FŒHN, Heft 21
 
1995

Das ist Fleisch vom selben Fleisch

Weil es schon fast aussichtslos ist, inhaltlich zwischen Haider und den anderen Parteien zu unterscheiden, ist es vorteilhaft, uns an die Wortwahl zu halten. Haider, heißt es, führe eine verharmlosende Sprache. Hier können wir ihn also festmachen. Da haben wir auch schon so einen typischen Sager: Zur systematischen Ausrottung der Zigeuner im Nazikapitalismus sagt er „dieser Vorfall“. Pardon, das war Vranitzky im ORF-Morgenjournal am 11.2.95. Haider hat die millionenfachen industriemäßigen Tötungen in jener Zeit „Vorgänge“ genannt (Profil, 18.2.85). Wenn er freilich im Nazijargon von der „Endlösung der Bauernfrage durch die Bundesregierung“ (Freiheitlicher Pressedienst, 17.6.87) spricht, macht ihm das keiner nach. Außer der Wiener SP-Bürgermeister Zilk, wenn er sich eine „Sonderbehandlung“ (wie die Nazis Ermordungen zu nennen pflegten) Österreichs durch das Amerikanische jüdische Komitee scharf verbittet (Profil, 28.10.91). „Wenn die Regierung nicht nachgibt, kommt es zum Marsch auf Wien.“, drohte kürzlich die tiefschwarze Tiroler Wirtschaftskammer in mehr als deutlicher Anlehnung an Mussolinis faschistischen Marsch auf Rom (T Wirtschaft, 24.2.95). Um hier mithalten zu können, sah sich Haider am 5.5.95 im Parlament genötigt, den Grünen (wie vordem die Nazis ihren Gegnern) „Wehrkraftzersetzung“ vorwerfen. Haider verharmlost bewußt, heißt es. Dann machen’s die andern unbewußt. Was ist besser? Wenn Haider geprügelt wird, weil er den beschönigenden NS-Begriff „Straflager“ verwendet hat (Parlament, 10.2.95), statt brav wie alle anderen ständig den beschönigenden hochoffiziellen NS-Begriff (!) „Konzentrationslager“ für die Menschenvergasungsfabriken, dann sehen wir, daß wir auch hier nicht weiterkommen. Wenn jeder als Haider geht, wie sollen wir ihn da noch herauskennen!

Weil die politischen Inhalte des Haider den politischen Inhalten der Nichthaider zum Verwechseln ähnlich sind, muß er auf deren Verpackung setzen. Und eine unflätige Sprache führt er in der Tat! Statt etwa zu sagen, „es ist ganz schlecht, wenn wir der EG nicht beitreten“, poltert er: „Wenn wir nicht beitreten, droht uns das Schicksal eines Entwicklungslandes.“ Entschuldige, das war jetzt der Wiener ÖVP-Gemeinderat W. Nettig (Wiener, Mai 1991). Haider hat formuliert: „Nur eine Vollmitgliedschaft kann verhindern, daß Österreich zu einem Entwicklungsland in Europa wird.“ (Presse, 21.9.87) Leicht wird es ihm nicht gemacht, sich von den anderen abzuheben. Wenn er donnert, „nur die EG kann verhindern, daß Österreich zu einer europäischen Bettlerrepublik wird“ (Parteipressedienst, 25.3.87), droht er gegen Andreas Khol (ÖVP) unterzugehen, der die Tiroler ohne EG-Beitritt „als Schwabenkinder wieder im Ausland arbeiten“ sieht (TT 29.5.92). Was ist das Kampfwort von einer uns drohenden „Balkanisierung“ Österreichs noch wert, das Haiders Einflüsterer Mölzer prägt (Aula, 1/88), frage ich, wenn der ÖVP-Abgeordnete Dieter Lukesch mit einer uns drohenden „Albanisierung“ Österreichs (TT; 25.6.91) an ihm vorbeizieht?

Wo kein genügender Gegensatz in der Sacbe vorliegt, da muß, um das vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen, Flegelei in der Sprache herhalten. Die Catcherei am Wiener Heumarkt ist ein Schnackerltheater gegen das, was dem zahlenden Publikum hier österreichweit auf allen Kanälen und in hundert Zeitungen und Zeitschriften vorgespielt wird. Und was sieht dieses Publikum? Noch in der gegenseitigen Anflätung, in der sich der Haider und der Nichthaider der österreichischen Politik turmhoch übertreffen wollen, treffen sie sich aufs Wort! Selbst in den ekligsten kraftmeierischen Untergriffen, mit denen sie agieren, um sich zu unterscheiden, unterscheiden sie sich nicht.

Ihr verbales Amoklaufen ist ein wohlgeübtes Amok-Schaulaufen.

Unsretwegen. Im Schutze der Politiker-Immunität bieten sie uns eine nie endende

→ Wrestling-Exhibition

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