FORVM, No. 150-151
Juni
1966

Für unbehinderte Kritik

Aus Anlaß des 20jährigen Bestehens der Sektion Journalisten überbringe ich die Glückwünsche des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Die Journalistensektion zählt unter den rund 1,5 Millionen Mitgliedern des ÖGB zu den zahlenmäßig kleinen Gruppen; doch kommt ihr schon deshalb besondere Bedeutung zu, weil in zahlreichen anderen Ländern die Berufsverbände der Journalisten den Gewerkschaften fernstehen und oft, aus parteipolitischen oder sonstigen Gründen, in mehrere Verbände aufgespalten sind. Ich kann daher mit Genugtuung feststellen: Die österreichischen Journalisten sind in ihrer überwiegenden Mehrheit auch gute Gewerkschafter. In ihrer Sektion wirken Journalisten verschiedener parteipolitischer und parteiunabhängiger sowie weltanschaulicher Gruppen einträchtig zusammen. In gemeinsamer Arbeit ist ihre Sektion nicht nur um die Hebung des materiellen Standards der österreichischen Journalisten bemüht — wobei sie auf beachtliche Erfolge hinweisen kann —, sondern sie erhebt auch ihre Stimme in Fragen der Standesethik. Die Sektion Journalisten tritt stets für die Wahrung und den Ausbau der Pressefreiheit ein und hat maßgeblich zur Ausarbeitung eines neuen Pressegesetzentwurfes beigetragen; ebenso aber wendet sie sich gegen Mißbrauch der Pressefreiheit, wovon die Errichtung und Tätigkeit des Österreichischen Presserates Zeugnis gibt.

Diese Leistungen und Initiativen finden auch internationalen Anklang. Die Sektion nimmt in der Internationalen Journalistenföderation eine sehr beachtete Stellung ein, wie sie die Verbände weit größerer Staaten kaum aufweisen. Die Sektion Journalisten ist Gründungsmitglied dieser internationalen Organisation, der heute rund 40 Länder in allen Kontinenten angehören. Wenn 1962 der Weltkongreß der Internationalen Journalistenföderation in Wien durchgeführt wurde und österreichische Journalisten auch im leitenden Büro dieser Weltorganisation vertreten sind, so gibt dies Zeugnis dafür, daß die österreichischen Gewerkschafter in den internationalen gewerkschaftlichen Berufsverbänden Anerkennung finden und daß das Ansehen des Österreichischen Gewerkschaftsbundes in der Gewerkschaftsinternationale wohl begründet ist.

Ich bitte die österreichischen Journalisten im Namen des ÖGB, ihre Ziele im nationalen und internationalen Bereich auch in den kommenden Jahren mit Entschiedenheit zu verfolgen. Treten Sie jedem Versuch, die Pressefreiheit zu beschränken, mutig entgegen, sorgen Sie aber auch ebenso mutig dafür, daß diese Pressefreiheit nicht mißbraucht wird.

Aus der freien Gesellschaft ist echte Pressefreiheit nicht wegzudenken. Um so größer ist die uns mit dieser Macht auferlegte Pflicht. Der ÖGB tritt für Pressefreiheit und für die damit in Zusammenhang stehenden Fragen ein, nicht nur weil in seinen Reihen auch Journalisten stehen, deren Interessen er sich ebenso verpflichtet fühlt wie jenen aller übrigen arbeitenden Menschen, sondern weil die Freiheit der Presse zu den Tragpfeilern unseres demokratischen Staatswesens gehört. Nur sollten wir stets daran denken, daß die Pressefreiheit, wie der verstorbene deutsche Bundespräsident Theodor Heuss sagte, „ihr eigentliches und letztes Ethos nicht dadurch erhält, daß Verleger, Redakteure, Journalisten äußerlich unabhängig, sondern daß sie selber innerlich freie Menschen sind“.

Der 5. Bundeskongreß des ÖGB hat die Forderung nach einem neuen, modernen Pressegesetz erhoben, das die Aufgaben der Presse festlegen und nicht nur die freie Meinungsäußerung, sondern auch die Informationsfreiheit auf moderne Weise verankern soll. Wenn die Presse ihre öffentliche Aufgabe der Berichterstattung, Kommentierung und Kritik vor allem hinsichtlich der öffentlichen Einrichtungen erfüllen soll, muß ihr freier Zugang zu den Informationsquellen gewährleistet werden, soweit dem nicht schwerwiegende schutzwürdige Interessen entgegenstehen.

Unter den neuen Bedingungen der Alleinregierung einer Partei kommt dem ungehinderten Zugang der Presse aller Richtungen zu den Informationsquellen sowie auch dem Recht auf freie, unbehinderte, offene Kritik an Maßnahmen der Regierung besondere Bedeutung zu.

Zur Sicherstellung dieses Rechtes auf Information und Kritik sollten alle einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen überprüft und gegebenenfalls revidiert werden, welche die Unterdrückung von Berichterstattung und Kritik auf allzu einfache und weitgehende Art ermöglichen; dies gilt insbesondere auch für die Bestimmungen über Beschlagnahmen.

Der 20. Jahrestag der Sektion Journalisten sollte aber auch daran erinnern, daß Pressefreiheit und Verantwortung untrennbar sind. Je gewissenhafter Journalisten diese ihre Verantwortung wahrnehmen, um so größer wird die Freiheit sein, die sie in der Gesellschaft genießen.

Eine Nachricht, ein Kommentar?
Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)