden politischen Lernprozesses. Waldheim stellt daher seinen Dienst in der Wehrmacht als einen dar, der von einer fremden Macht erzwungen gewesen sei; er habe dies schon 1938 so empfunden, während ihn sein katholisch-gesamtdeutsches „Reichsbewußtsein“ noch durchaus an das „Großdeutsche Reich“ gebunden haben dürfte. Auch Waldheims Österreichverständnis, das dieser erst in der Zweiten Republik voll entwickeln konnte, wird ebenso wie seine zweifelsohne erst von Kriegsende und Niederlage des Dritten Reichs stark geförderte Ablehnung des Kriegs in seinen Darstellungen (und Erinnerungen?) um einige Jahre vordatiert. Äquivalente auf der kollektiven Ebene sind etwa die Vordatierung des Lernprozesses, der erst seit den 60er Jahren zur Herausbildung eines österreichischen Nationalbewußtseins führte, auf 1945, 1943 oder gar 1938; ähnliches gilt auch für die Projektion des Demokratieverständnisses der Zweiten Republik auf alle antinazistischen Widerstandsgruppen während der NS-Zeit; auch für die Annahme, daß die Ideologie der großkoalitionären Zusammenarbeit und der sozialpartnerschaftlichen Konfliktregelung, die bestimmend in der Periode der ersten großen Koalition (1947-1966) war, schon im „Geist der Lagerstraße“ der Konzentrationslager und bei allen Widerstandsgruppen gleicherweise präsent gewesen sei.

5. Ein wiederum anderer Mechanismus der Schuldabwehr ist, vergleichbar mit bestimmten Erklärungsmodellen in der Psychoanalyse, die Projektion des eigenen Problems auf andere. Nicht Waldheims schlampiger Umgang mit seiner eigenen problematischen Vergangenheit wird primär verantwortlich gemacht für die internationale Kritik an seiner Person und seiner Isolierung, für die außen- und innenpolitischen Schwierigkeiten Österreichs 1987 und 1988, sondern eine „Verschwörung“ der jüdischen Presse, die „Nestbeschmutzung“ durch seine österreichischen Kritiker, die Rache der amerikanischen und israelischen Politik für Waldheims araberfreundliche Haltung als UN-Generalsekretär oder Bruno Kreiskys palästinenserfreundliche Vermittlungsversuche im Nahen Osten. [81]

Vor allem rechtskonservative (ehemals „austrofaschistische“), katholische und kommunistische Antinazis, die weltanschaulich wenig mehr als ihren Österreichpatriotismus gemein haben, neigen dazu, den Untergang Österreichs als Staat im März 1938 auf das Ausbleiben einer außenpolitischen, ja militärischen Hilfe seitens der Westmächte und deren Appeasement-Politik mit Hitler-Deutschland zurückzuführen. [82] Sie tendieren dazu, für den „Anschluß“, die Judenverfolgung und den NS-Terror ausschließlich die „Deutschen“, Hitlers Befehle oder „die“ SS-Schergen verantwortlich zu machen.

6. Von hier ist es nicht mehr weit zu der eingangs dargestellten Opferthese als zentralem Element des individuellen wie kollektiven Geschichtsbewußtseins. Daher entsprach der Logik des Geschichtsverständnisses nicht nur der Anhänger Waldheims, sondern der politischen Mehrheitskultur ganz Österreichs, wenn 1987 in einer Verteidigungsschrift aus dem Umfeld der ÖVP über den österreichischen Bundespräsidenten gesagt wurde:

So wie Österreich als Land, so war auch Kurt Waldheim ohne Zweifel ein Opfer des Nationalsozialismus

Was bei Waldheim individuell angelegt war, ist auch österreichisches Kollektivbewußtsein

So wie Österreich am Nationalsozialismus nicht schuldig wurde, sondern nur einige seiner Brüder, so wurde Kurt Waldheim am Nationalsozialismus nicht schuldig [83]

Diese Gleichung — Waldheim ist gleich Österreich — geht weit über den symbolischen Interpretationsgehalt des Präsidentenamtes hinaus. Ihre unausgesprochenen Grundlagen, wie hier skizziert, sind das gleiche Geheimnis seines Wahlerfolgs und der, von der Boulevardpresse nicht einfach geschaffenen, aber doch ausgebauten Unerschütterbarkeit seiner Präsidentschaft, selbst auf dem Höhepunkt der Staatskrise um Waldheim im Februar 1988. Zwar stärkt die kaum gebrochene Amtsausübung Waldheims das weiter Fortschreiten der konservativen „Wende“ und gewisse provinzielle, antiinternationalistische Strömungen in Österreich; auch hat sie manches vom Geist der österreichischen Nazi-Vergangenheit, insbesondere den ohnehin vorhandenen latenten Antisemitismus wieder „hoffähig“ gemacht; auch birgt sie die Gefahr in sich, zur Drehachse zu werden, um die sich „Schwarz“ und „Bräunlich“ zu einer politischen Kombination zusammenfinden — und doch hat der Fall Waldheim auch ungewollt positive Folgen hervorgerufen. Er hat die verdrängte Vergangenheit Österreichs in einem Maße an das Licht geholt, wie es 40 Jahre Antifaschismus, 20 Jahre akademische Zeitgeschichte [84] und 10 Jahre politischer Bildung an den Schulen nicht vermocht haben. Er hat das bisher immer noch stark vom „alten Kaiser“ geprägte Bild des Staatsoberhauptes so sehr erschüttert, daß heute in Österreich weithin ohne Höflichkeitsfloskeln, ja offen kritisch und sogar respektlos vom Präsidenten bzw. Waldheim gesprochen werden kann.

Durch den Abbau an blinder Obrigkeitsgläubigkeit erhält auch das in Österreich, von wenigen Ausnahmesituationen wie 1848, 1918, 1968/70 abgesehen, sonst nur am Rande dahinvegetierende kritisch-rationalistische Segment von Linksintellektuellen, libertären Künstlern und liberalen Staatsbürgern [85] eine neue Chance.

Der Fall Waldheim, der das österreichische Aquivalent zur belgischen „Königsfrage“ geworden ist, könnte so der Beginn einer, natürlich mit umgekehrten Vorzeichen und unterschiedlichen moralischen Gewichtungen versehen, kleinen Paralelle zur Affäre Dreyfus werden.

[1F. Kreissler, La prise de conscience de la nation autrichienne, Bd. 2, Paris 1980, E. Bruckmüller, Nation Österreich, Wien 1984

[2F. Heer, Humanitas Austriaca, in: ders., Land im Strom der Zeit, Wien 1958, 17-105, W. M. Johnston, The Austrian Mind, Berkeley 1972

[3E. Ringel, Die österreichische Seele, Wien 1984

[4Vgl. Bundespräsident Kurt Waldheim laut einer Werbebroschüre seiner Partei im Wahlkampf 1986.

[5Im österreichischen Außenministerium wurde im Herbst 1986 eigens eine Arbeitsgruppe, bestehend aus sechs Journalisten und Wissenschaftern, gebildet, die Vorschläge zur Verbesserung von Österreichs Image im Ausland ausarbeitete: Maßnahmenkatalog zu einem umfassenden Österreich-Bild, siehe auch Profil, 15.12.1986, S. 16 und 19

[6E. Todd, La troisième planète, Paris 1983, 51

[7Siehe die auch sonst bahnbrechende Studie: C. E. Schorske, Fin-de-Siècle Vienna, London 1980; ferner: W. M. Johnston, The Austrian Mind, Berkeley 1972; dagegen: M. Pollak. Vienne 1900, Paris 1984; Ivar Oxaal u.a (Hg.), Jews, Antisemitism und Culture in Vienna, London 1987

[8Vgl. E. Weinzierl, Zu wenig Gerechte, Graz 19852

[9K. Steiner (Hg.), Tradition and Innovation in Contemporary Austria, Palo Alto, Ca. 1981; R. Nick u. A. Pelinka, Bürgerkrieg — Sozialpartnerschaft, Wien 1983; G. Botz, Krisenzonen einer Demokratie, Frankfurt/M. 1987, 359-383

[10W. T. Bluhm, Building an Austrian Nation, New Haven 1973, 177-207; K. R. Stadler Austria, London 1971, 181-199; vgl. auch Das österreichische Nationalbewußtsein in der öffentlichen Meinung und im Urteil deı Experten. Eine Studie der Paul Lazarsfeld Gesellschaft für Sozialforschung, Wien (o.J. 1981)

[11E. Stadler (Hg.), Vertriebene Vernunft I, Wien 1987

[12G. Goriely, L’Autriche victime ou complice de l’Anschluss, (Sonderdruck) Brüssel 1987; G. Botz, Der „Anschluß“ von 1938 als innerösterreichisches Problem, in: Aus der Politik und Zeitgeschichte, B 9/88 (1988), 3-19

[13Siehe vor allem „Die Presse“ und „Neue Kronenzeitung“; vgl. auch: M. Gottschlich, Die beleidigte Nation, in: Journal für Sozialforschung 27, 3/4 (1987), 393-406

[14Unter dem Titel „Kontroversen um Österreichs Zeitgeschichte“, erscheint, hg. von E. Hanisch, G. Sprengnagle u. mir, hierzu ein Sammelband, Frankfurt/M. 1989; vgl. auch: F. Kreissler, War der „Anschluß“ im März 1938 unvermeidlich?, in: Jahrbuch 1988. DÖW, Wien 1988, 15-30

[15Ich folge hier meinen Ausführungen: Eine deutsche Geschichte 1938-1945?, in B. Hey u. P. Steinbach (Hg.), Zeitgeschichte und politisches Bewußtsein, Köln 1986, 160-185, und: Österreich und die NS-Vergangenheit, in: D. Diner (Hg.), Ist der Nationalsozialismus Geschichte?, Frankfurt/M. 1987, 141-152

[16Vgl. A. Whiteside, Austrian National Socialism before 1918, The Hague 1962; H. Mommsen, Die Sozialdemokratie und die Nationalitätenfrage im habsburgerischen Vielvölkerstaat, Wien 1963; K.-D. Bracher, Die deutsche Diktatur, Köln 1969, 86 ff.

[17Siehe vor allem: F. Heer, Der Glaube des Adolf Hitler, München 1968

[18A. G. Whiteside, The Socialism of Fools, Berkeley 1975; J. S. Jones, Hitler in Vienna 1907-1913, New York 1983; E. B. Bukey, Hitler’s Hometown, Bloomington 1985

[19R. Kuppe, Dr. Karl Lueger und seine Zeit, Wien 1933; McGrath, Dionysian Art and Populist Politics in Austria, New Haven 1974; J. W. Boyer, Karl Lueger and the Viennese Jews, in: Leo Baeck Yearbook 26 (1981), 139 ff.; ders., Political Radicalism in Late Imperial Vienna, Chigago 1981; R. S. Wistrich, Karl Lueger and the Ambiguities of Viennese Antisemitism, in: Jewish Social Studies 45. 3-(1983), 251-262; R. Spitzer, Des Bürgermeisters Lueger Lumpen und Steuerträger, Wien 1988

[20M. Wagner, Manche unserer Symbolismen pflastern den Weg, in: Zeitgeist wider Zeitgeist, Wien 1987, 55 -62; G. L. Mosse, The Nationalization of the Masses, New York 1975; ders., The Crisis of German Ideology, New York 1964; A. Janik u. St. Toulmin, Wittgenstein’s Vienna, London 1975

[21Vgl. Wi. Daim, Der Mann, der Hitler Ideen gab, München 1958; H. St. Chamberlain, Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts, München 1899

[22Kommunisten spielen im österreichischen Parteiensystem seit den 50er Jahren praktisch keine Rolle; vgl. M. A. Sully, Continuity and Change in Austrian Socialism, New York 1982; H. Fischer (Hg.), Das politische System Österreichs, 3. Aufl., Wien 1982; A. Pelinka u. F. Plasser (Hg.), Das österreichische Parteiensystem, Wien 1988

[23A. Wandruszka, Österreichs politische Struktur, in: H. Benedikt (Hg.), Geschichte der Republik Österreich, Wien 1954, 291 ff.

[24F. Heer, Gottes erste Liebe, München 1967; L. Spira, Feindbild „Jud“, Wien 1981; W. Häusler, Judenhaß und Judenverfolgungen, in: H. Valentinitsch (Hg.), Hexen und Zauberer, Graz 1987, 365-377

[25Vgl. E. Silberner, Sozialisten zur Judenfrage, Berlin 1962; R. Wistrich, Socialism and the Jews, London 1982; ders., Social Democracy, Antisemitism and the Jews of Vienna, in: Oxaal u.a., Jews, a.a.O., 111-120

[26P. G. J. Pulzer, The Rise of Political Anti-Semitism in Germany and Austria, New York 1964; D. van Arkel, Antisemitism in Austria, (ungedruckte) Diss. Leiden 1966; J. Bunzl, Zur Geschichte des Antisemitismus in Österreich, in: ders. u. B. Marin, Antisemitismus in Österreich, Innsbruck 1983

[27J. Oxaal, The Jews of Young Hitlers’ Vienna, in: Oxaal u.a., a.a.O., 11-38; ders. u. W. R. Weitzmann, The Jews in Pre-1914 Vienna, in: Leo Baeck Institute Year Book, 30 (1985), 395-432; Das österreichische Judentum, Wien 1974; M. L. Rosenblit, The Jews of Vienna 1867-1914, New York 1983

[28Zit. nach: G. Botz, Wien vom „Anschluß“ zum Krieg, 2. Aufl., Wien 1980, 248. Vgl. auch H. Safrian u. H. Witek, Und keiner war dabei, Wien 1988

[29F. F. G. Kleinwaechter u. H. von Paller (Hg.), Die Anschlussfrage, Wien 1930; A. D. Low, The Anschluss Movement 1918-1919 and the Paris Peace Conference, Philadelphia 1974, St. Suval, The Anschluss Question ın the Weimar Era, Baltimore 1974

[30A. Staudinger, Zur „Österreich“-Ideologie des Ständestaates, in: L. Jedlicka u. R. Neck (Hg.), Das Juliabkommen von 1936, Wien 1977, 198-240; F. Heer, Der Kampf um die österreichische Identität, Wien 1981; etwas apologetisch: G.-K. Kindermann, Hitlers Niederlage in Österreich, Hamburg 1984

[31N. Schausberger, Der Griff nach Österreich, Wien 1978; R. Neck u. A. Wandruszka (Hg.), Anschluß 1938, Wien 1981; E. A. Schmiedl, März 38, Wien 1987; „Anschluß“ 1938. Eine Dokumentation, Wien 1988

[32B. F. Pauley, Hitler and the Forgotten Nazis, Chapel Hill 1981; R. Luza, Austro-German Relations in the Anschluss Era, Princeton 1975

[33D. Stiefel, Entnazifierung in Österreich, Wien 1981; S. Meissl u.a. (Hg.), Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne, Wien 1986

[34Vgl. R. Wistrich, Who’s Who in Nazi Germany, London 1982

[35Memorandum S. Wiesenthals vom 12. Oktober 1966 an Bundeskanzler J. Klaus, Dokumentationszentrum des Bundes jüdischer Verfolgter, Wien

[36W. Manoschek u. H. Safrian, Österreicher in der Wehrmacht, in; E. Talos u.a. (Hg.), NS-Herrschaft in Österreich 1938-1945, Wien 1988, 331-360; siehe auch P Broucek, Ein General im Zwielicht, Bd. 2 u. 3, Wien 1983, 1988; R. M. Birn, Die höheren SS- und Polizeiführer, Düsseldorf 1986; apologetisch: I. Pust, Österreicher im Feuer, Leoni a.S.S. 1988, 191-215

[37Ch. Streit, Keine Kameraden, Stuttgart 1978; H. Krausnick u. H. H. Wilhelm, Die Truppe des Weltanschauungskrieges, Stuttgart 1981; V. Strugar, Der jugoslawische Volksbefreiungskrieg 1941 bis 1945, 2 Bde. Berlin/DDR 1969; H. Fleischer, Im Kreuzschatten der Mächte, Frankfurt/M. 1986

[38P. Gerlich, Nationalbewußtsein und nationale Identität Österreichs, in: A. Pelinka u. F. Plasser (Hg.), Das österreichische Parteiensystem, Wien 1988, 235-269

[39Zit. nach: St. Verosta, Die internationale Stellung Österreichs 1938 bis 1947, Wien 1947, 52 f.

[40G. Stourzh, Geschichte des Staatsvetrages 1945-1955, 2. Aufl., Graz 1980

[41Nunmehr neue Akten präsentierend: R. Knight (Hg.), „Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen“, Frankfurt/M. 1988

[42Vgl. L. R. Johnson, Die österreichische Nation, die Moskauer Deklaration und die völkerrechtliche Argumentation, in: Jahrbuch 1988, a.a.O., 40-51; vgl. auch: R. G. Ardelt, Warum mangelt es in Österreich an einer Auseinandersetzung mit der Zeit 1938-1945?, ebenda, 7-14

[43Der Großteil der österreichischen Zeitgeschichtler neigt nunmehr dieser These zu, ebenso brachten die Ansprachen von Bundeskanzler F. Vranitzky und anderer SPÖ-Politiker aus Anlaß des 50. Jahrestages des „Anschlusses“ diese Meinung zum Ausdruck.

[44Siehe etwa einige der Beiträge in: Meissl, Verdrängte Schuld, a.a.O.

[45Vgl. R. Wagnleitner, Die kulturelle Reorientierung Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Zeitgeschichte 11. 9/10 (1984), 326-344

[46Ebenda; siehe auch: Stiefel, Entnazifizierung, a.a.O.

[47Vgl. vor allem: L. Niethammer, Die Mitläuferlabrik, 2. Aufl., Berlin 1982; K. D. Henke, Politische Säuberung unter französischer Besatzung, Stuttgart 1981; W. Krüger, Entnazifiziert!, Wuppertal 1982

[48F. Weinzierl u. K. Skalnik (Hg.), Österreich. Die zweite Republik, 2 Bde, Graz 1972; N. Schausberger, Österreich, Graz 1980; M. Rauchensteiner, Der Sonderfall, Wien 1979, O. Rathkolb (Hg.), Gesellschaft und Politik am Beginn der Zweiten Republik, Wien 1985; R. Wagnleitner (Hg.), Unterstanding Austria, Salzburg 1984; R. Knight, Britische Entnazifizierungspolitik 1945-1949, in: Zeitgeschichlte 11. 9/10, 287-301; O. Rathkolb, U.S.-Entnazifizierung in Österreich zwischen kontrollierter Revulution und Elitenrestauration (1945-1949), ebenda, 302-325

[49Siehe allgemein: S. Mattl u. K. Stuhlpfarrer, Abwehr und Inzenierung im Labyrinth der Zweiten Republik, in: Talos u.a., NS-Herrschaft, a.a.O., 601-624

[50G. Botz, Strukturumwandlungen des österreichischen Nationalsozialismus (1904-1945), in: I. Ackerl u.a. (Hg.), Politik und Gesellschaft im alten und neuen Österreich, Bd. 2, Wien 1981, 163-193

[51Stiefel, Entnazifizierung, a.a.O., 125 ff. u. zahlreiche Beiträge in: Meissl, Schuld, a.a.O.

[52Dies zeigte sich auch bei der internationalen Tagung „Transition From Fascism: Europe 1945-1975“, Bergen Juni 1985 (Edition der Tagungspapiere in Vorbereitung).

[53Siehe: H. Kienzl, Ausgeheilt?, in: Die zukunft, Jg. 1985, Nr. 11, 33-35

[54G. Botz, „Anschluß an die Vergangenheit!“, in: Jahrbuch 1987. DÖW, Wien 1987, 23-41

[55O. Rathkolb, NS-Problem und politische Restauration, in: Meissl, Schuld, 74 f.

[56H. Kienzl, Are We Cured of Fascısm?, in: Wiener Zeitung, 10., 17., 24. und 31.10.1986, features, 8.

[57H. Weiss, Antisemitische Vorurteile in Österreich, Wien 1984, 105 ff.; J. Bunzl, Austrian Identity and Antisemitism, in: Patterns of Prejudice, 21.1. (1987), 3-8; R. Beckermann, Unzugehörig (hier zit. nach dem Ms.), Wien 1989

[58B. Marin, Ein historisch neuartiger „Antisemitismus ohne Antisemiten“?, in: Bunzl u. Marin, Antisemitismus, 171-224; vgl. auch allg.: J. Bunzl, Der lange Arm in Erinnerung, Wien 1987; H. Andics, Die Juden in Wien, Graz 1988

[59Knight, Ich, a.a.O., Anm. 41, 162

[60Ebenda, 82 f.

[61Beckermann, Unzugehörig, 66 f.

[62Vgl. jedoch: M. Wolffsohn, Die Wiedergutmachung und der Westen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 16-17/87(1987), 19-29

[63K. R. Stadler, Adolf Schärf, Wien 1982; F. Stadler, Vertriebene Vernunft II, Wien 1988

[64M. Welan, Das österreichische Staatsoberhaupt, 2. Aufl., Wien 1986; F. Weissensteiner (Hg.), Die österreichischen Bundespräsidenten, Wien 1982

[65G. Ofner, Die Rolle der SPÖ in der „Waldheim-Kampagne“, in: A. Kohl u.a. (Hg.), Die Kampagne, München 1987, 119-176

[66B. Galanda, Der Fall Reder, Wien 1985

[67Ich folge hier vor allem: H. Born, Für die Richtigkeit Kurt Waldheim, München 1987; R. E. Herzstein, Waldheim, London 1988; Waldheims Kriegsjahre. Eine Dokumentation, Wien 1987; Pflichterfüllung. Ein Bericht über Kurt Waldheim, Wien (o.J., 1986), Problematisch dagegen: B. Cohen u. L. Rosenzweig, Le mystère Waldheim, Paris 1986; D. Vasovic, Waldheim-saken, Oslo 1987

[68K. Waldheim, Die Reichsidee bei Konstantin Frantz, (ungedruckte) phil. Diss., Wien 1944

[69Erklärung Prof. G. Stourzhs, in: Waldheims Kriegsjahre, a.a.O., 142-152

[70Herzstein, Waldheim, 261.

[71Vgl. R. Hilberg, The Destruction of the European Jews, New York 1979, 432 ff.

[72Waldheims Kriegsjahre, a.a.O., 9 ff.

[73G. Botz, Schwarz auf Weiß. Stellungnahme zum geschichtswissenschaftlichen Wert des „Waldheim-Weißbuches“, Salzburg 1987 (LBIHS-Arbeitspapiere 5), 8.

[74Vgl. Bericht der internationalen Historikerkommision (unvollständiges, ungedrucktes Manuskript), Wien 1988, 197 ff. (Profil, 19. Jg, Nr. 7, Dokumente, S. 42)

[75Die 1947 in der sogenannten „Odluka“ und in der UN-Kriegsverbrecherkommision vorgebrachten Anschuldigungen gegen Waldheim waren unhaltbar und standen eindeutig im Zusammenhang mit einem Versuch Jugoslawiens, Österreich im Konflikt um die slowenische Minderheit und die Südgrenze in Kärnten unter Druck zu setzen.

[76Bericht ..., a.a.O., 202 (bzw. 43)

[77Vgl. G. Rosenthal, „... wenn alles in Scherben fällt ..., Opladen 1987

[78Vgl. IMAS. Umfrageberichte des Instituts für Markt und Sozialanalysen: a Gespächsthemen auf der Waage: Waldheim, Wetter und Skandale, Nr. 4, Linz, Februar 1988

[79Vgl. J. Höchtl, Politische Moral in Österreich, in: ders. u. F. Windhager (Hg.), Politische Moral, Wien 1981, 42 ff.

[80M. Scharang, Fragen, in: Politicum, 8. Jg., Sondernummer 38a (1988), 10 f.

[81F. Molden, Die Österreicher oder die Macht der Geschichte, München 1986, 320 ff.

[82Siehe etwa: Englands verdrängte Vergangenheit, Informations- und Pressedienst der Österreichischen Widerstandsbewegung, Wien 1987; H. Drimmel, Vom Kanzlermord zum Anschluß, Wien 1987.

[83A. Kohl, Die Kampagne gegen Waldheim, in: ders., Kampagne, a.a.O., 189, 179 u. 190

[84Vgl. zur Lage auf dem Schulbuchsektor: P. Malina u. G. Spann, Der Nationalsozialismus im österreichischen Geschichtslehrbuch, in: Talos u.a., NS-Herrschaft, 577-600

[85M. Dor (Hg.), Die Leiche im Keller, Wien 1988

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