FORVM, No. 103/104
Juli
1962

Shakespeares Königsdramen

Zur Einstudierung des Zyklus am Burgtheater

Die einzelnen Tragödien aus dem Zyklus der Shakespeare’schen Königsdramen sind ein vergleichsweise wenig betretenes Gebiet. Die beiden Richard-Dramen und „Heinrich IV.“ gehören zwar zum festen Repertoire der Bühnen. In Wien allerdings zählen auch diese Stücke, die auf englischen und deutschen Bühnen immer wieder erscheinen, zu den selten gespielten Werken. „Heinrich V.“ und „Heinrich VI.“ aber sind heute beinahe verschollene Stiefkinder des deutsch-sprachigen Shakespeare-Repertoires. Ein geschlossener Zyklus der Königsdramen gar, wie er in Stratford immer wieder erscheint, ist einer der großen Einzelfälle im deutschen Repertoire. Das Burgtheater spielte unter Dingelstedt und Laube einige Königsdramen in zyklischem Zusammenhang; die namhafteste Aufführung eines Königsdramen-Zyklus gab es in den Zwanzigerjahren an den vereinigten Bühnen der Städte Duisburg und Bochum unter der Leitung des höchstverdienten, literarisch wie szenisch bedeutenden Regisseurs Saladin Schmid. Ich erinnere mich, daß damals zu diesem wichtigen künstlerischen Ereignis wahre Pilgerfahrten theaterinteressierter Menschen unternommen wurden. Das Zürcher Schauspielhaus hat während des Krieges einen Zyklus aufgeführt, der sich auf mehrere Jahre erstreckte, doch leider nie zu einer zusammenhängenden Darstellung der einstudierten Stücke führte.

Das Burgtheater hat im Rahmen des gegenwärtigen Zyklus bisher die beiden Teile von „Heinrich IV.“, für einen Abend bearbeitet, „Heinrich V.“ und „Richard III.“ herausgebracht. Für die kommende Spielzeit ist eine Zusammenziehung der Trilogie um Heinrich VI. auf einen oder zwei Abende geplant. Im Shakespeare-Jahr 1964, wenn die Welt des Dichters 400. Geburtstag feiern wird, soll „Richard II.“ den Zyklus komplettieren, und für das gleiche Jahr ist eine zusammenhängende Darstellung aller acht Dramen, auf fünf oder sechs Abende konzentriert, geplant.

Der Schönheitsfehler dieses Planes fällt in die Augen; es ist die mangelnde Chronologie, hauptsächlich durch dispositionelle Schwierigkeiten des Theaters begründet, wie sie heute überall an der Tagesordnung sind. Der Theaterhistoriker wird kritische Stimmen, die sich daraufhin erheben dürften, beruhigen können. Die Dispositionen waren zu Shakespeares Zeiten nicht besser. Im Epilog von „Heinrich IV.“ verspricht Shakespeare bekanntlich für die Fortsetzung, die Geschichte von Heinrich V., eine neue Rolle für Falstaff. Shakespeare oder Richard Burbage oder wer immer damals Direktor des Globe Theatre war, hatte ähnliches Pech wie heute Häussermann. Der damalige Hermann Schomberg nämlich, William Kempe, ging im nächsten Jahr zur Konkurrenz, und Shakespeare dürfte sich gesagt haben: ehe ich diese herrliche Rolle von einem andern Schauspieler spielen lasse, bringe ich Falstaff lieber um. In „Heinrich V.“ wird demnach nur mehr Falstaffs Tod erzählt. Seltsame Schicksalsverbindung von Literatur und Theater: der tragische Akzent, den das Ende des dicken Ritters trägt, ist einem theatralischen Unfall, vielleicht der Laune eines Schauspielers zu verdanken.

Auch in einem zweiten Fall kann sich das Burgtheater mit seiner nicht eben glückhaften Disposition des Zyklus auf Shakespeare berufen: auch Shakespeare hat seinen Königsdramen-Zyklus nicht in Übereinstimmung mit der Chronologie der historischen Geschehnisse verfaßt.

Im übrigen steht der Begriff „Königsdramen“ nirgends genau fest. Manche Shakespeare-Forscher, vor allem die englischen, beginnen ihn mit „König Johann“ und beenden ihn mit „Heinrich VIII.“. E. M. W. Tillyard, der Shakespeare-Kritiker von Cambridge, läßt „Heinrich VIII.“ in seinem Standardwerk „Shakespeare’s History Plays“ beiseite und behandelt überraschenderweise „Macbeth“ unter den Königsdramen, nicht aber „König Lear“, den wieder andere zu dieser Reihe zählen. Die Theater jedoch verstehen unter den Königsdramen die beiden großen Tetralogien, die sich — historisch-chronologisch gesprochen — von „Richard II.“ über die beiden Teile von „Heinrich IV.“, „Heinrich V.“ und die drei Teile von „Heinrich VI.“ bis zu „Richard III.“ erstrecken.

Die acht Dramen fassen in riesigem Bogen eine einzige, gewaltige Tragödie zusammen, deren Ausgangspunkt die Absetzung und Ermordung Richards II., deren Ende die Einsetzung Heinrichs VII. ist, des Richmond aus „Richard III.“. Heinrich VII. aber ist der Großvater von Shakespeares Königin Elisabeth. Die politische Bedeutung der historischen Dramenreihe liegt auf der Hand. Dem elisabethanischen Publikum sollte die Untrennbarkeit von Recht und Rechtmäßigkeit, von Wohlfahrt des Landes und Treue zur Krone dargelegt werden. Der Mahnruf, der an die Nation erging, richtete sich gleichermaßen an Hohe und Niedrige.

Daß es trotz der Berufung auf historische Tatsachen und Quellen keine ganz gefahrlose Sache gewesen sein muß, in diesen Dramen nicht nur das hohe Lied der Dynastie zu singen, sondern auch Kritik an ihren tragischen Verirrungen zu üben, beweist allein die Tatsache, daß die Absetzungsszene aus „Richard II.“ zu Lebzeiten der Elisabeth nicht gedruckt werden durfte. Welche Rolle das politische Theater aber im politischen Leben der Zeit gehabt haben muß, geht aus einem anderen verbürgten Faktum hervor: Am Vorabend der Essex-Verschwörung, die den Sturz der Elisabeth beabsichtigte und blutig unterdrückt wurde, gab man in London „Richard II.“, das Stück der Entthronung, der Entmachtung eines Regenten — und zwar an Shakespeares Theater, dessen Gönner einer der Parteigänger des Grafen Essex war.

Die Königsdramen umfassen einen Zeitraum von etwa neunzig Jahren, vom Ende des vierzehnten bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts; ihr Abschluß fällt ungefähr mit dem Datum zusammen, das wir gemeinhin als das Ende des Mittelalters bezeichnen.

Shakespeares Quellen sind in der Hauptsache zwei Chroniken, die von Raphael Holinshed und Edward Hall. Neuerdings wird dem „Mirror for Magistrates“ — einer zeitgenössischen Sammlung von tragisch-historischen Monologen, von den abgeschiedenen Geistern großer politischer Figuren gehalten und im Geiste des Seneca verfaßt — großer Einfluß auf Shakespeare zugeschrieben. In diesem englischen „Fürstenspiegel“ ist einer der Leitgedanken der Königsdramen vorweggenommen, „the insecurity of the world“, die Hinfälligkeit der weltlichen Macht, die der Kerkermeister in „Richard II.“ in den Satz zusammenfaßt: „Nur Schatten sind der Prinzen Herrlichkeiten.“ Nebst anderen dramatisierten Chroniken und Marlowes „Eduard II.“ sind es vornehmlich die mittelalterlichen Spiele, die formal und gedanklich in den Königsdramen nachwirken. Der große englische Shakespeare-Forscher John Dover Wilson erbringt den Nachweis, daß „Richard II.“ deutlich nach dem Schema des Mysterienspiels, „Heinrich V.“ nach dem der Moralität gestaltet ist. Hier sind Anhaltspunkte, die auch für eine moderne Darstellung der Königsdramen von Gewicht sein können.

Soviel heute bekannt ist, hat mit dem ersten Teil von „Heinrich VI.“ Shakespeares dramatisches Schaffen begonnen. Keine Einigkeit besteht darüber, ob dieser erste Teil nur die Überarbeitung eines bereits vorhandenen Dramas ist oder ein autochthones Werk des jungen Dramatikers, das er im Stil der modischen „chronicle plays“ verfaßt hat. Dieser erste Teil der Trilogie über den sechsten Heinrich weist noch wenig Züge des kommenden genialen Gestalters auf. Im zweiten und dritten Teil erwächst der Dramatiker schon zu gigantischer Statur. Gestalten wie die großen Männerfiguren des alten Richard York, des Humphrey Gloster, der beiden Talbot und des schwarzen Clifford, Beziehungen wie die zwischen der jungen Königin Margaretha und ihrem Liebhaber Suffolk, der sie wie zufällig auf dem Schlachtfeld findet, seinem jungen König als Braut zuführt und damit für kurze Zeit zu verhängnisvollem Einfluß auf die Geschicke des Landes kommt, zeigen bereits die zu großer Kraft erwachsene Genialität der Gestaltung.

Diese Figuren sind im übrigen von einer beängstigenden Wildheit und einem Ungestüm, wie sie vielleicht kein junges Kraftgenie der ganzen dramatischen Literatur mehr aufgebracht hat. Nur die Titelfigur selbst, der unheldische, rührende und hilflose Nicht-König, ist noch etwas schattenhaft geraten. Ihm fehlt die Entwicklung in Höhe und Tiefe, die später die ihm nicht ganz unverwandte Figur von Richard II. zu einer der herrlichsten Gestaltungen in Shakespeares Werk machen sollte. Und doch gibt es auch um Heinrich VI. herum Szenen von wundervoller Schönheit, Zartheit und Tragik. Eine der ergreifendsten des ganzen Zyklus ist das der Mysterientradition erwachsene Bild des frommen Königs, der während der Schlacht untätig und gramvoll auf einem Maulwurfshügel sitzt und sich zum Hirten einer frommen Herde wünscht, während zu seiner Linken ein Vater den Sohn beklagt, den er in der Schlacht getötet hat, und zu seiner Rechten ein Sohn den Vater, dem von seiner Hand das gleiche widerfahren ist. Diesem Bild, das schon durch die Triptychonform den kultischen Charakter erweist, entspricht in dem folgenden Werk des Zyklus, in „Richard III.“, die Klage der drei Frauen, die auf Englands Boden sitzen und ihr Schicksal beweinen.

Der überdimensionalen Breite des Stoffes von Heinrich VI. entspricht die Anlage des dreiteiligen Dramas. Doch ist mit seiner Darstellung nicht nur ein riesiges historisches Pensum von Auf und Ab der Bewegungen, Siege und Niederlagen, des Wechsels in der Führung des führerlosen England bewältigt; dieser gewaltige Aufwand war notwendig, um von dem strahlenden Höhepunkt des (damals noch lange nicht geschriebenen) „Heinrich V.“ in die fürchterliche Niederung zu führen, in welcher der Drache Richard sein Haupt erheben konnte.

Denn es ist keine Frage: Shakespeare muß — als er mit der Bearbeitung von „Heinrich VI.“ beschäftigt war — den Plan der beiden Tetralogien zumindest in großen Zügen schon im Auge gehabt haben. Gewiß ist nicht anzunehmen, daß er schon 1589/92 (auf welche Jahre man die Entstehung der drei Dramen um „Heinrich VI.“ festlegt) gewußt hat, welche Bedeutung fünf oder sechs Jahre später etwa die Falstaff-Figur im Zusammenhang mit „Heinrich IV.“ bekommen würde. (Daß dieser Teil sozusagen der Leckerbissen des ganzen großen Werkes werden würde, war wohl angesichts der Popularität von Falstaffs Vorbild, dem Lord Oldcastle, vorauszusehen. Welch dämonische Bedeutung Falstaff für die Darstellung des sittlichen Verfalls des Landes erlangen würde, das allerdings stand damals gewiß noch nicht fest.)

Der große Plan freilich muß schon vorgezeichnet gewesen sein, denn er führt auf einer unendlich komplizierten, doch immer wahrnehmbaren Linie unbeirrbar von der Absetzung der Rechtmäßigkeit — in der Person Richards II. — zur Absetzung jeden Rechts durch die Person Richards III.

Heinrich IV., Heinrich V. und Eduard IV. mußten sterben, Heinrich VI. und nach ihm vier Kronprätendenten ermordet werden, um dem nächsten Richard den Platz zu Englands Thron frei zu machen, Land und Volk mußten durch unsägliche Plagen reif gemacht werden für den „trefflich großen Wüterich der Erde, in wunden Augen armer Seelen herrschend“. Shakespeare schrieb nach dem Abschluß des „Heinrich VI.“ zunächst die große Tragödie zu Ende, in der England unter der Herrschaft Richards III. an seinem tiefsten Punkt anlangt. Dann holte er von neuem aus und begann mit „Richard II.“ die zweite Tetralogie, die er nach den beiden Teilen von „Heinrich IV.“ mit dem nationalen Glanz- und Prunkstück „Heinrich V.“ beendete.

In den Abschnitt von etwa zehn Jahren, in denen die beiden Tetralogien verfaßt wurden, fällt überdies die Entstehung von „Titus Andronicus“, „Romeo und Julia“, „Julius Caesar“, „Komödie der Irrungen“, „Der Widerspenstigen Zähmung“ sowie zwei oder drei kleineren Komödien. Als Shakespeare „Heinrich V.“ beendete, war er ein reifer Meister; eine Distanz von höchstens zwei Jahren trennte ihn vom „Hamlet“. Dazwischen liegt „Macbeth“, die Tragödie der Versuchung; die erste große Lebenskrise — vermutlich durch politische Ereignisse mitbedingt — steht vor der Türe.

Überblicktt man den gewaltigen Bogen der beiden Tetralogien und den überquellenden Reichtum dieser weit über die Bedeutung des historischen Vorwurfs hinausragenden Kunstwerke, läßt man ihre großen und kleinen Gestalten nur in losem Reigen vorüberziehen, so wird man geblendet die Augen schließen vor der Großartigkeit, der Farbenpracht, dem Witz, dem Schwung und der Kraft dieser Schöpfungen. Welche Aufgabe für das Theater ist hier geschaffen worden! Aus welcher Fülle kann hier geschöpft werden! Wie sorgsam aber muß doch auch dieser Reichtum gesichtet und geordnet werden! Wo beginnen? In diesem Gewimmel von Gestalten aus allen Bereichen der Phantasie, zwischen diesen Königen und Bettlern, Geistern und Säufern, Dieben und Helden, Huren und Heiligen, Mördern und Clowns, in diesem Requisitarium des ganzen Welttheaters sich nur zurechtzufinden, sich zunächst nur genealogisch halbwegs zu orientieren, ist eine Arbeit, eines neuen Herkules würdig.

Ein einziger moderner Kommentar über ein einziges Stück von den achten umfaßt an die 400 Seiten, und berät man sich darin — wie viele Probleme bleiben ungelöst, ja überhaupt unangesprochen! Um das System darzulegen, nach welchem ich als Regisseur an mein Problem herangegangen bin, würde es genügen, den Aufbau einer einzigen, x-beliebigen Szene minutiös zu beschreiben. Wahrscheinlich könnte ein solches Vorgehen den Arbeitsprozeß besser erhellen als eine große Zusammenfassung. In Ermangelung dieser Möglichkeit wird sich die Darstellung zumindest der äußeren Mittel, die eingesetzt wurden, auf einige Andeutungen beschränken müssen.

Um der Fülle Raum zu geben, kam es darauf an, einen gegliederten Bühnenraum zu schaffen, der leicht zu verwandeln ist und die Schauplätze mit wenigen Andeutungen präzise festlegt. Es galt, der Atmosphäre des Ganzen sowohl wie jedes einzelnen Stückes aus der Dramenreihe gerecht zu werden und im übrigen auf das, was man gemeinhin Bühnenbild nennt, zu verzichten. Diesem Zweck dient in unseren Aufführungen ein System von hohen, eisenbeschlagenen Holzgestellen, die in beliebiger Anordnung den Bühnenraum lose abgrenzen. Ihre Bauart ist von den Holzbauten elisabethanischer Herkunft angeregt, doch nicht imitiert. Man findet ähnliche Holzrahmen und Gitter auf alten Darstellungen der London-Bridge.

Die Gestelle selbst bleiben durch alle Dramen des Zyklus unverändert, doch werden sie jeweils mit anderem Material und nach verschiedenen Farbwerten bestückt, behängt, besetzt. In „Heinrich IV.“ sind es olivgrün-graue Andeutungen von schweren Portieren, kaschiert und mit dunklen Metallteilen versetzt, die an heraldische Embleme und Waffen erinnern. In „Heinrich V.“ sind es für die Szenen, die in England spielen, einfache, dunkelbraune, von Ketten festgehaltene Holzeinsätze mit metallischen Symbolen. Die Holzeinsätze werden für die in Frankreich spielenden Szenen aufgeklappt, so daß sie altarflügelartige Triptychen vorstellen, die nun innen mit hellen Farben, Weiß, Blau, Pastellfarben, im Stil von Miniaturen bemalt sind. In „Richard III.“ sind in die Holzrahmen zwischen Stricken rohe Lederhäute gespannt, die in vielen Schattierungen die rote Farbe abwandeln und einen ungemein aggressiven Eindruck vermitteln.

Zu diesen Holzgestellen kommen einzelne realistische Elemente, die von Bild zu Bild den Charakter des Schauplatzes mit minimalen Andeutungen bezeichnen: schwere Holz- oder Metallgitter, Türrahmen, Möbel, Beleuchtungskörper usw. Ein großes Requisit bleibt unverändert durch die ganze Reihe der Dramen: der englische Thron. Ebenso feststehend sind zwei schwere Holzbalkone, die rechts und links am Bühnenportal, die Guckkastenbühne auflösend, angebracht sind.

Zeitweise wird die Bühne durch einen etwa vier Meter hohen Vorhang in Vorbühne und Hinterbühne geteilt. Als Vorbühne dient das überdeckte Orchester des Theaters, durch das wir einen bedeutenden Raum für Szenen gewinnen, die vor dem Zwischenvorhang spielen. Dieser ermöglicht überdies Verwandlungen, die — während vorne gespielt wird — auf der Hauptbühne abgewickelt werden können. Der Zwischenvorhang richtet sich in Farbe und Material nach der jeweiligen Bestückung der Holzgestelle. Einige Schriftembleme zeigen — vom Schnürboden hängend — den Namen des jeweiligen Schauplatzes an. Diese Schriftembleme sind die einzigen Elemente der Ausstattung, die kunstvoll und mit großer Sorgfalt ausgeführt sind, alles andere trägt den Charakter des ad hoc Improvisierten.

Das ist alles. Wer mit derlei Problemen vertraut ist, wird in dieser Anordnung mühelos eine moderne Abwandlung der alten Shakespeare-Bühne erkennen, bei welcher nur die Proportionen zugunsten der Hinterbühne verändert sind, die in unserem, der elisabethanischen Bühne räumlich weit überlegenen Theater zur Hauptbühne geworden ist.

Die wesentlichen Farbakzente werden von den Kostümen gesetzt. Auch hier wird jedoch mit Sparsamkeit operiert. Dasselbe gilt für personenreiche Szenen. Wer sich von den Aufführungen der Königsdramen große Prunkaufzüge, gewaltige Massenszenen erhofft, kommt nicht auf seine Rechnung. Wo der Pomp hingehört, wo der szenisch-dramatische Vorgang ein farbiges Aufrauschen erfordert, sind allerdings Lösungen angestrebt, wie sie mit den Mitteln eines hochdotierten Theaters verantwortet werden können. Doch sind diese Bühnenmomente tatsächlich an den Fingern abzuzählen: das Krönungsbild in „Heinrich IV.“, die Überquerung des Kanals in „Heinrich V.“ und das Tedeum nach der Schlacht bei Azincourt im gleichen Stück, der Auszug von Richards III. gewaltigem, schwarzem Heer sind solche vereinzelte optische Höhepunkte.

Daß Schlachtenszenen nicht mit kämpfenden Komparsenhaufen dargestellt werden, mag bedauern, wer sich an solchem Anblick ergötzen kann. Ich glaube, mit einem Minimum an Mannschaft auskommen zu können. Das blutige Geschehen wird jeweils durch wenige Licht-, Ton- und Farbakzente angedeutet, wobei das Symbol der gekreuzten und zerfetzten Fahnen motivische Abwandlung erfährt. Gekämpft oder gefochten wird nur von solchen Figuren, bei denen der gesprochene Text es erfordert; die Fechtszenen werden mit der Hilfe eines Fechtmeisters sorgfältig einstudiert.

nächster Teil: Shakespeares Königsdramen (II)
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