FORVM, No. 243
März
1974
NF-Dokumentation

Unser neuer Kaiser Resa

Während in Westeuropa (Frankreich, England) der Rassismus bereits öffentlich Orgien feiert, konzentriert man sich in Mitteleuropa (BRD, Österreich) noch auf die studentische Vorhut. Die Ölkrise, sprich das Bündnis der westlichen Konzerne mit den feudalen Herrscherklassen des mittleren Ostens, bietet ideale Gelegenheiten, die jeweilige Opposition zu „kalmieren“. Die Ausbeuter Europas einigen sich mit den Ausbeutern Persiens und Arabiens, daß nicht die andersartigen südlichen Völker schlechthin minderwertig sind, sondern nur die linken Studenten und Arbeiter. Eine Version, die eine Verschärfung der Wirtschaftskrise nicht überdauern wird, aber solange sie hält, ist Schah Mohammed Resa Pahlevi der Kaiser von Europa, das Idol aller „Ordnungskräfte“.

BRD

Massenspaziergang

Unverhüllt forderte der Iran eine schärfere Überwachung persischer Schah-Gegner in Deutschland. Die Novellierung (Verschärfung) des Ausländergesetzes kann als unmittelbare Folge der persischen Forderungen während des Brandt-Besuches betrachtet werden.

Durch die verschärfte Überwachung von Persern in der BRD und die inzwischen praktizierte Zurückhaltung der Presse scheint der Schah zufrieden gestellt. In einem Interview sagte er: „Dank der Massenmedien waren unsere Beziehungen sehr schlecht ... Auch bei Ihnen gibt es diese verrückten Kerle, Ihre landeseigene Sorte Hippies, europäische Hippies sozusagen, denn überall sind sie ein bißchen anders. Aber das ist ja inzwischen alles vorbei. Hoffe ich jedenfalls, für mich und für Sie. Seit dem Besuch von Bundeskanzler Brandt haben die Dinge begonnen, sich zu ändern. Und jetzt bei dem Besuch von Minister Friederichs, denke ich, haben wir uns verstanden und auch begriffen, wie gut wir zusammenarbeiten können.“ (Hessischer Rundfunk, 23. Oktober 1973).

Der Kapitalismus befindet sich nämlich solange nicht in der Systemkrise, solange er die Möglichkeit zu weiterer Expansion hat. Und tatsächlich war noch nie „das Interesse der deutschen Industrie im nahöstlichen Kaiserreich größer als zur Zeit“. (Die Zeit, 19.10.73).

In Köln und zweimal in Frankfurt wurden Demonstrationen der Conföderation Iranischer Studenten/Nationale Union (CISNU) verboten.

Zur Protestdemonstration in Frankfurt forderten alle linken Gruppen inklusive der Jusos auf. Dadurch, daß diese Demonstration — in der Form von Diskussionsgruppen in der Innenstadt — nicht von der Polizei verhindert werden konnte, wurden auch gewisse Grenzen einer „Law-and-Order“-Politik sichtbar. Zudem verurteilte der SPD-Unterbezirk Frankfurt die Verbotsverfügung des hessischen Innenministers Bielefeld und den Polıizeieinsatz.

Michael Schwelien
links
Offenbach
Februar 1974
ÖSTERREICH

Neujahrsprügel

Der Schah traut sich nur mehr zur Ferienzeit nach Wien, wo er sicher sein kann, daß sich ihm keine größeren Studentenmengen in den Weg stellen. Die Polizei nützte eine kleine Demonstration zu einem ausgiebigen Prügelfest.

In der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember 1973 wurden drei persische Studenten beim Anbringen von Plakaten gegen das Schah-Regime verhaftet. Als bis 29. Dezember (Samstag) gegen Abend keine Nachricht über die Situation der drei Studenten bekannt wurde, wollte eine Delegation aus Persern und Österreichern im Sicherheitsbüro der Polizei die Freilassung der Festgenommenen und Sprecherlaubnis erreichen, sowie die Begründung der Verhaftung erfahren. Ungefähr 50 Kollegen warteten gegenüber dem Polizeigefangenenhaus an der Elisabethpromenade auf dem Gehsteig in voller Ruhe, ohne demonstratives Verhalten (kein Transparent, kein Schrechchor) auf das Ergebnis der Vorsprache der Delegation.

Kurz darauf fuhren von der einen Seite etwa zehn Funkstreifenwagen vor, von der anderen Seite kam ein Einsatzwagen. Behelmte Polizisten umzingelten die völlig überraschte Gruppe der Wartenden und schlugen ohne vorherige Warnung mit Gummiknüppeln auf sie ein. Vor dem Polizeigefangenenhaus stand ein Spalier von Kriminalbeamten in Zivil, einige in Straßenmitte schlugen auf die Perser und Österreicher mit Fäusten und Fußtritten ein — gezielt ins Gesicht, in die Augen —, während uniformierte Polizisten ihre „Beute“ an den Haaren ins Büro zerrten. Einen persischen Studenten stießen sie mit dem Gesicht gegen ein Eisengitter. Einem Mädchen setzten sie mit den Worten „Die Puppe nehmen wir auch mit!“ die Pistole an. Auch im Warteraum wurden die Festgenommenen weitergeschlagen, obwohl bereits überall Blutspuren von zum Teil schweren Verletzungen zeugten. Acht Perser und drei Österreicher wurden insgesamt verhaftet und in einer Gemeinschaftszelle untergebracht.

Am nächsten Tag (Sonntag) kamen alle in Einzelzellen, nachmittags begann die Einvernahme. Der Polizeikommissar fragte zuerst nach der politischen Einstellung der Festgenommenen, ob man „links“ sei, und auf den Hinweis auf die Menschenrechtserklärung erwiderte er, sie sei „ein Verrat an der weißen Rasse“, und die Österreicher, die Protestschreiben der Perser unterschrieben, würden das „österreichische Land verraten“. Einige Perser wurden mit der Abschiebung bedroht. Ein Polizeibeamter äußerte: „Ihr seid die Letzten — Feiglinge, Affen! ...“ Er rief nach dem starken Mann „... dann werdet ihr schon sehen!“

Montag, am 31. Dezember forderten die Verhafteten ärztliche Betreuung und Aussprache mit ihrem Anwalt und Unterbringung in einer Gemeinschaftszelle, andernfalls würden sie ihren zu Mittag begonnenen Hungerstreik bis zur Erfüllung ihrer Forderungen fortsetzen. Der Wärter erklärte jedoch, er sei nicht zuständig und könne auch die Direktion nicht verständigen.

Dienstag kam zwar endlich ein Arzt, aber er verteilte gegen Nasenbeinbruch, offene Quetschwunden, Prellungen, Blut im Harn, Nierenschmerzen usw. ohne Untersuchung allen dieselben Kopfschmerztabletten. Während der ganzen Haftzeit (sechs Tage) besuchte der Arzt zweimal die Verhafteten, nahm aber trotz erheblicher Verletzungen weder Untersuchung noch Hilfeleistung vor. Der Vorschlag eines Polizeibeamten, für einen der Gefangenen, der nach einem Nasenbeinbruch unter heftigem Nasenbluten litt, einen Krankenwagen zu holen, wurde geflissentlich überhört. Eine Perserin, die einzige Frau, die verhaftet wurde, litt unter starken Blutungen und Unterleibskrämpfen, bekam aber keine Medikamente dagegen, sondern wurde von der Wärterin unflätig beschimpft.

Mittwoch wurde den Inhaftierten endlich wieder eine Gemeinschaftszelle zugewiesen, der Hungerstreik nach Erfüllung der Forderungen abgebrochen (der Anwalt hatte Montag, den 31. mit den Verhafteten Kontakt aufnehmen können), nur die Perserin, die keinerlei Kontakte aufnehmen konnte, hungerte bis zu ihrer Entlassung.

Donnerstag, den 3. Jänner 1974, in der Zeit von Nachmittag bis Abend, entließ man alle Gefangenen. Die drei verhafteten Österreicher waren schon Sonntag abend, nach 24 Stunden, entlassen worden.

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