FORVM, No. 120
Dezember
1963

Traum von einer Sache

Notizen zu einer Marx’schen Briefstelle

Nach der ungarischen Revolution, im April 1957, beschäftigte sich die SED-Parteigruppe an der Leipziger Philosophischen Fakultät mit der Lehre Ernst Blochs. Sie kam zu folgendem Schluß: „Diese Philosophie ist nicht mit den Prinzipien der Lehre von Marx zu vereinbaren ... sie ist ein sozialistisch und marxistisch aufgemachter Existentialismus, und diese Lehre führt ständig gegen den echten dialaktischen Materialismus einen umstürzlerischen Kampf ... seine Philosophie der Hoffnung, das ‚Prinzip Hoffnung‘ des alle Gebenheiten sprengenden Geistes und Lebens ist von vornherein geeignet, als Grundlage oppositioneller Stimmungen und Bestrebungen gegen unsere Gesellschaft zu dienen.“ In der Tat. Und das ist das Große an dieser Philosophie. Und das ist der Grund unserer respektvollen Freude, Ernst Bloch zu unseren Mitarbeitern zählen zu dürfen („Zur Philosophie des Kriminalromans“, Heft IX/106; „Revolutionäre Verantwortung“, Heft X/115-116).

Was man sieht, nimmt man mehr oder minder treu auf. Aber deshalb nicht mehr oder minder getreu an, restlos. Zwischen uns und dem Draußen, das andrängt, schwankt der Weg erheblich. Fast nie ist eine Sache so, wie man sie sich vorher vorgestellt hat; nun, das behebt sich. Ist jedoch eine gute, eine schöne Sache, niemals so, wie man sie sich erträumt und erwartet hat, dann behebt sich das selten. Es bleibt ein Rest vom ersten Bild, der nicht unterkommt, aber auch nicht vergehen will. Dann ist der Blick enttäuscht von dem, was er sieht, das heißt, wie dieses aussieht. Gemeinte Farbe fehlt, neue, nicht immer lebhaftere kommt hinzu.

Hat man von einem Draußen nichts erwartet, so ist man freilich auch nicht enttäuscht. Ist eine Frau so leer, eine Stadt so grau, wie man sie ohnehin erwartet hat, dann bleibt das selber gleichgültig; oder aber umgekehrt, erst recht nicht enttäuschend, eine zu geringe Erwartung wird überboten: dann wird das, was den Anspruchsvollen ernüchtert, sogar noch zur Gabe. Dann wird auch schwacher Glanz beim Kennenlernen positiv überraschend; man bittet ihm die vorgefaßte Meinung ab. Insofern sind pessimistische Menschen, falls sie nicht verbittert wurden, die glücklichsten; sie können nur angenehm überrascht werden. Das ist ein trostloser, doch sozusagen keines Trostes bedürftiger Zustand an der Frau Welt: gnädige Frau können hier nur schöner werden. Das übliche Altwerden, besonders, wenn es einer niedergehenden Gesellschaft, dürftigen Zeit zugehört, hält ohnehin zu wenig von der Welt; so ist es also grämlich heiter. Aber auch auf jeden anderen Nullpunkt der Erwartung häuft sich leicht Angenehmes, ein Spaß als Zuwaage. Erfüllung ist das freilich nicht, weil kein Wunsch da ist, doch manchmal wirkt dergleichen als (sehr billiges) Geschenk.

Anders wird alles, sind Dinge allzu blumig gewünscht und geträumt. Dann sieht man sich allerdings sträflich enttäuscht, desto mehr, je vager ein nur privates Bedürfnis oder Schwärmen vorausgegangen ist. Das vorhandene Draußen mag dann zum Geschwärme und seinem schlechten Apriori überhaupt nicht stimmen; was geht den Vesuv das Gebet einer Jungfrau an? Überdies dürfen die falschen Erwartungsbilder nicht von privat oder lokal bekannten Schönheiten genährt sein, die man sich am anderen Ort nur gesteigert denkt. So wie sich mitteldeutsche Hochzeitspaare Italien als eine Art Superlativ vom Thüringer Wald vorstellen mögen: „geschlossenen Augs“, singt selbst auch Wagners Tannhäuser, „die Wunder nicht zu schauen, durchzog ich blind Italiens holde Auen“. Auch offenen Augs hätte der Sänger wenig Auen am Mittelmeer erblickt: denn wer bloß Ähnlichkeiten mit dem Zuhause oder auch einfache Kontraste dazu sucht, die schließlich dasselbe mit umgekehrtem Vorzeichen sind, wird immer enttäuscht werden, in einer „Fremde“, die nicht grundlos so heißt.

Die Vorher-Bilder müssen wenigstens halbwegs an häuslich Unvergleichlichem, wenn auch der „Ahnung“ Vergleichlichem, orientiert sein, soll ihr möglicher Schiffbruch nicht nur subjektiv etwas bedeuten. Sie brauchen mehr als eingespielte Gesichtsvorstellungen des Raums (wie sie, meist treffender hinzugefügt, auch die Lektüre einer Romanszene begleiten), sie werden selbst durch die üblichen Photos nicht verbessert, durch die des „dankbaren Motivs“, höchstens durch sachlich gelesene, selber präzise Reisebeschreibungen, deren es nicht viele gibt. Aber freilich werden auch im günstigen Fall Imago und Original selten zusammenkommen: der Hunger läßt sich nicht mitkochen, mit dem man nach der Sonne gefroren hat, obwohl er genau für sie empfindlich machte, ja zu ihr gehört, und auch das Bild vom Tempel in Paestum ist an dem wirklichen Tempel nicht mitgerahmt, obwohl ihm nicht halb so fremd, als dorische Idee, wie Tannhäusers Auen dem Mittelmeer. Indes der originale Tempel ist selbst noch im Vergleich zum orientierteren Vorher-Bild anders, Neapel ist anders, Rom ist anders, und mancher braucht Tage, oft Wochen, bis die Befremdung durch Imago überwunden ist, bis das wirkliche Neapel, Rom zureichend erscheinen.

Mitunter bleibt die erste Vorstellung sogar noch nach dem leidlich echten Sachblick bestehen, so wenig korrigiert und so fest ist sie in ihrer merkwürdigen Zwischenwirklichkeit verankert. Auch vor der mehr oder minder gelungenen Erfahrung eines Fernlands kapituliert so Imago nicht, trägt ihre Tore Italiens nur anderswohin im Land, und gar in Indien ist der allzu exotikfreudige Besucher so wenig gewesen wie Alexander. Nur selten erfüllt sich das geographische Vorher-Bild in einer Weise, die an der höchsten Erfüllung teilzunehmen scheint: an der erotischen, als der Wirklichkeit einer geliebten Frau, die vom Traum nicht überflogen werden will. Liebe und — im Objektraum — gewisse Augenblicke tiefster Betroffenheit, meist an „unscheinbaren“ Gegenständen, sind die einzigen Zeichen eines Stücks Landung in der Sache selbst.

Diese Art „Adäquation“ tritt aber geographisch noch seltener ein als an moralisch-mystischen Evidenzen (sofern überhaupt ein Vergleich erlaubt ist); nur der Orient gehört manchmal hierher, zuweilen auch orienthaft wirkende Exempel in Italien. So manche Marina vom Meer her gesehen, etwa der Insel Procida zwischen Neapel und Ischia, wenn sie genau wirkt, wie die Landschaft, die man als Knabe las: wir segelten vierzig Tage, da erblickten wir in der Ferne den Hafen einer indischen Stadt. Wobei die Marina nun freilich gar nicht Hafen einer indischen Stadt ist, trotz des Zaubers der Ferne, der Fremde vom Meer her, der unkontrollierbaren Buntelemente, nicht anders mag es — auch beim sachlich orientierteren und interessierteren Reisenden, ohne zuviel Kontrastideologie — mit den Teilerfüllungen des wirklichen Indien oder des nordafrikanischen Orients bestellt sein. Scheint dieser auch völlig Tausendundeine Nacht zu sein, in seinen Bettlern, Reitern, Plätzen, Trachten, verblüffend erhalten, berauschend genau: so ist es doch nur die Märchengeschichte, die alles überströmt, die sich in sich selbst „erfüllt“, also zur Wirklichkeit sui generis gar nicht leicht vordringen läßt. Kühle Einsicht erfahrener Reisender: In der Fremde ist niemand exotisch als der Fremde selbst. Alte Erfahrung von und bei Antiquitätenhändlern: Das echte Objekt unterscheidet sich dadurch vom falschen, daß das unechte eine zu große Vollkommenheit zeigt, das heißt, einer Imago des echten ähnlicher sieht.

So kann es auch zum besseren Vorher-Traum gehören, daß er schief überholt. Seine Bilder waren dann nicht von ausreichender Kenntnis getrübt, am wenigsten von der eines vorhandenen Elends, eines gerade in exotisch reizenden Ländern besonders üppigen. Oder gar: auch das Elend wird verzaubert, ver-reisezaubert, es erscheint dann, bald auf naive, bald auf frivole Weise, als „malerisch“ in eigener Fasson. Doch selbst wo dergleichen nicht statthat, wo die Vorher-Bilder halbwegs trafen und nicht allzu Poetisches wirklich, sondern Wirkliches wie poetisch erscheint, auch dort gibt es eine Sperre, diesfalls eine generelle, vor dem aktuellen Aha-Erlebnis der Ankunft. Diese Sperre hängt nicht mit den Ablenkungen schief überholender Vorher-Bilder zusammen, hat ihnen aber sozusagen, was erschwerte Ankunft angeht, gerade noch gefehlt. Gemeint ist auch hier die Decke ums Jetzt- und Hier-Erleben, an Ort und Stelle, genannt Dunkel des gerade gelebten Augenblicks. Dieses macht seinerseits die Anwesenheit relativ; es nimmt das Gerahmte des Vorher-Bilds weg, bringt das Unmittelbare des Erlebens an sich, des von sich unabgehobenen, des so gleichzeitig schattenden und grellen. Und dies Unsichtige setzt sich auch in dem noch verworrenen, wahrhaft schädlichen Raum fort, der rund um den Beschauer gerade liegt, zwischen dem Beschauer und der eigentlichen Landschaft, als Gestrüpp, Steine oder ähnlich Vordergründiges, das nicht zur Landschaft gehört, mit schwieriger Grenze, wo diese beginnt, wo sich aus nahestehenden Bäumen der abgehaltene, gestaltete Wald bildgemäß bildet.

Vor allem aber wirkt — von diesem generellen Dunkel und schädlichen Raum ganz abgesehen — in unserem speziellen Problem ein sui generis vollkommenes Vorher-Modell jederzeit eigentümlich und nicht immer günstig auf den objektivierenden Blick. Es kann zu schön sein, um (bereits) wahr zu sein, es kann ein zu fiktiver oder ein idealistisch-selbstgerechter, gar nur subjektiver „Idealbegriff“ sein, der die Sache verfehlt, indem er sie in einer Richtung überholt, die keineswegs (oder bestenfalls: noch keineswegs) die ihre ist. Gegen die Gefahr der allzu abstrakt oder auch allzu lang brennenden Bilder-Laterne vermag ein scharfer Blick zwar viel: das Einzel-Reiche, das nicht nur Störend-, sondern auch Kühn-Verwickelte des wirklichen Draußen geht gegen ein abstrakt Großzügiges, wo nicht Subjektiv-Glattes vom Vorher-Bild.

Wichtigst ist jedoch: selbst das schiefe Überholen wäre nicht möglich, hätte nicht immerhin noch Platz, wäre nicht die Welt von unvollendeter Beschaffenheit. Gefühlsmäßig ist die Hoffnung oft das Schönere am Genuß, praktisch war schon viele Verwirklichung ein Schachern an der ihr vorhergehenden „Idee“, die so in der Geschichte erst halberfüllt stehenbleiben kann und weiter vollzogen zu werden hat. Nicht anders kann so eine „Idee“ stehenbleiben wie ein erster bildgeladener Eindruck, aber auch — konkreter wie eine weitergeltende, unabgegoltene Anweisung. Die Reaktion nun auf solch Unabgegoltenes kann nicht wie die von schwärmerischen, bildüberfüllten Reisenden sein, die sich geradezu gern an Ort und Stelle enttäuschen lassen, mit dem bitteren Vergnügen, auch dort, wo sie nicht hinkamen, nichts versäumt haben.

Die Reaktion ist rechtens auch — jenseits der Reise, im Begriff- und Tatwesen — nicht die von Radikalen des Prinzips, die lieber eine ganze Enttäuschung sehen, sofern sie ihnen ihr vollkommenes Urbild wenigstens rein erhält, als eine halbe Erfüllung, sofern sie die „Idee“ in Rationen verwirklicht, zu herabgesetztem Preis, das heißt, wie sie meinen, konkret nie berichtigt, sondern nur heruntergehandelt. Die echte Reaktion steckt vielmehr in der Marx’schen Fassung des „Traums von einer Sache“, in der historisch-tendenziell vermittelnden Fassung, die er in einem Brief, 1843, an Ruge anmahnt. Der Brief bezieht sich selbstverständlich nicht auf irgendeine Art Phantasma, auch in noch so reizender Gestalt. Die Fata Morgana hat ausgespielt, die gefährliche in der Wüste wie die märchenhafte, nach der die gefährliche benannt ist, die gute Fee Morgain, die ihren König Artus nach dem seligen Land Avalun geleitet, und jeder andere aus dem Traum steigende Retter, Gott, Kaiser, Tribun. Bacon hatte gesagt, die kommende „natürliche“ Magie würde sich zur alten, angeblichen, legendären verhalten wie die Taten Alexanders zu denen der Ritter aus Artus’ Tafelrunde: verhalten sich doch schon die großen sozialistischen Utopisten aus der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Fourier, Owen, Saint-Simon, kenntnislosem Phantasma gegenüber so empirisch überlegen; und gar erst der basishafte Marx. Mit dem Ansatz der Veränderung im Proletariat, statt in einem mehr oder minder privat bleibenden, immer noch abstrakten Traum.

Trotzdem eben, genau um des vermittelten Traums willen, wie er im religiösen, philosophischen, politischen Bewußtsein der Vergangenheit umging, befindet die Briefstelle, veranlaßt durch Ruges ahistorischen Radikalismus: „Es wird sich dann zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen.“ Der „Traum von einer Sache“ erscheint hier also durchaus als ein vorwegnehmender, als ein durch die Verhältnisse getrübter, gehinderter, dem im Marxismus endlich die Stunde seiner Wissenschaft und Praxis zu beginnen hat. Ein Aufgewecktes beginnt nicht den Traumgehalt herunterhandelnd, auch nicht ad acta historica schlagend, sondern ihn erhellend, auf die Füße stellend, soweit auch er solche hat, realistisch realisierend. Wobei das Vorwegnehmende, wie es im Traum von einer Sache gedacht ist, ja nicht nur eines in der Vergangenheit war, sondern viel genauer auch eines in der Gegenwart ist, als zukunftsschwangere und so zu besorgende.

Faßt man dies Vorwegnehmende rein nach seiner subjektiven Seite, so ließe sich der Traum von einer Sache sogar ein Apriori nennen, allerdings eines ganz unformaler Art. Und eines, das so wenig transzendental im Kantischen Sinn ist, daß es nicht vor jeder möglichen Erfahrung wirkt, sondern intentional mit ihr, als Tendenz. Dergestalt gäbe es dann im progressiven Menschen, im Primat seiner utopischen Vernunft durchaus auch Material a priori, nicht bloße Formen, wie bei Kant. So ließe sich cum grano salis sagen: „Historisches“ Material a priori arbeitet inhaltlich in der Wunschzeit, mit der der Mensch bewußt und utopisch in die gegebene Zeit einschlägt, sie wirklich erst zu einem Geschichtsprozeß machen will, in Richtung auf ein menschadäquates Reich.

„Geographisches“ Material a priori macht sich im Überschuß von Wunschträumen über die gegebenen Räume geltend; dieses Material macht sich technisch-architektonisch kenntlich, und ästhetisch, noch-ästhetisch erscheint es als utopische Landschaft in Malerei und Dichtung. Die Phrase, womit sich Defaitisten aus der politischen Welt ziehen wollen: die Seele habe keinen Bosporus und keine Vogesen — ist drum rein wörtlich falsch; denn sie hat gerade das Auswendige in ihren Vorher-Bildern. Sie hat es nur nicht im Forminhalt einer fertig-gegebenen Erfahrung, sondern einer erst tendenzhaft, tendenz-bildhaft repräsentierten. Damit aber erlangt vor allem die subjektiv-intendierende Seite ihre Zu-und Unterordnung unter die objektive Seite, als die einer objektiven Intention, nämlich Tendenz. Wonach die Welt den Traum von einer Sache (von unserer und ihrer Grundsache) höchst realistisch, ja einzig realistisch auch im Objekt hat. Solange diese Grundsache (Gesellschaft ohne Entfremdung, Natur ohne Kreislauf aus Entwicklung und Rückentwicklung) noch nicht heraus ist, bleibt ein utopischer Überschuß auch in der reichsten Verwirklichung, ein Rest an Traumbildern. Der ist nicht Schweigen, auch nicht Bildermalen oder Glockenläuten vom Himmelreich, sondern erst recht Material a priori: Sprengstoff. Ein höchst belebendes Material oder das Feuer der Ungenügsamkeit in subjektiver Intention, objektiver Tendenz zugleich. Triebe das nicht gemeinsam, dann wäre die menschliche Welt und die darin bearbeitete äußere keinen Schritt vorwärts gekommen.

Marx über die Reformer

Nicht nur, daß eine allgemeine Anarchie unter den Reformern ausgebrochen ist, so wird jeder sich selbst gestehen müssen, daß er keine exakte Anschauung von dem hat, was werden soll. Indessen ist das gerade wieder ein Vorzug der neuen Richtung, daß wir nicht dogmatisch die Welt antizipiren, sondern erst aus der Kritik der alten Welt die neue finden wollen. Bisher hatten die Philosophen die Auflösung aller Rätsel in ihrem Pulte liegen, und die dumme exoterische Welt hatte nur das Maul aufzusperren, damit ihr die gebratenen Tauben der absoluten Wissenschaft in den Mund flogen ...

Ich bin daher nicht dafür, daß wir eine dogmatische Fahne aufpflanzen, im Gegenteil. Wir müssen den Dogmatikern nachzuhelfen suchen, daß sie ihre Sätze sich klar machen. So ist namentlich der Kommunismus eine dogmatische Abstraktion, wobei ich aber nicht irgend einen eingebildeten und möglichen, sondern den wirklich existirenden Kommunismus, wie ihn Cabet, Dezamy, Weitling etc., lehren, im Sinne habe. Dieser Kommunismus ist selbst nur eine aparte, von seinem Gegensatz, dem Privatwesen, infizirte Erscheinung des humanistischen Prinzips. Aufhebung des Privateigentums und Kommunismus sind daher keineswegs identisch, und der Kommunismus hat andre sozialistische Lehren, wie die von Fourier, Proudhon etc., nicht zufällig, sondern nothwendig sich gegenüber entstehen sehn, weil er selbst nur eine besondre, einseitige Verwirklichung des sozialistischen Prinzips ist.

Und das ganze sozialistische Prinzip ist wiederum nur die eine Seite, welche die Realität des wahren menschlichen Wesens betrifft.

Wir treten dann nicht der Welt doktrinär mit einem neuen Prinzip entgegen: Hier ist die Wahrheit, hier kniee nieder! Wir entwickeln der Welt aus den Prinzipien der Welt neue Prinzipien. Wir sagen nicht: laß ab von deinen Kämpfen, sie sind dummes Zeug; wir wollen dir die wahre Parole des Kampfes zuschreien. Wir zeigen ihr nur, warum sie eigentlich kämpft, und das Bewußtsein ist eine Sache, die sie sich aneignen muß, wenn sie auch nicht will.

Die Reform des Bewußtseins besteht nur darin, daß man die Welt ihr Bewußtsein inne werden läßt, daß man sie aus dem Traum über sich selbst aufweckt, daß man ihre eignen Aktionen ihr erklärt. Unser ganzer Zweck kann in nichts Anderem bestehn ...

Unser Wahlspruch muß also sein: Reform des Bewußtseins nicht durch Dogmen, sondern durch Analysirung des mystischen, sich selbst unklaren Bewußtseins, trete es nun religiös oder politisch auf. Es wird sich dann zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen.

Marx an Ruge, September 1843
Eine Nachricht, ein Kommentar?
Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)