FORVM, No. 103/104
Juli
1962

Pyrrhus als Sozialpolitiker

Die Grundsatzdebatte über den Staatshaushalt, die vom weithin angesehenen oberösterreichischen Industriellen Gustav Kapsreiter in unserem vorigen Jahrgang vom Zaun gebrochen wurde („Der Mythos vom Budget“, FORVM VIII/89), hatte junge sozialistische Nationalökonomen auf den Plan gerufen, denen mit Bezug auf Sozialismus wie Nationalökonomie der erfrischende Ruch des Nonkonformismus anhaftet. Dr. Erwin Weissel antwortete mit einem Beitrag „Der Mythos vom Defizit“ (FORVM VIII/93), Dr. Heinz Kienzl erweiterte den Themenkreis durch Einbeziehung des von Lohn und Preis bestimmten volkswirtschaftlichen Gesamtbudgets („Wirtschaft bricht Verfassung“, FORVM IX/98). Noch ehe die Diskussion wiederum auf den andern Sozialpartner überspringt, hat sich nun Dr. Weissel wiederum zum Wort gemeldet mit einem Beitrag, der die am 1. Juli in Kraft getretene Steuerreform kritisiert.

Jede sozialpolitische Maßnahme des Staates ist das Resultat eines Kampfes zwischen den verschiedenen sozialen Schichten der Gesellschaft. Das Ausmaß, in dem einer bestimmten Schicht ein Vorteil zugeschanzt wird, ist ein Indikator für den Einfluß dieser Schicht in Staat und Gesellschaft. Darüber hinaus ist jede sozialpolitische Maßnahme geprägt von der herrschenden Wirtschaftsauffassung. Es sind häufig mehrere Wege denkbar, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen; die herrschende Auffassung über Wirtschaft und Staat bestimmt, welcher davon eingeschlagen wird.

In der Sozialpolitik lassen sich ganz allgemein zwei Gruppen von Maßnahmen unterscheiden. In die eine Gruppe gehören alle jene Akte der Gesetzgebung und Vollziehung, die den Staat über den bloßen Verwaltungsaufwand hinaus nichts kosten. Typische Beispiele sind das Verbot der Kinderarbeit, die Mutterschutzgesetzgebung oder die gesetzliche Regelung der Arbeitszeit. Diese Gruppe von Maßnahmen interessiert uns hier nicht weiter; wir erwähnen nur der Ordnung halber, daß hiebei mittelbare Kosten auftreten können: bei einer längeren Arbeitszeit etwa würden durch das Mehr an Produktion zusätzliche Einkommen entstehen, die wieder höhere Steuereingänge bringen würden, d.h. die gesetzliche Beschränkung der Arbeitszeit kostet den Staat mögliche Steuereinnahmen.

Wer lebt auf wessen Kosten?

Für die vorliegende Betrachtung ist die zweite Gruppe wichtig: jene Maßnahmen, die letztlich die Zuwendung eines Einkommens- oder Vermögensvorteils an bestimmte soziale Schichten bedeuten. Da die finanziellen Mittel, die dafür benötigt werden, nur aufzubringen sind, indem sie der Staat andern sozialen Schichten wegnimmt, können wir auch sagen, daß diese Maßnahmen eine Einkommens- oder Vermögensumverteilung bewirken. Damit haben wir auch das wesentliche Unterscheidungsmerkmal gewonnen: in die erste Gruppe gehören alle Maßnahmen ohne Umverteilungseffekt, in die zweite Gruppe alle Maßnahmen mit Umverteilungseffekt.

Wir müssen nun klarstellen, was diese Umverteilung eigentlich bedeutet. Wenn wir zunächst eine Wirtschaft annehmen, in der jedes Einkommen allein vom Marktmechanismus, also ohne jegliche ökonomische Aktivität des Staates, bestimmt wird, dann bezeichnen wir das Ergebnis der durch den Marktmechanismus dirigierten Aufteilung des gesamten Volkseinkommens auf die verschiedenen Klassen, Schichten und Einzelpersonen als primäre Einkommensverteilung. Durch die staatliche Aktivität wird nun einerseits Einkommen entzogen und andererseits Einkommen erhöht oder neu geschaffen. Das Resultat, die sekundäre Einkommensverteilung, wird sich im Regelfall nicht mit der primären decken; die Abweichungen sind der sichtbare Ausdruck der Umverteilung, die der Staat vorgenommen hat.

Zwei Punkte müssen in diesem Zusammenhang noch kurz erörtert werden. Erstens ist leicht einzusehen, daß jede staatliche Maßnahme einen Umverteilungseffekt im weitesten Sinne hat; die Besoldung der Staatsbeamten etwa erfolgt aus Mitteln, die anderen Personen im Wege der Besteuerung entzogen wurden. Eine derart weite Fassung des Begriffs der Umverteilung ist absurd. Sie ist die natürliche Folge der ebenso absurden Vorstellung, es gebe so etwas wie eine „reine“, vom lästigen Staat völlig ungestörte Wirtschaft, eine Wirtschaft ohne Staat. Denn in diesem Fall wäre nur das primär als „Einkommen“ zu werten, was in der Wirtschaft verdient (und erzeugt) wird, und die Staatsbeamten lebten dann auf Kosten der Wirtschaftstätigen. [1] Wir müssen daher bei der Betrachtung der primären Einkommensverteilung auch alle jene Personen einbeziehen, die für ihre Tätigkeit vom Staat entlohnt werden. Eine Umverteilung kann dann nur mittels der sogenannten „Transferzahlungen“ erfolgen, d.h. Leistungen des Staates an Private, denen keine Gegenleistung der Privaten an den Staat gegenübersteht.

Zweitens ist von vornherein klar, daß die Umverteilung in jeder Richtung erfolgen kann. Eine Einkommensumverteilung von den Reichen zu den Armen ist ebensogut möglich wie eine Umverteilung von den Armen zu den Reichen. Der Begriff der Umverteilung ist in dieser Hinsicht neutral, er besagt nichts über die Richtung, die der Umverteilungsprozeß nimmt. Wenn daher von einer Umverteilung gesprochen wird, sollte immer klargestellt werden, in welcher Richtung sie sich abspielt oder abspielen soll.

Eine Umverteilung kann grundsätzlich auf zwei Arten erzielt werden:

  1. Der Staat verringert die Steuerlast für jene Schichten, die er zu begünstigen wünscht;
  2. der Staat erhöht die Transferzahlungen an diese Schichten.

Anders ausgedrückt: es können die Einnahmen verringert oder die Ausgaben erhöht werden. Selbstverständlich ist auch die Kombination beider Verfahren denkbar: der Staat kann sowohl die Steuerlast verringern wie die Transferzahlungen erhöhen.

Welches dieser beiden dem Staat grundsätzlich zur Verfügung stehenden Verfahren vorwiegend angewandt wird, hängt von der herrschenden Auffassung von Wirtschaft und Staat ab. Man kann hier — in Anlehnung an den ebenso geistreichen wie gelungenen Versuch Müller-Armacks, verschiedene „Wirtschaftsstile“ definitorisch festzulegen und ihre historische Aufeinanderfolge zu analysieren — von einem „Sozialstil“ sprechen. Im Laufe der Geschichte hat es verschiedene Sozialstile gegeben, wobei der Staat erst verhältnismäßig spät als sozialpolitisch bedeutender Faktor in Erscheinung tritt. Die Träger der Sozialpolitik dürften in der frühesten Zeit wohl die Familienverbände und später Verbände mit freiwilliger oder erzwungener (jedoch nicht auf Blutsverwandtschaft beruhender) Mitgliedschaft gewesen sein. Man dürfte auch in der Annahme nicht fehlgehen, daß ein bestimmter Sozialstil jeweils mit einer bestimmten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung auftaucht und mit ihr verschwindet.

„Unsozialpolitik“

Von Anfang an zeigt dabei der Liberalismus den für ihn charakteristischen Sozialstil: das Schwergewicht liegt auf der Verringerung der Steuerlast für jene Schichten, die begünstigt werden sollen. Damit setzt der Staat eigentlich nur eine Tradition fort, die sich schon vorher eingebürgert hatte — die Steuerprivilegien der verschiedenen Stände hatten längst zu einer starken Differenzierung der steuerlichen Belastung geführt. Aber nunmehr wird die Differenzierung bewußt als Mittel der Sozialpolitik eingesetzt, während sie vorher mit Sozialpolitik nichts zu tun hatte — im Gegenteil, man könnte fast von einer „Unsozialpolitik“ sprechen, die durch Begünstigung der Reichen den Akkumulationsprozeß, der die Voraussetzung des Kapitalismus war, beschleunigte. [2]

Der Stil der passiven Sozialpolitik — wie ich die Bevorzugung der steuerlichen Erleichterungen nennen möchte — ist die logische Folge der passiven Rolle, die vom Liberalismus dem Staat in der Wirtschaft zugedacht wird. Wenn der Staat nur Recht- und Machtzwecke hat, wenn er lediglich die Aufgabe hat, das störungsfreie Abschnurren eines selbsttätigen Marktmechanismus zu garantieren, dann ist in diesem Konzept schon ex definitione kein Platz für Transferzahlungen und die staatliche Sozialpolitik muß sich zwangsläufig darauf beschränken, steuerliche Erleichterungen zu gewähren.

Diese Art von Sozialpolitik fügt sich nicht bloß widerspruchsfrei in das liberalistische Gesamtkonzept ein, sondern sie hat zusätzliche materielle Vorteile für die Schichten bereit, die in jener Epoche tonangebend waren. Steuersenkungen sind zwangsläufig eng verknüpft mit dem gegebenen Steuersystem. Im Laufe der Entwicklung des Kapitalismus wird das Steuersystem immer stärker progressiv gestaltet, d. h. die steuerliche Belastung nimmt mit wachsendem Einkommen nicht nur absolut, sondern auch relativ zu. Die Progression begünstigt daher die unteren Einkommensbereiche, da ihre Steuerlast relativ geringer ist als jene der höheren Einkommensbereiche (da die Transferzahlungen in dieser historischen Phase keine Rolle spielen, können wir die Betrachtung auf die Einnahmenseite des Staatshaushaltes beschränken). Bei Steuersenkungen hat dieselbe Progression jedoch die Tendenz, die höheren Einkommensbereiche zu begünstigen, weil auch die steuerliche Entlastung progressiv vorgenommen wird. Diese Tendenz resultiert aus der Übung, bei Steuersenkungen solche Steuern zu bevorzugen, die progressiv gestaltet sind. Daß dadurch die (meist proportionalen) indirekten Steuern an Gewicht gewinnen, trifft wiederum die unteren Einkommensbereiche härter. Eine generelle Senkung der Umsatzsteuer beispielsweise würde den unteren Einkommensbereichen wesentlich mehr nützen als eine Senkung der Einkommensteuer. Aber solange liberale Auffassungen vorherrschen, wird man eine Senkung der Umsatzsteuer als sozialpolitische Maßnahme sowenig erleben wie etwa eine lineare Senkung der Einkommensteuer, die denselben Effekt hätte.

Der Wohlfahrtsstaat — wir müssen diesen scheußlichen Ausdruck wohl oder übel verwenden, da er sich nun einmal eingebürgert hat — erfordert eine Sozialpolitik mit dem Schwergewicht auf den Transferzahlungen, also eine, wie ich es nennen möchte, aktive Sozialpolitik. Die Ursache ist nicht etwa darin zu suchen, daß sich der Sozialstil des Wohlfahrtsstaates „irgendwie“ von jenem des Liberalismus unterscheiden muß und dieses „irgendwie“ eben nur im Übergang von der passiven zur aktiven Sozialpolitik gefunden werden kann. Es ist vielmehr eine radikale Wandlung in der Aufgabenstellung des Staates, die zu dem neuen Sozialstil führt.

Es wurde oben bereits dargelegt, daß das Wesen jener sozialpolitischen Maßnahmen, die wir hier betrachten, in ihrem Umverteilungseffekt liegt; die sekundäre Einkommensverteilung entspricht nicht der primären. Nun ist eine Tatsache von vornherein klar: mittels Steuersenkungen kann das Einkommen einer Person nicht über jene Summe hinaus gesteigert werden, die in der primären Einkommensverteilung durch den Marktmechanismus zugeteilt wurde. Dieses primäre Einkommen ist ausschließlich durch ökonomische Faktoren bestimmt, soziale Momente spielen dabei keine Rolle. Über diese Schranke hinaus in den Bereich echter Sozialpolitik vorzustoßen, ist nur mit Hilfe von Transferzahlungen möglich. Jede Sozialpolitik, die ihren Namen verdient, ist zwangsläufig eine Korrektur der Ergebnisse des auf soziale Impulse nicht reagierenden Marktmechanismus. Diese neue Aufgabenstellung bringt den neuen Sozialstil mit sich. Man kann in Abwandlung des Bibelspruchs sagen, daß in der modernen Sozialpolitik geben besser als nicht nehmen ist.

Unsere Überlegungen führen zu dem Ergebnis, daß eine Steuersenkung dem sozialen Denken der heutigen Zeit nicht gerecht wird. Man muß sich ernsthaft fragen, ob der Österreichische Gewerkschaftsbund wohl beraten war, als er in dieser Frage die Initiative ergriff, und ob die Sozialistische Partei, die der Forderung des ÖGB politischen Nachdruck verlieh, nicht ihr soziales Steckenpferd vom Schwanz aufgezäumt hat.

Schon die Begründung der Forderung nach einer Steuersenkung mutet sonderbar an. Es ist richtig, daß Lohnerhöhungen immer in Prozenten des Bruttoverdienstes berechnet werden und daß die Nettoverdienste wegen der progressiven Einkommensbesteuerung weniger steigen als die Bruttoverdienste. Es ist auch richtig, daß eine fünfprozentige Lohnerhöhung, die zur Abgeltung einer, sagen wir, fünfprozentigen Preissteigerung gewährt wird, dem Arbeitnehmer netto weniger als fünf Prozent einbringt. Aber die Schuld an dieser bedauerlichen Tatsache ist nicht beim Staat, sondern bei der Gewerkschaft zu suchen, nicht bei der zu hohen Besteuerung, sondern bei der zu geringen Lohnforderung. Man wird das Gefühl nicht los, daß die Gewerkschaft hier den Weg des geringsten Widerstandes geht und sich vom Staat auf weit bequemere Art und Weise das holt, was eigentlich den Unternehmern abzuringen gewesen wäre.

Wieso ist der Weg über den Staat bequemer? Nun, die politische Situation in Österreich bringt es mit sich, daß die beiden großen Parteien einander Konzessionen machen. Eine Senkung der Lohnsteuer ist leicht durchzusetzen, wenn man der Gegenseite eine Senkung der Einkommensteuer zugesteht. Das Resultat läßt sich mit einigen einfachen Überlegungen aufzeigen. Wenn nämlich die Nominallöhne langsamer steigen als die Preise, sinkt der Anteil der Arbeitnehmer am Sozialprodukt, die Anteile der Unternehmer und des Staates wachsen. Erreichen nun Arbeitnehmer und Unternehmer eine Steuersenkung, dann kann zwar der Anteil der Arbeitnehmer wieder sein altes Ausmaß erreichen, aber der Anteil der Unternehmer steigt weiter. Als Ergebnis des ganzen Prozesses haben dann die Arbeitnehmer ihren Anteil am Sozialprodukt gehalten, während die Unternehmer ihren Anteil auf Kosten des Staates steigern konnten. Was daran sozial oder gerecht sein soll, ist nicht leicht zu erkennen.

Mittelstand ohne Bauch

Auch das Argument vom „Mittelstandsbauch“ ist dürftig. Es läßt sich zeigen, daß heute Einkommen im Bereich von etwa 20.000 bis 200.000 Schilling stärker besteuert sind als die ihnen kaufkraftmäßig entsprechenden Einkommen im Jahre 1946. Daraus wird gefolgert, daß aus Gründen der Gerechtigkeit die Steuer in diesem Bereich gesenkt werden müsse, da sie in den anderen Einkommensbereichen — unter 20.000 und über 200.000 Schilling — geringer ist als 1946. Kein einziger der Mittelstandsbauchredner hat sich jedoch auf die Frage eingelassen, ob denn die niedrigere Besteuerung des Mittelstands im Jahre 1946 richtig war (diese Annahme steckt implizit in der Argumentation). Mit demselben Recht könnte man behaupten, der Mittelstand sei im Jahre 1946 zu gering besteuert gewesen und eine höhere Besteuerung sei durchaus gerechtfertigt. Eine geringere Steuer mag wünschenswert sein für jene, die sie zu zahlen haben aber deshalb ist sie noch lange nicht die richtige Steuer!

Genauso traurig wie um die Rechtfertigung ist es um die Steuersenkung selbst bestellt. Der ÖGB hatte — als ungefähres Gegenstück zu den (mit der Geldentwertung Schritt haltenden) Absetzungsmöglichkeiten der selbständig Erwerbstätigen — für die Arbeitnehmer ein „Gleichstellungspauschale“ verlangt. Tatsächlich wurde den Arbeitnehmern ein (vom steuerpflichtigen Einkommen absetzbares) Pauschale von 104 Schilling pro Monat zugestanden, allerdings ohne nähere Bezeichnung. Gleichzeitig erhielten die Selbständigen ein Pauschale von 1.200 Schilling jährlich, womit ihnen also praktisch dasselbe gegeben wird wie den Arbeitnehmern. Ferner wurde der Steuertarif gesenkt, was die unselbständig und selbständig Erwerbstätigen im gleichen Ausmaß begünstigt. Auf dem Gebiet der Einkommensbesteuerung haben die Arbeitnehmer demnach um keinen Groschen aufholen können.

Und wie steht es mit der Steuersenkung selbst? Die Verringerung der Steuerlast ist gleichzeitig eine Erhöhung des Nettoeinkommens. Diese Erhöhung können wir in Prozenten des bisherigen Einkommens ausdrücken und erhalten dann die in der folgenden Tabelle angegebenen Zahlen.

Steuerpflichtiges derzeitiges JahreseinkommenErhöhung des Nettoeinkommens (Steuergruppe II)
11.000 1,08
12.000 1,80
18.000 2,00
30.000 1,69
50.000 1,30
70.000 1,06
90.000 1,51
110.000 2,17
120.000 2,46
130.000 2,34
140.000 1,89
150.000 1,61

Wie man sieht, hat der obere Einkommensbereich nicht nur absolut, sondern sogar perzentuell besser abgeschnitten als der untere Einkommensbereich. Die beiden Maxima liegen bei etwa 18.000 und 120.000 Schilling, wobei das obere Maximum einen deutlich höheren Wert aufweist. Mit anderen — weiter oben schon gebrauchten — Worten: die Progression wirkt sich zu Ungunsten der unteren Einkommensbereiche aus. Die Praxis bestätigt die Theorie im vollen Umfang.

Es soll nicht verschwiegen werden, daß die nunmehrige Steuersenkung den unteren Einkommensbereichen vermutlich mehr gebracht hat als alle Steuersenkungen der Kamitz-Ära insgesamt. Und es soll gleichfalls nicht verschwiegen werden, daß daneben auch aktive Leistungen erbracht werden (Erhöhung der Mütterbeihilfe). Aber die passive Sozialpolitik beherrscht das Feld und wirkt sich in entscheidendem Umfang auf die Höhe der Begünstigung aus. Jeder Groschen, den der kleine Mann sich erspart, wird in mehrfacher Höhe vom großen Mann kassiert. Und jeder Groschen, den sich der Arbeitnehmer erspart, wird auch vom Arbeitgeber erspart. Die Gewerkschaft hat für die Arbeitnehmer einen grandiosen Pyrrhussieg errungen.

[1Der ganze Streit über produktive und unproduktive Arbeit, der seit den Physiokraten die Nationalökonomen beschäftigt hat, geht zum Teil auf diese Vorstellung einer „reinen“ oder „puren“ Wirtschaft zurück. Es ist verwunderlich, daß auch Karl Marx, der doch Wirtschaft und Gesellschaft als eine Einheit sah, in dieser Frage kaum etwas zu sagen hat, was nicht schon Adam Smith gesagt hätte.

[2Darauf hat u.a. P. Sweezy, „Theorie der kapitalistischen Entwicklung“, Köln 1959, hingewiesen. Die steuerliche Begünstigung der Reichen hält noch bis weit in die Epoche des Liberalismus hinein an.

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